Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 26 AS 993/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 528/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 201/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Leistungsbescheiden.
Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum (01.11.2005 bis 28.02.2006 und 01.03.2006 bis 31.08.2006) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Klägerin wohnt mit ihrem Ehemann – dem Prozessbevollmächtigten – in einer Mietwohnung. Die Klägerin ist zudem Eigentümerin einer Eigentumswohnung. Im streitgegenständlichen Zeitpunkt belief sich das Darlehen für diese Eigentumswohnung auf ca. 35.000,- EUR. Für die Klägerin fielen monatlich Zinsen in Höhe von ca. 158,49 EUR sowie Tilgungsraten in Höhe von 179,73 EUR an. Die Annuität des noch bestehenden Darlehens belief sich damit auf insgesamt 338,22 EUR. Die Kosten für Verwaltung und Instandhaltung beliefen sich auf ca. 49,50 EUR. Die Eigentumswohnung war im streitgegenständlichen Zeitraum vermietet. Es wurden Mieteinnahmen in Höhe von 450,- EUR erzielt.
Der Beklagte bewilligte auf einen Antrag der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Eigentumswohnung zunächst als Darlehen. Gegen den Bescheid war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gießen (S 27 AS 270/06) anhängig, dass durch gerichtlichen Vergleich am 29.10.2010 beendet worden ist. Der Vergleich wurde von der Klägerin angefochten und vom Hessischen Landessozialgericht (A. L 9 AS 445/11) aufgehoben.
Der Beklagte hat mit vier Bescheiden vom 19.04.2011 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von 01.11.2005 bis 23.02.2007 als Zuschuss gewährt.
Der Widerspruch der Klägerin gegen diese Bescheide wurde mit Widerspruchsbescheiden vom 05.08.2011 und 31.08.2011 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 29.08.2011 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Im vorliegenden Verfahren wendet sich die Klägerin gegen die Bescheide vom 19.04.2011 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 05.08.2011. Diese betreffen den Zeitraum 01.11.2005 bis 28.02.2006 und 01.03.2006 bis 31.08.2006.
Unter dem Aktenzeichen S 26 AS 1124/11 hat die Klägerin zudem eine Klage gegen die Bescheide vom 19.04.2011 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 31.08.2011 anhängig gemacht. Das Verfahren S 26 AS 1124/11 betrifft den Zeitraum vom 01.09.2006 bis 31.01.2007 und 01.02.2007 bis 23.02.2007.
Die Klägerin macht geltend, dass die Bescheide rechtswidrig seien. Insbesondere seien die Beträge zum Teil falsch und die Berechnung entspreche nicht der geltenden Rechtslage. Insbesondere sei das Einkommen fehlerhaft ermittelt worden. Die Tilgungsraten für die Eigentumswohnung seien fehlerhaft nicht berücksichtigt worden. Es sei zudem fehlerhaft, dass der Ehemann der Klägerin nicht nach § 28 SGB II Sozialgeld erhalten habe. Wegen der Einzelheiten und Details sowie der Berechnung der Klägerin wird auf den Inhalt der Schriftsätze verwiesen.
Der Prozessbevollmächtigte beantragt für die Klägerin sinngemäß,
die Bescheide vom 19.04.2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 31.08.2011 aufzuheben und der Klägerin Leistungen nach dem SGB II im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält seine getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend und vertieft die Argumente aus dem Widerspruchsbescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ein Anspruch auf höhere Leistungen besteht nach dem SGB II für die Klägerin nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Soweit die Klägerin rügt, dass ihrem Ehemann in den streitgegenständlichen Bescheiden kein Sozialgeld nach § 28 SGB II bewilligt worden ist, dringt der Vortrag schon im Ansatz nicht durch. Denn es ist stets die Besonderheit zu berücksichtigen, dass das SGB II keinen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solchen kennt, sondern Anspruchsinhaber jeweils alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (vgl. z.B. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.09.2012, Az. L 10 AS 101/10). Im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) gilt insoweit das Individualprinzip (Individualansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, vgl. dazu bereits BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 8/06 R und BSG, Urteil vom 06.10.2011, Az. B 14 AS 171/10 R). Insoweit handelt es sich auch im Rahmen der Leistungen nach § 28 SGB II um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2013, Az. L 2 AS 580/12, Rn. 25 im Jurisabdruck). Daher ist bereits äußerst fraglich, ob die Klägerin diesen Anspruch des Ehemannes in eigenem Namen überprüfen lassen kann. Denn der Ehemann hat selbst keine Klage erhoben. Es gilt für das Klageverfahren auch durch § 38 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch keine Vermutung der Bevollmächtigung eines Leistungsberechtigten, auch hinsichtlich der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Klage zu erheben (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 18.07.2012, Az. L 4 AS 1619/10, Leitsatz), wobei vorliegend die Zugehörigkeit des Ehemannes zur Bedarfsgemeinschaft gerade nicht feststeht.
Letztendlich kommt es aber auf die Beantwortung dieser Frage nicht an. Denn der Ehemann fällt evident in den Anwendungsbereich des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII). Soweit dem Ehemann der Klägerin Leistungen nach dem SGB XII vom Wetteraukreis mit Bescheid vom 14.07.2005 abgelehnt worden sind, ist zu beachten, dass diese Ablehnung wegen der Anrechnung des Vermögens seiner Ehefrau erfolgte. Werden Leistungen nach dem SGB XII wegen Vermögen verweigert, fällt der Betroffene jedoch nicht in den Anwendungsbereich des SGB II zurück. Dies ergibt sich bereits aus der Systematik der Sozialhilfe.
Auch der Einwand, dass von den Mieteinnahmen die Tilgungsraten nicht abgezogen worden sind, dringt nicht durch. Vielmehr ist das Einkommen aus Vermietung (450, EUR) nur um die Zinsen in Höhe von 158,49 EUR und die Kosten für Verwaltung und Instandhaltung in Höhe von 49,50 EUR zu bereinigen. Dies hat der Beklagte zutreffend erkannt. Insgesamt ist damit die Berücksichtigung einer Mieteinnahme in Höhe von monatlich 242,01 EUR (450,- EUR – 49,50 EUR – 158,49 EUR = 242,01 EUR) zutreffend ermittelt worden. Dies ergibt sich insgesamt aus folgenden Erwägungen:
Zu den berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten eines Hilfebedürftigen i. S. von § 22 Abs. 1 SGB 2 zählen die laufenden und auch die einmaligen Kosten der Unterkunft, soweit die durch die Nutzung der Wohnung durch den Hilfebedürftigen tatsächlich entstehen und von ihm getragen werden müssen. Bei einem selbstgenutzten Wohnungseigentum zählen hierzu alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl. BSG, Urteil vom 06. Oktober 2011 - B 14 AS 66/11 R).
Nach der einheitlichen Rechtsprechung gehören bei selbstgenutztem Wohnungseigentum Schuldzinsen zu den berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten. Diese sind von dem Beklagten vorliegend auch bei der nicht selbstgenutzten Wohnung in Höhe von 158,49 EUR und damit in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden.
Tilgungsleistungen können hingegen selbst bei selbstgenutzten Wohnungseigentum grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 B 14 AS 61/10 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.03.2012, Az. L 19 AS 2051/11).
Insbesondere hilft der Klägerin die Berufung auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.06.2008 nicht.
Das BSG hat im Hinblick auf Tilgungsleistungen zwar mit Urteil vom 18.06.2008 (B 14/11b AS 67/06 R) auf den hohen Stellenwert des Erhalts der Wohnung für den Hilfebedürftigen hingewiesen. Zwar führe die mit der Tilgung eintretende Minderung der auf dem Wohneigentum ruhenden Belastungen bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Mehrung des Vermögens des Eigentümers. Dies sei aber bei Abwägung der widerstreitenden Zielvorgaben jedenfalls dann hinzunehmen, wenn ohne Übernahme der Tilgungsleistungen durch den Grundsicherungsträger der Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums drohe. Sei die Erbringung von Tilgungsleistungen notwendig, um die Eigentumswohnung weiter nutzen zu können und wäre ohne Fortführung der Tilgung eine Aufgabe der Wohnung unvermeidlich, habe bei wertender Betrachtung der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten.
In späteren Entscheidungen hat das BSG aber diese Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass Tilgungsleistungen nur noch in besonderen Ausnahmefällen übernommen werden könnten (BSG, Urteile vom 07.07.2011, Az. B 14 AS 79/10 R und 16.02.2012, Az. B 14 AS 14/11 R).
In der ständigen und zwischenzeitlich auch gefestigten Rechtsprechung wird nun zur Begründung für den Ausschluss von Tilgungsleistungen angeführt, dass die Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt sind. Die Leistungen sollen nicht der Vermögensbildung dienen, unabhängig davon welcher Zweck mit der Vermögensbildung verfolgt wird. Die Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dienen nicht den Schutz bzw. der Sicherung von Vermögen. Vielmehr ist ein Eigentümer eines bebauten Grundstückes ebenso wenig wie ein Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (dazu konkret: BSG Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R = juris Rn 18; insgesamt siehe LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.03.2012, Az. L 19 AS 2051/11).
Tilgungsleistungen sind nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile 18.02.2010 - B 14 AS 74/08 R = juris Rn 17, vom 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R = juris Rn 17 und 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R = juris Rn 18ff) nur bei Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalls zu übernehmen, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist. Es muss sich insoweit um ein bereits fast abgezahltes Wohnungseigentum handeln.
Das BSG hat im Urteil vom 07.07.2011, Az. B 14 AS 79/10 R insoweit formuliert, dass Tilgungsleistungen nur in Ausnahmefällen im Rahmen des Angemessenen als Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden können, wenn lediglich noch eine Restschuld abzutragen ist und der Aspekt der privaten Vermögensbildung deshalb in den Hintergrund tritt. Einen derartigen Ausnahmefall hat das BSG im Verfahren B 14/11b AS 67/06 R, Urteil vom 18.06.2008 angenommen. Dort betrug der Tilgungsanteil im streitgegenständlichen Zeitraum knapp 80 % und der Zinsanteil zuletzt nur noch 2,78 Euro.
Im Verfahren B 14 AS 79/10 R, Urteil vom 07.07.2011, hat das BSG hingegen angeführt, dass es vorliegend nicht darum ginge, dass ein langjährig bewohntes und bereits fast abbezahltes Wohneigentum erhalten bleibt. Die vereinbarten Tilgungsleistungen würden nicht zur Abtragung eines Restkaufpreises dienen, sondern müssten über viele Jahre hinweg zu zahlen sein, um letztlich den Gesamtkaufpreis von 60.000 Euro zu begleichen.
Das Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen hat im bereits zitierten Urteil vom 26.03.2012, Az. L 19 AS 2051/11 in dem dort entschiedenen Fall angeführt, dass von der Darlehensschuld erst ca. 22% der Darlehensschuld getilgt gewesen sind.
Vorliegend handelt es sich schon nicht um eine selbstgenutzte Wohnung. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Prinzipien und der vorliegend schematisch angesprochenen Einzelfallentscheidungen sieht die Kammer zur vollen Überzeugung im vorliegenden Fall daher auch keinen Ausnahmefall. Der Restkredit belief sich zudem im streitgegenständlichen Zeitraum noch auf ca. 35.000 EUR.
Auch die in der mündlichen Verhandlung am 24.06.2013 von der Klägerin überreichte Auflistung über eine Vergleichsberechnung ändert an dieser Rechtslage nichts. Die Tilgungsraten sind nicht vom Einkommen aus Vermietung abzuziehen.
Unter Berücksichtigung der Mieteinnahmen bei gleichzeitigem Ausschluss der Tilgungsverpflichtungen erkennt die Kammer bei der Berechnung der Beklagten auch keine anderen Fehler.
Insbesondere sind – wie bereits angeführt – die tatsächlichen Schuldzinsen in Höhe von 158,49 EUR im streitgegenständlichen Zeitraum konkret ermittelt und berücksichtigt worden. Auch die Kosten für Verwaltung und Instandhaltung in Höhe von 49,50 EUR sind berücksichtigt worden.
Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid sogar statt eines Einkommens von 242,01 EUR irrtümlich nur einen Betrag in Höhe von 190,76 EUR angesetzt.
Zutreffend ist, dass zu Unrecht ein Abzug für die Warmwasseraufbereitung in Höhe von 6,40 EUR erfolgte. Soweit die Beklagte den fehlenden Abzug mit den irrtümlich nicht berücksichtigten 50,- EUR Einkommen verrechnet hat, ist dies zur vollen Überzeugung der Kammer sachgerecht.
Soweit schließlich angeführt wird, dass der Vermögensfreibetrag unzutreffend ermittelt und insoweit die Bewilligung der Leistungen als Darlehen fehlerhaft gewesen sei, dringt der Vortrag in der Klageschrift vom 29.08.2011 schon deshalb nicht durch, weil die Leistungen in den streitgegenständlichen Bescheiden als Zuschuss bewilligt worden sind.
Andere vermeintliche Berechnungsfehler im Rahmen der Einkommensanrechnung sind weder gerügt worden, noch ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da die Klägerin mit ihrem Begehren keinen Erfolg hat, waren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
3. Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 ff SGG.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Leistungsbescheiden.
Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum (01.11.2005 bis 28.02.2006 und 01.03.2006 bis 31.08.2006) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Klägerin wohnt mit ihrem Ehemann – dem Prozessbevollmächtigten – in einer Mietwohnung. Die Klägerin ist zudem Eigentümerin einer Eigentumswohnung. Im streitgegenständlichen Zeitpunkt belief sich das Darlehen für diese Eigentumswohnung auf ca. 35.000,- EUR. Für die Klägerin fielen monatlich Zinsen in Höhe von ca. 158,49 EUR sowie Tilgungsraten in Höhe von 179,73 EUR an. Die Annuität des noch bestehenden Darlehens belief sich damit auf insgesamt 338,22 EUR. Die Kosten für Verwaltung und Instandhaltung beliefen sich auf ca. 49,50 EUR. Die Eigentumswohnung war im streitgegenständlichen Zeitraum vermietet. Es wurden Mieteinnahmen in Höhe von 450,- EUR erzielt.
Der Beklagte bewilligte auf einen Antrag der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Eigentumswohnung zunächst als Darlehen. Gegen den Bescheid war ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gießen (S 27 AS 270/06) anhängig, dass durch gerichtlichen Vergleich am 29.10.2010 beendet worden ist. Der Vergleich wurde von der Klägerin angefochten und vom Hessischen Landessozialgericht (A. L 9 AS 445/11) aufgehoben.
Der Beklagte hat mit vier Bescheiden vom 19.04.2011 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von 01.11.2005 bis 23.02.2007 als Zuschuss gewährt.
Der Widerspruch der Klägerin gegen diese Bescheide wurde mit Widerspruchsbescheiden vom 05.08.2011 und 31.08.2011 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 29.08.2011 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Im vorliegenden Verfahren wendet sich die Klägerin gegen die Bescheide vom 19.04.2011 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 05.08.2011. Diese betreffen den Zeitraum 01.11.2005 bis 28.02.2006 und 01.03.2006 bis 31.08.2006.
Unter dem Aktenzeichen S 26 AS 1124/11 hat die Klägerin zudem eine Klage gegen die Bescheide vom 19.04.2011 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 31.08.2011 anhängig gemacht. Das Verfahren S 26 AS 1124/11 betrifft den Zeitraum vom 01.09.2006 bis 31.01.2007 und 01.02.2007 bis 23.02.2007.
Die Klägerin macht geltend, dass die Bescheide rechtswidrig seien. Insbesondere seien die Beträge zum Teil falsch und die Berechnung entspreche nicht der geltenden Rechtslage. Insbesondere sei das Einkommen fehlerhaft ermittelt worden. Die Tilgungsraten für die Eigentumswohnung seien fehlerhaft nicht berücksichtigt worden. Es sei zudem fehlerhaft, dass der Ehemann der Klägerin nicht nach § 28 SGB II Sozialgeld erhalten habe. Wegen der Einzelheiten und Details sowie der Berechnung der Klägerin wird auf den Inhalt der Schriftsätze verwiesen.
Der Prozessbevollmächtigte beantragt für die Klägerin sinngemäß,
die Bescheide vom 19.04.2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 31.08.2011 aufzuheben und der Klägerin Leistungen nach dem SGB II im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält seine getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend und vertieft die Argumente aus dem Widerspruchsbescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ein Anspruch auf höhere Leistungen besteht nach dem SGB II für die Klägerin nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Soweit die Klägerin rügt, dass ihrem Ehemann in den streitgegenständlichen Bescheiden kein Sozialgeld nach § 28 SGB II bewilligt worden ist, dringt der Vortrag schon im Ansatz nicht durch. Denn es ist stets die Besonderheit zu berücksichtigen, dass das SGB II keinen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solchen kennt, sondern Anspruchsinhaber jeweils alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (vgl. z.B. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.09.2012, Az. L 10 AS 101/10). Im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) gilt insoweit das Individualprinzip (Individualansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, vgl. dazu bereits BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 8/06 R und BSG, Urteil vom 06.10.2011, Az. B 14 AS 171/10 R). Insoweit handelt es sich auch im Rahmen der Leistungen nach § 28 SGB II um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2013, Az. L 2 AS 580/12, Rn. 25 im Jurisabdruck). Daher ist bereits äußerst fraglich, ob die Klägerin diesen Anspruch des Ehemannes in eigenem Namen überprüfen lassen kann. Denn der Ehemann hat selbst keine Klage erhoben. Es gilt für das Klageverfahren auch durch § 38 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch keine Vermutung der Bevollmächtigung eines Leistungsberechtigten, auch hinsichtlich der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Klage zu erheben (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 18.07.2012, Az. L 4 AS 1619/10, Leitsatz), wobei vorliegend die Zugehörigkeit des Ehemannes zur Bedarfsgemeinschaft gerade nicht feststeht.
Letztendlich kommt es aber auf die Beantwortung dieser Frage nicht an. Denn der Ehemann fällt evident in den Anwendungsbereich des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII). Soweit dem Ehemann der Klägerin Leistungen nach dem SGB XII vom Wetteraukreis mit Bescheid vom 14.07.2005 abgelehnt worden sind, ist zu beachten, dass diese Ablehnung wegen der Anrechnung des Vermögens seiner Ehefrau erfolgte. Werden Leistungen nach dem SGB XII wegen Vermögen verweigert, fällt der Betroffene jedoch nicht in den Anwendungsbereich des SGB II zurück. Dies ergibt sich bereits aus der Systematik der Sozialhilfe.
Auch der Einwand, dass von den Mieteinnahmen die Tilgungsraten nicht abgezogen worden sind, dringt nicht durch. Vielmehr ist das Einkommen aus Vermietung (450, EUR) nur um die Zinsen in Höhe von 158,49 EUR und die Kosten für Verwaltung und Instandhaltung in Höhe von 49,50 EUR zu bereinigen. Dies hat der Beklagte zutreffend erkannt. Insgesamt ist damit die Berücksichtigung einer Mieteinnahme in Höhe von monatlich 242,01 EUR (450,- EUR – 49,50 EUR – 158,49 EUR = 242,01 EUR) zutreffend ermittelt worden. Dies ergibt sich insgesamt aus folgenden Erwägungen:
Zu den berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten eines Hilfebedürftigen i. S. von § 22 Abs. 1 SGB 2 zählen die laufenden und auch die einmaligen Kosten der Unterkunft, soweit die durch die Nutzung der Wohnung durch den Hilfebedürftigen tatsächlich entstehen und von ihm getragen werden müssen. Bei einem selbstgenutzten Wohnungseigentum zählen hierzu alle notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (vgl. BSG, Urteil vom 06. Oktober 2011 - B 14 AS 66/11 R).
Nach der einheitlichen Rechtsprechung gehören bei selbstgenutztem Wohnungseigentum Schuldzinsen zu den berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten. Diese sind von dem Beklagten vorliegend auch bei der nicht selbstgenutzten Wohnung in Höhe von 158,49 EUR und damit in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden.
Tilgungsleistungen können hingegen selbst bei selbstgenutzten Wohnungseigentum grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 B 14 AS 61/10 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.03.2012, Az. L 19 AS 2051/11).
Insbesondere hilft der Klägerin die Berufung auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.06.2008 nicht.
Das BSG hat im Hinblick auf Tilgungsleistungen zwar mit Urteil vom 18.06.2008 (B 14/11b AS 67/06 R) auf den hohen Stellenwert des Erhalts der Wohnung für den Hilfebedürftigen hingewiesen. Zwar führe die mit der Tilgung eintretende Minderung der auf dem Wohneigentum ruhenden Belastungen bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Mehrung des Vermögens des Eigentümers. Dies sei aber bei Abwägung der widerstreitenden Zielvorgaben jedenfalls dann hinzunehmen, wenn ohne Übernahme der Tilgungsleistungen durch den Grundsicherungsträger der Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums drohe. Sei die Erbringung von Tilgungsleistungen notwendig, um die Eigentumswohnung weiter nutzen zu können und wäre ohne Fortführung der Tilgung eine Aufgabe der Wohnung unvermeidlich, habe bei wertender Betrachtung der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten.
In späteren Entscheidungen hat das BSG aber diese Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass Tilgungsleistungen nur noch in besonderen Ausnahmefällen übernommen werden könnten (BSG, Urteile vom 07.07.2011, Az. B 14 AS 79/10 R und 16.02.2012, Az. B 14 AS 14/11 R).
In der ständigen und zwischenzeitlich auch gefestigten Rechtsprechung wird nun zur Begründung für den Ausschluss von Tilgungsleistungen angeführt, dass die Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt sind. Die Leistungen sollen nicht der Vermögensbildung dienen, unabhängig davon welcher Zweck mit der Vermögensbildung verfolgt wird. Die Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dienen nicht den Schutz bzw. der Sicherung von Vermögen. Vielmehr ist ein Eigentümer eines bebauten Grundstückes ebenso wenig wie ein Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (dazu konkret: BSG Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R = juris Rn 18; insgesamt siehe LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.03.2012, Az. L 19 AS 2051/11).
Tilgungsleistungen sind nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile 18.02.2010 - B 14 AS 74/08 R = juris Rn 17, vom 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R = juris Rn 17 und 07.07.2011 - B 14 AS 79/10 R = juris Rn 18ff) nur bei Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalls zu übernehmen, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist. Es muss sich insoweit um ein bereits fast abgezahltes Wohnungseigentum handeln.
Das BSG hat im Urteil vom 07.07.2011, Az. B 14 AS 79/10 R insoweit formuliert, dass Tilgungsleistungen nur in Ausnahmefällen im Rahmen des Angemessenen als Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden können, wenn lediglich noch eine Restschuld abzutragen ist und der Aspekt der privaten Vermögensbildung deshalb in den Hintergrund tritt. Einen derartigen Ausnahmefall hat das BSG im Verfahren B 14/11b AS 67/06 R, Urteil vom 18.06.2008 angenommen. Dort betrug der Tilgungsanteil im streitgegenständlichen Zeitraum knapp 80 % und der Zinsanteil zuletzt nur noch 2,78 Euro.
Im Verfahren B 14 AS 79/10 R, Urteil vom 07.07.2011, hat das BSG hingegen angeführt, dass es vorliegend nicht darum ginge, dass ein langjährig bewohntes und bereits fast abbezahltes Wohneigentum erhalten bleibt. Die vereinbarten Tilgungsleistungen würden nicht zur Abtragung eines Restkaufpreises dienen, sondern müssten über viele Jahre hinweg zu zahlen sein, um letztlich den Gesamtkaufpreis von 60.000 Euro zu begleichen.
Das Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen hat im bereits zitierten Urteil vom 26.03.2012, Az. L 19 AS 2051/11 in dem dort entschiedenen Fall angeführt, dass von der Darlehensschuld erst ca. 22% der Darlehensschuld getilgt gewesen sind.
Vorliegend handelt es sich schon nicht um eine selbstgenutzte Wohnung. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Prinzipien und der vorliegend schematisch angesprochenen Einzelfallentscheidungen sieht die Kammer zur vollen Überzeugung im vorliegenden Fall daher auch keinen Ausnahmefall. Der Restkredit belief sich zudem im streitgegenständlichen Zeitraum noch auf ca. 35.000 EUR.
Auch die in der mündlichen Verhandlung am 24.06.2013 von der Klägerin überreichte Auflistung über eine Vergleichsberechnung ändert an dieser Rechtslage nichts. Die Tilgungsraten sind nicht vom Einkommen aus Vermietung abzuziehen.
Unter Berücksichtigung der Mieteinnahmen bei gleichzeitigem Ausschluss der Tilgungsverpflichtungen erkennt die Kammer bei der Berechnung der Beklagten auch keine anderen Fehler.
Insbesondere sind – wie bereits angeführt – die tatsächlichen Schuldzinsen in Höhe von 158,49 EUR im streitgegenständlichen Zeitraum konkret ermittelt und berücksichtigt worden. Auch die Kosten für Verwaltung und Instandhaltung in Höhe von 49,50 EUR sind berücksichtigt worden.
Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid sogar statt eines Einkommens von 242,01 EUR irrtümlich nur einen Betrag in Höhe von 190,76 EUR angesetzt.
Zutreffend ist, dass zu Unrecht ein Abzug für die Warmwasseraufbereitung in Höhe von 6,40 EUR erfolgte. Soweit die Beklagte den fehlenden Abzug mit den irrtümlich nicht berücksichtigten 50,- EUR Einkommen verrechnet hat, ist dies zur vollen Überzeugung der Kammer sachgerecht.
Soweit schließlich angeführt wird, dass der Vermögensfreibetrag unzutreffend ermittelt und insoweit die Bewilligung der Leistungen als Darlehen fehlerhaft gewesen sei, dringt der Vortrag in der Klageschrift vom 29.08.2011 schon deshalb nicht durch, weil die Leistungen in den streitgegenständlichen Bescheiden als Zuschuss bewilligt worden sind.
Andere vermeintliche Berechnungsfehler im Rahmen der Einkommensanrechnung sind weder gerügt worden, noch ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da die Klägerin mit ihrem Begehren keinen Erfolg hat, waren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
3. Die Rechtsmittelbelehrung folgt aus §§ 143, 144 ff SGG.
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