Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3360/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1310/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV steht der Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV nur dann entgegen, wenn das konkrete Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Betriebsprüfung war. Verwaltungsverfahren zur Durchführung einer freiwilligen Krankenversicherung und Kontenklärungsverfahren bei einem Rentenversicherungsträger sind keine
"Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" iSd § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Der Anspruch eines mitarbeitenden Gesellschafters, der über keine Sperrminorität verfügt, auf eine Tantieme von 20% des Jahresüberschusses der Gesellschaft begründet noch kein unternehmerisches Risiko, wenn der Gesellschafter zudem Anspruch auf ein festes Monatsgehalt hat.
"Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" iSd § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Der Anspruch eines mitarbeitenden Gesellschafters, der über keine Sperrminorität verfügt, auf eine Tantieme von 20% des Jahresüberschusses der Gesellschaft begründet noch kein unternehmerisches Risiko, wenn der Gesellschafter zudem Anspruch auf ein festes Monatsgehalt hat.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23.10.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren festzustellen, dass der Kläger zu 1) seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 2) ab dem 01.01.2000 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausübt und nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Klägerin zu 2) ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Freiburg (HRB ...) eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung und Organisation von Transporten und Logistik-Dienstleistungen aller Art. Gesellschafter der Klägerin zu 2) sind A. B. und J. L. (Kläger zu 1). Auf die Stammeinlage der Klägerin zu 2) in Höhe von 25.000 EUR brachten Herr B. 15.000 EUR und der Kläger zu 1) 10.000 EUR ein. Der Kläger zu 1) ist ausgebildeter Speditionskaufmann, der Mitgesellschafter-Geschäftsführer Herr B. ist von Beruf ursprünglich Fernfahrer. A. B. war zuvor Inhaber eines Einzelunternehmens.
Im Gesellschaftsvertrag vom 02.12.1999 (Bl 14 Verwaltungsakte) wurden der Kläger zu 1) und Herr B. zu Geschäftsführern bestellt und jeweils zur Alleinvertretung unter Ausschluss des Selbstkontrahierungsverbotes ermächtigt. Die Abberufung eines Geschäftsführers ist gemäß § 5 Abs 5 des Gesellschaftsvertrags mit einfacher Stimmenmehrheit möglich. § 7 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags sieht für alle sonstigen Gesellschafterbeschlüsse gleichfalls die einfache Stimmenmehrheit vor. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je 500 EUR eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.
Im Geschäftsführervertrag vom 28.12.1999 (Bl 6 Verwaltungsakte) ist ua Folgendes geregelt: Gemäß § 2 Abs 1 ist der Vertrag von jeder Seite ohne weitere Voraussetzungen mit 6-Monatsfrist zum Jahresende kündbar. Nach § 2 Abs 2 ist das Dienstverhältnis außerordentlich kündbar, wenn die Gesellschafterversammlung den Kläger zu 1) als Geschäftsführer abberuft oder wenn er gegen Weisungen der Gesellschafterversammlung schwer verstößt. § 3 bestimmt, dass der Kläger zu 1) ein monatliches Festgehalt von 7.000 DM (seit 01.01.2002 festes Monatsgehalt in Höhe von 5.800 EUR, Bl 48 Verwaltungsakte), Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei Bestand des "Anstellungsverhältnisses" bis zum Ende des Auszahlungsmonats sowie eine Gewinnbeteiligung von 20 % des steuerpflichtigen Jahresgewinns (vor Körperschafts- und Gewerbesteuer) erhält. § 5 verbietet dem Kläger zu 1) jegliche Nebentätigkeiten ohne vorherige und jederzeit widerrufliche Zustimmung der Gesellschaft. § 7 bestimmt einen 30-tägigen bezahlten Jahresurlaub. § 8 sieht eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für 6 Wochen vor.
Ob die Kläger im Dezember 1999 bei der zuständigen Einzugsstelle einen Antrag auf Klärung des Status des Klägers zu 1) gestellt haben, ist zwischen den Beteiligten im Streit. Die Beigeladenen zu 2) und 3) bestreiten den Zugang eines entsprechenden Antrags (vgl. Bl. 28 und 38 Senatsakte).
Am 20.12.2001 verbürgte sich der Kläger zu 1) selbstschuldnerisch für Verbindlichkeiten der Klägerin zu 2) in Höhe von bis zu 100.000 DM gegenüber der Sparkasse H ... Am 14.03.2006 wurde diese Bürgschaft auf 100.000 EUR erweitert. Am 11.02.2010 übernahm der Kläger eine weitere, der Höhe nach unbegrenzte selbstschuldnerische Bürgschaft für Verbindlichkeiten der Klägerin zu 2) gegenüber der U. T. E. GmbH & Co. KG. Am 12.03.2009 vereinbarten die beiden Kläger einen Rangrücktritt der Versorgungsansprüche des Klägers zu 1) gegen die Klägerin zu 2) hinter Ansprüche anderer Gläubiger (Bl 52 SG-Akte).
Im Mai 2011 erwarben der Kläger zu 1) und Herr B. gemeinsam ein 8.000 qm großes Grund-stück. Am 08.08.2011 gründeten sie neben der GmbH noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu je gleichen Teilen. Gesellschaftszweck ist die Errichtung eines Firmensitzes für die Klägerin zu 2) auf dem gemeinsamen Grundstück und die fortwährende Vermietung dieser Immobilie an die Klägerin zu 2).
Ebenfalls am 08.08.2011 schlossen der Kläger zu 1) und Herr B. einen schriftlichen "Stimm-bindungsvertrag" über "die seit Gründung der B. GmbH getroffenen mündlichen Vereinbarungen zu Beweiszwecken". Darin verpflichten sie sich zur übereinstimmenden Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung der B. GmbH oder zur gemeinsamen Stimmenthaltung. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird in § 3 mit einer Vertragsstrafe von 20.000 EUR je Zuwiderhandlung bewehrt.
Am 28.10.2011 beantragten die Kläger bei der Beklagten eine Klärung des Status des Klägers zu 1). Nach ihren Angaben war diesem Antrag eine wiederholte Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg unmittelbar vorausgegangen, die mit der Empfehlung bzw mit der Maßgabe geendet habe, diesen Antrag bei der Beklagten zu stellen.
Mit zwei Anhörungsschreiben vom 16.11.2011 (Bl 42/44 Verwaltungsakte) teilte die Beklagte mit, es sei beabsichtigt, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen.
Die Klägerin trug hierauf vor, der Kläger zu 1) verfüge über mehr als 25 % der Anteile und könne "gemäß Gesellschaftsvertrag mit einer Sperrminorität die dort genannten Beschlüsse verhindern" (Bl 46 Verwaltungsakte).
Mit zwei Bescheiden vom 23.12.2011 (Bl 70/73 Verwaltungsakte, ohne Absendevermerk) gegenüber dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) stellte die Beklagte eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1) und die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung fest.
Auf die am 30.01.2012 erhobenen Widersprüche der Kläger erließ die Beklagte die Teilabhilfebescheide vom 26.03.2012 (Bl 98/99 Verwaltungsakte) und nahm hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung die Bescheide vom 23.12.2011 zurück. Das regelmäßige Entgelt des Klägers zu 1) übersteige die Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Im Übrigen wies die Beklagte die Widersprüche mit den Widerspruchsbescheiden vom 21.06.2012 (Bl 102/105 Verwaltungsakte) als unbegründet zurück. Der Kläger zu 1) sei am Stammkapital der Klägerin zu 2) mit lediglich 40 % beteiligt, weshalb er auf die Beschlussfassung der Klägerin zu 2) keinen maßgeblichen Einfluss ausüben könne. Er unterliege zwar durch die Übernahme der Bürgschaft und der zur Verfügung gestellten Grundschuld einem gewissen finanziellen Risiko, jedoch würden sich daraus keine weiteren Rechte, insbesondere kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ergeben.
Hiergegen haben die Kläger am 06.07.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen vertieft. Der Kläger zu 1) sei bereits seit dem 01.07.1993 im Betrieb der Klägerin zu 2) tätig, zunächst bis zum 31.12.1999 als Angestellter, sodann ab 01.01.2000 als Geschäftsführer. Aufgrund seines Anteils iHv 40 % am Stammkapital könne er gemäß Gesellschaftsvertrag mittels einer Sperrminorität die dort genannten Beschlüsse verhindern. Er erhalte eine gewinnabhängige Tantieme iHv 20 % des steuerlichen Jahresüberschusses. Kraft seiner speziellen Fachkenntnisse verfüge er als Einziger über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Fachkenntnisse. Er sei als einziger Geschäftsführer als Speditionskaufmann ausgebildet. In der Vergangenheit seien ihm nie irgendwelche Weisungen in Form von Gesellschafterbeschlüssen erteilt worden. Er besitze darüber hinaus umfassende Personalverantwortungen, sei jederzeit in der Lage, Personal einzustellen oder zu entlassen, ohne dabei irgendwelchen Beschränkungen zu unterliegen. Darüber hinaus entscheide er über den betrieblichen Grundbesitz mit, indem er zu 50 % an der BGB-Gesellschaft beteiligt sei, die im August 2011 bezüglich des Betriebsgrundstückes gegründet worden sei. Seine Tätigkeit sei nicht mit der eines normalen Arbeitsnehmers vergleichbar. Er arbeite regelmäßig über dem tariflichen Durchschnitt einer 40-Stunden-Woche, nämlich ca 60-70 Stunden pro Woche. Insoweit stelle seine Vergütung, gemessen am Umfang und der Verantwortung seiner Tätigkeit keine äquivalente Vergütung für die von ihm geleistete Tätigkeit dar. Aus betrieblichen Gründen würde der Kläger zu 1) jederzeit auf Urlaub verzichten und habe dies auch in der Vergangenheit bereits getan. Durch die Übernahme von Bürgschaften bzw Grundschulden trage er ein besonderes unternehmerisches Risiko.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der Widerspruchsbescheide Bezug genommen. In "ruhigen Zeiten" erscheine zwar die tatsächliche Rechtsmacht durch ein entsprechendes Vertrauensverhältnis überlagert, sodass faktisch kein Gebrauch gemacht werde. Dies ändere aber nichts daran, dass rechtliche Vereinbarungen ihre Bedeutung oft erst im Konfliktfall erlangten und das Vertrauensverhältnis dann ein Ende habe.
Mit Beschluss vom 18.09.2012 hat das SG die Bundesagentur für Arbeit, die S. Betriebskrankenkasse sowie die Pflegekasse zum Verfahren beigeladen.
Mit Schreiben vom 10.08.2012 haben die Kläger am 15.08.2012 erneut bei der Beklagten eine Statusfeststellung für die Zeit ab 01.01.2010 beantragt, weil seither wesentliche Veränderungen eingetreten seien.
Mit Bescheiden vom 22.10.2012 hat die Beklagte die Durchführung eines neuen Statusfeststellungsverfahrens abgelehnt, da keine wesentlichen tatsächlichen Veränderungen gegenüber dem bereits berücksichtigten Sachverhalt eingetreten seien. Auf die von den Klägern eingelegten Widersprüche vom 07.11.2012 hat die Beklagte die Bescheide vom 22.10.2012 zunächst durch die Bescheide vom 20.12.2012 aufgehoben und das Statusfeststellungsverfahren wieder aufgenommen und hat sodann mit den Bescheiden vom 11.02.2013 gegenüber dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) festgestellt, dass auch nach dem 01.01.2010 eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) vorliege (vgl Bl 62 ff SG-Akte).
Die hiergegen eingelegten weiteren Widersprüche der Kläger vom 15.02.2013 hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 20.11.2013 unter Hinweis auf § 96 SGG als unbegründet zurückgewiesen (Bl 73/76 SG-Akte). Insbesondere die Stimmbindungsvereinbarung vom 08.08.2011 ändere nichts an den tatsächlichen Verhältnissen, die die Regelungen des Gesellschaftsvertrags unangetastet lasse.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2014 Beweis erhoben durch die Vernehmung des Mitgesellschafters Herrn B. sowie des Steuerberaters der Klägerin zu 2), Herrn L., als Zeugen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Bl 85 SG-Akte).
Mit Urteil vom 23.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Kläger zu 1) sei ab dem 01.01.2000 bei der Klägerin zu 2) abhängig beschäftigt. Zwar würden eine Reihe von Gesichtspunkten für eine versicherungsfreie selbständige Tätigkeit sprechen, etwa die Tatsache, dass der Kläger zu 1) die Entwicklung des Unternehmens maßgeblich allein geprägt und ein beträchtliches unternehmerisches Risiko durch die Übernahme von Bürgschaften und Grundschulden übernommen habe. Demgegenüber verfüge er jedoch nicht über eine derartige Rechtsmacht im Unternehmen, die es ihm erlaube, maßgeblichen Einfluss auf die Klägerin zu 2), insbesondere in einem Krisenfall, zu nehmen. Der Kläger zu 1) verfüge in keinem Bereich über eine Sperrminorität. Auch enthalte sein Geschäftsführervertrag eine Reihe von arbeitnehmertypischen Regelungen (monatliches Festgehalt, Lohnfortzahlung, Urlaubsanspruch, Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Der Stimmbindungsvertrag aus dem Jahr 2011 entfalte nur eine begrenzte schuldrechtliche Wirkung zwischen den Gesellschaftern. Er stärke die Rechtsposition des Klägers zu 1) im Unternehmen der Klägerin zu 2) gegenüber seinem Mitgesellschafter nur marginal.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.11.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG haben die Kläger am 28.11.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung haben sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG habe zwar im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt, dass sich das Gesamtbild nach den tatsächlichen Verhältnisse bestimme, habe jedoch unzutreffende Schlussfolgerungen in dem erforderlichen Abwägungsprozess gezogen. Der Kläger zu 1) habe im betrieblichen Alltag "schalten und walten" können, als ob es sein eigenes Unternehmen sei. Es komme auf die gelebten Verhältnisse an. Der Kläger zu 1) sei faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens und für die Klägerin zu 2) gleichsam "unersetzbar". Er könne Kraft überlegenen Fachwissens jederzeit aktiven Einfluss auf sämtliche Gesellschafterentscheidungen nehmen, da nur er in der Lage sei, die konkreten geschäftlichen Auswirkungen einschätzen zu können. Das SG habe auch die Auswirkungen des Stimmbindungsvertrages verkannt. Zweck und Sinngehalt eines Stimmbindungsvertrages sei es, Sondervereinbarungen zu treffen und die daraus resultierende Sonderstellung müsse dann im Rahmen der Beurteilung des Kräfteverhältnisses der Gesellschafter berücksichtigt werden. Dass dabei nur eine schuldrechtliche Wirkung bestehe, schmälere die Bedeutung der Vereinbarung nicht. Außerdem sei vorliegend eine Vertragsstrafe iHv 20.000 EUR vereinbart, was deutlicher Ausdruck sei, dass in der Praxis an der Einhaltung der durch den Stimmbindungsvertrag vorgegebenen einheitlichen Willensbildung nicht gerüttelt werde.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23.10.2014 und die beiden Bescheide der Beklagten vom 23.12.2011 in Gestalt der Teilabhilfebescheide vom 26.03.2012 und der Widerspruchsbescheide vom 21.06.2012 sowie die beiden Bescheide vom 11.02.2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20.11.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) seit dem 01.01.2000 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird und nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Hinblick auf beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren zur Bedeutung von Stimmbindungsverträgen hat der Senat auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 07.09.2015 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 18.03.2016 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2016 haben die Kläger ein Schreiben ihres Steuerberaters L. vom 27.12.1999 (Bl 38 Senatsakte) vorgelegt, worauf der Senat den Rechtsstreit vertagt hat.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2017 hat der Kläger zu 1) Unterlagen aus dem Jahr 2003 zu einem Kontenklärungsverfahren übergeben (vgl. Anlage zur Niederschrift v. 28.03.2017).
Wegen weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist statthaft, zulässig, aber in der Sache unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Kläger zu 1) übt seine Tätigkeit bei der Klägerin zu 2) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus und unterliegt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Entgegen der Auffassung des SG sind die beiden Bescheide der Beklagten vom 22.10.2012 nicht mehr Streitgegenstand, da die Beklagte diese mit den Bescheiden vom 20.12.2012 aufgehoben hat. Die Bescheide vom 20.12.2012 beschweren die Kläger nicht.
Formell sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat zudem die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 ff.; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach", sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.
Auch materiell-rechtlich sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig, da der Kläger zu 1) nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ab dem 01.01.2000 bei der Klägerin abhängig beschäftigt ist, mit der Folge, dass Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ab dem 01.01.2010 ist nicht eingetreten.
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I, 2000, 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/1855, S 6).
Ein entsprechender Antrag auf Statusfeststellung ist seitens der Kläger am 28.10.2011 bei der Beklagten eingegangen. Eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV steht der Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV nur dann entgegen, wenn das konkrete Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Betriebsprüfung war (LSG Baden-Württemberg 11.05.2011, L 11 R 1075/11 ER-B, juris; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 7a SGB IV Rn 5, Stand März 2011). Dies war hier nach dem Vertrag der Beteiligten, den der Senat zugrunde legt, nicht der Fall.
Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist weder durchgeführt noch beantragt worden. Die Beklagte bzw die Beigeladenen zu 2) und 3) müssen sich auch nicht wegen eines nicht beschiedenen Antrags auf Statusklärung so behandeln lassen, als sei ein vorheriges Verfahren durchgeführt worden. Die Sperrwirkung des § 7a Abs 1 S 1 Hs 2 SGB IV greift nicht.
Bereits ein Zugang des Schreibens vom 27.12.1999 (Bl 38 Senatsakte) an die Beigeladene zu 2) ist nicht nachgewiesen. Die materielle Beweislast hierfür tragen die Kläger. Der erforderliche Nachweis kann bei einer Telefaxübermittlung nicht allein anhand der Daten des Absendegeräts geführt werden; selbst ein Telefaxsendeprotokoll – was vorliegend ohnehin nicht vorliegt - bewirkt keinen Anscheinsbeweis für den fristgerechten Zugang des Telefaxschreibens (BGH 19.02.2014, IV ZR 163/13, NJW-RR 2014, 683; LSG Berlin-Brandenburg 28.07.2015, L 18 AS 1032/15, juris), dies beruht auf den verschiedenen Möglichkeiten von Störungen im Bereich der Übertragung oder des Empfangsgerätes, die nicht notwendigerweise im Ergebnisprotokoll des Sendegeräts registriert werden (LSG Rheinland-Pfalz 14.06.2007, L 5 KA 42/06, juris). Vorliegend ist lediglich oben links ein Datum "28. Dez. 1999 11:30" und die Absendenummer aufgedruckt. Eine Beweiserhebung des von der Klägerin zum Beweis der Tatsache, dass das Schreiben vom 27.12.1999 an die Beigeladene zu 2) abgeschickt wurde, benannten Zeugen L., konnte unterbleiben. Der Senat hat den Vortrag der Kläger aus dem Schriftsatz vom 30.11.2016 – "Laut Faxbestätigung wurde dieses Schreiben am 28.12.1999 um 11:30 an die Beigeladene zu 2) versandt" – als wahr unterstellt (zur prozessual zulässigen Ablehnung eines Beweisantrags wegen Wahrunterstellung der unter Beweis gestellten Tatsache vgl etwa BSG 31.01.2017, B 9 V 82/16 B; 25.08.2015, B 5 R 206/15 B, jeweils juris und jeweils mwN). Hierdurch ergeben sich indes keine Änderungen am entscheidungserheblichen Sachverhalt. Ob das Schreiben tatsächlich zugegangen ist, kann der Zeuge nicht wissen.
Ein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" iS des § 7a Abs 1 S 1 SGB IV ist weder durch das Schreiben des Steuerberaters L. vom 27.12.1999 noch durch die Angabe des Klägers im Kontenklärungsklärungsverfahren 2003, er sei selbständiger Geschäftsführer, eingeleitet worden.
In dem von der Klägerseite erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2016 in Mehrfertigung vorgelegten Schreiben des Steuerberaters L. vom 27.12.1999 ist kein Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 28h Abs 2 SGB IV zu sehen. Weder wird ausdrücklich ein entsprechender "Antrag" gestellt, noch ergibt er sich durch Auslegung oder aus dem Sinnzusammenhang. Dem Schreiben beigefügt waren sein Beitritt als freiwilliges Mitglied bei den Beigeladenen zu 2) und 3) zum 01.01.2000 und Angaben zur Feststellung der Familienversicherung und der über den Kläger zu 1) versicherten Personen (vgl. Bl 39/40 Senatsakte). Aufgrund dieses Zusammenhangs konnte – einen Zugang des Schreibens unterstellt – die Beigeladene zu 2) nicht davon ausgehen, dass der Kläger zu 1) die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status begehrt. Das Schreiben enthält lediglich die Mitteilung, dass der Kläger zu 1) ab dem 01.01.2000 bei der Klägerin zu 2) beschäftigt sein werde, 40 % der Gesellschaftsanteile halte und nach Auffassung des Steuerberaters sozialversicherungsfrei beschäftigt sei, was angesichts des Zusammenhangs des Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung aus Sicht der Beigeladenen zu 2) nicht auf einen Antrag auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status hindeutet.
Das vom Kläger zu 1) vorgelegte Schreiben seines Steuerberaters vom 27.12.1999 (Bl 38 Senatsakte) an die Beigeladene zu 2) betraf ein Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beigeladenen zu 2). Die in der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2017 vorgelegten Unterlagen betrafen ein Kontenklärungsverfahren aus dem Jahr 2003. Solche Verwaltungsverfahren sind keine "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung." Hierunter fallen von der jeweiligen Zielrichtung her letztlich nur das Einzugsstellenverfahren nach § 28h SGB IV und das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV (BSG 29.06.2016, B 12 R 5/14 R, USK 2016-48; vgl. Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 7a SGB IV RdNr 6; Marschner in Kreikebohm, SGB IV, 2. Aufl 2014, § 7a RdNr 6; Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7a RdNr 16). Das Verfahren im Zusammenhang mit dem Beitritt von Personen zur freiwilligen Versicherung in der GKV ist demgegenüber von seiner Zielrichtung her weder unmittelbar noch mittelbar auf die "Feststellung einer Beschäftigung" gerichtet. Vielmehr ist dort das Vorliegen von Beschäftigung lediglich eine von mehreren (alternativ bzw kumulativ) in Betracht kommenden klärungsbedürftigen Punkten im Zusammenhang mit der Klärung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Beitritt zu einer Krankenkasse als freiwilliges Mitglied. So begründet Beschäftigung in der Regel Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, die im Normalfall einem Beitritt als freiwilliges Mitglied nach § 9 SGB V entgegensteht; andererseits können umgekehrt selbst bei fehlender Versicherungspflicht und bejahter Selbstständigkeit noch andere Umstände dem Zugang zur freiwilligen Versicherung entgegenstehen. Zu beachten ist aber, dass selbst im Falle einer Beschäftigung ein Beitritt als freiwilliges Mitglied in Betracht kommt, wenn nämlich wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V Versicherungsfreiheit des Beschäftigten vorliegt. Anders gewendet: Die Bejahung der Voraussetzungen für eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV lässt den Schluss auf eine positiv oder negativ getroffene "Feststellung einer Beschäftigung" iS von § 7 SGB IV gar nicht zu (BSG 29.06.2016, B 12 R 5/14 R, USK 2016-48).
Schließlich stellte aufgrund des langen Zeitraums zwischen 1999 und 2011 die Berufung der Kläger auf einen bereits im Dezember 1999 gestellten Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1) eine unzulässige Rechtsausübung dar. Zwar sanktioniert die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten einer Partei grundsätzlich nicht mit einem automatischen Rechtsverlust. Widersprüchliches Verhalten ist aber dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BSG 19.04.2016, B 1 KR 33/15 R, SozR 4-2500 § 109 Nr 57 mwN). Ebenso ist das Rechtsinstitut der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht anerkannt (stRspr, vgl BSG 27.07.2011, B 12 R 16/09 R, BSGE 109, 22, SozR 4-2400 § 7 Nr 14; 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 5, jeweils mwN). Unzulässige Rechtsausübung bzw Verwirkung als deren Unterfall setzt voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (BSG 27.07.2011, B 12 R 16/09 R, BSGE 109, 22, SozR 4-2400 § 7 Nr 14 mwN). Solche, die Verwirkung auslösenden besonderen Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 5, RdNr 31 mwN). Solche besonderen Umstände sind vorliegend in der knapp 12-jährigen Zeitdauer zwischen der Absendung des Schreibens vom 27.12.1999 und dem Antrag der Klägerin zu 2) vom 28.10.2011 bei der Beklagten auf Klärung des Status des Klägers zu 1) zu sehen. Dies ist nicht nur ein außergewöhnlich langer Zeitraum, der zB die Vierjahresfrist des § 25 Abs 1 S 1 SGB IV erheblich überschreitet. Die Kläger haben während dieses Zeitraumes auch nicht bei der Einzugsstelle nachgefragt, ob der "Antrag" bearbeitet wird. Einen Zugang des Schreibens vom 27.12.1999 unterstellt, durfte die Beigeladene zu 2) als Einzugsstelle daher darauf vertrauen, dass der "Antrag" nicht mehr weiterverfolgt wird (vgl die Maßstäbe bei der Beurteilung der Verwirkung bei einer Untätigkeitsklage LSG Nordrhein-Westfalen 07.02.2013, L 9 AL 367/12 B, juris). Mit dem im Herbst 2011 bei der Beklagten gestellten Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1) hat die Klägerin zu 2) schließlich auch nach außen zum Ausdruck gebracht, dass sie dem Schreiben vom 27.12.1999 an die Einzugsstelle keine bleibende Wirkung (mehr) beimisst. Hinzukommt, dass die Kläger während des Antragsverfahrens ab 2011 und auch nicht im Gerichtsverfahren erster Instanz einen vorherigen Antrag vom Dezember 1999 erwähnt, sondern erst in der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2016 erstmals einen solchen Antrag vorgebracht haben; auch insoweit besteht der Eindruck, dass die Kläger dem Schreiben vom 27.12.1999 eine Bedeutung als Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1) lange Zeit nicht beigemessen haben.
In der Sache ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ist der Kläger zu 1) ab dem 01.01.2000 bei der Klägerin abhängig beschäftigt, mit der Folge, dass Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen ua der Jahresarbeitsentgeltgrenze in in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.
Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 und B 12 KR 14/10 R, juris).
Nach den angeführten Grundsätzen der BSG-Rechtsprechung ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris, mwN). Eine derartige Rechtsmacht hat ein GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn er aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer und Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft hat, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, juris). Dies ist der Fall, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt (BSG 20.03.1984, 7 RAr 70/82, juris), und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt (BSG 18.04.1991, 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr 5).
In seiner neueren Rechtsprechung hat das BSG, dem der Senat folgt, die Bedeutung der Rechts-macht im Unternehmen für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung hervorgehoben (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 11 und B 12 R 14/10 R USK 2012 - 182); es spreche einiges dafür, der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse maßgebende Bedeutung beizumessen, da entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer abhängigen Beschäftigung die Möglichkeit sei, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden (BSG, aaO). Unerheblich ist in jedem Fall, dass eine bestehende Rechtsmacht mit daraus folgenden Weisungsrechten mangels tatsächlichen Anlasses in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, solange sie nur aufrechterhalten bleibt und von ihr bei gegebenem Anlass, etwa bei einem Zerwürfnis Gebrauch gemacht werden kann (vgl Senatsurteil vom 17.04.2007, L 11 R 5748/06). Eine (bloße) "Schönwetter-Selbstständigkeit" (so BSG, aaO) ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar.
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger zu 1) seit dem 01.01.2000 bei der Klägerin zu 2) abhängig beschäftigt ist und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliegt.
Ausgangspunkt ist der Geschäftsführervertrag vom 28.12.1999 (Bl 6 Verwaltungsakte), der typische Regelungen für Arbeitnehmer enthält: § 3 bestimmt, dass der Kläger zu 1) ein monatliches Festgehalt von 7.000 DM (seit 01.01.2002 festes Monatsgehalt in Höhe von 5.800 EUR, Bl 48 Verwaltungsakte), Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezieht, Anspruch auf einen 30-tägigen bezahlten Jahresurlaub (§ 7) und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für 6 Wochen hat (§ 8).
Nicht für eine versicherungsfreie Tätigkeit spricht die Tatsache, dass der Kläger zu 1) aufgrund seiner Vorqualifikation die Entwicklung und den Geschäftsbetrieb der Klägerin zu 2) maßgeblich geprägt hat. Weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht zu einem Selbstständigen. Die insbesondere für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung entwickelte "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach Angestellte ausnahmsweise als Selbstständige zu betrachten sind, wenn sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, ist für die Statusbeurteilung im sozialversicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis nicht heranzuziehen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 24).
Für eine versicherungsfreie selbstständige Tätigkeit kann zwar unter gestimmten Voraussetzungen die Übernahme eines beträchtlichen Haftungsrisikos des Kläger zu 1) in Form der Übernahme von Bürgschaften und Grundschulden sprechen. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass damit auch eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32) einhergeht, die den Kläger zu 1) in die Lage versetzt hätte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm uU unangenehme Weisungen der Klägerin zu 2) zu verhindern (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 24 Rn 27). Dies ist nicht der Fall. Der Kläger zu 1) hält lediglich 40 % der stimmberechtigten Anteile der Klägerin zu 2). Er verfügt in keinem Bereich über eine Sperrminorität. Eine wesentliche Abweichung zu § 47 Abs 1 und 2 GmbHG, wonach durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen entschieden wird und jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt, liegt nicht vor. Nach den Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag wird nach Geschäftsanteilen abgestimmt, wobei je 500 EUR eines Geschäftsanteils eine Stimme gewähren. Der Mitgesellschafter-Geschäftsführer B. hat vor dem SG ausgeführt, man habe sich im Zuge der Gründung der GmbH überlegt, wie man die Anteile verteile und sich bewusst gegen eine hälftige Aufteilung entschieden (Bl 86 SG-Akte rücks). Die Bindung an das willensbildende Organ, Gesellschafterversammlung und die dortigen Mehrheitsverhältnisse stehen also in der Krise gegen den Kläger zu 1), was nach Auffassung des Senats ein maßgeblicher Gesichtspunkt ist (ebenso LSG Baden-Württemberg 07.05.2014, L 4 KR 1024/13; Sächsisches LSG 04.03.2014, L 1 KR 9/11). Zutreffend hat das SG herausgearbeitet, dass damit die vom Kläger zu 1) eingenommene Rechtsposition als Minderheitsgesellschafter mit keiner ausreichenden Rechtsmacht ausgestattet ist, die es ihm erlauben würde, die Geschicke des Unternehmens in wesentlicher Hinsicht – auch gegen Widerstände des Mehrheitsgesellschafters – zu lenken. Darauf kommt es für eine selbstständige Tätigkeit in Abgrenzung zu einer abhängigen Beschäftigung eines Gesellschafters jedoch an. Unter diesen Rahmenbedingungen führt auch die vereinbarte Tantieme in Höhe von 20 % des Jahresüberschusses nicht zur Bejahung eines unternehmerischen Risikos; dem steht auch das hohe feste Monatsgehalt entgegen.
Aus der (behaupteten) Stimmbindungsvereinbarung vom 08.08.2011 folgt nichts anderes. Der Verstoß gegen eine Stimmbindungsvereinbarung lässt die Wirksamkeit eines Gesellschaftsbeschlusses grundsätzlich unberührt und berechtigt regelmäßig nicht zur Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses. Der Stimmbindungsvertrag gewährt dem Kläger zu 1) nicht die Rechtsmacht, sich - einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten umfassenden Sperrminorität qualitativ gleichwertig - jederzeit gegen unliebsame Einzelweisungen zur Wehr zu setzen.
Stimmbindungsverträge stellen rein schuldrechtliche Vereinbarungen dar (BGH 25.09.1986, II ZR 272/15, NJW 1987, 890). Nach der Rechtsprechung des BGH führen solche außerhalb des Gesellschaftsvertrages auf Dauer eingegangenen schuldrechtlichen Abstimmungsverpflichtungen unter wechselseitiger Beteiligung aller Gesellschafter an der Stimmbindungsvereinbarung regelmäßig zu einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff BGB), weil mit der koordinierten Ausübung der Stimmrechte ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird (vgl BGHZ 126, 226, 234 = NJW 1994, 2536; BGHZ 179, 13, 19 = NJW 2009, 669). Auch wenn sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, sind sie jederzeit ordentlich kündbar (§ 723 Abs 1 S 1 BGB). Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage prägen die Abwägungsentscheidung zum sozialversicherungsrechtlichen Status nicht iS einer strikten Parallelwertung zwingend vor; ihnen kommt keine - im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich gebotenen Gesamtabwägung von vornherein den Ausschlag gebende, dh entscheidende - Indizfunktion für das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit zu (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R Rn 23 ff, juris). Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmrechtsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits ist durch die verschiedenen Sachstrukturen der jeweiligen Rechtsbereiche gerechtfertigt (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R unter Hinweis auf Bernsdorff, DB 2014, 1551 (1555)). Eine Stimmabgabe ist in der Regel auch dann gültig, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimmbindungsvertrag erfolgt; ein Mangel des Gesellschafterbeschlusses wird durch eine Stimmabgabe entgegen der Stimmbindungsvereinbarung grundsätzlich nicht bewirkt (vgl Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; OLG Köln 25.07.2002, 18 U 60/02, juris; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl, § 47 RdNr 117). Lediglich im Innenverhältnis zwischen einzelnen Gesellschaftern wirkende Stimmrechtsvereinbarungen können daher an dem Beschäftigtenstatus des Beigeladenen zu 1) nichts ändern (Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; LSG Hamburg 04.09.2013, L 2 R 111/12, juris). Die außerhalb des Gesellschaftsvertrages von den Gesellschaftern getroffene Stimmbindungsvereinbarung ist daher nach der Rspr des BSG, der sich der Senat anschließt, nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden "Rechtsmachtverhältnisse" mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu "verschieben", weil der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 26 Rn 25 mwN). Auch dass Kündigungsrechte in der vorliegend zu beurteilenden Zeit tatsächlich nicht ausgeübt wurden, ist im sozialversicherungsrechtlichen Kontext ohne Bedeutung (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, aaO Rn 26).
Auch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe von 20.000 EUR ändert an der vorstehenden Beurteilung nichts, da der Stimmbindungsvertrag jährlich voraussetzungs- und folgenlos kündbar, womit der Eintritt der eine Vertragsstrafe auslösenden Umstände verhindert werden kann. Maßgeblich bleibt auch insoweit die tatsächlich nicht vorhandene Rechtsmacht aus dem Gesellschaftsverhältnis.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren festzustellen, dass der Kläger zu 1) seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 2) ab dem 01.01.2000 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausübt und nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Klägerin zu 2) ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Freiburg (HRB ...) eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung und Organisation von Transporten und Logistik-Dienstleistungen aller Art. Gesellschafter der Klägerin zu 2) sind A. B. und J. L. (Kläger zu 1). Auf die Stammeinlage der Klägerin zu 2) in Höhe von 25.000 EUR brachten Herr B. 15.000 EUR und der Kläger zu 1) 10.000 EUR ein. Der Kläger zu 1) ist ausgebildeter Speditionskaufmann, der Mitgesellschafter-Geschäftsführer Herr B. ist von Beruf ursprünglich Fernfahrer. A. B. war zuvor Inhaber eines Einzelunternehmens.
Im Gesellschaftsvertrag vom 02.12.1999 (Bl 14 Verwaltungsakte) wurden der Kläger zu 1) und Herr B. zu Geschäftsführern bestellt und jeweils zur Alleinvertretung unter Ausschluss des Selbstkontrahierungsverbotes ermächtigt. Die Abberufung eines Geschäftsführers ist gemäß § 5 Abs 5 des Gesellschaftsvertrags mit einfacher Stimmenmehrheit möglich. § 7 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags sieht für alle sonstigen Gesellschafterbeschlüsse gleichfalls die einfache Stimmenmehrheit vor. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je 500 EUR eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.
Im Geschäftsführervertrag vom 28.12.1999 (Bl 6 Verwaltungsakte) ist ua Folgendes geregelt: Gemäß § 2 Abs 1 ist der Vertrag von jeder Seite ohne weitere Voraussetzungen mit 6-Monatsfrist zum Jahresende kündbar. Nach § 2 Abs 2 ist das Dienstverhältnis außerordentlich kündbar, wenn die Gesellschafterversammlung den Kläger zu 1) als Geschäftsführer abberuft oder wenn er gegen Weisungen der Gesellschafterversammlung schwer verstößt. § 3 bestimmt, dass der Kläger zu 1) ein monatliches Festgehalt von 7.000 DM (seit 01.01.2002 festes Monatsgehalt in Höhe von 5.800 EUR, Bl 48 Verwaltungsakte), Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei Bestand des "Anstellungsverhältnisses" bis zum Ende des Auszahlungsmonats sowie eine Gewinnbeteiligung von 20 % des steuerpflichtigen Jahresgewinns (vor Körperschafts- und Gewerbesteuer) erhält. § 5 verbietet dem Kläger zu 1) jegliche Nebentätigkeiten ohne vorherige und jederzeit widerrufliche Zustimmung der Gesellschaft. § 7 bestimmt einen 30-tägigen bezahlten Jahresurlaub. § 8 sieht eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für 6 Wochen vor.
Ob die Kläger im Dezember 1999 bei der zuständigen Einzugsstelle einen Antrag auf Klärung des Status des Klägers zu 1) gestellt haben, ist zwischen den Beteiligten im Streit. Die Beigeladenen zu 2) und 3) bestreiten den Zugang eines entsprechenden Antrags (vgl. Bl. 28 und 38 Senatsakte).
Am 20.12.2001 verbürgte sich der Kläger zu 1) selbstschuldnerisch für Verbindlichkeiten der Klägerin zu 2) in Höhe von bis zu 100.000 DM gegenüber der Sparkasse H ... Am 14.03.2006 wurde diese Bürgschaft auf 100.000 EUR erweitert. Am 11.02.2010 übernahm der Kläger eine weitere, der Höhe nach unbegrenzte selbstschuldnerische Bürgschaft für Verbindlichkeiten der Klägerin zu 2) gegenüber der U. T. E. GmbH & Co. KG. Am 12.03.2009 vereinbarten die beiden Kläger einen Rangrücktritt der Versorgungsansprüche des Klägers zu 1) gegen die Klägerin zu 2) hinter Ansprüche anderer Gläubiger (Bl 52 SG-Akte).
Im Mai 2011 erwarben der Kläger zu 1) und Herr B. gemeinsam ein 8.000 qm großes Grund-stück. Am 08.08.2011 gründeten sie neben der GmbH noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu je gleichen Teilen. Gesellschaftszweck ist die Errichtung eines Firmensitzes für die Klägerin zu 2) auf dem gemeinsamen Grundstück und die fortwährende Vermietung dieser Immobilie an die Klägerin zu 2).
Ebenfalls am 08.08.2011 schlossen der Kläger zu 1) und Herr B. einen schriftlichen "Stimm-bindungsvertrag" über "die seit Gründung der B. GmbH getroffenen mündlichen Vereinbarungen zu Beweiszwecken". Darin verpflichten sie sich zur übereinstimmenden Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung der B. GmbH oder zur gemeinsamen Stimmenthaltung. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird in § 3 mit einer Vertragsstrafe von 20.000 EUR je Zuwiderhandlung bewehrt.
Am 28.10.2011 beantragten die Kläger bei der Beklagten eine Klärung des Status des Klägers zu 1). Nach ihren Angaben war diesem Antrag eine wiederholte Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg unmittelbar vorausgegangen, die mit der Empfehlung bzw mit der Maßgabe geendet habe, diesen Antrag bei der Beklagten zu stellen.
Mit zwei Anhörungsschreiben vom 16.11.2011 (Bl 42/44 Verwaltungsakte) teilte die Beklagte mit, es sei beabsichtigt, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen.
Die Klägerin trug hierauf vor, der Kläger zu 1) verfüge über mehr als 25 % der Anteile und könne "gemäß Gesellschaftsvertrag mit einer Sperrminorität die dort genannten Beschlüsse verhindern" (Bl 46 Verwaltungsakte).
Mit zwei Bescheiden vom 23.12.2011 (Bl 70/73 Verwaltungsakte, ohne Absendevermerk) gegenüber dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) stellte die Beklagte eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1) und die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung fest.
Auf die am 30.01.2012 erhobenen Widersprüche der Kläger erließ die Beklagte die Teilabhilfebescheide vom 26.03.2012 (Bl 98/99 Verwaltungsakte) und nahm hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung die Bescheide vom 23.12.2011 zurück. Das regelmäßige Entgelt des Klägers zu 1) übersteige die Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Im Übrigen wies die Beklagte die Widersprüche mit den Widerspruchsbescheiden vom 21.06.2012 (Bl 102/105 Verwaltungsakte) als unbegründet zurück. Der Kläger zu 1) sei am Stammkapital der Klägerin zu 2) mit lediglich 40 % beteiligt, weshalb er auf die Beschlussfassung der Klägerin zu 2) keinen maßgeblichen Einfluss ausüben könne. Er unterliege zwar durch die Übernahme der Bürgschaft und der zur Verfügung gestellten Grundschuld einem gewissen finanziellen Risiko, jedoch würden sich daraus keine weiteren Rechte, insbesondere kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ergeben.
Hiergegen haben die Kläger am 06.07.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen vertieft. Der Kläger zu 1) sei bereits seit dem 01.07.1993 im Betrieb der Klägerin zu 2) tätig, zunächst bis zum 31.12.1999 als Angestellter, sodann ab 01.01.2000 als Geschäftsführer. Aufgrund seines Anteils iHv 40 % am Stammkapital könne er gemäß Gesellschaftsvertrag mittels einer Sperrminorität die dort genannten Beschlüsse verhindern. Er erhalte eine gewinnabhängige Tantieme iHv 20 % des steuerlichen Jahresüberschusses. Kraft seiner speziellen Fachkenntnisse verfüge er als Einziger über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Fachkenntnisse. Er sei als einziger Geschäftsführer als Speditionskaufmann ausgebildet. In der Vergangenheit seien ihm nie irgendwelche Weisungen in Form von Gesellschafterbeschlüssen erteilt worden. Er besitze darüber hinaus umfassende Personalverantwortungen, sei jederzeit in der Lage, Personal einzustellen oder zu entlassen, ohne dabei irgendwelchen Beschränkungen zu unterliegen. Darüber hinaus entscheide er über den betrieblichen Grundbesitz mit, indem er zu 50 % an der BGB-Gesellschaft beteiligt sei, die im August 2011 bezüglich des Betriebsgrundstückes gegründet worden sei. Seine Tätigkeit sei nicht mit der eines normalen Arbeitsnehmers vergleichbar. Er arbeite regelmäßig über dem tariflichen Durchschnitt einer 40-Stunden-Woche, nämlich ca 60-70 Stunden pro Woche. Insoweit stelle seine Vergütung, gemessen am Umfang und der Verantwortung seiner Tätigkeit keine äquivalente Vergütung für die von ihm geleistete Tätigkeit dar. Aus betrieblichen Gründen würde der Kläger zu 1) jederzeit auf Urlaub verzichten und habe dies auch in der Vergangenheit bereits getan. Durch die Übernahme von Bürgschaften bzw Grundschulden trage er ein besonderes unternehmerisches Risiko.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der Widerspruchsbescheide Bezug genommen. In "ruhigen Zeiten" erscheine zwar die tatsächliche Rechtsmacht durch ein entsprechendes Vertrauensverhältnis überlagert, sodass faktisch kein Gebrauch gemacht werde. Dies ändere aber nichts daran, dass rechtliche Vereinbarungen ihre Bedeutung oft erst im Konfliktfall erlangten und das Vertrauensverhältnis dann ein Ende habe.
Mit Beschluss vom 18.09.2012 hat das SG die Bundesagentur für Arbeit, die S. Betriebskrankenkasse sowie die Pflegekasse zum Verfahren beigeladen.
Mit Schreiben vom 10.08.2012 haben die Kläger am 15.08.2012 erneut bei der Beklagten eine Statusfeststellung für die Zeit ab 01.01.2010 beantragt, weil seither wesentliche Veränderungen eingetreten seien.
Mit Bescheiden vom 22.10.2012 hat die Beklagte die Durchführung eines neuen Statusfeststellungsverfahrens abgelehnt, da keine wesentlichen tatsächlichen Veränderungen gegenüber dem bereits berücksichtigten Sachverhalt eingetreten seien. Auf die von den Klägern eingelegten Widersprüche vom 07.11.2012 hat die Beklagte die Bescheide vom 22.10.2012 zunächst durch die Bescheide vom 20.12.2012 aufgehoben und das Statusfeststellungsverfahren wieder aufgenommen und hat sodann mit den Bescheiden vom 11.02.2013 gegenüber dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) festgestellt, dass auch nach dem 01.01.2010 eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) vorliege (vgl Bl 62 ff SG-Akte).
Die hiergegen eingelegten weiteren Widersprüche der Kläger vom 15.02.2013 hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 20.11.2013 unter Hinweis auf § 96 SGG als unbegründet zurückgewiesen (Bl 73/76 SG-Akte). Insbesondere die Stimmbindungsvereinbarung vom 08.08.2011 ändere nichts an den tatsächlichen Verhältnissen, die die Regelungen des Gesellschaftsvertrags unangetastet lasse.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2014 Beweis erhoben durch die Vernehmung des Mitgesellschafters Herrn B. sowie des Steuerberaters der Klägerin zu 2), Herrn L., als Zeugen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Bl 85 SG-Akte).
Mit Urteil vom 23.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Kläger zu 1) sei ab dem 01.01.2000 bei der Klägerin zu 2) abhängig beschäftigt. Zwar würden eine Reihe von Gesichtspunkten für eine versicherungsfreie selbständige Tätigkeit sprechen, etwa die Tatsache, dass der Kläger zu 1) die Entwicklung des Unternehmens maßgeblich allein geprägt und ein beträchtliches unternehmerisches Risiko durch die Übernahme von Bürgschaften und Grundschulden übernommen habe. Demgegenüber verfüge er jedoch nicht über eine derartige Rechtsmacht im Unternehmen, die es ihm erlaube, maßgeblichen Einfluss auf die Klägerin zu 2), insbesondere in einem Krisenfall, zu nehmen. Der Kläger zu 1) verfüge in keinem Bereich über eine Sperrminorität. Auch enthalte sein Geschäftsführervertrag eine Reihe von arbeitnehmertypischen Regelungen (monatliches Festgehalt, Lohnfortzahlung, Urlaubsanspruch, Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Der Stimmbindungsvertrag aus dem Jahr 2011 entfalte nur eine begrenzte schuldrechtliche Wirkung zwischen den Gesellschaftern. Er stärke die Rechtsposition des Klägers zu 1) im Unternehmen der Klägerin zu 2) gegenüber seinem Mitgesellschafter nur marginal.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.11.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG haben die Kläger am 28.11.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung haben sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG habe zwar im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt, dass sich das Gesamtbild nach den tatsächlichen Verhältnisse bestimme, habe jedoch unzutreffende Schlussfolgerungen in dem erforderlichen Abwägungsprozess gezogen. Der Kläger zu 1) habe im betrieblichen Alltag "schalten und walten" können, als ob es sein eigenes Unternehmen sei. Es komme auf die gelebten Verhältnisse an. Der Kläger zu 1) sei faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens und für die Klägerin zu 2) gleichsam "unersetzbar". Er könne Kraft überlegenen Fachwissens jederzeit aktiven Einfluss auf sämtliche Gesellschafterentscheidungen nehmen, da nur er in der Lage sei, die konkreten geschäftlichen Auswirkungen einschätzen zu können. Das SG habe auch die Auswirkungen des Stimmbindungsvertrages verkannt. Zweck und Sinngehalt eines Stimmbindungsvertrages sei es, Sondervereinbarungen zu treffen und die daraus resultierende Sonderstellung müsse dann im Rahmen der Beurteilung des Kräfteverhältnisses der Gesellschafter berücksichtigt werden. Dass dabei nur eine schuldrechtliche Wirkung bestehe, schmälere die Bedeutung der Vereinbarung nicht. Außerdem sei vorliegend eine Vertragsstrafe iHv 20.000 EUR vereinbart, was deutlicher Ausdruck sei, dass in der Praxis an der Einhaltung der durch den Stimmbindungsvertrag vorgegebenen einheitlichen Willensbildung nicht gerüttelt werde.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23.10.2014 und die beiden Bescheide der Beklagten vom 23.12.2011 in Gestalt der Teilabhilfebescheide vom 26.03.2012 und der Widerspruchsbescheide vom 21.06.2012 sowie die beiden Bescheide vom 11.02.2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20.11.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) seit dem 01.01.2000 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird und nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Hinblick auf beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren zur Bedeutung von Stimmbindungsverträgen hat der Senat auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 07.09.2015 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 18.03.2016 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2016 haben die Kläger ein Schreiben ihres Steuerberaters L. vom 27.12.1999 (Bl 38 Senatsakte) vorgelegt, worauf der Senat den Rechtsstreit vertagt hat.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2017 hat der Kläger zu 1) Unterlagen aus dem Jahr 2003 zu einem Kontenklärungsverfahren übergeben (vgl. Anlage zur Niederschrift v. 28.03.2017).
Wegen weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist statthaft, zulässig, aber in der Sache unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Kläger zu 1) übt seine Tätigkeit bei der Klägerin zu 2) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus und unterliegt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Entgegen der Auffassung des SG sind die beiden Bescheide der Beklagten vom 22.10.2012 nicht mehr Streitgegenstand, da die Beklagte diese mit den Bescheiden vom 20.12.2012 aufgehoben hat. Die Bescheide vom 20.12.2012 beschweren die Kläger nicht.
Formell sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat zudem die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 ff.; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach", sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.
Auch materiell-rechtlich sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig, da der Kläger zu 1) nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ab dem 01.01.2000 bei der Klägerin abhängig beschäftigt ist, mit der Folge, dass Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ab dem 01.01.2010 ist nicht eingetreten.
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I, 2000, 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/1855, S 6).
Ein entsprechender Antrag auf Statusfeststellung ist seitens der Kläger am 28.10.2011 bei der Beklagten eingegangen. Eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV steht der Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV nur dann entgegen, wenn das konkrete Beschäftigungsverhältnis Gegenstand der Betriebsprüfung war (LSG Baden-Württemberg 11.05.2011, L 11 R 1075/11 ER-B, juris; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 7a SGB IV Rn 5, Stand März 2011). Dies war hier nach dem Vertrag der Beteiligten, den der Senat zugrunde legt, nicht der Fall.
Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist weder durchgeführt noch beantragt worden. Die Beklagte bzw die Beigeladenen zu 2) und 3) müssen sich auch nicht wegen eines nicht beschiedenen Antrags auf Statusklärung so behandeln lassen, als sei ein vorheriges Verfahren durchgeführt worden. Die Sperrwirkung des § 7a Abs 1 S 1 Hs 2 SGB IV greift nicht.
Bereits ein Zugang des Schreibens vom 27.12.1999 (Bl 38 Senatsakte) an die Beigeladene zu 2) ist nicht nachgewiesen. Die materielle Beweislast hierfür tragen die Kläger. Der erforderliche Nachweis kann bei einer Telefaxübermittlung nicht allein anhand der Daten des Absendegeräts geführt werden; selbst ein Telefaxsendeprotokoll – was vorliegend ohnehin nicht vorliegt - bewirkt keinen Anscheinsbeweis für den fristgerechten Zugang des Telefaxschreibens (BGH 19.02.2014, IV ZR 163/13, NJW-RR 2014, 683; LSG Berlin-Brandenburg 28.07.2015, L 18 AS 1032/15, juris), dies beruht auf den verschiedenen Möglichkeiten von Störungen im Bereich der Übertragung oder des Empfangsgerätes, die nicht notwendigerweise im Ergebnisprotokoll des Sendegeräts registriert werden (LSG Rheinland-Pfalz 14.06.2007, L 5 KA 42/06, juris). Vorliegend ist lediglich oben links ein Datum "28. Dez. 1999 11:30" und die Absendenummer aufgedruckt. Eine Beweiserhebung des von der Klägerin zum Beweis der Tatsache, dass das Schreiben vom 27.12.1999 an die Beigeladene zu 2) abgeschickt wurde, benannten Zeugen L., konnte unterbleiben. Der Senat hat den Vortrag der Kläger aus dem Schriftsatz vom 30.11.2016 – "Laut Faxbestätigung wurde dieses Schreiben am 28.12.1999 um 11:30 an die Beigeladene zu 2) versandt" – als wahr unterstellt (zur prozessual zulässigen Ablehnung eines Beweisantrags wegen Wahrunterstellung der unter Beweis gestellten Tatsache vgl etwa BSG 31.01.2017, B 9 V 82/16 B; 25.08.2015, B 5 R 206/15 B, jeweils juris und jeweils mwN). Hierdurch ergeben sich indes keine Änderungen am entscheidungserheblichen Sachverhalt. Ob das Schreiben tatsächlich zugegangen ist, kann der Zeuge nicht wissen.
Ein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" iS des § 7a Abs 1 S 1 SGB IV ist weder durch das Schreiben des Steuerberaters L. vom 27.12.1999 noch durch die Angabe des Klägers im Kontenklärungsklärungsverfahren 2003, er sei selbständiger Geschäftsführer, eingeleitet worden.
In dem von der Klägerseite erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2016 in Mehrfertigung vorgelegten Schreiben des Steuerberaters L. vom 27.12.1999 ist kein Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 28h Abs 2 SGB IV zu sehen. Weder wird ausdrücklich ein entsprechender "Antrag" gestellt, noch ergibt er sich durch Auslegung oder aus dem Sinnzusammenhang. Dem Schreiben beigefügt waren sein Beitritt als freiwilliges Mitglied bei den Beigeladenen zu 2) und 3) zum 01.01.2000 und Angaben zur Feststellung der Familienversicherung und der über den Kläger zu 1) versicherten Personen (vgl. Bl 39/40 Senatsakte). Aufgrund dieses Zusammenhangs konnte – einen Zugang des Schreibens unterstellt – die Beigeladene zu 2) nicht davon ausgehen, dass der Kläger zu 1) die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status begehrt. Das Schreiben enthält lediglich die Mitteilung, dass der Kläger zu 1) ab dem 01.01.2000 bei der Klägerin zu 2) beschäftigt sein werde, 40 % der Gesellschaftsanteile halte und nach Auffassung des Steuerberaters sozialversicherungsfrei beschäftigt sei, was angesichts des Zusammenhangs des Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung aus Sicht der Beigeladenen zu 2) nicht auf einen Antrag auf Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status hindeutet.
Das vom Kläger zu 1) vorgelegte Schreiben seines Steuerberaters vom 27.12.1999 (Bl 38 Senatsakte) an die Beigeladene zu 2) betraf ein Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit einer freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beigeladenen zu 2). Die in der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2017 vorgelegten Unterlagen betrafen ein Kontenklärungsverfahren aus dem Jahr 2003. Solche Verwaltungsverfahren sind keine "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung." Hierunter fallen von der jeweiligen Zielrichtung her letztlich nur das Einzugsstellenverfahren nach § 28h SGB IV und das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV (BSG 29.06.2016, B 12 R 5/14 R, USK 2016-48; vgl. Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 7a SGB IV RdNr 6; Marschner in Kreikebohm, SGB IV, 2. Aufl 2014, § 7a RdNr 6; Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7a RdNr 16). Das Verfahren im Zusammenhang mit dem Beitritt von Personen zur freiwilligen Versicherung in der GKV ist demgegenüber von seiner Zielrichtung her weder unmittelbar noch mittelbar auf die "Feststellung einer Beschäftigung" gerichtet. Vielmehr ist dort das Vorliegen von Beschäftigung lediglich eine von mehreren (alternativ bzw kumulativ) in Betracht kommenden klärungsbedürftigen Punkten im Zusammenhang mit der Klärung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Beitritt zu einer Krankenkasse als freiwilliges Mitglied. So begründet Beschäftigung in der Regel Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, die im Normalfall einem Beitritt als freiwilliges Mitglied nach § 9 SGB V entgegensteht; andererseits können umgekehrt selbst bei fehlender Versicherungspflicht und bejahter Selbstständigkeit noch andere Umstände dem Zugang zur freiwilligen Versicherung entgegenstehen. Zu beachten ist aber, dass selbst im Falle einer Beschäftigung ein Beitritt als freiwilliges Mitglied in Betracht kommt, wenn nämlich wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V Versicherungsfreiheit des Beschäftigten vorliegt. Anders gewendet: Die Bejahung der Voraussetzungen für eine freiwillige Mitgliedschaft in der GKV lässt den Schluss auf eine positiv oder negativ getroffene "Feststellung einer Beschäftigung" iS von § 7 SGB IV gar nicht zu (BSG 29.06.2016, B 12 R 5/14 R, USK 2016-48).
Schließlich stellte aufgrund des langen Zeitraums zwischen 1999 und 2011 die Berufung der Kläger auf einen bereits im Dezember 1999 gestellten Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1) eine unzulässige Rechtsausübung dar. Zwar sanktioniert die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten einer Partei grundsätzlich nicht mit einem automatischen Rechtsverlust. Widersprüchliches Verhalten ist aber dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BSG 19.04.2016, B 1 KR 33/15 R, SozR 4-2500 § 109 Nr 57 mwN). Ebenso ist das Rechtsinstitut der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht anerkannt (stRspr, vgl BSG 27.07.2011, B 12 R 16/09 R, BSGE 109, 22, SozR 4-2400 § 7 Nr 14; 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 5, jeweils mwN). Unzulässige Rechtsausübung bzw Verwirkung als deren Unterfall setzt voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (BSG 27.07.2011, B 12 R 16/09 R, BSGE 109, 22, SozR 4-2400 § 7 Nr 14 mwN). Solche, die Verwirkung auslösenden besonderen Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 5, RdNr 31 mwN). Solche besonderen Umstände sind vorliegend in der knapp 12-jährigen Zeitdauer zwischen der Absendung des Schreibens vom 27.12.1999 und dem Antrag der Klägerin zu 2) vom 28.10.2011 bei der Beklagten auf Klärung des Status des Klägers zu 1) zu sehen. Dies ist nicht nur ein außergewöhnlich langer Zeitraum, der zB die Vierjahresfrist des § 25 Abs 1 S 1 SGB IV erheblich überschreitet. Die Kläger haben während dieses Zeitraumes auch nicht bei der Einzugsstelle nachgefragt, ob der "Antrag" bearbeitet wird. Einen Zugang des Schreibens vom 27.12.1999 unterstellt, durfte die Beigeladene zu 2) als Einzugsstelle daher darauf vertrauen, dass der "Antrag" nicht mehr weiterverfolgt wird (vgl die Maßstäbe bei der Beurteilung der Verwirkung bei einer Untätigkeitsklage LSG Nordrhein-Westfalen 07.02.2013, L 9 AL 367/12 B, juris). Mit dem im Herbst 2011 bei der Beklagten gestellten Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1) hat die Klägerin zu 2) schließlich auch nach außen zum Ausdruck gebracht, dass sie dem Schreiben vom 27.12.1999 an die Einzugsstelle keine bleibende Wirkung (mehr) beimisst. Hinzukommt, dass die Kläger während des Antragsverfahrens ab 2011 und auch nicht im Gerichtsverfahren erster Instanz einen vorherigen Antrag vom Dezember 1999 erwähnt, sondern erst in der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2016 erstmals einen solchen Antrag vorgebracht haben; auch insoweit besteht der Eindruck, dass die Kläger dem Schreiben vom 27.12.1999 eine Bedeutung als Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1) lange Zeit nicht beigemessen haben.
In der Sache ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ist der Kläger zu 1) ab dem 01.01.2000 bei der Klägerin abhängig beschäftigt, mit der Folge, dass Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen ua der Jahresarbeitsentgeltgrenze in in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.
Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 und B 12 KR 14/10 R, juris).
Nach den angeführten Grundsätzen der BSG-Rechtsprechung ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R, juris, mwN). Eine derartige Rechtsmacht hat ein GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn er aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer und Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft hat, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann (BSG 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, juris). Dies ist der Fall, wenn der Geschäftsführer Mehrheitsgesellschafter ist, er also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt (BSG 20.03.1984, 7 RAr 70/82, juris), und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt (BSG 18.04.1991, 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr 5).
In seiner neueren Rechtsprechung hat das BSG, dem der Senat folgt, die Bedeutung der Rechts-macht im Unternehmen für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung hervorgehoben (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 11 und B 12 R 14/10 R USK 2012 - 182); es spreche einiges dafür, der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse maßgebende Bedeutung beizumessen, da entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer abhängigen Beschäftigung die Möglichkeit sei, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden (BSG, aaO). Unerheblich ist in jedem Fall, dass eine bestehende Rechtsmacht mit daraus folgenden Weisungsrechten mangels tatsächlichen Anlasses in der Geschäftspraxis nicht ausgeübt wird, solange sie nur aufrechterhalten bleibt und von ihr bei gegebenem Anlass, etwa bei einem Zerwürfnis Gebrauch gemacht werden kann (vgl Senatsurteil vom 17.04.2007, L 11 R 5748/06). Eine (bloße) "Schönwetter-Selbstständigkeit" (so BSG, aaO) ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar.
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger zu 1) seit dem 01.01.2000 bei der Klägerin zu 2) abhängig beschäftigt ist und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliegt.
Ausgangspunkt ist der Geschäftsführervertrag vom 28.12.1999 (Bl 6 Verwaltungsakte), der typische Regelungen für Arbeitnehmer enthält: § 3 bestimmt, dass der Kläger zu 1) ein monatliches Festgehalt von 7.000 DM (seit 01.01.2002 festes Monatsgehalt in Höhe von 5.800 EUR, Bl 48 Verwaltungsakte), Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezieht, Anspruch auf einen 30-tägigen bezahlten Jahresurlaub (§ 7) und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für 6 Wochen hat (§ 8).
Nicht für eine versicherungsfreie Tätigkeit spricht die Tatsache, dass der Kläger zu 1) aufgrund seiner Vorqualifikation die Entwicklung und den Geschäftsbetrieb der Klägerin zu 2) maßgeblich geprägt hat. Weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht zu einem Selbstständigen. Die insbesondere für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung entwickelte "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach Angestellte ausnahmsweise als Selbstständige zu betrachten sind, wenn sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, ist für die Statusbeurteilung im sozialversicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis nicht heranzuziehen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 24).
Für eine versicherungsfreie selbstständige Tätigkeit kann zwar unter gestimmten Voraussetzungen die Übernahme eines beträchtlichen Haftungsrisikos des Kläger zu 1) in Form der Übernahme von Bürgschaften und Grundschulden sprechen. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass damit auch eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32) einhergeht, die den Kläger zu 1) in die Lage versetzt hätte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm uU unangenehme Weisungen der Klägerin zu 2) zu verhindern (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 24 Rn 27). Dies ist nicht der Fall. Der Kläger zu 1) hält lediglich 40 % der stimmberechtigten Anteile der Klägerin zu 2). Er verfügt in keinem Bereich über eine Sperrminorität. Eine wesentliche Abweichung zu § 47 Abs 1 und 2 GmbHG, wonach durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen entschieden wird und jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt, liegt nicht vor. Nach den Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag wird nach Geschäftsanteilen abgestimmt, wobei je 500 EUR eines Geschäftsanteils eine Stimme gewähren. Der Mitgesellschafter-Geschäftsführer B. hat vor dem SG ausgeführt, man habe sich im Zuge der Gründung der GmbH überlegt, wie man die Anteile verteile und sich bewusst gegen eine hälftige Aufteilung entschieden (Bl 86 SG-Akte rücks). Die Bindung an das willensbildende Organ, Gesellschafterversammlung und die dortigen Mehrheitsverhältnisse stehen also in der Krise gegen den Kläger zu 1), was nach Auffassung des Senats ein maßgeblicher Gesichtspunkt ist (ebenso LSG Baden-Württemberg 07.05.2014, L 4 KR 1024/13; Sächsisches LSG 04.03.2014, L 1 KR 9/11). Zutreffend hat das SG herausgearbeitet, dass damit die vom Kläger zu 1) eingenommene Rechtsposition als Minderheitsgesellschafter mit keiner ausreichenden Rechtsmacht ausgestattet ist, die es ihm erlauben würde, die Geschicke des Unternehmens in wesentlicher Hinsicht – auch gegen Widerstände des Mehrheitsgesellschafters – zu lenken. Darauf kommt es für eine selbstständige Tätigkeit in Abgrenzung zu einer abhängigen Beschäftigung eines Gesellschafters jedoch an. Unter diesen Rahmenbedingungen führt auch die vereinbarte Tantieme in Höhe von 20 % des Jahresüberschusses nicht zur Bejahung eines unternehmerischen Risikos; dem steht auch das hohe feste Monatsgehalt entgegen.
Aus der (behaupteten) Stimmbindungsvereinbarung vom 08.08.2011 folgt nichts anderes. Der Verstoß gegen eine Stimmbindungsvereinbarung lässt die Wirksamkeit eines Gesellschaftsbeschlusses grundsätzlich unberührt und berechtigt regelmäßig nicht zur Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses. Der Stimmbindungsvertrag gewährt dem Kläger zu 1) nicht die Rechtsmacht, sich - einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten umfassenden Sperrminorität qualitativ gleichwertig - jederzeit gegen unliebsame Einzelweisungen zur Wehr zu setzen.
Stimmbindungsverträge stellen rein schuldrechtliche Vereinbarungen dar (BGH 25.09.1986, II ZR 272/15, NJW 1987, 890). Nach der Rechtsprechung des BGH führen solche außerhalb des Gesellschaftsvertrages auf Dauer eingegangenen schuldrechtlichen Abstimmungsverpflichtungen unter wechselseitiger Beteiligung aller Gesellschafter an der Stimmbindungsvereinbarung regelmäßig zu einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff BGB), weil mit der koordinierten Ausübung der Stimmrechte ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird (vgl BGHZ 126, 226, 234 = NJW 1994, 2536; BGHZ 179, 13, 19 = NJW 2009, 669). Auch wenn sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, sind sie jederzeit ordentlich kündbar (§ 723 Abs 1 S 1 BGB). Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage prägen die Abwägungsentscheidung zum sozialversicherungsrechtlichen Status nicht iS einer strikten Parallelwertung zwingend vor; ihnen kommt keine - im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich gebotenen Gesamtabwägung von vornherein den Ausschlag gebende, dh entscheidende - Indizfunktion für das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit zu (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R Rn 23 ff, juris). Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmrechtsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits ist durch die verschiedenen Sachstrukturen der jeweiligen Rechtsbereiche gerechtfertigt (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R unter Hinweis auf Bernsdorff, DB 2014, 1551 (1555)). Eine Stimmabgabe ist in der Regel auch dann gültig, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimmbindungsvertrag erfolgt; ein Mangel des Gesellschafterbeschlusses wird durch eine Stimmabgabe entgegen der Stimmbindungsvereinbarung grundsätzlich nicht bewirkt (vgl Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; OLG Köln 25.07.2002, 18 U 60/02, juris; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl, § 47 RdNr 117). Lediglich im Innenverhältnis zwischen einzelnen Gesellschaftern wirkende Stimmrechtsvereinbarungen können daher an dem Beschäftigtenstatus des Beigeladenen zu 1) nichts ändern (Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; LSG Hamburg 04.09.2013, L 2 R 111/12, juris). Die außerhalb des Gesellschaftsvertrages von den Gesellschaftern getroffene Stimmbindungsvereinbarung ist daher nach der Rspr des BSG, der sich der Senat anschließt, nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden "Rechtsmachtverhältnisse" mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu "verschieben", weil der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 26 Rn 25 mwN). Auch dass Kündigungsrechte in der vorliegend zu beurteilenden Zeit tatsächlich nicht ausgeübt wurden, ist im sozialversicherungsrechtlichen Kontext ohne Bedeutung (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, aaO Rn 26).
Auch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe von 20.000 EUR ändert an der vorstehenden Beurteilung nichts, da der Stimmbindungsvertrag jährlich voraussetzungs- und folgenlos kündbar, womit der Eintritt der eine Vertragsstrafe auslösenden Umstände verhindert werden kann. Maßgeblich bleibt auch insoweit die tatsächlich nicht vorhandene Rechtsmacht aus dem Gesellschaftsverhältnis.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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