Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 4283/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3168/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. April 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung und Erstattung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate September und Oktober 2011 in Höhe von insgesamt 475,36 Euro streitig.
Der 1956 geborene Kläger bezog von der Beklagten seit 2010 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Auf einen Weiterbewilligungsantrag vom 22.03.2011 wurden dem Kläger die Leistungen mit Bescheid vom 25.03.2011 für die Zeit vom 01.05.2011 bis 31.10.2011 weitergewährt. Aufgrund eines Umzuges wurde dieser Bescheid mit Bescheid vom 11.10.2011 hinsichtlich der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung abgeändert. Der Kläger erhielt nun monatlich Regelleistungen in Höhe von 364,00 Euro zzgl. Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 405,10 Euro. Dieser Bescheid wurde erneut mit Bescheid vom 24.11.2011 hinsichtlich der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung abgeändert, so dass der Kläger rückwirkend ab dem 01.09.2011 nun weitere 10,66 Euro monatlich erhielt. Mit Bescheid vom 28.02.2012 wurde die Leistungsbewilligung erneut für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis 31.10.2011 abgeändert. Der Kläger erhielt nun ab dem 01.09.2011 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 475,61 Euro. Mit Bescheid vom 11.10.2011, abgeändert durch die Bescheide vom 24.11.2011 und 28.02.2012, sind dem Kläger auf seinen Weiterzahlungsantrag vom 14.09.2011 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.11.2011 bis 30.04.2012 bewilligt worden.
Nachdem der Beklagte erfahren hatte, dass der Kläger in der Zeit vom 16.09.2011 bis 25.10.2011 bei der Bäckerei W. P. in F. eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt hatte, forderte er den Kläger mit Schreiben vom 10.01.2012 auf, ausgefüllte Einkommensbescheinigungen über das dort erzielte Einkommen vorzulegen. Da diese Tätigkeit Auswirkungen auf den Leistungsanspruch haben könne und es ggf. zu einer teilweisen Aufhebung der Leistungsgewährung kommen könne, erhalte er zudem Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Zudem wurden Einkommensbescheinigungen bei der Bäckerei P. eingeholt. Aus diesen und aufgrund eines Telefonats der zuständigen Sachbearbeiterin des Beklagten mit der betroffenen Bäckerei wurde bekannt, dass der Kläger im September 2011 394,20 Euro und im Oktober 2011 400,00 Euro erhalten habe. Der Lohn sei jeweils bar im Folgemonat ausgezahlt worden.
Der Kläger äußerte sich zunächst nicht. Er legte lediglich eine von ihm unterschriebene Einkommenserklärung vor. Darin verneinte er alle Fragen zu von ihm bezogenen Einkommen.
Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 17.04.2012 die Bewilligung für die Zeit vom 01.10.2011 bis 30.11.2011 teilweise gemäß §§ 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auf und forderte für Oktober 2011 235,36 Euro und für November 2011 240,00 Euro, insgesamt also 475,36 Euro zurück. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht. Ferner erklärte der Beklagte die Aufrechnung der Erstattungsforderung mit den dem Kläger zustehenden Leistungen in Höhe von monatlich 112,20 Euro. Der Beklagte führte aus, dass er von seinem Ermessen Gebrauch gemacht habe und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gebührend berücksichtigt habe. Im Leistungsverfahren seien weder entscheidungsrelevante Gründe vorgetragen worden noch ergäben sich nach Aktenlage Anhaltspunkte, die gegen eine Aufrechnung sprechen würden.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 19.04.2012 Widerspruch und trug vor, dass er ab dem 15.09.2011 für die Bäckerei P. tätig gewesen sei. Der Vertrag sei ohne Angabe von Gründen am 15.10.2011 aufgehoben worden. Er habe bis heute kein Geld von der Bäckerei erhalten und beantrage daher, die Erstattungsforderung rückgängig zu machen.
Bei einem Termin zur Besprechung seines Widerspruchs am 16.05.2012 mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Beklagten erklärte der Kläger erneut, dass er von seinem Arbeitgeber das Geld nicht erhalten habe.
Mit Schreiben vom selben Tag wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Aufrechnung vorläufig bis zur Entscheidung über den Widerspruch ausgesetzt werde. Die bereits einbehaltene Tilgung werde an den Kläger ausbezahlt.
Der Beklagte forderte daraufhin von der Bäckerei P. Nachweise bezüglich der Auszahlungen des Lohnes an. Aus den daraufhin vorgelegten Quittungen ergab sich, dass der Lohn für September 2011 am 30.09.2011 und den Lohn für Oktober 2011 am 31.10.2011 in bar ausbezahlt wurde. Beide Quittungen waren mit "S. F." unterzeichnet, wobei die Unterschriften nicht identisch waren.
Mit Bescheid vom 20.07.2012 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis 31.10.2011 zunächst dahingehend ab, dass bei der Berechnung der Leistungen nun im September und Oktober 2011 Einkommen in Höhe von 394,20 Euro bzw. 400,00 Euro abzüglich der entsprechenden Freibeträge berücksichtigt wurde. Mit einem weiteren Bescheid vom 20.07.2012 änderte er den Bescheid vom 17.04.2012 dahingehend ab, dass nun die Leistungen für die Zeit vom 01.09.2011 bis 31.10.2011 2011 teilweise gemäß §§ 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, § 330 Abs. 2 SGB III zurückgenommen wurden und nun für September 2011 235,36 Euro und für Oktober 240,00 Euro, insgesamt aber weiterhin 475,36 Euro zurückgefordert wurden. Nach Vorlage der Quittungen habe sich ergeben, dass der Lohn nicht jeweils erst im Folgemonat, sondern noch im selben Monat ausbezahlt worden sei. Dementsprechend sei die Anrechnung des Lohnes entsprechend des Zuflusses vorgenommen worden. Der Bescheid werde gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens.
Eine Reaktion des Klägers erfolgte hierauf nicht.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2012 als unbegründet zurück. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er vorsätzlich oder grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht habe. Er habe die Beschäftigung bei der Bäckerei P. nicht mitgeteilt. Die Behauptung, dass der Kläger den Lohn nicht erhalten habe, sehe man durch die Vorlage der Quittungen, die beide unterschrieben seien, als widerlegt an.
Am 27.08.2012 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung auf seinen Widerspruch verwiesen. Er hat zudem am 07.12.2012 weitere Unterlagen vorgelegt, u.a. den Arbeitsvertrag vom 15.09.2011 und die Aufhebung des Arbeitsvertrages vor. In einem Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger am 03.04.2014 gegenüber dem SG erklärt, dass er nicht für die Bäckerei P. gearbeitet habe. Er habe auch keinen Lohn erhalten und er habe die Quittungen nicht unterschrieben. Daraufhin wurde der Rechtsstreit vertagt und das SG hat Herrn K. E., den für die Lohnauszahlung bei der Bäckerei P. zuständigen Mitarbeiter, schriftlich als Zeugen befragt. Dieser hat mit Schreiben vom 08.05.2014 erklärt, dass er die Quittungen selbst ausgestellt habe und persönlich das Geld an den Kläger ausbezahlt habe. Die Quittung vom 30.09.2011 habe der Kläger selbst unterzeichnet, die Quittung vom 31.10.2011 habe die Ehefrau des Klägers unterzeichnet, da der Kläger bereits aus dem Unternehmen ausgeschieden gewesen sei und seine Ehefrau noch in der Bäckerei tätig gewesen sei. Zu einem erneuten Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.04.2015 ist der Kläger nicht erschienen. Der Kläger hatte bereits mit Fax vom 16.04.2015 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, in welcher eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 08.05.2015 bescheinigt wurde. Das SG hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss die Anordnung des persönliche Erscheinen des Klägers aufgehoben. Ebenfalls zu dem Termin ist die Ehefrau des Klägers als Zeugin geladen worden. Der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung lässt sich weder eine Aussage dieser Zeugin entnehmen noch, ob sie zu diesem Termin (unentschuldigt) nicht erschienen ist. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG dann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsverfahren verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass es keine Zweifel habe, dass der Kläger bei der Firma P. gearbeitet habe. Dies ergebe sich auch aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Arbeitsvertrag. Auch den Vortrag des Klägers, er habe den Lohn nicht erhalten, sehe man durch die Angaben des Zeugen E. als widerlegt an. Dieser habe auch nachvollziehbar und glaubhaft geschildert, warum die Unterschriften auf den Quittungen nicht identisch seien.
Mit Schreiben vom 07.05.2015, eingegangen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am selben Tag, hat der Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung des ihm am 24.04.2015 zugestellten Urteils vom 17.04.2015 erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass er zur mündlichen Verhandlung aufgrund einer Erkrankung nicht habe kommen können. Er habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefaxt und von der Bäckerei P. kein Geld erhalten.
Mit Beschluss vom 27.07.2015 hat der Senat die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen und das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. April 2015 sowie die Bescheide des Beklagten vom 17. April 2012 und 20. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die angefochtenen Bescheide und die Entscheidung des SG.
Mit Schreiben vom 02.03.2017 hat der Senat Herrn K. E. nochmals schriftlich als Zeugen befragt. Dieser hat mit Schreiben vom 03.03.2017 auf die Fragen des Senats u.a. geantwortet, dass der Kläger vom 16.09.2011 bis 25.10.2011 als Aushilfe bei der Bäckerei P. beschäftigt gewesen sei. Man habe diese geringfügige Beschäftigung des Klägers bei der Knappschaft gemeldet. Als Nachweise hat er Kopien der Meldebescheinigung zur Sozialversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Trägerin der Minijob-Zentrale und die Abmeldung zum Beschäftigungsende, den Arbeitsvertrag und die Kündigung dieses Vertrages, die Lohnabrechnungen für September und Oktober 2011 sowie die Stempelkarten des Klägers vorgelegt. Er hat weiter erklärt, dass der Lohn für September direkt an den Kläger ausbezahlt worden sei, den Lohn für Oktober habe er an die Ehefrau des Klägers ausbezahlt. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Kläger nicht mehr im Unternehmen gewesen. Er hat die entsprechenden Barbelege in Kopie beigefügt und mitgeteilt, die Quittung für Oktober habe die Ehefrau des Klägers unterschrieben. Bis Dezember 2011 sei es bei der Bäckerei P. üblich gewesen, dass der Lohn für Aushilfskräfte in bar ausgezahlt werde. Erst mit Einführung der elektronischen Zeiterfassung ab Januar 2012 habe man Aushilfslöhne per Überweisung bezahlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die durch Beschluss des Senates vom 27.07.2015 nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG zugelassene Berufung ist zulässig. Sie wurde insbesondere auch fristgerecht erhoben. Einer gesonderten Berufungseinlegung bedurfte es gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Urteil vom 17.04.2015 sowie die Bescheide des Beklagten vom 14.07.2012 und 20.07.2012, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2012, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden hat die Beklagte zu Recht die Leistungsbewilligung für die Monate September und Oktober 2011 teilweise zurückgenommen und zu Recht insgesamt 475,36 Euro vom Kläger zurückgefordert. Wie der Beklagte zutreffend davon ausgegangen ist, sind Rechtsgrundlage für die Rücknahme § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB II - in der hier anzuwendenden und bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung - und § 330 Abs. 2 SGB III.
Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten ist formell rechtmäßig. Die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung ist erfolgt. Der Kläger ist mit Schreiben vom 10.01.2012 zu der beabsichtigten Rücknahme der Leistungsbewilligung angehört worden. Der Senat kann offen lassen, ob dieses Schreiben bereits alle entscheidungserheblichen Tatsachen enthielt, denn ein eventueller Verfahrensfehler ist zumindest durch Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden, § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X. Der Beklagte hat mit dem Kläger nach Einlegung des Widerspruchs sogar einen persönlichen Termin zur Besprechung seines Widerspruchs durchgeführt und ihm damit ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zur beabsichtigten Aufhebung und Erstattung zu äußern.
Auch die materiellen Voraussetzungen für die Rücknahme sind gegeben.
Die materiellen Voraussetzungen ergeben sich aus § 45 SGB X. Diese Vorschrift ist gegen den Anwendungsbereich des § 48 SGB X abzugrenzen. § 45 Abs. 1 SGB X regelt in Abgrenzung zu § 48 SGB X, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dagegen aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsakts voneinander ab (vgl. BSG, Urteile vom 01.06.2006 - B 7a AL 76/05 R - BSGE 96, 285, vom 27.07.1989 - 11/7 RAr 115/87 - BSGE 65, 221 und vom 24.02.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 36). Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
1. Dem Kläger waren zuletzt mit dem Änderungsbescheid vom 28.02.2012 Leistungen für die Monate September und Oktober 2011 bewilligt worden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch einen Änderungsbescheid eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen wird (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R -), war hier auf den letzten Änderungsbescheid abzustellen, der diesen Zeitraum betrifft, mithin auf den Bescheid vom 28.02.2012.
Diese Bewilligung war aber von Anfang an rechtswidrig, denn der Kläger hatte bereits bei Erlass dieses Bescheides einen niedrigeren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II aufgrund des vom ihm bezogenen Einkommens aus der Tätigkeit bei der Bäckerei P.
Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine bestehende Bedürftigkeit i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB II, also die Unfähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt durch vorhandenes Einkommen oder Vermögen zu bestreiten.
Dem Kläger waren zuletzt mit Bescheid vom 28.02.2012 ab September 2011 monatliche Leistungen in Höhe von 839,61 Euro bewilligt worden. Dabei wurde die maßgebliche Regelleistung in Höhe von monatlich 364,00 Euro zzgl. der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 475,61 Euro berücksichtigt. Ein bedarfsminderndes Einkommen wurde nicht in die Berechnungen eingestellt.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind jedoch alle Einnahmen in Geld mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge als Einkommen zu berücksichtigen. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Norm sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen.
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger bei der Bäckerei P. gearbeitet hat und auch den sich aus den Lohnbescheinigungen und Quittungen ergebenden Lohn in Höhe von 394,20 Euro im September 2011 und 400,00 Euro im Oktober 2011 erhalten hat. Dies ergibt sich aus den im SG-Verfahren und im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen, insbesondere aus der zweimaligen Befragung des Zeugen E. und den durch diesen vorgelegten Unterlagen. Der Senat hält daher weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich.
Die Angaben des Zeugen E. und die von ihm vorgelegten Unterlagen belegen zunächst, dass der Kläger tatsächlich im September 2011 und Oktober 2011 in der Bäckerei als Aushilfe tätig war. Es liegen sowohl der auch vom Kläger unterzeichnete Arbeitsvertrag und die Unterlagen über dessen Beendigung vor, als auch Kopien der Stempelkarten für diesen Zeitraum, aus denen sich die vom Kläger in dieser Zeit geleisteten Arbeitsstunden ergeben. Weiterhin wurden ordnungsgemäße Lohnabrechnungen mit dem Vermerk Barauszahlung sowie die Meldebescheinigung dieser geringfügigen Tätigkeit zur Sozialversicherung vorgelegt. Der Zeuge E. hat zudem mitgeteilt, dass er selbst persönlich den Lohn ausgezahlt habe und dass eine solche Barauszahlung für Aushilfskräfte in diesem Zeitraum bei der Bäckerei P. üblich gewesen sei. Er hat weiter separate Quittungen vorgelegt, mit denen die Barauszahlungen von 394,20 Euro im September 2011 und 400,00 Euro im Oktober 2011 quittiert wurden. Der Zeuge hat zudem bereits im SG-Verfahren und nun erneut in der schriftlichen Befragung durch den Senat überzeugend und nachvollziehbar die verschiedenen Unterschriften auf den Quittungen erläutert. Der Septemberlohn war an den Kläger direkt ausbezahlt worden. Diese Quittung sei auch von diesem selbst unterschrieben worden. Hierbei fällt auf, dass die Unterschrift auf der September-Quittung der Unterschrift auf dem vom Kläger unterzeichneten Arbeitsvertrag, aber auch den sonstigen in den Akten zu findenden Unterschriften des Klägers, z.B. auf den Weiterbewilligungsanträgen oder den an das SG und das LSG gerichteten Schreiben, gleicht. Es bestehen daher für den Senat keinerlei Zweifel, dass der Kläger den Lohn für den Monat September bar am 30.09.2011 entgegen genommen hat. Die anders aussehende Unterschrift auf der Oktober-Quittung stammt von der Ehefrau des Klägers. Diese hatte nach den Angaben des Zeugen die Barauszahlung für den Kläger entgegengenommen, weil dieser zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr im Unternehmen tätig war. Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau das für den Kläger angenommene Geld nicht an diesen weitergeleitet hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr hat der Kläger lediglich pauschal den Erhalt des Lohnes für beide Monate bestritten und auch gegenüber seinem Arbeitgeber eine möglicherweise unterbliebene Weiterleitung des Lohnes nicht angezeigt.
Der Senat ist nach alledem entgegen der Angaben des Klägers davon überzeugt, dass dieser den Lohn von der Bäckerei P. erhalten hat. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht erforderlich, zumal der Kläger den neuen Angaben des Zeugen E. nicht widersprochen und sich auch in seinem Berufungsschreiben auf die bloße Behauptung beschränkt hat, dass er den Lohn nicht erhalten habe. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der bereits im SG-Verfahren durchgeführten schriftlichen Anhörung des Zeugen und den vorgelegten Dokumenten erfolgte hingegen nicht.
Der Lohn in Höhe von 394,20 Euro bzw. 400,00 Euro ist dem Kläger damit am 30.09.2011 bzw. 31.10.2011 und damit jeweils am Monatsende zugeflossen und war daher bedarfsmindernd in dem Monat, in dem der Zufluss erfolgte, nach § 11 SGB II abzüglich der Freibeträge nach § 11b SGB II anzurechnen. Die vom Beklagten durchgeführten Berechnungen sind rechnerisch nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die Berechnungsbögen verwiesen, zumal diese auch nicht angegriffen wurden. Die Leistungsbewilligung war daher in Höhe von 235,36 Euro für September 2011 und in Höhe von 240,00 Euro für Oktober 2011 rechtswidrig.
2. Der Änderungsbescheid vom 28.02.2012 konnte auch für die Zeit vom 01.09.2011 bis 31.10.2011 zurückgenommen werden. Insbesondere liegt ein den Vertrauensschutz ausschließender Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X für die rückwirkende Aufhebung vor, denn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X sind gegeben. Die Bewilligung der zu hohen Leistungen beruhten auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht hatte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB II). Wie bereits ausgeführt hat der Kläger in den Monaten September und Oktober 2011 Lohn aus einer Tätigkeit bei der Bäckerei P. bezogen. Er hat diese Einnahmen dem Beklagten aber nicht mitgeteilt. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) hat aber, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistungen erheblich sind. Der Kläger hat zu keiner Zeit angegeben, dass er Einkommen von der Bäckerei P. bezogen hat. Er hat dies vielmehr bis zuletzt sogar abgestritten.
Der Kläger handelte hier zur Überzeugung des Gerichts zumindest grob fahrlässig. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgebend hierfür ist die persönliche Einsichtsfähigkeit des Begünstigten (subjektiver Sorgfaltsmaßstab, vgl. BSG, Urteil vom 20.09.1977 - 8/12 RKg 8/76 - juris Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 23.07.1996 - 7 RAr 14/96 - juris Rn. 22; Schütze, in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45, Rn. 52; Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 2012, § 45 SGB X, Rn. 39 f.; Heße in BeckOK, SGB X, § 45 Rn. 24 f.). Die erforderliche Sorgfalt verletzt, wer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Werden gesetzliche Vorschriften, auf die der Leistungsträger gesondert den Leistungsempfänger hingewiesen hat, außer Acht gelassen, ist in der Regel von grober Fahrlässigkeit auszugehen, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und nach seinem Bildungsstand die Vorschrift nicht verstanden hat (vgl. BSG, Urteil vom 20.09.1977 - 8/12 RKg 8/76 - juris Rn. 24 ff.). Vorliegend hat der Beklagte in seinen jeweiligen Antragsformularen eindeutig und unmissverständlich die besondere Bedeutung von Einkommen hervorgehoben und deutlich darauf hingewiesen, dass in Bezug auf Einkommen besondere Mitteilungspflichten bestehen. Dem Kläger musste daher bewusst sein, dass Einkommen seinen Leistungsanspruch mindern kann und er dieses Einkommen melden muss. Dies hat er nicht getan und es daher zumindest grob fahrlässig unterlassen, vollständige Angaben zu machen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Er hätte zudem bei Erhalt des Änderungsbescheides vom 28.02.2012 erkennen müssen, dass kein bedarfsminderndes Einkommen angerechnet wurde. Angesichts dessen kann davon ausgegangen werden, dass er die Rechtswidrigkeit der Leistungsbescheide zumindest grob fahrlässig nicht erkannt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, diese Hinweise zu verstehen und danach zu handeln, ist weder vorgetragen, noch ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte hierfür. Die Annahme einer groben Fahrlässigkeit unterstellt bereits zu seinen Gunsten, dass der Kläger die Zahlungen nicht in vollem Bewusstsein der Bedeutung für die gleichzeitig gewährten Sozialleistungen vor dem Beklagten verheimlicht hat, er also – was nach den Gesamtumständen zumindest nicht fernliegt - sogar vorsätzlich handelte.
3. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X für die Aufhebung der rechtswidrigen Leistungsbescheide hat der Beklagte eingehalten, nachdem der Kläger den Lohn im September und Oktober 2011 erhalten, die streitgegenständlichen Bescheide aber weniger als ein Jahr später erlassen wurden. Ermessen war nicht auszuüben (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II iV § 330 Abs. 2 SGB III).
4. Rechtsgrundlage der mit den angegriffenen Bescheiden vom 17.04.2012 und 20.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2012 festgesetzten Erstattungsforderung ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt wirksam aufgehoben wurde. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Festsetzung der Erstattungsforderung auf 235,36 Euro für den Monat September 2011 und 240,00 Euro für den Monat Oktober 2011, insgesamt also 475,36 Euro, lässt keine Fehler erkennen.
5. Auch die Aufrechnung wurde vom Beklagten in rechtmäßiger Weise erklärt. Er hat insofern von seinem Ermessen Gebrauch gemacht. Der Kläger hat weder im Rahmen der Anhörung noch später Umstände vorgetragen, die gegen eine Aufrechnung i.H.v. 112,20 Euro monatlich sprechen könnten. Es sind hierfür auch keine Anhaltspunkte erkennbar. Die Höhe entspricht betragsmäßig dem in § 43 SGB II genannten möglichen Aufrechnungsbetrag von 30 % der maßgeblichen Regelleistung. Der Beklagte hat sein ihm zustehendes Ermessen in nicht zu beanstandender Art und Weise ausgeübt.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung und Erstattung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate September und Oktober 2011 in Höhe von insgesamt 475,36 Euro streitig.
Der 1956 geborene Kläger bezog von der Beklagten seit 2010 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Auf einen Weiterbewilligungsantrag vom 22.03.2011 wurden dem Kläger die Leistungen mit Bescheid vom 25.03.2011 für die Zeit vom 01.05.2011 bis 31.10.2011 weitergewährt. Aufgrund eines Umzuges wurde dieser Bescheid mit Bescheid vom 11.10.2011 hinsichtlich der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung abgeändert. Der Kläger erhielt nun monatlich Regelleistungen in Höhe von 364,00 Euro zzgl. Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 405,10 Euro. Dieser Bescheid wurde erneut mit Bescheid vom 24.11.2011 hinsichtlich der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung abgeändert, so dass der Kläger rückwirkend ab dem 01.09.2011 nun weitere 10,66 Euro monatlich erhielt. Mit Bescheid vom 28.02.2012 wurde die Leistungsbewilligung erneut für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis 31.10.2011 abgeändert. Der Kläger erhielt nun ab dem 01.09.2011 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 475,61 Euro. Mit Bescheid vom 11.10.2011, abgeändert durch die Bescheide vom 24.11.2011 und 28.02.2012, sind dem Kläger auf seinen Weiterzahlungsantrag vom 14.09.2011 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.11.2011 bis 30.04.2012 bewilligt worden.
Nachdem der Beklagte erfahren hatte, dass der Kläger in der Zeit vom 16.09.2011 bis 25.10.2011 bei der Bäckerei W. P. in F. eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt hatte, forderte er den Kläger mit Schreiben vom 10.01.2012 auf, ausgefüllte Einkommensbescheinigungen über das dort erzielte Einkommen vorzulegen. Da diese Tätigkeit Auswirkungen auf den Leistungsanspruch haben könne und es ggf. zu einer teilweisen Aufhebung der Leistungsgewährung kommen könne, erhalte er zudem Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Zudem wurden Einkommensbescheinigungen bei der Bäckerei P. eingeholt. Aus diesen und aufgrund eines Telefonats der zuständigen Sachbearbeiterin des Beklagten mit der betroffenen Bäckerei wurde bekannt, dass der Kläger im September 2011 394,20 Euro und im Oktober 2011 400,00 Euro erhalten habe. Der Lohn sei jeweils bar im Folgemonat ausgezahlt worden.
Der Kläger äußerte sich zunächst nicht. Er legte lediglich eine von ihm unterschriebene Einkommenserklärung vor. Darin verneinte er alle Fragen zu von ihm bezogenen Einkommen.
Die Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 17.04.2012 die Bewilligung für die Zeit vom 01.10.2011 bis 30.11.2011 teilweise gemäß §§ 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auf und forderte für Oktober 2011 235,36 Euro und für November 2011 240,00 Euro, insgesamt also 475,36 Euro zurück. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht. Ferner erklärte der Beklagte die Aufrechnung der Erstattungsforderung mit den dem Kläger zustehenden Leistungen in Höhe von monatlich 112,20 Euro. Der Beklagte führte aus, dass er von seinem Ermessen Gebrauch gemacht habe und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gebührend berücksichtigt habe. Im Leistungsverfahren seien weder entscheidungsrelevante Gründe vorgetragen worden noch ergäben sich nach Aktenlage Anhaltspunkte, die gegen eine Aufrechnung sprechen würden.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 19.04.2012 Widerspruch und trug vor, dass er ab dem 15.09.2011 für die Bäckerei P. tätig gewesen sei. Der Vertrag sei ohne Angabe von Gründen am 15.10.2011 aufgehoben worden. Er habe bis heute kein Geld von der Bäckerei erhalten und beantrage daher, die Erstattungsforderung rückgängig zu machen.
Bei einem Termin zur Besprechung seines Widerspruchs am 16.05.2012 mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Beklagten erklärte der Kläger erneut, dass er von seinem Arbeitgeber das Geld nicht erhalten habe.
Mit Schreiben vom selben Tag wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Aufrechnung vorläufig bis zur Entscheidung über den Widerspruch ausgesetzt werde. Die bereits einbehaltene Tilgung werde an den Kläger ausbezahlt.
Der Beklagte forderte daraufhin von der Bäckerei P. Nachweise bezüglich der Auszahlungen des Lohnes an. Aus den daraufhin vorgelegten Quittungen ergab sich, dass der Lohn für September 2011 am 30.09.2011 und den Lohn für Oktober 2011 am 31.10.2011 in bar ausbezahlt wurde. Beide Quittungen waren mit "S. F." unterzeichnet, wobei die Unterschriften nicht identisch waren.
Mit Bescheid vom 20.07.2012 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis 31.10.2011 zunächst dahingehend ab, dass bei der Berechnung der Leistungen nun im September und Oktober 2011 Einkommen in Höhe von 394,20 Euro bzw. 400,00 Euro abzüglich der entsprechenden Freibeträge berücksichtigt wurde. Mit einem weiteren Bescheid vom 20.07.2012 änderte er den Bescheid vom 17.04.2012 dahingehend ab, dass nun die Leistungen für die Zeit vom 01.09.2011 bis 31.10.2011 2011 teilweise gemäß §§ 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, § 330 Abs. 2 SGB III zurückgenommen wurden und nun für September 2011 235,36 Euro und für Oktober 240,00 Euro, insgesamt aber weiterhin 475,36 Euro zurückgefordert wurden. Nach Vorlage der Quittungen habe sich ergeben, dass der Lohn nicht jeweils erst im Folgemonat, sondern noch im selben Monat ausbezahlt worden sei. Dementsprechend sei die Anrechnung des Lohnes entsprechend des Zuflusses vorgenommen worden. Der Bescheid werde gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens.
Eine Reaktion des Klägers erfolgte hierauf nicht.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2012 als unbegründet zurück. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er vorsätzlich oder grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht habe. Er habe die Beschäftigung bei der Bäckerei P. nicht mitgeteilt. Die Behauptung, dass der Kläger den Lohn nicht erhalten habe, sehe man durch die Vorlage der Quittungen, die beide unterschrieben seien, als widerlegt an.
Am 27.08.2012 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung auf seinen Widerspruch verwiesen. Er hat zudem am 07.12.2012 weitere Unterlagen vorgelegt, u.a. den Arbeitsvertrag vom 15.09.2011 und die Aufhebung des Arbeitsvertrages vor. In einem Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger am 03.04.2014 gegenüber dem SG erklärt, dass er nicht für die Bäckerei P. gearbeitet habe. Er habe auch keinen Lohn erhalten und er habe die Quittungen nicht unterschrieben. Daraufhin wurde der Rechtsstreit vertagt und das SG hat Herrn K. E., den für die Lohnauszahlung bei der Bäckerei P. zuständigen Mitarbeiter, schriftlich als Zeugen befragt. Dieser hat mit Schreiben vom 08.05.2014 erklärt, dass er die Quittungen selbst ausgestellt habe und persönlich das Geld an den Kläger ausbezahlt habe. Die Quittung vom 30.09.2011 habe der Kläger selbst unterzeichnet, die Quittung vom 31.10.2011 habe die Ehefrau des Klägers unterzeichnet, da der Kläger bereits aus dem Unternehmen ausgeschieden gewesen sei und seine Ehefrau noch in der Bäckerei tätig gewesen sei. Zu einem erneuten Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.04.2015 ist der Kläger nicht erschienen. Der Kläger hatte bereits mit Fax vom 16.04.2015 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, in welcher eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 08.05.2015 bescheinigt wurde. Das SG hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss die Anordnung des persönliche Erscheinen des Klägers aufgehoben. Ebenfalls zu dem Termin ist die Ehefrau des Klägers als Zeugin geladen worden. Der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung lässt sich weder eine Aussage dieser Zeugin entnehmen noch, ob sie zu diesem Termin (unentschuldigt) nicht erschienen ist. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG dann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsverfahren verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass es keine Zweifel habe, dass der Kläger bei der Firma P. gearbeitet habe. Dies ergebe sich auch aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Arbeitsvertrag. Auch den Vortrag des Klägers, er habe den Lohn nicht erhalten, sehe man durch die Angaben des Zeugen E. als widerlegt an. Dieser habe auch nachvollziehbar und glaubhaft geschildert, warum die Unterschriften auf den Quittungen nicht identisch seien.
Mit Schreiben vom 07.05.2015, eingegangen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am selben Tag, hat der Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung des ihm am 24.04.2015 zugestellten Urteils vom 17.04.2015 erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass er zur mündlichen Verhandlung aufgrund einer Erkrankung nicht habe kommen können. Er habe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefaxt und von der Bäckerei P. kein Geld erhalten.
Mit Beschluss vom 27.07.2015 hat der Senat die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen und das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. April 2015 sowie die Bescheide des Beklagten vom 17. April 2012 und 20. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die angefochtenen Bescheide und die Entscheidung des SG.
Mit Schreiben vom 02.03.2017 hat der Senat Herrn K. E. nochmals schriftlich als Zeugen befragt. Dieser hat mit Schreiben vom 03.03.2017 auf die Fragen des Senats u.a. geantwortet, dass der Kläger vom 16.09.2011 bis 25.10.2011 als Aushilfe bei der Bäckerei P. beschäftigt gewesen sei. Man habe diese geringfügige Beschäftigung des Klägers bei der Knappschaft gemeldet. Als Nachweise hat er Kopien der Meldebescheinigung zur Sozialversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Trägerin der Minijob-Zentrale und die Abmeldung zum Beschäftigungsende, den Arbeitsvertrag und die Kündigung dieses Vertrages, die Lohnabrechnungen für September und Oktober 2011 sowie die Stempelkarten des Klägers vorgelegt. Er hat weiter erklärt, dass der Lohn für September direkt an den Kläger ausbezahlt worden sei, den Lohn für Oktober habe er an die Ehefrau des Klägers ausbezahlt. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Kläger nicht mehr im Unternehmen gewesen. Er hat die entsprechenden Barbelege in Kopie beigefügt und mitgeteilt, die Quittung für Oktober habe die Ehefrau des Klägers unterschrieben. Bis Dezember 2011 sei es bei der Bäckerei P. üblich gewesen, dass der Lohn für Aushilfskräfte in bar ausgezahlt werde. Erst mit Einführung der elektronischen Zeiterfassung ab Januar 2012 habe man Aushilfslöhne per Überweisung bezahlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die durch Beschluss des Senates vom 27.07.2015 nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG zugelassene Berufung ist zulässig. Sie wurde insbesondere auch fristgerecht erhoben. Einer gesonderten Berufungseinlegung bedurfte es gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Urteil vom 17.04.2015 sowie die Bescheide des Beklagten vom 14.07.2012 und 20.07.2012, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.08.2012, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Mit den streitgegenständlichen Bescheiden hat die Beklagte zu Recht die Leistungsbewilligung für die Monate September und Oktober 2011 teilweise zurückgenommen und zu Recht insgesamt 475,36 Euro vom Kläger zurückgefordert. Wie der Beklagte zutreffend davon ausgegangen ist, sind Rechtsgrundlage für die Rücknahme § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB II - in der hier anzuwendenden und bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung - und § 330 Abs. 2 SGB III.
Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten ist formell rechtmäßig. Die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung ist erfolgt. Der Kläger ist mit Schreiben vom 10.01.2012 zu der beabsichtigten Rücknahme der Leistungsbewilligung angehört worden. Der Senat kann offen lassen, ob dieses Schreiben bereits alle entscheidungserheblichen Tatsachen enthielt, denn ein eventueller Verfahrensfehler ist zumindest durch Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden, § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X. Der Beklagte hat mit dem Kläger nach Einlegung des Widerspruchs sogar einen persönlichen Termin zur Besprechung seines Widerspruchs durchgeführt und ihm damit ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zur beabsichtigten Aufhebung und Erstattung zu äußern.
Auch die materiellen Voraussetzungen für die Rücknahme sind gegeben.
Die materiellen Voraussetzungen ergeben sich aus § 45 SGB X. Diese Vorschrift ist gegen den Anwendungsbereich des § 48 SGB X abzugrenzen. § 45 Abs. 1 SGB X regelt in Abgrenzung zu § 48 SGB X, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dagegen aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Die Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsakts voneinander ab (vgl. BSG, Urteile vom 01.06.2006 - B 7a AL 76/05 R - BSGE 96, 285, vom 27.07.1989 - 11/7 RAr 115/87 - BSGE 65, 221 und vom 24.02.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 36). Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
1. Dem Kläger waren zuletzt mit dem Änderungsbescheid vom 28.02.2012 Leistungen für die Monate September und Oktober 2011 bewilligt worden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch einen Änderungsbescheid eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen wird (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R -), war hier auf den letzten Änderungsbescheid abzustellen, der diesen Zeitraum betrifft, mithin auf den Bescheid vom 28.02.2012.
Diese Bewilligung war aber von Anfang an rechtswidrig, denn der Kläger hatte bereits bei Erlass dieses Bescheides einen niedrigeren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II aufgrund des vom ihm bezogenen Einkommens aus der Tätigkeit bei der Bäckerei P.
Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine bestehende Bedürftigkeit i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB II, also die Unfähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt durch vorhandenes Einkommen oder Vermögen zu bestreiten.
Dem Kläger waren zuletzt mit Bescheid vom 28.02.2012 ab September 2011 monatliche Leistungen in Höhe von 839,61 Euro bewilligt worden. Dabei wurde die maßgebliche Regelleistung in Höhe von monatlich 364,00 Euro zzgl. der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 475,61 Euro berücksichtigt. Ein bedarfsminderndes Einkommen wurde nicht in die Berechnungen eingestellt.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind jedoch alle Einnahmen in Geld mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge als Einkommen zu berücksichtigen. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Norm sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen.
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger bei der Bäckerei P. gearbeitet hat und auch den sich aus den Lohnbescheinigungen und Quittungen ergebenden Lohn in Höhe von 394,20 Euro im September 2011 und 400,00 Euro im Oktober 2011 erhalten hat. Dies ergibt sich aus den im SG-Verfahren und im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen, insbesondere aus der zweimaligen Befragung des Zeugen E. und den durch diesen vorgelegten Unterlagen. Der Senat hält daher weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich.
Die Angaben des Zeugen E. und die von ihm vorgelegten Unterlagen belegen zunächst, dass der Kläger tatsächlich im September 2011 und Oktober 2011 in der Bäckerei als Aushilfe tätig war. Es liegen sowohl der auch vom Kläger unterzeichnete Arbeitsvertrag und die Unterlagen über dessen Beendigung vor, als auch Kopien der Stempelkarten für diesen Zeitraum, aus denen sich die vom Kläger in dieser Zeit geleisteten Arbeitsstunden ergeben. Weiterhin wurden ordnungsgemäße Lohnabrechnungen mit dem Vermerk Barauszahlung sowie die Meldebescheinigung dieser geringfügigen Tätigkeit zur Sozialversicherung vorgelegt. Der Zeuge E. hat zudem mitgeteilt, dass er selbst persönlich den Lohn ausgezahlt habe und dass eine solche Barauszahlung für Aushilfskräfte in diesem Zeitraum bei der Bäckerei P. üblich gewesen sei. Er hat weiter separate Quittungen vorgelegt, mit denen die Barauszahlungen von 394,20 Euro im September 2011 und 400,00 Euro im Oktober 2011 quittiert wurden. Der Zeuge hat zudem bereits im SG-Verfahren und nun erneut in der schriftlichen Befragung durch den Senat überzeugend und nachvollziehbar die verschiedenen Unterschriften auf den Quittungen erläutert. Der Septemberlohn war an den Kläger direkt ausbezahlt worden. Diese Quittung sei auch von diesem selbst unterschrieben worden. Hierbei fällt auf, dass die Unterschrift auf der September-Quittung der Unterschrift auf dem vom Kläger unterzeichneten Arbeitsvertrag, aber auch den sonstigen in den Akten zu findenden Unterschriften des Klägers, z.B. auf den Weiterbewilligungsanträgen oder den an das SG und das LSG gerichteten Schreiben, gleicht. Es bestehen daher für den Senat keinerlei Zweifel, dass der Kläger den Lohn für den Monat September bar am 30.09.2011 entgegen genommen hat. Die anders aussehende Unterschrift auf der Oktober-Quittung stammt von der Ehefrau des Klägers. Diese hatte nach den Angaben des Zeugen die Barauszahlung für den Kläger entgegengenommen, weil dieser zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr im Unternehmen tätig war. Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau das für den Kläger angenommene Geld nicht an diesen weitergeleitet hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr hat der Kläger lediglich pauschal den Erhalt des Lohnes für beide Monate bestritten und auch gegenüber seinem Arbeitgeber eine möglicherweise unterbliebene Weiterleitung des Lohnes nicht angezeigt.
Der Senat ist nach alledem entgegen der Angaben des Klägers davon überzeugt, dass dieser den Lohn von der Bäckerei P. erhalten hat. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht erforderlich, zumal der Kläger den neuen Angaben des Zeugen E. nicht widersprochen und sich auch in seinem Berufungsschreiben auf die bloße Behauptung beschränkt hat, dass er den Lohn nicht erhalten habe. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der bereits im SG-Verfahren durchgeführten schriftlichen Anhörung des Zeugen und den vorgelegten Dokumenten erfolgte hingegen nicht.
Der Lohn in Höhe von 394,20 Euro bzw. 400,00 Euro ist dem Kläger damit am 30.09.2011 bzw. 31.10.2011 und damit jeweils am Monatsende zugeflossen und war daher bedarfsmindernd in dem Monat, in dem der Zufluss erfolgte, nach § 11 SGB II abzüglich der Freibeträge nach § 11b SGB II anzurechnen. Die vom Beklagten durchgeführten Berechnungen sind rechnerisch nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die Berechnungsbögen verwiesen, zumal diese auch nicht angegriffen wurden. Die Leistungsbewilligung war daher in Höhe von 235,36 Euro für September 2011 und in Höhe von 240,00 Euro für Oktober 2011 rechtswidrig.
2. Der Änderungsbescheid vom 28.02.2012 konnte auch für die Zeit vom 01.09.2011 bis 31.10.2011 zurückgenommen werden. Insbesondere liegt ein den Vertrauensschutz ausschließender Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X für die rückwirkende Aufhebung vor, denn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X sind gegeben. Die Bewilligung der zu hohen Leistungen beruhten auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht hatte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB II). Wie bereits ausgeführt hat der Kläger in den Monaten September und Oktober 2011 Lohn aus einer Tätigkeit bei der Bäckerei P. bezogen. Er hat diese Einnahmen dem Beklagten aber nicht mitgeteilt. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) hat aber, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistungen erheblich sind. Der Kläger hat zu keiner Zeit angegeben, dass er Einkommen von der Bäckerei P. bezogen hat. Er hat dies vielmehr bis zuletzt sogar abgestritten.
Der Kläger handelte hier zur Überzeugung des Gerichts zumindest grob fahrlässig. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgebend hierfür ist die persönliche Einsichtsfähigkeit des Begünstigten (subjektiver Sorgfaltsmaßstab, vgl. BSG, Urteil vom 20.09.1977 - 8/12 RKg 8/76 - juris Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 23.07.1996 - 7 RAr 14/96 - juris Rn. 22; Schütze, in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45, Rn. 52; Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 2012, § 45 SGB X, Rn. 39 f.; Heße in BeckOK, SGB X, § 45 Rn. 24 f.). Die erforderliche Sorgfalt verletzt, wer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Werden gesetzliche Vorschriften, auf die der Leistungsträger gesondert den Leistungsempfänger hingewiesen hat, außer Acht gelassen, ist in der Regel von grober Fahrlässigkeit auszugehen, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und nach seinem Bildungsstand die Vorschrift nicht verstanden hat (vgl. BSG, Urteil vom 20.09.1977 - 8/12 RKg 8/76 - juris Rn. 24 ff.). Vorliegend hat der Beklagte in seinen jeweiligen Antragsformularen eindeutig und unmissverständlich die besondere Bedeutung von Einkommen hervorgehoben und deutlich darauf hingewiesen, dass in Bezug auf Einkommen besondere Mitteilungspflichten bestehen. Dem Kläger musste daher bewusst sein, dass Einkommen seinen Leistungsanspruch mindern kann und er dieses Einkommen melden muss. Dies hat er nicht getan und es daher zumindest grob fahrlässig unterlassen, vollständige Angaben zu machen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Er hätte zudem bei Erhalt des Änderungsbescheides vom 28.02.2012 erkennen müssen, dass kein bedarfsminderndes Einkommen angerechnet wurde. Angesichts dessen kann davon ausgegangen werden, dass er die Rechtswidrigkeit der Leistungsbescheide zumindest grob fahrlässig nicht erkannt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, diese Hinweise zu verstehen und danach zu handeln, ist weder vorgetragen, noch ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte hierfür. Die Annahme einer groben Fahrlässigkeit unterstellt bereits zu seinen Gunsten, dass der Kläger die Zahlungen nicht in vollem Bewusstsein der Bedeutung für die gleichzeitig gewährten Sozialleistungen vor dem Beklagten verheimlicht hat, er also – was nach den Gesamtumständen zumindest nicht fernliegt - sogar vorsätzlich handelte.
3. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X für die Aufhebung der rechtswidrigen Leistungsbescheide hat der Beklagte eingehalten, nachdem der Kläger den Lohn im September und Oktober 2011 erhalten, die streitgegenständlichen Bescheide aber weniger als ein Jahr später erlassen wurden. Ermessen war nicht auszuüben (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II iV § 330 Abs. 2 SGB III).
4. Rechtsgrundlage der mit den angegriffenen Bescheiden vom 17.04.2012 und 20.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2012 festgesetzten Erstattungsforderung ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt wirksam aufgehoben wurde. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Festsetzung der Erstattungsforderung auf 235,36 Euro für den Monat September 2011 und 240,00 Euro für den Monat Oktober 2011, insgesamt also 475,36 Euro, lässt keine Fehler erkennen.
5. Auch die Aufrechnung wurde vom Beklagten in rechtmäßiger Weise erklärt. Er hat insofern von seinem Ermessen Gebrauch gemacht. Der Kläger hat weder im Rahmen der Anhörung noch später Umstände vorgetragen, die gegen eine Aufrechnung i.H.v. 112,20 Euro monatlich sprechen könnten. Es sind hierfür auch keine Anhaltspunkte erkennbar. Die Höhe entspricht betragsmäßig dem in § 43 SGB II genannten möglichen Aufrechnungsbetrag von 30 % der maßgeblichen Regelleistung. Der Beklagte hat sein ihm zustehendes Ermessen in nicht zu beanstandender Art und Weise ausgeübt.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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