L 5 R 452/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 42 R 1843/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 452/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Nachzahlungsanspruch aus einem Rentenbescheid ist erfüllt, wenn die Leistung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB bewirkt ist. In der Regel genügt die Gutschreibung auf ein Konto, über das der Gläubiger verfügungsberechtigt ist. Zwar kann er ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Zahlung nicht auf ein beliebiges Konto erfolgt. Allerdings muss der Leistungsempfänger seinerseits Sorge dafür tragen, dass dieser Wunsch dem Leistungsträger hinreichend deutlich und rechtzeitig vor dem in Betracht kommenden Zahlungstermin bekannt wird.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts X ... vom 17. April 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die (nochmalige) Auszahlung einer Rentennachzahlung von 9.383,81 EUR zzgl. 952,32 EUR Zinsen.

Am 1. Juli 2013 erkannte die Beklagte im Verfahren L 4 R 824/11 einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Leistungsfalles am 6. Februar 2007 ab dem 1. April 2008 an (Bl. 623 Verwaltungsakte [VA]). Am 6. November 2008 hatte der Kläger der Beklagten auf deren Aufforderung seine Bankverbindung im Rahmen der EU-Standardüberweisung (BIC/IBAN) mitgeteilt, wobei er ein Konto bei der P ... Z ..., IBAN , BIC , angab (Bl. 106 Rs. VA). Mit Rentenbescheid vom 31. Juli 2013 stellte die Beklagte die Erwerbsminderungsrente entsprechend dem Anerkenntnis fest und errechnete einen Nachzahlungsbetrag von 9.383,81 EUR (Bl. 680 ff. VA). Am selben Tag schrieb sie den Kläger (nochmals) zwecks Mitteilung von IBAN und BIC unter der Anschrift "Y ... Str., B ..." an (B. 632 VA). Das Schreiben wurde von der P ... zurückgesandt, weil der Empfänger nicht zu ermitteln sei (Bl. 656 VA). Mit am 22. August 2013 eingegangenen Schreiben teilte die Stadt X ... die neue Anschrift des Klägers ab 30. Juli 2013 mit (Bl. 667 VA). Mit Schreiben vom 23. August 2013, das über den Klägervertreter übersandt wurde, setzte sie den Kläger darüber in Kenntnis, dass die zunächst einbehaltene Rentennachzahlung zur Zahlung angewiesen werde (Bl. 666 VA). Am 26. August 2013 überwies der Postrentendienst den Betrag von 9.383,81 EUR auf das bekannte Konto des Klägers bei der P ... (Bl. 664 VA). Mit Schreiben vom 23. August 2013, eingegangen bei der Beklagten am 26. August 2013, teilte der Kläger seine neue Adresse und eine neue Bankverbindung bei der X V ... mit (Bl. 676 VA). Daraufhin bat die Beklagte mit Schreiben vom 5. September 2013 um Mitteilung von IBAN und BIC auf dem ebenfalls übersandten Formblatt (Bl. 677 VA). Mit Schreiben an den Klägervertreter vom 23. September 2013 teilte die Beklagte die Höhe der Zinsen mit 952,32 EUR mit und kündigte wiederum eine Überweisung auf das Konto der P ... Z ... an (Bl. 727 f. VA). Der Betrag wurde am 25. September 2013 (vom Postrentendienst) angewiesen (Bl. 726 VA). Mit Schreiben vom 26. September 2013 teilte der Kläger IBAN und BIC des Kontos bei der X ...er V ... mit (Bl. 720 VA). Am 1. Oktober 2013, eingegangen bei der Beklagten am 2. Oktober 2013, teilte der Klägervertreter auf dem übersandten Formblatt IBAN und BIC des Kontos bei der X V mit (Bl. 731 VA). Am 4. Oktober 2013 teilte der Kläger telefonisch mit, dass das Konto bei der P ... aufgelöst worden sei und er ein Konto bei der X ... V ... habe (vgl. Telefonvermerk Bl. 728 Rs. VA). Die auf das Konto der P ... überwiesenen Beträge sind nicht an die Beklagte zurückgeflossen.

Am 28. November 2013 hat der Kläger beim Sozialgericht Dresden Klage erhoben, mit der er die Verurteilung der Beklagten auf Zahlung von 9.383,81 EUR und 952,32 EUR begehrt. Die P ... teilte mit Schreiben vom 20. Dezember 2013 mit, die Überweisung der Beklagten vom 26. August 2013 über 9.383,81 EUR sei am 2. September 2013 dem Empfängerkonto gutgeschrieben worden (Bl. 9 Gerichtakte [GA]). Mit Schreiben vom 30. Januar 2014 teilte sie mit, der Betrag von 952,32 EUR sei dem Konto , das namentlich dem Kläger zugeordnet sei, am 1. Oktober 2013 gut geschrieben worden. Das Konto sei am 4. Oktober 2013 aufgelöst worden (Bl. 19 GA). Der Kläger hat einen Auflösungsantrag bezüglich des Kontos, unterzeichnet am 25. September 2013, zur Akte gereicht (Bl. 16 GA). Weiter hat der Kläger Kontoauszüge vom 20. August und 4. Oktober 2013 vorgelegt, wonach der Betrag von 9.383,81 EUR am 2. September und der Betrag von 952,32 EUR am 1. Oktober 2013 auf dem Konto des Klägers bei der P ... verbucht wurde. Am 4. Oktober 2013 ist ein Restsaldo von -10.403,29 EUR mit dem Vermerk "Restsaldo PB DTM Verwahrkto. Pfändung A ..." ausgewiesen. Der Endkontostand beträgt 0 EUR (Bl. 28-30 GA).

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. April 2015 abgewiesen. Der Nachzahlungs- und Zinsanspruch sei durch Erfüllung untergegangen. Die Schuld sei getilgt, wenn das Geld auf das vom Gläubiger benannte Konto gezahlt werde. Die Beklagte habe schuldbefreiend auf das Konto bei der P ... leisten dürfen. Die bloße Mitteilung des neuen Kontos verhindere dies nicht, weil hieraus nicht hervorgehe, dass eine Überweisung auf dieses Konto gewünscht sei. Aber auch wenn man davon ausgehe, dass die bloße Mitteilung einer neuen Bankverbindung eine schuldbefreiende Tilgung bei Zahlung auf das bisherige Konto verhindere, führe dies zu keiner anderen Beurteilung. Erst mit Schreiben vom 26. September 2013 und damit nach beiden Auszahlungen seien die für eine Umstellung der Bankverbindung beim Rentenservice der P ... AG erforderlichen Angaben (IBAN und BIC) mitgeteilt worden. Ein Organisationsverschulden sei der Beklagten nicht vorzuwerfen. Der Kläger habe nach dem Anerkenntnis und der Bescheiderteilung ausreichend Zeit gehabt, Änderungswünsche mitzuteilen.

Gegen den am 23. April 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22. Mai 2015 Berufung eingelegt. Die dem Konto bei der P ... gutgeschriebenen Gelder seien verschwunden. Von einer Pfändung des Kontos sei dem Kläger nichts bekannt. Diese sei beizuladen und vom Gericht zu ermitteln, wo das Geld geblieben sei. Die Zahlung an die P ... habe keine Erfüllung bewirkt. Zwischen Angabe des Kontos und Überweisung würden sechs Jahre liegen, weshalb es an einer Einwilligung des Klägers zur Überweisung auf dieses Konto fehle. Die Mitteilung des Klägers zu seiner neuen Bankverbindung sei nicht missverständlich. Er habe sie auch nicht eher angeben müssen, weil die Beklagte im Bescheid vom 31. Juli 2013 mitgeteilt habe, die Nachzahlung werde vorläufig nicht ausgezahlt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 17. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.383,81 EUR und 952,32 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der Vortrag des Klägers, er wisse nicht, wie es zu einer Pfändung des Kontos gekommen bzw. wo das Geld geblieben sei, sei wenig glaubhaft. Vollständig hätten die Daten zur neuen Bankverbindung erst am 26. September 2013 vorgelegen.

Dem Gericht lagen die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Dresden hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf (nochmalige) Auszahlung der Rentennachzahlung und Zinsen in Höhe von 9.383,81 EUR und 952,32 EUR.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheids Bezug genommen, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Darüber hinaus wird Folgendes ausgeführt:

Da § 47 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach Geldleistungen kostenfrei auf ein Konto des Empfängers überwiesen werden sollen, nur die Art der Erbringung einer Geldleistung regelt, gelten hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung ergänzend die zivilrechtlichen Bestimmungen (BSG, Urteil vom 14. August 2003 - B 13 RJ 11/03 R - juris Rn. 18).

Maßgeblich ist insoweit § 362 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt ist. Hierbei kommt es nicht auf die Leistungshandlung, sondern auf den Leistungserfolg an (st. Rspr. des BGH, vgl. Urteil vom 25. März 1983 – V ZR 168/81 – juris Rn. 21 m.w.N.)

1. Vorliegend ist der Nachzahlungsanspruch aus dem Rentenbescheid vom 31. Juli 2013 zzgl. Zinsen erfüllt, weil die Leistung im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB bewirkt ist.

In der Regel genügt die Gutschreibung auf ein Konto, über das der Gläubiger verfügungsberechtigt ist (vgl. Seewald, in Kasseler Kommentar, § 47 SGB I Rn. 8 f., Stand Mai 2014). Zwar kann der Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Zahlung nicht auf ein beliebiges Konto erfolgt, weshalb grundsätzlich kein Einverständnis mit der Überweisung auf ein anderes als das von ihm mitgeteilte Bankkonto besteht (BSG, a.a.O. juris Rn. 19 m.w.N.). Dem entsprechend tritt in der Regel dann keine Tilgungswirkung ein, wenn ein Gläubiger die Eröffnung eines neuen Kontos mitteilt und die Zahlung auf dieses Konto wünscht. Denn diesem Wunsch hat der Schuldner im Regelfall Folge zu leisten (BSG, a.a.O. juris Rn. 20).

Allerdings muss der Leistungsempfänger, hier der Kläger, seinerseits Sorge dafür tragen, dass dieser Wunsch dem Leistungsträger hinreichend deutlich und rechtzeitig vor dem in Betracht kommenden Zahlungstermin bekannt wird. Dies gilt gleichermaßen für etwaige Änderungswünsche hinsichtlich des zuvor angegebenen Überweisungswegs, wobei in beiden Fällen die betroffenen Leistungen und gewünschten Änderungstermine so klar und für den Leistungsträger unmissverständlich bezeichnet sein müssen, dass dieser bei vernünftiger Organisation in der Lage ist, die gewünschte Änderung fristgerecht umzusetzen (BSG, a.a.O. juris Rn. 23).

Dieser Verpflichtung ist der Kläger nicht nachgekommen. Vielmehr durfte die Beklagte im Zeitpunkt der Überweisungen am 26. August und 25. September 2013 davon ausgehen, dass sie auf das bekannte Konto des Klägers bei der P ... Z ... mit befreiender Wirkung zahlen konnte. Zwar hat der Kläger (erstmals) mit Schreiben vom 23. August 2013, eingegangen bei der Beklagten am 26. August 2013, eine neue Bankverbindung mitgeteilt. Diese formlose Mitteilung erfolgte jedoch zumindest hinsichtlich des Nachzahlungsanspruchs von 9.383,81 EUR, der am selben Tag vom Postrentendienst angewiesen wurde, zu spät und erfüllte zudem nicht die Anforderungen an einen klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Wunsch, die Nachzahlung (einschließlich Zinsen) solle auf eben dieses Konto überwiesen werden. Aus der bloßen Mitteilung einer neuen Bankverbindung ergibt sich nicht zweifelsfrei, dass alle (Nach-)Zahlungen ab sofort nur noch auf das neue Konto überwiesen werden sollen. Es handelt sich bereits nach dem Wortlaut des Schreibens nicht eindeutig um eine Tilgungsbestimmung für die Nachzahlung, sondern kann genauso gut (lediglich) als Änderungsanzeige in Bezug auf künftige laufende Rentenzahlungen verstanden werden. Damit war aus Sicht der Beklagten nicht unmissverständlich klar, ob hiervon bereits aktuell anstehende Zahlungen erfasst werden oder die Anzeige vielmehr auf die vom Postrentendienst im Auftrag der Beklagten künftig auszuzahlenden laufenden Geldleistungen im Sinne von § 119 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch beschränkt sein sollte.

Dies war ohne die vollständige Angabe von BIC und IBAN zudem nicht möglich, weshalb die Beklagte sie mit Schreiben vom 5. September 2013 beim Kläger erfragte. Diese teilte der Kläger erstmals mit Schreiben vom 26. September 2013, mithin nach Anweisung der zweiten Zahlung am 25. September 2013, wiederum formlos mit. Obwohl ihm spätestens aus dem Schreiben der Beklagten vom 23. August 2013 bekannt war, dass der Nachzahlungsbetrag und später der Zinsbetrag zur Auszahlung angewiesen wird, hat er es auch bis zur Auszahlung der Zinsen am 25. September 2013 unterlassen, gegenüber der Beklagten eine eindeutige Tilgungsbestimmung abzugeben. Deshalb ergab sich für die Beklagte lediglich aus der formlosen Mitteilung einer neuen – und zudem unvollständigen – Bankverbindung keine Pflicht, sofort alle Überweisungsaufträge zu stoppen und – ggf. unter Inkaufnahme einer damit einhergehenden Verzögerung – auf das neu angegebene Konto umzuleiten. Mit einem solch eindeutigen Begehren, das die Beklagte unter Umständen zu einem anderweitigen Handeln oder Unterlassen veranlasst hätte, ist der Kläger gerade nicht an sie herangetreten.

2. Aus den vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen des LAG Köln und SG Koblenz ergibt sich nichts anderes. Das Urteil des LAG Köln vom 26. August 2011 (4 Sa 427/11) betraf den hier nicht einschlägigen Fall der Zahlung einer Abfindung auf das Konto eines Dritten, wobei das Gericht zudem davon ausging, dass eine eindeutige Tilgungsbestimmung seitens des Gläubigers vorlag (vgl. LAG Köln a.a.O. juris Rn. 44), woran es hier jedoch gerade fehlt. Dem Urteil des SG Koblenz lag (ebenfalls) ein anderer Sachverhalt (fehl geleitete Rentenzahlung an einen unbekannten Dritten) zugrunde (vgl. Beschluss vom 8. April 2016 – S 1 R 291/16 ER – juris). Vorliegend erfolgte die Zahlung jedoch auf das noch existente Konto des Klägers, auf dem beide in Rede stehende Zahlungen auch gutgeschrieben wurden.

3. Eine Beiladung der P ... ist ebenso wenig angezeigt wie Ermittlungen des Gerichts zum Verbleib des Geldes. Die (nach den vorgelegten Kontoauszügen sehr wahrscheinliche) Pfändung des Kontos und Überweisung des Guthabens an einen Dritten (nach Eingang der Zahlung der Beklagten) betrifft allein das privatrechtliche Verhältnis des Klägers zu seiner (ehemaligen) Bank und unterliegt nicht der Aufklärungspflicht des Gerichts.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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