S 11 AS 1219/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AS 1219/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 215/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 9/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Maßnahme BINS50plus stellt keine Maßnahme im Sinne des § 21 Abs.4 SGB II dar, die einen Mehrbedarf nach dieser Regelung begründet.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 4. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2013 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger im Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.12.2013 ein Mehrbedarf wegen Behinderung gemäß § 21 Abs. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zusteht.

Dem 1954 geborenen Kläger wurden mit Bescheid vom 01.12.2011 für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 und mit Bescheid vom 24.05.2012 für die Zeit von 01.07.2012 bis 31.12.2012 sowie mit Bescheid vom 22.11.2012 für die Zeit von 01.01.2013 bis 30.06.2013 und mit Bescheid vom 29.05.2013 für die Zeit von 01.07.2013 bis 31.12.2013 (dieser geändert mit Bescheid vom 23.07.2013) Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Mehrbedarfe wurden dabei jeweils nicht berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 14.08.2013 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers die Bescheide für die genannten Leistungszeiträume gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu überprüfen. Es sei ein Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwasseraufbereitung zu gewähren. Zudem sei ein Bedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zu gewähren, da der Kläger über einen anerkannten Grad der Behinderung (GdB) verfüge und seit einiger Zeit sich in der Maßnahme BINS 50plus befinden würde.

Vorgelegt wurde ein Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 03.08.2011, wonach bei dem Kläger ein GdB von 20 auf Grund einer Sehminderung am linken Auge, einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und einer arteriellen Verschlusskrankheit des rechten Beines sowie Teilverlust zweier Zehen anerkannt worden ist.

Mit Bescheid vom 04.09.2013 erkannte der Beklagte den Mehrbedarf wegen Warmwasseraufbereitung an und änderte die Bescheide für die Leistungszeiträume vom 01.01.2012 bis 31.12.2013 jeweils mit Bescheiden vom selben Tag entsprechend ab. Die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II wurde abgelehnt. Die Voraussetzungen würden tatbestandlich nicht vorliegen, da der Kläger keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, keine sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes und auch keine Eingliederungshilfe erhalte.

Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers am 24.09.2013 Widerspruch ein. Der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II sei dem Kläger wegen seiner Teilnahme an der Maßnahme BINS 50plus zu gewähren, diese stelle eine sonstige Hilfe für die Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben dar.

Für die Zeit vom 14.02.2012 bis 13.02.2014 wurden dem Kläger Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei einem Träger gemäß § 45 Abs. 1 S.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bewilligt.

In einem Telefonat des Beklagten mit der Teamleiterin der Maßnahme am 07.11.2013 wurde mitgeteilt, dass diese zwischen 12 und 24 Monaten dauern würde, pro Semester seien an der Volkshochschule drei Kurse zu besuchen, wobei im Normalfall ein Kurs einmal pro Woche stattfinden und 90 Minuten dauern würde. Es soll ein berufsorientierter, ein gesundheitsorientierter und ein Kurs zur freien Wahl besucht werden. Zudem würden die Teilnehmer noch in Einzelterminen zweimal monatlich gecoacht werden. Die Fahrt-kosten der Teilnehmer würden von der VHS ersetzt werden.

Weiter wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger folgende Kurse besucht habe: Kontakt und Grenzen, Arbeit im Künstleratelier, Tai Chi für Anfänger, Bogenschießen, Furcht und Angst, Wut und Aggression, Malen und Zeichnen an Orten mit besonderer Energie, Wertschätzung und Akzeptanz, Kontakt und Grenzen, Angst ist die Kraft, Gnostische Evangelien, Spielerische Monartephie, welche häufig nur einen Tag gedauert hätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Maßnahme weise nicht die erforderliche finale Zielrichtung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben auf.

Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 04.12.2013, Eingang bei Gericht am 05.12.2013, Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die vom Kläger besuchte Maßnahme geeignet sei, einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zu begründen. Hierzu wurde auch die Konzeption der Maßnahme BINS 50plus vorgelegt. Hierin heißt es: "Zentrale Aufgabe ist die systematische Heranführung von arbeitsmarktfernen Personen im Arbeitslosengeld II-Bezug [ ...] ab dem 50. Lebensjahr an den regulären Arbeitsmarkt. Kern ist die Organisation und Steuerung des individuellen Integrationsprozesses.". Teilnehmer können danach ausdrücklich auch erwerbsfähige Hilfebedürftige sein, die Behinderungen aufweisen. Der Kläger hat am Teilprojekt "Kursfinden" teilgenommen.

Das Gericht hat die Projektleiterin der Maßnahme, C., schriftlich als Zeugin befragt. Sie hat mitgeteilt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Maßnahmeteilnehmer behindert ist. Die Maßnahme fördere diese Teilnehmer durch das Angebot an Gesundheitskursen und durch das therapienahe Beratungsangebot ausgehend von der individuellen Problemlage des einzelnen Teilnehmenden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte des Klägers den Streitgegen-stand dahingehend beschränkt, dass er die Kosten der Unterkunft unstreitig gestellt hat. Er hat nochmals darauf hingewiesen, dass zum einen die sonstige Hilfe nicht eine behindertenspezifische Ausrichtung erfordere und zum anderen eine solche bei der vorliegenden Maßnahme jedoch ohnehin gegeben sei.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt, den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 04.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 15.11.2013 zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum 14.02.2012 bis 31.12.2013 den Mehrbedarf wegen Behinderung gemäß § 21 Abs. 4 SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Wegen des weiteren Sachverhalts sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.

2. Streitgegenstand ist der auf den Überprüfungsantrag vom 14.08.2013 hin ergangene Bescheid vom 04.09.2013 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 15.11.2013. Streitig sind insoweit aber auf Grund der ausdrücklichen Beschränkung seitens des Klägers nicht mehr die Kosten der Unterkunft. Diesbezüglich handelt es sich um eine zulässige Beschränkung des Streitgegenstands, weitere Beschränkungen sind unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 4 AS 29/09 R). Streitig ist mithin die Frage, ob dem Kläger für die Zeit vom 14.02.2012 bis 31.12.2013 zusätzlich zum Regelbedarf und dem bereits gewährten Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwasseraufbereitung weitere Mehrbedarfe, insbesondere ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II zustehen.

3. Die Bescheide vom 04.09.2013 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 15.11.2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger damit nicht in seinen Rechten.

4. Gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II, § 330 SGB III in Verbindung mit § 44 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.

5. Die Leistungsbewilligungen an den Kläger im gegenständlichen Zeitraum stellen sich als rechtmäßig dar, ein weitergehender Mehrbedarf ist nicht zu berücksichtigen.

6. Der Kläger erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II und hat gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 SGB II den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung.

7. Für den Kläger kommt hier über den nach § 21 Abs. 7 SGB II im Rahmen des Überprüfungsantrags bereits gewährten Mehrbedarf, nur noch ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II in Betracht. Danach wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 % des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

8. Beim Kläger ist ausweislich des in den Verwaltungsakten vorliegenden Bescheids des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) gemäß § 69 SGB IX ein GdB von 20 festgestellt, so dass er auch behindert im Sinn des § 21 Abs. 4 SGB II ist, weil hierfür die Legaldefinition des § 2 SGB IX gilt (vgl. Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 21, Rn. 45). Auf die Art der Behinderung kommt es insoweit nicht an.

9. Der Kläger hat im gegenständlichen Zeitraum an der Maßnahme "BINS 50 plus" der Volkshochschule A-Stadt teilgenommen. Dabei handelt es sich nach Auffassung der Kammer jedoch nicht um eine Maßnahme im Sinne des § 21 Abs. 4 SGB II, die einen Mehrbedarf nach dieser Regelung begründet.

10. Die Maßnahme stellt keine Eingliederungshilfe im Sinn des § 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) dar, da sie unstreitig die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

11. Für die Frage, ob es sich um eine Maßnahme nach § 33 SGB IX handelt, kommt es nicht darauf an, ob diese als solche bewilligt worden ist bzw. wer diese Kosten trägt, da der Leistungsberechtigte hierauf keinen Einfluss hat (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 3/10 R).

12. Eine Maßnahme nach § 33 SGB IX muss jedoch schwerpunktmäßig das Ziel verfolgen, die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Sie muss deshalb final darauf gerichtet sein, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die einen behinderten Menschen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigen (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 3/10 R, Rn. 25).

Die hier gegenständliche Maßnahme "BINS 50plus" der Volkshochschule A-Stadt richtet sich nach der vorliegenden Maßnahmebeschreibung sowie dem Projektkonzept und den seitens des Projektträgers erteilten Auskünften an alle Arbeitsuchenden, die eine bestimmte Altersgrenze erreicht haben. Die Maßnahme ist zwar grundsätzlich auch für behinderte Menschen offen und auf Grund des vielfältigen Kursangebots auch für diese geeignet. Sie richtet sich aber gerade nicht speziell an erwerbslose behinderte Menschen, um z.B. deren behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen oder diese besonders zu fördern oder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Tatsache, dass die Maßnahme auch für behinderte Menschen geöffnet ist, dürfte einerseits bereits dem Diskriminierungsverbot aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschuldet sein. Zum anderen lässt sich daraus nicht zwingend schließen, dass die Maßnahme zielgerichtet darauf ist, behinderte Menschen an die Erwerbstätigkeit heranzuführen. Auch das Gericht erkennt, dass im Rahmen der Maßnahme auf Grund der gesundheitsspezifischen Kurse sowie des Einzelcoachings ein Eingehen auf die Person des Einzelnen möglich ist und damit auch seine Behinderung Berücksichtigung finden kann. Jedoch ist zum Beispiel aus der Tatsache, dass die Teilnehmer die Kurse frei wählen können und damit auch Kurse wählen können, die nichts mit dem Ausgleich ihrer behinderungsbedingten Nachteile zu tun haben, ersichtlich, dass die finale Zielrichtung der Maßnahme diesbezüglich fehlt. Eine Maßnahme die auch für behinderte Menschen offen und geeignet ist, ist nicht allein deshalb eine Maßnahme, die zielgerichtet darauf ist, speziell behinderten Menschen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Maßnahme an den Kläger gerade wegen seiner Behinderung mit dem Ziel, daraus bedingte Nachteile bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt auszugleichen, erbracht worden ist. Die Maßnahme wurde vielmehr nach § 45 SGB III erbracht. Der Kläger wurde für diese Maßnahme auf Grund seines Alters, nicht auf Grund seiner Behinderung ausgewählt.

Schließlich bezieht sich die Berücksichtigung der Behinderung der Teilnehmer auch nach Auskunft des Maßnahmeträgers besonders auf die angebotenen Kurse im Bereich der Gesundheit. Die Maßnahme erfordert die Teilnahme an drei Arten von Kursen, wobei auch ein berufsbezogener Kurs zu wählen ist. Für diese Kursart werden jedoch vom Maßnahmeträger keine behinderungsspezifischen Bestandteile genannt und sind auch nicht vorgetragen oder ersichtlich. Da Maßnahmen nach § 33 SGB IX aber bereits auf Grund des Wortlauts eindeutig einen Bezug zum Arbeitsleben fordern, kann eine solche Maßnahme nur dann gegeben sein, wenn der berufsspezifische Teil final auf die Wiedereingliederung behinderter Menschen gerichtet ist.

Auch wenn man die konkret vom Kläger im Rahmen der Maßnahme gewählten Kurse als Maßnahmebestandteile betrachtet, ist nicht zu erkennen, dass der Kläger selbst, auf den Ausgleich seiner behinderungsbedingten Nachteile bezüglich des Erwerbslebens ausgerichtete Kurse gewählt hätte.

13. In Betracht kommt daher allenfalls noch die Einordnung der Maßnahme als "sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" im Sinne von § 21 Abs. 4 S. 1 Alternative 2 SGB II. Eine solche liegt nach Auffassung der Kammer im hier zu entscheidenden Fall jedoch mit der Maßnahme "BINS 50plus" der Volkshochschule A-Stadt nicht vor.

14. Voraussetzung für das Vorliegen einer "sonstigen Hilfe" ist einerseits, dass es sich um eine regelförmige Maßnahme handelt, welche einen organisatorischen Mindestrahmen und eine gewisse Maßnahmedauer voraussetzt (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 59/09 R, Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 21, Rn. 48). Die Maßnahme besteht aus mehreren Modulen und dauert vorliegend 24 Monate. Auch innerhalb der einzelnen Module ist die Teilnahme an den verschiedenen Kursen noch an gewisse Vorgaben gebunden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Maßnahme regelförmig in diesem Sinn ist.

15. Die Frage, ob die "sonstigen Hilfen" im Sinn des § 21 Abs. 4 SGB II, einen behinderungsspezifischen Inhalt haben müssen, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden worden.

16. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass es sich hierbei nicht um Maßnahmen mit unmittelbarem Bezug zur Behinderung handeln muss, diese also nicht das Ziel haben müssen, behinderungsbedingte Vermittlungshemmnisse zu beseitigen (vgl. SG Braunschweig, Urteil vom 20.11.2012, S 49 AS 1145/11, jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 21, Rn. 51). Der Wortlaut enthalte diese Voraussetzung nicht, erforderlich sei nur ein Berufsbezug.

17. Andere vertreten die Auffassung, dass "sonstige Hilfen" nur Maßnahmen zur Integration gerade behinderter Menschen in das Arbeitsleben sein können (vgl. auch SG Lüneburg, Urteil vom 07.08.2008, S 24 AS 332/08, Münder, SGB II, 5. Auflage 2013, § 21, Rn. 21 und wohl auch Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 21, Rn. 48, der den Anwendungsbereich auf die Umrüstung des Arbeitsplatzes und die Beschaffung besonderer Arbeitsausrüstung beschränkt).

18. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 06.04.2011, B 4 AS 3/10 R, zwar nicht entschieden, dass auch "sonstige Hilfen" final auf die Integration behinderter Menschen gerichtet sein müssen, es hat jedoch eine gewisse Gleichwertigkeit dieser Leistungen in dem Sinne gefordert, dass eine sonstige Hilfe nicht qualitativ hinter den Anforderungen zurückstehen darf, die an die konkret in § 21 Abs. 4 SGB II benannten Maßnahmen, insbesondere die Hilfe nach § 33 SGB IX zu stellen sind.

Die Leistungen nach § 33 SGB IX werden - wie bereits oben dargestellt - erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern und sind somit final auf die Teilhabe behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen am Arbeitsleben ausgerichtet. Nach Überzeugung der Kammer ist eine solche Gleichwertigkeit der "sonstigen Hilfe" daher nur dann anzunehmen, wenn die entsprechende Maßnahme gerade erbracht wird, um speziell behinderte Erwerbsfähige in den Arbeitsmarkt wiedereinzugliedern.

Soweit seitens des Klägers hiergegen eingewandt wird, bei dieser Auslegung bleibe der Tatbestand der "sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" im Sinne von § 21 Abs. 4 2. Alternative SGB II inhaltsleer, da die spezifisch für Behinderte erbrachten Leistungen bereits von den Tatbestandsmerkmalen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX bzw. der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 3 SGB XII erfasst sein dürften, ist dem entgegenzuhalten, dass ein eigenständiger Anwendungsbereich bei Leistungen von Behörden und anderen Trägern besteht, die nicht zu den Rehabilitationsträgern nach § 6 SGB IX zählen und daher keine Leistungen nach § 33 SGB IX erbringen können (vgl. SG Lüneburg, a.a.O).

Wie bereits oben dargestellt, richtet sich die hier gegenständliche Maßnahme "BINS 50plus" nach der vorliegenden Maßnahmebeschreibung wie auch der Beschreibung durch die Maßnahmeleiterin an alle Arbeitsuchenden, die eine bestimmte Altersgrenze erreicht haben, völlig unabhängig von einer eventuell bestehenden Behinderung. Sie ist darauf gerichtet, ältere Erwerbslose in Beschäftigung zu bringen. Ihr Ziel ist gerade nicht der Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder die spezielle Förderung der Integration gerade behinderter Menschen.

19. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 3/10 R, zudem das Vorliegen einer "sonstigen Hilfe" im Sinn des § 21 Abs. 4 SGB II bereits daran scheitern lassen, dass es sich "bei den sonstigen Hilfen um andere als die nach § 33 SGB IX vorgesehenen handeln [muss], denn ansonsten hätte es deren ausdrücklicher Benennung nebeneinander im Normtext nicht bedurft." Im dort streitgegenständlichen Fall ging es um allgemeine Beratungs- und Betreuungsleistungen als Teilhabeleistungen, welche auch von § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX erfasst sein können und daher als "sonstige Hilfen" ausscheiden (vgl. BSG a. a. O., Rn. 22).

Auch die hier vorliegende Maßnahme kann unter § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX subsumiert werden, da es sich um eine Hilfe zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung handelt, welche von einem Träger nach § 6 SGB IX erbracht wird. Daher scheidet die "sonstige Hilfe" vorliegend bereits deshalb aus, weil sie theoretisch von § 33 SGB IX erfasst ist und nur dessen Voraussetzungen nicht erfüllt.

20. Bei der dem Kläger gewährten und von diesem im gegenständlichen Zeitraum absolvierten Maßnahme handelt es sich deshalb auch nicht um eine "sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" im Sinne des § 21 Abs. 4 S. 1 SGB II, so dass ein Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfs nach dieser Regelung nicht besteht.

21. Sonstige Fehler in der Leistungsberechnung für den gegenständlichen Zeitraum sind nach erfolgter Gewährung des Mehrbedarfs wegen dezentraler Warmwasserversorgung nicht vorgetragen oder ersichtlich. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen mithin nicht vor. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig ergangen. Die Klage war daher abzuweisen.

22. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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