Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 9 U 75/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 23/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 265/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 4. November 2014 (Aktenzeichen S 9 U 75/11) wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob ein Arbeitsunfall des Klägers vom 31. Januar 2010 zu einer Rotatorenmanschettenruptur und zu anhaltenden Funktionsstörungen im Bereich des rechten Schultergelenkes geführt hat.
Der 1964 geborene Kläger ist Zimmermeister und Dachdecker und leitet einen eigenen Betrieb. Er erlitt am Nachmittag des 9. Juni 1995 einen Unfall als er beim Grabenausheben für ein Starkstromkabel auf seinem Grundstück abrutschte. Dabei wurde der rechte Arm hochgerissen. Der Kläger verspürte sofort erhebliche Schmerzen. Am 10. Juni stellte er sich gegen 9.30 Uhr beim Durchgangsarzt Dr. C. im Kreiskrankenhaus Eschwege vor. Dieser stellte im Bereich der rechten Schulter keine äußeren Verletzungszeichen fest. Die Beweglichkeit war deutlich eingeschränkt. Die Seithebe war bis 35 Grad, die Vorhaltebewegung bis 40 Grad möglich, die Drehung war erheblich gemindert. Es bestand ein Druckschmerz über der Schulterhöhe und der vorderen Gelenkkapsel. Die Röntgenuntersuchung der Schulter in zwei Ebenen zeigte keine Knochenverletzung und eine gelenkgerechte Stellung. Die Schultersonographie ergab keinen Hinweis für eine Rotatorenmanschettenruptur. Es wurde eine starke Schulterzerrung rechts diagnostiziert und ein Gilchristverband für 5 Tage angelegt. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit wurde auf 10 Tage geschätzt. Der Kläger stellte sich noch einmal am 16. Juni 1995 bei Dr. C. vor. Eine Wiedereinbestellung erfolgte zum 21. Juni 1995. Der Kläger stellte sich jedoch weder an diesem Tage noch später in der Sprechstunde des Dr. C. vor, so dass dieser die Behandlung am 16. Juni 1995 als abgeschlossen betrachtete. Er teilte der Beklagten mit, Arbeitsfähigkeit bestehe wieder ab dem 21. Juni 1995. Der Kläger machte in einem Formular der Beklagten am 27. Juni 1995 Angaben zu seiner Arbeitsunfähigkeit und gab an, er habe die Arbeit vom 10. bis 20. Juni 1995 ausgesetzt.
Am 31. Januar 2010 erlitt der Kläger einen weiteren Unfall, der die rechte Schulter betraf. Laut Durchgangsarztbericht des Dr. C., Kreiskrankenhaus Eschwege, vom gleichen Tage ereignete sich der Unfall auf schneeglattem Untergrund auf dem Hof vor dem Anwesen des Klägers. Der Kläger hatte in einer Halle für den eigenen Betrieb Arbeiten erledigt. Nach dem Verlassen der Halle rutschte er auf schneeglattem Untergrund aus und verletzte sich an der rechten Schulter als er versuchte, den Sturz abzufangen (so die Angaben im Durchgangsarztbericht). Dr. C. stellte einen eher diffusen Druckschmerz im Bereich der rechten Schulter vor allem ventral am Deltoideus radiales fest. Ein Hämatom oder eine Hautverletzung konnte er nicht feststellen. Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren ohne Befund. Die Beweglichkeit war stark schmerzhaft eingeschränkt. Die Abduktion war bis 90 Grad zunehmend schmerzhaft, danach die Elevation schmerzarm. Die Außen- und Innenrotation war eingeschränkt, der Nacken- und Schürzengriff waren mühsam möglich. Die Röntgenuntersuchung der Schulter in zwei Ebenen gab keinen Anhalt für eine Fraktur oder arthrotische Veränderungen. Wegen des Verdachts auf eine Rotatorenmanschettenruptur rechts erfolgte am 4. Februar 2010 eine kernspintomographische Untersuchung. Laut Befundbericht der Radiologin Dr. D. vom 4. Februar 2010 zeigte sich bei der Untersuchung einen komplette Ruptur der Supraspinatussehne, eine Teilruptur der Infraspinatussehne und eine Teilruptur des Muskulus subscapularis im Ansatzbereich mit Einblutung, ein Humeruskopfhochstand, eine AC-Gelenkarthrose mit Gelenkhypertrophie und Verschmälerung des Subacrominalraumes. Zudem wurde ein Gelenkerguss und eine Bursitis in der Bursa subdeltoidea subacromialis festgestellt. Am 9. Februar 2010 stellte sich der Kläger in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main (BGU) vor. Nach Beurteilung der MRT-Aufnahmen wurde die Supraspinatussehnenruptur als alt bewertet, da sich bereits eine fettige Degeneration und eine Retraktion der Sehne zeigten. Außerdem wurden eine Infraspinatusdegeneration, eine degenerative Omarthrose und eine AC-Gelenkarthrose diagnostiziert. Am 22. März 2010 stellte sich der Kläger erneut in der BGU vor. Trotz inzwischen durchgeführter Krankengymnastik war es zu keiner signifikanten Besserung gekommen. Die Beweglichkeit der rechten Schulter war deutlich schmerzhaft eingeschränkt. Aktiv gelang eine Vorelevation bis 80 Grad und seitlich die Abduktion bis 70 Grad. Die Außenrotation war komplett aufgehoben. Fremdtätig konnte nach vorne sowie zur Seite der Arm bis zur Horizontalen angehoben werden. Anlässlich eines Konsils der Chirurgen/Unfallchirurgen und des Sportorthopäden Dr. E. wurden die MRT- und Röntgenaufnahmen nochmals besprochen. Es bestand Einigkeit, dass auf den MRT-Aufnahmen weitgehend degenerative Veränderungen zu finden seien und ausgeprägte frische Einblutungen nicht vorlägen. Auch auf den Röntgenaufnahmen wurden ausgeprägte degenerative Veränderungen diagnostiziert mit tropfenförmiger Ausziehung des unteren Anteils der Oberarmkalotte sowie einer leichten spitzzipfligen Veränderung des Tuperculum majus als Ausdruck einer degenerativen Veränderung. Der subacromiale Raum war deutlich eingeengt und es bestand ein ausgeprägter Oberarmkopfhochstand, daneben eine deutliche Arthrose. Vorgeschlagen wurde eine arthroskopische Revision der rechten Schulter mit dem Versuch einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion.
Die Arthroskopie des rechten Schultergelenkes erfolgte am 15. April 2010. Es wurde eine komplette Ruptur der Sehne des Supraspinatus sowie des Infraspinatus mit Retraktion bis hinter das Glenoid gesehen. Die Sehnen des Supraspinatus und Infraspinatus zeigten deutliche Veränderungen und fettige Degeneration. Es zeigten sich außerdem eine Knorpelglatze am Humeruskopf und im Bereich des anterio-inferioren Glenoidrandes III.- bis IV.-gradige Knorpelschäden. Der obere Bizepsanker wies eine deutliche Auffaserung sowie eine Partialruptur der langen Bizepssehne und eine Bizepssehnentenotomie auf. Die Sehne des Musculus subscapularis zeigte sich etwas aufgefasert, jedoch ohne Rupturnachweis.
Während der Arthroskopie entnommene Präparate der langen Bizepssehne und der Supraspinatussehne wurden im Institut für Pathologie des Klinikums Offenbach untersucht. Dabei zeigte sich beim Präparat der langen Bizepssehne mikroskopisch kollagenes Bindegewebe mit gestörtem Richtungsverlauf, frischen flammenzungenartigen Einrissen, überwiegend jedoch glatten Risskanten, begrenzt von Mesenchymzell- und Kapillarproliferaten. In der Berliner-Blau- Reaktion zeigte sich kein Nachweis von Eisen. In der AP-Färbung eine mukoide Degeneration. Das Präparat der Supraspinatussehne zeigte kollagenes Bindegewebe mit frischen flammenzungenartigen Einrissen, überwiegend jedoch älteren Risskanten mit Kapillar- und Mesenchymzellprolieferaten. In der Berliner-Blau-Reaktion zeigte sich ein Nachweis von Eisen. Außerdem fand sich eine mukoide Degeneration. Es wurde jeweils eine mehrzeitige Sehnenruptur (frisch und überwiegend älter) und rissbenachbart eine mukoide Degeneration diagnostiziert.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. F. ein. Dieser empfahl am 30. Juni 2010 unter Bezugnahme auf seine frühere Stellungnahme vom 10. März 2010 "die Teilruptur im Bereich der Subscapularismuskulatur mit umschriebener Einblutung als unfallbedingt verursacht zu akzeptieren". Nicht wahrscheinlich sei, dass die Ruptur der Supraspinatussehne sowie die Teilruptur der Infraspinatussehne unfallursächlich seien. Zum einen sei der zu unterstellende direkte Anprall nicht geeignet, einen solchen Schaden zu verursachen, zum anderen sei auch eine gleichzeitige indirekte Gewalteinwirkung im Sinne einer Distorsion und Stauchung der rechten Schultergelenksregion als nicht geeignet zu bezeichnen, die substanzielle Schädigung dieser beiden Sehnen zu verursachen. Dies habe auch Bestand, wenn feingeweblich eine als frisch bezeichnete Komponente beschrieben sei. Für eine unfallunabhängige Ursache der Schädigung dieser Sehnen spreche auch die deutliche Retraktion der Sehnenstrukturen mit fettiger Degeneration im Einklang mit dem chronisch-entzündlichen Reizzustand benachbarter Schleimbeutel sowie der arthrotischen Veränderungen im Schultereckgelenk und die als viertgradig bezeichnete Arthrose des Gelenkes. Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit, das Heilverfahren zu ihren Lasten werde mit sofortiger Wirkung abgebrochen.
Der Chefarzt der Unfallchirurgie und orthopädischen Chirurgie Prof. Dr. G. und der Facharzt der Chirurgie und Unfallchirurgie sowie Notarztmedizin und Oberarzt der Notaufnahme Dr. H., BGU, erstatteten am 8. Oktober 2010 nach Untersuchung des Klägers ein Gutachten zur Zusammenhangfrage. Die Sachverständigen gelangten zu dem Ergebnis, im Bereich des rechten Schultergelenkes bestehe eine Zerrüttung der Rotatorenmanschette, eine Degeneration des Schulterdaches und des Oberarmkopfes im Sinne der Omarthrose. Bei dem Ereignis vom 31. Januar 2010 sei es zu einer Prellung des Schultergelenkes gekommen, jedoch zu keiner daraus resultierenden Belastung der Rotatorenmanschette. Schon vor dem Ereignis habe mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zerrüttung der Rotatorenmanschette der rechten Schulter bestanden. Im Gegensatz zu dem Ereignis vom 31. Januar 2010 sei das Ereignis aus dem Jahre 1995 von dem Unfallhergang her durchaus geeignet gewesen, eine Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette zu verursachen. Bei der Untersuchung wurden folgende Bewegungsmaße gemessen: "Arm seitwärts/körperwärts aktiv 80-0-30, passiv 180-0-30; Arm rückwärts/vorwärts 45-0-170; Arm auswärts-/einwärtsdrehend bei anliegendem Oberarm 20-0-90; Arm auswärts/einwärts bei 90 Grad seitwärts abgehobenen Oberarm 40-0-35.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2011 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 31. Januar 2010 als Arbeitsunfall an und stellte fest, unfallbedingt sei es zu einer Prellung des rechten Schultergelenkes mit Einblutung in die Muskulatur gekommen. Die Zerrüttung der Rotatorenmanschette (Muskel- und Sehnenplatte im Schulterbereich) mit Riss der Supraspinatussehne und Teilriss der Infraspinatussehne, umformenden Veränderungen (Degeneration) des Schulterdaches und des Oberarmes rechts im Sinne einer Omarthrose (Gelenkverschleiß im Schultergelenk) seien nicht Unfallfolge. Eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit infolge der Prellung habe nicht bestanden. Maßgebend sei der degenerative Vorschaden gewesen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 2. Februar 2011 Widerspruch ein und trug vor, er sei am 31. Januar 2010 auf die rechte Körperhälfte (Arm- und Schulterbereich) gefallen. Dadurch sei es zu den im Bereich der rechten Schulter vorhandenen Schäden der Rotatorenmanschette gekommen. Der Kläger verwies außerdem zur Begründung auf ein zu den Akten gereichtes arbeitsmedizinisches Gutachten des Dr. J., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung in Hessen, vom 25. November 2010 sowie auf eine Stellungnahme des Dr. J. vom 24. Februar 2011. Dr. J. vertrat die Auffassung, die Ruptur der Supraspinatussehne sowie die Teilruptur der Infraspinatussehne seien nicht als Unfallfolgen aufzufassen, da es sich hier um Altbefunde handele. Die bei dem Kläger vorhandene Schultersteife könne jedoch nicht auf diese degenerativen Veränderungen zurückgeführt werden. Der Kläger sei vor dem Unfall symptomfrei gewesen. Auch ein heftiger Prellungsmechanismus könne zu einer Schultersteife führen. Prof. Dr. G. habe sich damit in seinem Gutachten nicht befasst, obwohl die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in früheren Stellungnahmen davon ausgegangen sei, dass das eigentliche Krankheitsbild eine posttraumatische Schultersteife sei.
Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. K. als Beratungsarzt eingeholt. Dieser hat ausgeführt, bei leerem Vorerkrankungsverzeichnis sei es möglich, dass eine körpereigene Kompensation geeignet war, den funktionellen Verlust der zerrütteten Sehnen der Rotatorenmanschette auszugleichen. Es sei nicht selten der Fall, dass eine Prellung des Schultergelenkes dazu führe, dass dieses Stadium der Kompensation nicht wieder erreicht werde und Beschwerden erhalten blieben, die möglicherweise erst viel später, dann aber auch ohne den Unfall aufgetreten wären. Das Unfallereignis sei dann geeignet, dieses Versagen der körpereigenen Kompensation vorzuverlegen, wenn es tatsächlich auch ein wesentliches äußeres Trauma gewesen sei, was bei einem Sturz auf eisglattem Untergrund auf die Schulter zumindest vermutet werden könne. In der Regel heile eine Schulterprellung folgenlos aus, es sei denn, es entwickele sich das Bild der sogenannten frozen shoulder. Hierfür gebe es im vorliegenden Fall aber wohl keinen Anhalt. Im Übrigen verwies er darauf, dass seines Erachtens der Unfall aus dem Jahre 1995 nochmals beleuchtet werden müsse.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2011 zurück. Die Schäden im Bereich der Rotatorenmanschette und damit einhergehenden Beschwerden hätten ihre Ursache nicht in dem angeschuldigten Ereignis vom 31. Januar 2010.
Mit einem weiteren Bescheid vom 12. Januar 2011 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 9. Juni 1995 als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolgen eine Zerrung der rechten Schulter fest, die zum 20. Juni 1995 folgenlos ausgeheilt sei. Die Schädigung der Rotatorenmanschette sei nicht Unfallfolge.
Der Kläger legte hiergegen am 1. Februar 2011 Widerspruch ein und berief sich ebenfalls auf das Gutachten des Dr. J. vom 24. Februar 2011, in dem dieser die Meinung vertreten hatte, möglicherweise habe der Unfall vom 9. Juni 1995 zu einem Schaden im Bereich der Rotatorenmanschette geführt. Die Beklagte wies diesen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2011 zurück. Es gebe keinen Beweis für eine Sehnenruptur im Jahre 1995. Die Sonographie habe keinen Hinweis auf einen Rotatorenmanschettenriss ergeben, auch die Röntgenuntersuchung habe keine knöchernen Verletzungen gezeigt. Es sei nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachweisbar, dass die 2010 festgestellten Schäden auf das Ereignis aus dem Jahre 1995 zurückzuführen seien. Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 20. Juni 1995 bestanden, die damalige Zerrung sei folgenlos ausgeheilt.
Der Kläger hat gegen die Bescheide - die Unfälle aus 1995 und 2010 betreffend - jeweils am 14. Juni 2011 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben.
Die Klage, den Unfall vom 31. Januar 2010 betreffend, wurde unter dem Aktenzeichen S 9 U 75/11 und die Klage, den Unfall vom 9. Juni 1995 betreffend, unter dem Aktenzeichen S 9 U 74/11 geführt.
Das Sozialgericht hat in den Klageverfahren ein fachorthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten des Dr. L. vom 24. Oktober 2012 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 18. März 2013 und 4. November 2013 eingeholt. Dr. L. ist zu der Beurteilung gelangt, sowohl nach dem Unfall vom 9. Juni 1995 als auch nach dem vom 31. Januar 2010 habe für maximal zwei Wochen eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) habe nie vorgelegen. Hinsichtlich des Unfalls vom 31. Januar 2010 hat er ausgeführt, der biomechanische Ablauf des Unfallereignisses könne nicht mehr exakt rekonstruiert werden. Deshalb stelle der biomechanische Ablauf weder ein Argument für, noch ein Argument gegen einen Kausalzusammenhang dar. Der klinische Erstbefund vom Unfalltag aus dem Krankenhaus in Eschwege dokumentiere einen diffusen Druckschmerz am rechten Schultergelenk. Ein Hämatom oder Hautverletzungen würden nicht nachgewiesen. Es werde zudem ausgeführt, dass die Beweglichkeit am Schultergelenk stark schmerzhaft eingeschränkt sei. Die Abduktion sei bis 90 Grad zunehmen schmerzhaft möglich gewesen, danach sei die Elevation schmerzarm möglich gewesen. Anhand des klinischen Erstbefundes könne kein konkreter Funktionsverlust am rechten Schultergelenk festgestellt werden. Insofern spreche der Erstbefund gegen einen Kausalzusammenhang. Der erste Röntgenbefund habe keine knöchernen Verletzungen, jedoch bereits beginnende arthrotische Veränderungen im Schultergelenk, insbesondere am Schultereckgelenk gezeigt. Der kernspintomographische Befund drei Tage nach dem Unfallereignis stelle ein deutliches Argument gegen einen Kausalzusammenhang zwischen der Rotatorenmanschettenverletzung und dem Unfallereignis vom 31. Januar 2010 dar. Die MRT-Aufnahme zeige kein pathologisches Knochenmarksignal im Schultergelenkbereich (Bone bruise), welches vorhanden sein müsste, wenn das Unfallereignis eine rechtlich wesentliche Ursache für die Rotatorenmanschettenverletzung gewesen sei. Die Kernspintomographie zeige einen Humeruskopfhochstand des rechten Schultergelenks. Ein solcher Humeruskopfhochstand entstehe selbst bei einer kompletten Rotatorenmanschettenruptur nicht innerhalb von drei Tagen. Ein solcher Hochstand sei frühestens, selbst bei einer kompletten Rotatorenmanschettenruptur, nach ca. sechs Wochen nachzuweisen. Die bei dem Unfallereignis am 31. Januar 2010 erlittene Prellung des rechten Schultergelenkes sei selbst bei prolongiertem Verlauf aufgrund der vorgeschädigten Schulter längstens nach zwei Wochen ausgeheilt. Darüber hinaus bestehende Beschwerden am rechten Schultergelenk seien nicht mehr Folge der erlittenen Prellung, sondern Folge der degenerativen Rotatorenmanschettenruptur am rechten Schultergelenk. In der ergänzenden Stellungnahme vom 18. März 2013 hat Dr. L. zu den Argumenten des Dr. J. Stellung genommen und ausgeführt, eine Schulterteilsteife könne nach Prellungstraumen, Luxationen oder Operationen am Schultergelenk auftreten. Letztendlich komme bei dem Kläger als einzige Möglichkeit eine Prellung des rechten Schultergelenkes als Ursache für die Schultersteife in Betracht. Eine schwere Prellung sei jedoch anhand der Kernspintomographie auszuschließen. In diesem Fall seien kleinere Einblutungen in die Muskulatur oder auch ein Knochenmarködem am Oberarmkopf oder am Schultereckgelenk zu erwarten. Die Kernspintomographie weise jedoch ausschließlich degenerative Veränderungen nach und keine Unfallfolgen. Zum klinischen Befund der Schultergelenke hat der Sachverständige in seinem Gutachten mitgeteilt, äußerlich zeigten sich im Bereich beider Schultergelenke regelrechte seitengleiche Konturen. Bei der klinischen Untersuchung bestehe ein leichter Druckschmerz über dem ventralen Schultergelenkspalt auf der rechten Seite, linksseitig sei dies nicht der Fall. Über dem Akromioklavikulargelenk bestehe beidseits kein Druckschmerz. Reibegeräusche ließen sich beidseits nicht nachweisen. Der Impingementtest nach Neer sei rechts positiv, links negativ, der Apprehensionstest sei beidseits negativ, ein Hinweis auf eine Instabilität im Bereich beider Schultergelenke bestehe nicht. Der Schürzen- und Nackengriff sei rechts zur Hälfte eingeschränkt, links problemlos möglich. Ein schmerzhafter Bogen bestehe beidseits nicht. Die passive Beweglichkeit beider Schultergelenke sei nicht eingeschränkt. Aktiv könne der rechte Arm bis maximal 90 Grad seitwärts und vorwärts erhoben werden.
Der Kläger hat ein Gutachten des Prof. Dr. M., Institut für Medizinische Gutachten in der Klinik Sonnenblick Marburg, vom 28. Juli 2014 zu den Akten gereicht, das Prof. Dr. M. in dem Rechtsstreit des Klägers gegen die N. Versicherung vor dem Landgericht Kassel erstattet hat. In seinem Gutachten hat Prof. Dr. M. die Auffassung vertreten, es sei davon auszugehen, dass es durch den zweiten Unfall am 31. Januar 2010 zu einer zusätzlichen traumatischen Schädigung der Infraspinatussehne in Form einer Teilruptur gekommen sei, die sich dann zu der in der Arthroskopie festgestellten kompletten Ruptur ausgeweitet habe. Auch der Musculus subscapularis habe bei dem Ereignis vom 31. Januar 2010 eine Traumatisierung erlitten. Der Anteil der Funktionseinschränkung des rechten Armes durch den Unfall vom 30. Januar 2010 sei mit einem Armwert von 2/7 einzustufen. Der hauptsächliche Anteil der durch die beiden Unfälle verursachten Funktionseinschränkungen des rechten Armes beruhe auf den Unfall vom 9. Juni 1995. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger bereits bei dem Unfall am 9. Juni 1995 eine Verletzung der Rotatorenmanschette am Schultergelenk erlitten habe. Das Unfallereignis sei geeignet gewesen, eine Rotatorenmanschettenläsion zu verursachen. Auch die sofortige starke Schmerzhaftigkeit und die am 10. Juni 1995 bestehende erhebliche Bewegungseinschränkung sprächen dafür. Allerdings werde im D-Arztbericht kein Drop-Arm-Zeichen beschrieben, was als Zeichen für einen schweren Funktionsausfall der Rotatorenmanschette durch eine ausgedehnte Rissbildung zu werten sei. Jedoch sprächen die 5 bis 6-wöchige Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall mit der vom Kläger angegebenen regelmäßigen durchgangsärztlichen Kontrolle für eine über eine starke Schulterzerrung hinaus gehende Traumatisierung. Auch die Aussage im Durchgangsarztbericht, dass sich sonographisch kein Hinweis auf eine Rotatorenmanschettenruptur ergeben habe, sei kein tragfähiges Argument gegen eine solche Verletzung, da kleinere Rupturen in der Akutphase auch von in der Sonographie Erfahrenen schwer zu diagnostizieren seien. Ein kleiner Riss, der hauptsächlich die Supraspinatussehne betreffe, von einer solchen Verletzung sei bei dem Kläger auszugehen, beeinträchtige meist die biomechanische Belastbarkeit der Rotatorenmanschette zunächst unwesentlich. Aber unter fortgesetzter starker Belastung der Schulter, von der bei dem Kläger in seinem Beruf als Dachdecker und Zimmermann auszugehen sei, komme es zu einer langsamen Vergrößerung der Rissstelle. Dieser Zustand könne über Jahre funktionell weitgehend kompensiert werden, wenn die anderen Rotatorenmanschettenanteile intakt geblieben seien. Der Zustand gehe aber meistens mit Beschwerden einher, insbesondere bei Überkopfarbeiten. Mit Zunahme des Defektes in der Supraspinatussehne im Laufe der Zeit gehe deren Steuerungsfunktion für den Oberarmkopf nach und nach verloren, was einen Hochstand des Humeruskopfes zur Folge habe und zu arthrotischen Veränderungen führe. Als Hinweis auf diesen Verlauf seien die vom Kläger nur zögerlich und erst auf intensive Befragung hin getätigten Angaben zu werten, dass ihm die rechte Schulter immer mal wieder Probleme bereite und bei stärkerer Belastung vermehrt geschmerzt habe, er habe sich deswegen nur selten in ärztliche Behandlung begeben. Dokumentiert sei in den medizinischen Unterlagen nur eine mehrmalige ärztliche Behandlung wegen Schulterproblemen und zwar 2005, 2006 und 2009. Deutlich hinweisend auf einen Vorschaden an der Rotatorenmanschette bereits vor dem zweiten Unfall seien die am 31. Januar 2010 angefertigten Röntgenaufnahmen der rechten Schulter mit feststellbaren arthrotischen Veränderungen und nahezu beweiskräftig zu belegen sei der vorbestehende Rotatorenmanschettenschaden durch den Oberarmkopfhochstand.
Das Sozialgericht hat in dem Verfahren S 9 U 75/11, den Arbeitsunfall vom 31. Januar 2010 betreffend, durch Urteil vom 4. November 2014 die Klage abgewiesen. Der Riss der Supraspinatussehne und der Teilriss der Intraspinatussehne seien nicht rechtlich wesentlich ursächlich durch den Unfall vom 31. Januar 2010 hervorgerufen worden. Die medizinischen Befunde sprächen allesamt gegen eine rechtlich wesentliche Teilverursachung. Auch die Beschwerden des Klägers im Bereich des rechten Schultergelenkes seien im Wesentlichen nicht unfallbedingt. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente.
Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23. Dezember 2014 zugestellte Urteil am 23. Januar 2015 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, das Sozialgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Gutachten des Prof. Dr. M. auseinandergesetzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 4. November 2014 aufzuheben, unter Änderung des Bescheides der Beklagten vom 12. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2011 einen Riss der Supraspinatussehne sowie einen Teilriss der Infraspinatussehne und Funktionsstörungen des rechten Schultergelenkes als Folgen des Arbeitsunfalles vom 31. Januar 2010 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE von 20 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat in dem Verfahren L 3 U 22/15, den Arbeitsunfall des Klägers vom 9. Juni 1995 betreffend, eine Stellungnahme des Dr. L. vom 1. Juli 2015 zu dem Gutachten des Prof. Dr. M. eingeholt. Dr. L. ist bei seiner früheren Auffassung verblieben. Hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens wird auf Blatt 271 bis 274 der Gerichtsakte L 3 U 22/15 Bezug genommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten L 3 U 23/15 und L 3 U 22/15 sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Risses der Supraspinatussehne sowie eines Teilrisses der Infraspinatussehne und von Funktionsstörungen des rechten Schultergelenkes als Folgen des Arbeitsunfalles vom 31. Januar 2010. Deswegen kommt auch ein Anspruch auf Rente nach § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) nicht in Betracht.
Die Beklagte hat durch Bescheid vom 12. Januar 2011 das Ereignis vom 31. Januar 2010 als Arbeitsunfall anerkannt und eine Prellung des rechten Schultergelenkes als Gesundheitserstschaden festgestellt. Die im Bereich des rechten Schultergelenkes röntgenologisch, kernspintomographisch und arthroskopisch festgestellten Gesundheitsschäden hat die Beklagte zu Recht als unfallunabhängig bezeichnet. Eine Gesundheitsstörung kann nur dann als Gesundheitsschaden oder als Folge eines Unfallereignisses bzw. eines Arbeitsunfalles festgestellt werden, wenn das Unfallereignis diesen Gesundheitsschaden rechtlich wesentlich verursacht oder mitverursacht hat.
Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob das Unfallereignis eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist. Im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass das Unfallereignis in diesem Sinne eine Bedingung für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolges noch andere Ursachen im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nichtversicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nichtversicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs genügt als Überzeugungsmaßstab der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (ständige Rechtsprechung, z. B. BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 R U 66/77 - SozR 2200 § 548 Nr. 38). Dieser liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, sodass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werde kann und ernste Zweifel ausscheiden. Ist neben dem Unfallereignis eine weitere Bedingung aus dem nichtversicherten Lebensbereich ursächlich für den Eintritt der Gesundheitsstörung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, ist weiter zu prüfen, welche dieser Bedingungen wesentlich für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolges beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Ist eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur diese Ursache "wesentlich" und damit als Ursache im Sinne des Sozialrechts anzusehen. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich-philosophisch ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingungen und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache", als "Auslöser" oder als "Anlassgeschehen" bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" oder der "Anlass" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu der selben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (vgl. auch BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es schon nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 31. Januar 2010 die von den Kläger geltend gemachten Schäden im Bereich der Rotatorenmanschette der rechten Schulter in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinne verursacht bzw. mitverursacht hat. Dies gilt auch für die Funktionsstörungen des rechten Schultergelenkes des Klägers.
Der genaue biomechanische Ablauf des Unfallereignisses kann von dem Kläger nicht mehr angegeben werden. Deshalb kann aufgrund des Unfallhergangs keine Aussage getroffen werden, ob ein zur Schädigung der Rotatorenmanschette geeigneter Unfallmechanismus vorgelegen hat. Jedoch sprechen die übrigen bekannten Tatsachen gegen eine am 31. Januar 2010 erfolgte Schädigung der Rotatorenmanschette: Der klinische Erstbefund weist keinen Funktionsverlust im Sinne eines Drop-Arm-Syndroms auf und keine äußeren Verletzungen. Diese Befunde sprechen nach Aussage des Dr. L. eher gegen als für den Kausalzusammenhang. Auch das Fehlen eines Knochenmarksignals im Schultergelenkbereich (Bone bruise) spricht nach Auskunft des Dr. L. gegen eine rechtlich wesentliche Mitverursachung der Rotatorenmanschettenverletzung durch das Unfallereignis. Eindeutige gegen einen Kausalzusammenhang sprechende Hinweise erbrachten die röntgenologischen, kernspintomographischen und insbesondere die intraoperativen Befunde: So weisen degenerative Veränderungen, wie eine Omarthrose, eine AC-Gelenkarthrose mit Gelenkhyperthrophie und eine Verschmälerung des Subacrominalraumes sowie reaktive knöcherne Veränderungen am Tuberkulummajus auf vorbestehende, nicht unfallbedingte Schäden an der Rotatorenmanschette hin (so dargelegt im Gutachten des Dr. L. und bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 410 ff.). Ein ausgeprägter Oberarmkopfhochstand, wie er hier nur wenige Tage nach dem Unfallereignis sicher festgestellt wurde, ist beweisend für einen schon länger bestehenden ausgeprägten Schaden zumindest der Supraspinatussehne. Dies haben Dr. L. und auch Prof. Dr. M. in ihrem Gutachten dargelegt. Anlässlich der Arthroskopie des rechten Schultergelenkes am 15. April 2010 wurde eine komplette Ruptur sowohl der Supraspinatus- als auch der Infraspinatussehne festgestellt. Die an beiden Sehnen festgestellten deutlichen Veränderungen mit einer ausgedehnten fettigen Degeneration und einem erheblichen Retraktionsgrad bis hinter das Glenoid weisen darauf hin, dass diese Rupturen zeitlich schon deutlich vor dem zur Beurteilung anstehenden Unfallereignis vom 31. Oktober 2010 entstanden sind, so die übereinstimmende Beurteilung des Beratungsarztes Dr. F., des Prof. Dr. G., des Dr. J. und des Sachverständigen Dr. L. Die Auffassung des Prof. Dr. M., bei dem Unfallereignis am 31. Januar 2010 sei es zu einer Teilruptur der Infraspinatussehne gekommen, ist angesichts des intraoperativen Befundes nicht überzeugend. Die anhand der Kernspintomographieaufnahme vom 4. Februar 2010 von Dr. D. diagnostizierte Teilruptur des Muskulus subscapularis im Ansatzbereich konnte durch den intraoperativen Befund nicht bestätigt werden. Die Sehne des Muskulus subscapularis zeigte sich während der Arthroskopie lediglich etwas ausgefasert, jedoch ohne Rupturnachweis. Es fanden sich jedoch im Bereich des oberen Bizepsankers deutliche Ausfaserungen sowie eine Partialruptur der langen Bizepssehne und eine Bizepssehnentenotomie. Auch insoweit handelte es sich um einen degenerativen Befund, worauf die deutlichen Ausfaserungen und die pathohistologisch festgestellten mehrzeitigen Sehnenrupturen mit frischen aber überwiegend älteren Risskanten hinweisen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass im Bereich der Rotatorenmanschette der rechten Schulter des Klägers bereits zum Unfallzeitpunkt am 31. Januar 2010 erhebliche degenerative Schäden vorhanden waren. Es steht folglich fest, dass sich die am 4. Februar 2010 kernspintomographisch und am 15. April 2010 intraoperativ festgestellten Schäden an der Rotatorenmanschette der rechten Schulter des Klägers auch ohne das Unfallereignis vom 31. Januar 2010 gezeigt hätten.
Die degenerativen Veränderungen im Bereich des rechten Schultergelenkes mit den Rotatorenmanschettenschäden, dem Impingement-Syndrom und auch der Schaden im Bereich des Bizepssehnenansatzes sind geeignet, die bei dem Kläger vorhandenen Funktionsstörungen und Beschwerden zu verursachen. Beschwerden seitens des rechten Schultergelenkes hatte der Kläger schon vor dem Unfallereignis vom 31. Januar 2010. Dem Gutachten des Prof. Dr. M. ist zu entnehmen, dass deswegen mehrmalige ärztliche Behandlungen in den Jahren 2005, 2006 und 2009 notwendig waren. Es kann deshalb nicht, wie dies Dr. J. unterstellt hat, davon ausgegangen werden, dass der Kläger vor dem Unfallereignis vom 31. Januar 2010 symptomfrei gewesen sei. Dr. L. hat in seiner Stellungnahme vom 8. März 2013 dargelegt, dass die bei dem Unfallereignis erlittene Prellung der rechten Schulter nicht als Ursache für die Schultersteife in Betracht kommt, weil eine schwere Prellung anhand des Kernspintomographiebefundes auszuschließen ist. Von einer schweren Prellung, die geeignet gewesen sein könnte, die Schultersteife hervorzurufen, könne nur dann ausgegangen werden, wenn kleinere Einblutungen in die Muskulatur oder ein Knochenmark-Ödem am Oberarmkopf oder am Schultereckgelenk kernspintomographisch festgestellt worden wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob ein Arbeitsunfall des Klägers vom 31. Januar 2010 zu einer Rotatorenmanschettenruptur und zu anhaltenden Funktionsstörungen im Bereich des rechten Schultergelenkes geführt hat.
Der 1964 geborene Kläger ist Zimmermeister und Dachdecker und leitet einen eigenen Betrieb. Er erlitt am Nachmittag des 9. Juni 1995 einen Unfall als er beim Grabenausheben für ein Starkstromkabel auf seinem Grundstück abrutschte. Dabei wurde der rechte Arm hochgerissen. Der Kläger verspürte sofort erhebliche Schmerzen. Am 10. Juni stellte er sich gegen 9.30 Uhr beim Durchgangsarzt Dr. C. im Kreiskrankenhaus Eschwege vor. Dieser stellte im Bereich der rechten Schulter keine äußeren Verletzungszeichen fest. Die Beweglichkeit war deutlich eingeschränkt. Die Seithebe war bis 35 Grad, die Vorhaltebewegung bis 40 Grad möglich, die Drehung war erheblich gemindert. Es bestand ein Druckschmerz über der Schulterhöhe und der vorderen Gelenkkapsel. Die Röntgenuntersuchung der Schulter in zwei Ebenen zeigte keine Knochenverletzung und eine gelenkgerechte Stellung. Die Schultersonographie ergab keinen Hinweis für eine Rotatorenmanschettenruptur. Es wurde eine starke Schulterzerrung rechts diagnostiziert und ein Gilchristverband für 5 Tage angelegt. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit wurde auf 10 Tage geschätzt. Der Kläger stellte sich noch einmal am 16. Juni 1995 bei Dr. C. vor. Eine Wiedereinbestellung erfolgte zum 21. Juni 1995. Der Kläger stellte sich jedoch weder an diesem Tage noch später in der Sprechstunde des Dr. C. vor, so dass dieser die Behandlung am 16. Juni 1995 als abgeschlossen betrachtete. Er teilte der Beklagten mit, Arbeitsfähigkeit bestehe wieder ab dem 21. Juni 1995. Der Kläger machte in einem Formular der Beklagten am 27. Juni 1995 Angaben zu seiner Arbeitsunfähigkeit und gab an, er habe die Arbeit vom 10. bis 20. Juni 1995 ausgesetzt.
Am 31. Januar 2010 erlitt der Kläger einen weiteren Unfall, der die rechte Schulter betraf. Laut Durchgangsarztbericht des Dr. C., Kreiskrankenhaus Eschwege, vom gleichen Tage ereignete sich der Unfall auf schneeglattem Untergrund auf dem Hof vor dem Anwesen des Klägers. Der Kläger hatte in einer Halle für den eigenen Betrieb Arbeiten erledigt. Nach dem Verlassen der Halle rutschte er auf schneeglattem Untergrund aus und verletzte sich an der rechten Schulter als er versuchte, den Sturz abzufangen (so die Angaben im Durchgangsarztbericht). Dr. C. stellte einen eher diffusen Druckschmerz im Bereich der rechten Schulter vor allem ventral am Deltoideus radiales fest. Ein Hämatom oder eine Hautverletzung konnte er nicht feststellen. Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren ohne Befund. Die Beweglichkeit war stark schmerzhaft eingeschränkt. Die Abduktion war bis 90 Grad zunehmend schmerzhaft, danach die Elevation schmerzarm. Die Außen- und Innenrotation war eingeschränkt, der Nacken- und Schürzengriff waren mühsam möglich. Die Röntgenuntersuchung der Schulter in zwei Ebenen gab keinen Anhalt für eine Fraktur oder arthrotische Veränderungen. Wegen des Verdachts auf eine Rotatorenmanschettenruptur rechts erfolgte am 4. Februar 2010 eine kernspintomographische Untersuchung. Laut Befundbericht der Radiologin Dr. D. vom 4. Februar 2010 zeigte sich bei der Untersuchung einen komplette Ruptur der Supraspinatussehne, eine Teilruptur der Infraspinatussehne und eine Teilruptur des Muskulus subscapularis im Ansatzbereich mit Einblutung, ein Humeruskopfhochstand, eine AC-Gelenkarthrose mit Gelenkhypertrophie und Verschmälerung des Subacrominalraumes. Zudem wurde ein Gelenkerguss und eine Bursitis in der Bursa subdeltoidea subacromialis festgestellt. Am 9. Februar 2010 stellte sich der Kläger in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main (BGU) vor. Nach Beurteilung der MRT-Aufnahmen wurde die Supraspinatussehnenruptur als alt bewertet, da sich bereits eine fettige Degeneration und eine Retraktion der Sehne zeigten. Außerdem wurden eine Infraspinatusdegeneration, eine degenerative Omarthrose und eine AC-Gelenkarthrose diagnostiziert. Am 22. März 2010 stellte sich der Kläger erneut in der BGU vor. Trotz inzwischen durchgeführter Krankengymnastik war es zu keiner signifikanten Besserung gekommen. Die Beweglichkeit der rechten Schulter war deutlich schmerzhaft eingeschränkt. Aktiv gelang eine Vorelevation bis 80 Grad und seitlich die Abduktion bis 70 Grad. Die Außenrotation war komplett aufgehoben. Fremdtätig konnte nach vorne sowie zur Seite der Arm bis zur Horizontalen angehoben werden. Anlässlich eines Konsils der Chirurgen/Unfallchirurgen und des Sportorthopäden Dr. E. wurden die MRT- und Röntgenaufnahmen nochmals besprochen. Es bestand Einigkeit, dass auf den MRT-Aufnahmen weitgehend degenerative Veränderungen zu finden seien und ausgeprägte frische Einblutungen nicht vorlägen. Auch auf den Röntgenaufnahmen wurden ausgeprägte degenerative Veränderungen diagnostiziert mit tropfenförmiger Ausziehung des unteren Anteils der Oberarmkalotte sowie einer leichten spitzzipfligen Veränderung des Tuperculum majus als Ausdruck einer degenerativen Veränderung. Der subacromiale Raum war deutlich eingeengt und es bestand ein ausgeprägter Oberarmkopfhochstand, daneben eine deutliche Arthrose. Vorgeschlagen wurde eine arthroskopische Revision der rechten Schulter mit dem Versuch einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion.
Die Arthroskopie des rechten Schultergelenkes erfolgte am 15. April 2010. Es wurde eine komplette Ruptur der Sehne des Supraspinatus sowie des Infraspinatus mit Retraktion bis hinter das Glenoid gesehen. Die Sehnen des Supraspinatus und Infraspinatus zeigten deutliche Veränderungen und fettige Degeneration. Es zeigten sich außerdem eine Knorpelglatze am Humeruskopf und im Bereich des anterio-inferioren Glenoidrandes III.- bis IV.-gradige Knorpelschäden. Der obere Bizepsanker wies eine deutliche Auffaserung sowie eine Partialruptur der langen Bizepssehne und eine Bizepssehnentenotomie auf. Die Sehne des Musculus subscapularis zeigte sich etwas aufgefasert, jedoch ohne Rupturnachweis.
Während der Arthroskopie entnommene Präparate der langen Bizepssehne und der Supraspinatussehne wurden im Institut für Pathologie des Klinikums Offenbach untersucht. Dabei zeigte sich beim Präparat der langen Bizepssehne mikroskopisch kollagenes Bindegewebe mit gestörtem Richtungsverlauf, frischen flammenzungenartigen Einrissen, überwiegend jedoch glatten Risskanten, begrenzt von Mesenchymzell- und Kapillarproliferaten. In der Berliner-Blau- Reaktion zeigte sich kein Nachweis von Eisen. In der AP-Färbung eine mukoide Degeneration. Das Präparat der Supraspinatussehne zeigte kollagenes Bindegewebe mit frischen flammenzungenartigen Einrissen, überwiegend jedoch älteren Risskanten mit Kapillar- und Mesenchymzellprolieferaten. In der Berliner-Blau-Reaktion zeigte sich ein Nachweis von Eisen. Außerdem fand sich eine mukoide Degeneration. Es wurde jeweils eine mehrzeitige Sehnenruptur (frisch und überwiegend älter) und rissbenachbart eine mukoide Degeneration diagnostiziert.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. F. ein. Dieser empfahl am 30. Juni 2010 unter Bezugnahme auf seine frühere Stellungnahme vom 10. März 2010 "die Teilruptur im Bereich der Subscapularismuskulatur mit umschriebener Einblutung als unfallbedingt verursacht zu akzeptieren". Nicht wahrscheinlich sei, dass die Ruptur der Supraspinatussehne sowie die Teilruptur der Infraspinatussehne unfallursächlich seien. Zum einen sei der zu unterstellende direkte Anprall nicht geeignet, einen solchen Schaden zu verursachen, zum anderen sei auch eine gleichzeitige indirekte Gewalteinwirkung im Sinne einer Distorsion und Stauchung der rechten Schultergelenksregion als nicht geeignet zu bezeichnen, die substanzielle Schädigung dieser beiden Sehnen zu verursachen. Dies habe auch Bestand, wenn feingeweblich eine als frisch bezeichnete Komponente beschrieben sei. Für eine unfallunabhängige Ursache der Schädigung dieser Sehnen spreche auch die deutliche Retraktion der Sehnenstrukturen mit fettiger Degeneration im Einklang mit dem chronisch-entzündlichen Reizzustand benachbarter Schleimbeutel sowie der arthrotischen Veränderungen im Schultereckgelenk und die als viertgradig bezeichnete Arthrose des Gelenkes. Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit, das Heilverfahren zu ihren Lasten werde mit sofortiger Wirkung abgebrochen.
Der Chefarzt der Unfallchirurgie und orthopädischen Chirurgie Prof. Dr. G. und der Facharzt der Chirurgie und Unfallchirurgie sowie Notarztmedizin und Oberarzt der Notaufnahme Dr. H., BGU, erstatteten am 8. Oktober 2010 nach Untersuchung des Klägers ein Gutachten zur Zusammenhangfrage. Die Sachverständigen gelangten zu dem Ergebnis, im Bereich des rechten Schultergelenkes bestehe eine Zerrüttung der Rotatorenmanschette, eine Degeneration des Schulterdaches und des Oberarmkopfes im Sinne der Omarthrose. Bei dem Ereignis vom 31. Januar 2010 sei es zu einer Prellung des Schultergelenkes gekommen, jedoch zu keiner daraus resultierenden Belastung der Rotatorenmanschette. Schon vor dem Ereignis habe mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zerrüttung der Rotatorenmanschette der rechten Schulter bestanden. Im Gegensatz zu dem Ereignis vom 31. Januar 2010 sei das Ereignis aus dem Jahre 1995 von dem Unfallhergang her durchaus geeignet gewesen, eine Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette zu verursachen. Bei der Untersuchung wurden folgende Bewegungsmaße gemessen: "Arm seitwärts/körperwärts aktiv 80-0-30, passiv 180-0-30; Arm rückwärts/vorwärts 45-0-170; Arm auswärts-/einwärtsdrehend bei anliegendem Oberarm 20-0-90; Arm auswärts/einwärts bei 90 Grad seitwärts abgehobenen Oberarm 40-0-35.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2011 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 31. Januar 2010 als Arbeitsunfall an und stellte fest, unfallbedingt sei es zu einer Prellung des rechten Schultergelenkes mit Einblutung in die Muskulatur gekommen. Die Zerrüttung der Rotatorenmanschette (Muskel- und Sehnenplatte im Schulterbereich) mit Riss der Supraspinatussehne und Teilriss der Infraspinatussehne, umformenden Veränderungen (Degeneration) des Schulterdaches und des Oberarmes rechts im Sinne einer Omarthrose (Gelenkverschleiß im Schultergelenk) seien nicht Unfallfolge. Eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit infolge der Prellung habe nicht bestanden. Maßgebend sei der degenerative Vorschaden gewesen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 2. Februar 2011 Widerspruch ein und trug vor, er sei am 31. Januar 2010 auf die rechte Körperhälfte (Arm- und Schulterbereich) gefallen. Dadurch sei es zu den im Bereich der rechten Schulter vorhandenen Schäden der Rotatorenmanschette gekommen. Der Kläger verwies außerdem zur Begründung auf ein zu den Akten gereichtes arbeitsmedizinisches Gutachten des Dr. J., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung in Hessen, vom 25. November 2010 sowie auf eine Stellungnahme des Dr. J. vom 24. Februar 2011. Dr. J. vertrat die Auffassung, die Ruptur der Supraspinatussehne sowie die Teilruptur der Infraspinatussehne seien nicht als Unfallfolgen aufzufassen, da es sich hier um Altbefunde handele. Die bei dem Kläger vorhandene Schultersteife könne jedoch nicht auf diese degenerativen Veränderungen zurückgeführt werden. Der Kläger sei vor dem Unfall symptomfrei gewesen. Auch ein heftiger Prellungsmechanismus könne zu einer Schultersteife führen. Prof. Dr. G. habe sich damit in seinem Gutachten nicht befasst, obwohl die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in früheren Stellungnahmen davon ausgegangen sei, dass das eigentliche Krankheitsbild eine posttraumatische Schultersteife sei.
Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. K. als Beratungsarzt eingeholt. Dieser hat ausgeführt, bei leerem Vorerkrankungsverzeichnis sei es möglich, dass eine körpereigene Kompensation geeignet war, den funktionellen Verlust der zerrütteten Sehnen der Rotatorenmanschette auszugleichen. Es sei nicht selten der Fall, dass eine Prellung des Schultergelenkes dazu führe, dass dieses Stadium der Kompensation nicht wieder erreicht werde und Beschwerden erhalten blieben, die möglicherweise erst viel später, dann aber auch ohne den Unfall aufgetreten wären. Das Unfallereignis sei dann geeignet, dieses Versagen der körpereigenen Kompensation vorzuverlegen, wenn es tatsächlich auch ein wesentliches äußeres Trauma gewesen sei, was bei einem Sturz auf eisglattem Untergrund auf die Schulter zumindest vermutet werden könne. In der Regel heile eine Schulterprellung folgenlos aus, es sei denn, es entwickele sich das Bild der sogenannten frozen shoulder. Hierfür gebe es im vorliegenden Fall aber wohl keinen Anhalt. Im Übrigen verwies er darauf, dass seines Erachtens der Unfall aus dem Jahre 1995 nochmals beleuchtet werden müsse.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2011 zurück. Die Schäden im Bereich der Rotatorenmanschette und damit einhergehenden Beschwerden hätten ihre Ursache nicht in dem angeschuldigten Ereignis vom 31. Januar 2010.
Mit einem weiteren Bescheid vom 12. Januar 2011 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 9. Juni 1995 als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolgen eine Zerrung der rechten Schulter fest, die zum 20. Juni 1995 folgenlos ausgeheilt sei. Die Schädigung der Rotatorenmanschette sei nicht Unfallfolge.
Der Kläger legte hiergegen am 1. Februar 2011 Widerspruch ein und berief sich ebenfalls auf das Gutachten des Dr. J. vom 24. Februar 2011, in dem dieser die Meinung vertreten hatte, möglicherweise habe der Unfall vom 9. Juni 1995 zu einem Schaden im Bereich der Rotatorenmanschette geführt. Die Beklagte wies diesen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2011 zurück. Es gebe keinen Beweis für eine Sehnenruptur im Jahre 1995. Die Sonographie habe keinen Hinweis auf einen Rotatorenmanschettenriss ergeben, auch die Röntgenuntersuchung habe keine knöchernen Verletzungen gezeigt. Es sei nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachweisbar, dass die 2010 festgestellten Schäden auf das Ereignis aus dem Jahre 1995 zurückzuführen seien. Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 20. Juni 1995 bestanden, die damalige Zerrung sei folgenlos ausgeheilt.
Der Kläger hat gegen die Bescheide - die Unfälle aus 1995 und 2010 betreffend - jeweils am 14. Juni 2011 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben.
Die Klage, den Unfall vom 31. Januar 2010 betreffend, wurde unter dem Aktenzeichen S 9 U 75/11 und die Klage, den Unfall vom 9. Juni 1995 betreffend, unter dem Aktenzeichen S 9 U 74/11 geführt.
Das Sozialgericht hat in den Klageverfahren ein fachorthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten des Dr. L. vom 24. Oktober 2012 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 18. März 2013 und 4. November 2013 eingeholt. Dr. L. ist zu der Beurteilung gelangt, sowohl nach dem Unfall vom 9. Juni 1995 als auch nach dem vom 31. Januar 2010 habe für maximal zwei Wochen eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) habe nie vorgelegen. Hinsichtlich des Unfalls vom 31. Januar 2010 hat er ausgeführt, der biomechanische Ablauf des Unfallereignisses könne nicht mehr exakt rekonstruiert werden. Deshalb stelle der biomechanische Ablauf weder ein Argument für, noch ein Argument gegen einen Kausalzusammenhang dar. Der klinische Erstbefund vom Unfalltag aus dem Krankenhaus in Eschwege dokumentiere einen diffusen Druckschmerz am rechten Schultergelenk. Ein Hämatom oder Hautverletzungen würden nicht nachgewiesen. Es werde zudem ausgeführt, dass die Beweglichkeit am Schultergelenk stark schmerzhaft eingeschränkt sei. Die Abduktion sei bis 90 Grad zunehmen schmerzhaft möglich gewesen, danach sei die Elevation schmerzarm möglich gewesen. Anhand des klinischen Erstbefundes könne kein konkreter Funktionsverlust am rechten Schultergelenk festgestellt werden. Insofern spreche der Erstbefund gegen einen Kausalzusammenhang. Der erste Röntgenbefund habe keine knöchernen Verletzungen, jedoch bereits beginnende arthrotische Veränderungen im Schultergelenk, insbesondere am Schultereckgelenk gezeigt. Der kernspintomographische Befund drei Tage nach dem Unfallereignis stelle ein deutliches Argument gegen einen Kausalzusammenhang zwischen der Rotatorenmanschettenverletzung und dem Unfallereignis vom 31. Januar 2010 dar. Die MRT-Aufnahme zeige kein pathologisches Knochenmarksignal im Schultergelenkbereich (Bone bruise), welches vorhanden sein müsste, wenn das Unfallereignis eine rechtlich wesentliche Ursache für die Rotatorenmanschettenverletzung gewesen sei. Die Kernspintomographie zeige einen Humeruskopfhochstand des rechten Schultergelenks. Ein solcher Humeruskopfhochstand entstehe selbst bei einer kompletten Rotatorenmanschettenruptur nicht innerhalb von drei Tagen. Ein solcher Hochstand sei frühestens, selbst bei einer kompletten Rotatorenmanschettenruptur, nach ca. sechs Wochen nachzuweisen. Die bei dem Unfallereignis am 31. Januar 2010 erlittene Prellung des rechten Schultergelenkes sei selbst bei prolongiertem Verlauf aufgrund der vorgeschädigten Schulter längstens nach zwei Wochen ausgeheilt. Darüber hinaus bestehende Beschwerden am rechten Schultergelenk seien nicht mehr Folge der erlittenen Prellung, sondern Folge der degenerativen Rotatorenmanschettenruptur am rechten Schultergelenk. In der ergänzenden Stellungnahme vom 18. März 2013 hat Dr. L. zu den Argumenten des Dr. J. Stellung genommen und ausgeführt, eine Schulterteilsteife könne nach Prellungstraumen, Luxationen oder Operationen am Schultergelenk auftreten. Letztendlich komme bei dem Kläger als einzige Möglichkeit eine Prellung des rechten Schultergelenkes als Ursache für die Schultersteife in Betracht. Eine schwere Prellung sei jedoch anhand der Kernspintomographie auszuschließen. In diesem Fall seien kleinere Einblutungen in die Muskulatur oder auch ein Knochenmarködem am Oberarmkopf oder am Schultereckgelenk zu erwarten. Die Kernspintomographie weise jedoch ausschließlich degenerative Veränderungen nach und keine Unfallfolgen. Zum klinischen Befund der Schultergelenke hat der Sachverständige in seinem Gutachten mitgeteilt, äußerlich zeigten sich im Bereich beider Schultergelenke regelrechte seitengleiche Konturen. Bei der klinischen Untersuchung bestehe ein leichter Druckschmerz über dem ventralen Schultergelenkspalt auf der rechten Seite, linksseitig sei dies nicht der Fall. Über dem Akromioklavikulargelenk bestehe beidseits kein Druckschmerz. Reibegeräusche ließen sich beidseits nicht nachweisen. Der Impingementtest nach Neer sei rechts positiv, links negativ, der Apprehensionstest sei beidseits negativ, ein Hinweis auf eine Instabilität im Bereich beider Schultergelenke bestehe nicht. Der Schürzen- und Nackengriff sei rechts zur Hälfte eingeschränkt, links problemlos möglich. Ein schmerzhafter Bogen bestehe beidseits nicht. Die passive Beweglichkeit beider Schultergelenke sei nicht eingeschränkt. Aktiv könne der rechte Arm bis maximal 90 Grad seitwärts und vorwärts erhoben werden.
Der Kläger hat ein Gutachten des Prof. Dr. M., Institut für Medizinische Gutachten in der Klinik Sonnenblick Marburg, vom 28. Juli 2014 zu den Akten gereicht, das Prof. Dr. M. in dem Rechtsstreit des Klägers gegen die N. Versicherung vor dem Landgericht Kassel erstattet hat. In seinem Gutachten hat Prof. Dr. M. die Auffassung vertreten, es sei davon auszugehen, dass es durch den zweiten Unfall am 31. Januar 2010 zu einer zusätzlichen traumatischen Schädigung der Infraspinatussehne in Form einer Teilruptur gekommen sei, die sich dann zu der in der Arthroskopie festgestellten kompletten Ruptur ausgeweitet habe. Auch der Musculus subscapularis habe bei dem Ereignis vom 31. Januar 2010 eine Traumatisierung erlitten. Der Anteil der Funktionseinschränkung des rechten Armes durch den Unfall vom 30. Januar 2010 sei mit einem Armwert von 2/7 einzustufen. Der hauptsächliche Anteil der durch die beiden Unfälle verursachten Funktionseinschränkungen des rechten Armes beruhe auf den Unfall vom 9. Juni 1995. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger bereits bei dem Unfall am 9. Juni 1995 eine Verletzung der Rotatorenmanschette am Schultergelenk erlitten habe. Das Unfallereignis sei geeignet gewesen, eine Rotatorenmanschettenläsion zu verursachen. Auch die sofortige starke Schmerzhaftigkeit und die am 10. Juni 1995 bestehende erhebliche Bewegungseinschränkung sprächen dafür. Allerdings werde im D-Arztbericht kein Drop-Arm-Zeichen beschrieben, was als Zeichen für einen schweren Funktionsausfall der Rotatorenmanschette durch eine ausgedehnte Rissbildung zu werten sei. Jedoch sprächen die 5 bis 6-wöchige Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall mit der vom Kläger angegebenen regelmäßigen durchgangsärztlichen Kontrolle für eine über eine starke Schulterzerrung hinaus gehende Traumatisierung. Auch die Aussage im Durchgangsarztbericht, dass sich sonographisch kein Hinweis auf eine Rotatorenmanschettenruptur ergeben habe, sei kein tragfähiges Argument gegen eine solche Verletzung, da kleinere Rupturen in der Akutphase auch von in der Sonographie Erfahrenen schwer zu diagnostizieren seien. Ein kleiner Riss, der hauptsächlich die Supraspinatussehne betreffe, von einer solchen Verletzung sei bei dem Kläger auszugehen, beeinträchtige meist die biomechanische Belastbarkeit der Rotatorenmanschette zunächst unwesentlich. Aber unter fortgesetzter starker Belastung der Schulter, von der bei dem Kläger in seinem Beruf als Dachdecker und Zimmermann auszugehen sei, komme es zu einer langsamen Vergrößerung der Rissstelle. Dieser Zustand könne über Jahre funktionell weitgehend kompensiert werden, wenn die anderen Rotatorenmanschettenanteile intakt geblieben seien. Der Zustand gehe aber meistens mit Beschwerden einher, insbesondere bei Überkopfarbeiten. Mit Zunahme des Defektes in der Supraspinatussehne im Laufe der Zeit gehe deren Steuerungsfunktion für den Oberarmkopf nach und nach verloren, was einen Hochstand des Humeruskopfes zur Folge habe und zu arthrotischen Veränderungen führe. Als Hinweis auf diesen Verlauf seien die vom Kläger nur zögerlich und erst auf intensive Befragung hin getätigten Angaben zu werten, dass ihm die rechte Schulter immer mal wieder Probleme bereite und bei stärkerer Belastung vermehrt geschmerzt habe, er habe sich deswegen nur selten in ärztliche Behandlung begeben. Dokumentiert sei in den medizinischen Unterlagen nur eine mehrmalige ärztliche Behandlung wegen Schulterproblemen und zwar 2005, 2006 und 2009. Deutlich hinweisend auf einen Vorschaden an der Rotatorenmanschette bereits vor dem zweiten Unfall seien die am 31. Januar 2010 angefertigten Röntgenaufnahmen der rechten Schulter mit feststellbaren arthrotischen Veränderungen und nahezu beweiskräftig zu belegen sei der vorbestehende Rotatorenmanschettenschaden durch den Oberarmkopfhochstand.
Das Sozialgericht hat in dem Verfahren S 9 U 75/11, den Arbeitsunfall vom 31. Januar 2010 betreffend, durch Urteil vom 4. November 2014 die Klage abgewiesen. Der Riss der Supraspinatussehne und der Teilriss der Intraspinatussehne seien nicht rechtlich wesentlich ursächlich durch den Unfall vom 31. Januar 2010 hervorgerufen worden. Die medizinischen Befunde sprächen allesamt gegen eine rechtlich wesentliche Teilverursachung. Auch die Beschwerden des Klägers im Bereich des rechten Schultergelenkes seien im Wesentlichen nicht unfallbedingt. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente.
Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23. Dezember 2014 zugestellte Urteil am 23. Januar 2015 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, das Sozialgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Gutachten des Prof. Dr. M. auseinandergesetzt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 4. November 2014 aufzuheben, unter Änderung des Bescheides der Beklagten vom 12. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2011 einen Riss der Supraspinatussehne sowie einen Teilriss der Infraspinatussehne und Funktionsstörungen des rechten Schultergelenkes als Folgen des Arbeitsunfalles vom 31. Januar 2010 festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE von 20 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat in dem Verfahren L 3 U 22/15, den Arbeitsunfall des Klägers vom 9. Juni 1995 betreffend, eine Stellungnahme des Dr. L. vom 1. Juli 2015 zu dem Gutachten des Prof. Dr. M. eingeholt. Dr. L. ist bei seiner früheren Auffassung verblieben. Hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens wird auf Blatt 271 bis 274 der Gerichtsakte L 3 U 22/15 Bezug genommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten L 3 U 23/15 und L 3 U 22/15 sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Risses der Supraspinatussehne sowie eines Teilrisses der Infraspinatussehne und von Funktionsstörungen des rechten Schultergelenkes als Folgen des Arbeitsunfalles vom 31. Januar 2010. Deswegen kommt auch ein Anspruch auf Rente nach § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) nicht in Betracht.
Die Beklagte hat durch Bescheid vom 12. Januar 2011 das Ereignis vom 31. Januar 2010 als Arbeitsunfall anerkannt und eine Prellung des rechten Schultergelenkes als Gesundheitserstschaden festgestellt. Die im Bereich des rechten Schultergelenkes röntgenologisch, kernspintomographisch und arthroskopisch festgestellten Gesundheitsschäden hat die Beklagte zu Recht als unfallunabhängig bezeichnet. Eine Gesundheitsstörung kann nur dann als Gesundheitsschaden oder als Folge eines Unfallereignisses bzw. eines Arbeitsunfalles festgestellt werden, wenn das Unfallereignis diesen Gesundheitsschaden rechtlich wesentlich verursacht oder mitverursacht hat.
Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob das Unfallereignis eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist. Im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass das Unfallereignis in diesem Sinne eine Bedingung für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolges noch andere Ursachen im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nichtversicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nichtversicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs genügt als Überzeugungsmaßstab der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (ständige Rechtsprechung, z. B. BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 R U 66/77 - SozR 2200 § 548 Nr. 38). Dieser liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, sodass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werde kann und ernste Zweifel ausscheiden. Ist neben dem Unfallereignis eine weitere Bedingung aus dem nichtversicherten Lebensbereich ursächlich für den Eintritt der Gesundheitsstörung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, ist weiter zu prüfen, welche dieser Bedingungen wesentlich für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolges beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Ist eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur diese Ursache "wesentlich" und damit als Ursache im Sinne des Sozialrechts anzusehen. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich-philosophisch ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingungen und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache", als "Auslöser" oder als "Anlassgeschehen" bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" oder der "Anlass" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu der selben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (vgl. auch BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es schon nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 31. Januar 2010 die von den Kläger geltend gemachten Schäden im Bereich der Rotatorenmanschette der rechten Schulter in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinne verursacht bzw. mitverursacht hat. Dies gilt auch für die Funktionsstörungen des rechten Schultergelenkes des Klägers.
Der genaue biomechanische Ablauf des Unfallereignisses kann von dem Kläger nicht mehr angegeben werden. Deshalb kann aufgrund des Unfallhergangs keine Aussage getroffen werden, ob ein zur Schädigung der Rotatorenmanschette geeigneter Unfallmechanismus vorgelegen hat. Jedoch sprechen die übrigen bekannten Tatsachen gegen eine am 31. Januar 2010 erfolgte Schädigung der Rotatorenmanschette: Der klinische Erstbefund weist keinen Funktionsverlust im Sinne eines Drop-Arm-Syndroms auf und keine äußeren Verletzungen. Diese Befunde sprechen nach Aussage des Dr. L. eher gegen als für den Kausalzusammenhang. Auch das Fehlen eines Knochenmarksignals im Schultergelenkbereich (Bone bruise) spricht nach Auskunft des Dr. L. gegen eine rechtlich wesentliche Mitverursachung der Rotatorenmanschettenverletzung durch das Unfallereignis. Eindeutige gegen einen Kausalzusammenhang sprechende Hinweise erbrachten die röntgenologischen, kernspintomographischen und insbesondere die intraoperativen Befunde: So weisen degenerative Veränderungen, wie eine Omarthrose, eine AC-Gelenkarthrose mit Gelenkhyperthrophie und eine Verschmälerung des Subacrominalraumes sowie reaktive knöcherne Veränderungen am Tuberkulummajus auf vorbestehende, nicht unfallbedingte Schäden an der Rotatorenmanschette hin (so dargelegt im Gutachten des Dr. L. und bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 410 ff.). Ein ausgeprägter Oberarmkopfhochstand, wie er hier nur wenige Tage nach dem Unfallereignis sicher festgestellt wurde, ist beweisend für einen schon länger bestehenden ausgeprägten Schaden zumindest der Supraspinatussehne. Dies haben Dr. L. und auch Prof. Dr. M. in ihrem Gutachten dargelegt. Anlässlich der Arthroskopie des rechten Schultergelenkes am 15. April 2010 wurde eine komplette Ruptur sowohl der Supraspinatus- als auch der Infraspinatussehne festgestellt. Die an beiden Sehnen festgestellten deutlichen Veränderungen mit einer ausgedehnten fettigen Degeneration und einem erheblichen Retraktionsgrad bis hinter das Glenoid weisen darauf hin, dass diese Rupturen zeitlich schon deutlich vor dem zur Beurteilung anstehenden Unfallereignis vom 31. Oktober 2010 entstanden sind, so die übereinstimmende Beurteilung des Beratungsarztes Dr. F., des Prof. Dr. G., des Dr. J. und des Sachverständigen Dr. L. Die Auffassung des Prof. Dr. M., bei dem Unfallereignis am 31. Januar 2010 sei es zu einer Teilruptur der Infraspinatussehne gekommen, ist angesichts des intraoperativen Befundes nicht überzeugend. Die anhand der Kernspintomographieaufnahme vom 4. Februar 2010 von Dr. D. diagnostizierte Teilruptur des Muskulus subscapularis im Ansatzbereich konnte durch den intraoperativen Befund nicht bestätigt werden. Die Sehne des Muskulus subscapularis zeigte sich während der Arthroskopie lediglich etwas ausgefasert, jedoch ohne Rupturnachweis. Es fanden sich jedoch im Bereich des oberen Bizepsankers deutliche Ausfaserungen sowie eine Partialruptur der langen Bizepssehne und eine Bizepssehnentenotomie. Auch insoweit handelte es sich um einen degenerativen Befund, worauf die deutlichen Ausfaserungen und die pathohistologisch festgestellten mehrzeitigen Sehnenrupturen mit frischen aber überwiegend älteren Risskanten hinweisen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass im Bereich der Rotatorenmanschette der rechten Schulter des Klägers bereits zum Unfallzeitpunkt am 31. Januar 2010 erhebliche degenerative Schäden vorhanden waren. Es steht folglich fest, dass sich die am 4. Februar 2010 kernspintomographisch und am 15. April 2010 intraoperativ festgestellten Schäden an der Rotatorenmanschette der rechten Schulter des Klägers auch ohne das Unfallereignis vom 31. Januar 2010 gezeigt hätten.
Die degenerativen Veränderungen im Bereich des rechten Schultergelenkes mit den Rotatorenmanschettenschäden, dem Impingement-Syndrom und auch der Schaden im Bereich des Bizepssehnenansatzes sind geeignet, die bei dem Kläger vorhandenen Funktionsstörungen und Beschwerden zu verursachen. Beschwerden seitens des rechten Schultergelenkes hatte der Kläger schon vor dem Unfallereignis vom 31. Januar 2010. Dem Gutachten des Prof. Dr. M. ist zu entnehmen, dass deswegen mehrmalige ärztliche Behandlungen in den Jahren 2005, 2006 und 2009 notwendig waren. Es kann deshalb nicht, wie dies Dr. J. unterstellt hat, davon ausgegangen werden, dass der Kläger vor dem Unfallereignis vom 31. Januar 2010 symptomfrei gewesen sei. Dr. L. hat in seiner Stellungnahme vom 8. März 2013 dargelegt, dass die bei dem Unfallereignis erlittene Prellung der rechten Schulter nicht als Ursache für die Schultersteife in Betracht kommt, weil eine schwere Prellung anhand des Kernspintomographiebefundes auszuschließen ist. Von einer schweren Prellung, die geeignet gewesen sein könnte, die Schultersteife hervorzurufen, könne nur dann ausgegangen werden, wenn kleinere Einblutungen in die Muskulatur oder ein Knochenmark-Ödem am Oberarmkopf oder am Schultereckgelenk kernspintomographisch festgestellt worden wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved