Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 705/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 179/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Der Bescheid der Beklagten vom 17.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2016 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auf der Grundlage der eingetretenen Genehmigungsfiktion drei postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (Oberarme, Oberschenkel, Mammae) als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin auf Grund einer eingetretenen Genehmigungsfiktion Anspruch auf eine Brust-, Oberschenkel- und Oberarmoperation hat.
Die 1979 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte am 27.07.2015 bei der Beklagten eine Operation von Brust, Oberschenkel und Oberarmen. Bereits 2008 sei ihr von der Beklagten eine Bauchdeckenstraffung und Abnehmen der Fettschürze genehmigt worden. Nun solle auch der Rest korrigiert werden. Dazu legte die Klägerin ein ärztliches Attest von Dr. C., Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie am Markus Krankenhaus, Frankfurt am Main, vor. Dieser bestätigte der Klägerin, dass bei ihr eine massive Gewichtsabnahme mit hängenden Hautfettlappen an beiden Oberarmen und Oberschenkeln und eine stark ptotische, hypoplastische Brust vorliege. Als Therapievorschlag nannte er: 1. Dermolipektomie an beiden Oberarmen, 2. Dermolipektomie an beiden Oberschenkeln, 3. Straffung der Mammae beidseits.
Am 29.07.2015 leitete die Beklagte den Antrag an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) weiter und informierte gleichzeitig die Klägerin darüber.
Der MDK forderte unter Fristsetzung bis zum 15.08.2105 weitere Unterlagen von der Klägerin an. Mit Schreiben vom 18.08.2015 lud die Beklagte die Klägerin zur persönlichen Untersuchung durch den MDK am 24.08.2015 ein. Diesen Termin sagte die Klägerin am 21.08.2015 ab, da er zu kurzfristig sei.
Mit Schreiben vom 31.08.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass über den Antrag spätestens innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang entschieden werden solle. Dies sei leider nicht möglich. Da die Klägerin den Termin zur körperlichen Untersuchung auf den 08.09.2015 verschoben habe, könne bis zum 31.08.2015 über den Leistungsantrag nicht entscheiden werden. Die Beklagte komme auf die Klägerin unaufgefordert zu, sobald das für die abschließende Beurteilung notwendige Gutachten vorliege.
Nach Untersuchung der Klägerin kam der MDK in seinem Gutachten vom 10.09.2015 zu dem Ergebnis, dass an den Oberarmen keine funktionellen Einschränkungen vorlägen, hier stehe allenfalls der kosmetische Aspekt im Vordergrund. Bei den Oberschenkeln seien gleichfalls keine funktionellen Einschränkungen und keine entzündlichen Hautveränderungen nachweisbar. Auch hier werde von einem kosmetischen Aspekt ausgegangen. Bzgl. der beantragten Bruststraffung seien keine funktionellen Einschränkungen nachvollziehbar, akute oder chronische Hautentzündungen ließen sich nicht feststellen. Die vorliegende leichte Asymmetrie in diesem Bereich sei nicht behandlungsbedürftig. Das Argument der Entstellung sein nicht nachvollziehbar. Es sei vorrangig von kosmetischen Aspekten auszugehen.
Mit Bescheid vom 17.09.2015 lehnte die Beklagte den Antrag unter Berücksichtigung des MDK-Gutachtens ab.
Dagegen legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 15.10.2015 Widerspruch ein.
Am 05.11.2015 hat die Klägerin Klage erhoben.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt ursprünglich schriftlich,
es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung dreier postbariatrischer Wiederherstellungsoperationen (Oberarme, Oberschenkel, Mammae) als Sachleistung vom 27. Juli 2015 gemäß § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gelte.
Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klage in eine Leistungsklage umgestellt. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin umfassend vor, warum die Voraussetzungen für den Eintritt einer Genehmigungsfiktion gegeben seien.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt schriftlich,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin – aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V – drei postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (Oberarm, Oberschenkel, Brust) als Sachleistung zu gewähren, dies unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie der Klägerin rechtzeitig darüber informiert habe, dass der MDK eingeschaltet werde. Es habe deshalb die fünfwöchige Frist bis zum 31.08.2015 gegolten. Diese habe nicht eingehalten werden können, weil die Klägerin den Untersuchungstermin verschoben habe. Über die Folgen sei die Klägerin im Schreiben vom 31.08.2015 informiert worden. Die Frage, ob die beantragten Maßnahmen tatsächlich dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen seien, dürfte sich nicht eindeutig beantworten lassen, da sie nur in wenigen, medizinisch notwendigen Fällen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürften. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts greife die Genehmigungsfiktion nur ein, wenn sich der Versicherte die Leistung bereits selbst beschafft habe und die Kostenerstattung geltend mache. Da die Klägerin dies noch nicht getan habe, gehe es um eine Versorgung im Rahmen der Sachleistung. In diesem Fall sei § 13 Abs. 3a SGB V nicht anwendbar. Das Bundessozialgericht dürfte sich im anhängigen Revisionsverfahren B 3 KR 4/16 R zur Frage der Anwendung der Genehmigungsfiktion auf Sachleistungsansprüche sowie zur Begrenzung des Anspruchs nach § 13 Abs. 3a SGB V durch das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot äußern. In Hinblick darauf werde das Ruhen des Verfahrens angeregt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich mit einem Ruhen des Verfahrens nicht einverstanden erklärt.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II.
Das Gericht konnte nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Sachverhalt ist geklärt und weist keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden. Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 17.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2016 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, der Klägerin die drei beantragten Operationen als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf diese Operationen aufgrund der eingetretenen Genehmigungsfiktion.
Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. (§ 13 Abs. 3a Satz 5 und 6 SGB V) Nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V ist die Krankenkasse zu Erstattung der entstandenen Kosten verpflichtet, wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen.
Die drei beantragten Operationen galten wegen Fristablaufs als genehmigt. Die Klägerin hat am 27.07.2015 bei der Beklagten die Operationen beantragt. Diesen Antrag hat die Beklagte erst am 17.09.2015 und damit nach Ablauf der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V beschieden. Die Beklagte hat grundsätzlich innerhalb von drei Wochen über den Antrag zu entscheiden. Die Frist wurde auch nicht auf fünf Wochen verlängert durch die Einschaltung des MDK. Die Beklagte hatte mit der Einschaltung des MDK zwar einen zureichenden Grund, nicht innerhalb von drei Wochen zu entscheiden. Sie hat die Klägerin auch über die Einschaltung des MDK informiert. Allerdings fehlt es an der Mitteilung, bis zu welchem Tag sich dadurch die Frist verlängert. Selbst wenn man eine solche Mitteilung für die Fristverlängerung auf fünf Wochen nicht für erforderlich halten sollte, so wäre auch diese fünfwöchige Frist nicht eingehalten worden, so dass es deshalb zum Eintritt der Genehmigungsfiktion gekommen wäre. Für eine Verlängerung der Entscheidungsfrist genügt es nicht, dass die Beklagte einen hinreichenden Grund hatte, noch nicht zu entscheiden, und diesen Grund der Klägerin auch mitteilt. Die Beklagte muss gleichzeitig die Klägerin darüber informieren, bis zu welchem Tag (taggenau) sich dadurch die Entscheidungsfrist bis zum Eintritt der Genehmigungsfiktion verlängert. "Will eine Krankenkasse den Eintritt der Genehmigungsfiktion eines Antrags auf Krankenbehandlung hinausschieben, muss sie den Antragsteller von einem hierfür hinreichenden Grund und einer taggenau bestimmten Fristverlängerung jeweils vor Fristablauf in Kenntnis setzen" (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, 2. Leitsatz, juris).
Die Klägerin hat bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag gestellt. Aus dem beigefügten ärztlichen Attest ergibt sich, welche Operationen geplant sind. Bei diesen Operationen handelt es sich auch um erforderliche Leistungen im Sinne des § 13 Abs. 3a SGB V. Es ist nicht notwendig, dass die Operationen objektiv erforderlich sind und dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V genügen. "Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen." (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rdnr. 26) Wie die Beklagte selber ausführt, gehören die beantragten Operationen grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin sind nicht erkennbar. Aufgrund der Stellungnahme des Dr. C. durfte die Klägerin die Operationen für geeignet und erforderlich halten.
Das Gericht sieht keine Notwendigkeit, weitere Entscheidungen des Bundessozialgerichts abzuwarten. Das Bundessozialgericht hat seiner Entscheidung vom 08.03.2016 ein eindeutiges Regelungskonzept zugrunde gelegt. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V begründet "zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren." (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, juris, Rdnr. 25) Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts erging vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts am 08.03.2016.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auf der Grundlage der eingetretenen Genehmigungsfiktion drei postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (Oberarme, Oberschenkel, Mammae) als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin auf Grund einer eingetretenen Genehmigungsfiktion Anspruch auf eine Brust-, Oberschenkel- und Oberarmoperation hat.
Die 1979 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte am 27.07.2015 bei der Beklagten eine Operation von Brust, Oberschenkel und Oberarmen. Bereits 2008 sei ihr von der Beklagten eine Bauchdeckenstraffung und Abnehmen der Fettschürze genehmigt worden. Nun solle auch der Rest korrigiert werden. Dazu legte die Klägerin ein ärztliches Attest von Dr. C., Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie am Markus Krankenhaus, Frankfurt am Main, vor. Dieser bestätigte der Klägerin, dass bei ihr eine massive Gewichtsabnahme mit hängenden Hautfettlappen an beiden Oberarmen und Oberschenkeln und eine stark ptotische, hypoplastische Brust vorliege. Als Therapievorschlag nannte er: 1. Dermolipektomie an beiden Oberarmen, 2. Dermolipektomie an beiden Oberschenkeln, 3. Straffung der Mammae beidseits.
Am 29.07.2015 leitete die Beklagte den Antrag an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) weiter und informierte gleichzeitig die Klägerin darüber.
Der MDK forderte unter Fristsetzung bis zum 15.08.2105 weitere Unterlagen von der Klägerin an. Mit Schreiben vom 18.08.2015 lud die Beklagte die Klägerin zur persönlichen Untersuchung durch den MDK am 24.08.2015 ein. Diesen Termin sagte die Klägerin am 21.08.2015 ab, da er zu kurzfristig sei.
Mit Schreiben vom 31.08.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass über den Antrag spätestens innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang entschieden werden solle. Dies sei leider nicht möglich. Da die Klägerin den Termin zur körperlichen Untersuchung auf den 08.09.2015 verschoben habe, könne bis zum 31.08.2015 über den Leistungsantrag nicht entscheiden werden. Die Beklagte komme auf die Klägerin unaufgefordert zu, sobald das für die abschließende Beurteilung notwendige Gutachten vorliege.
Nach Untersuchung der Klägerin kam der MDK in seinem Gutachten vom 10.09.2015 zu dem Ergebnis, dass an den Oberarmen keine funktionellen Einschränkungen vorlägen, hier stehe allenfalls der kosmetische Aspekt im Vordergrund. Bei den Oberschenkeln seien gleichfalls keine funktionellen Einschränkungen und keine entzündlichen Hautveränderungen nachweisbar. Auch hier werde von einem kosmetischen Aspekt ausgegangen. Bzgl. der beantragten Bruststraffung seien keine funktionellen Einschränkungen nachvollziehbar, akute oder chronische Hautentzündungen ließen sich nicht feststellen. Die vorliegende leichte Asymmetrie in diesem Bereich sei nicht behandlungsbedürftig. Das Argument der Entstellung sein nicht nachvollziehbar. Es sei vorrangig von kosmetischen Aspekten auszugehen.
Mit Bescheid vom 17.09.2015 lehnte die Beklagte den Antrag unter Berücksichtigung des MDK-Gutachtens ab.
Dagegen legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 15.10.2015 Widerspruch ein.
Am 05.11.2015 hat die Klägerin Klage erhoben.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt ursprünglich schriftlich,
es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung dreier postbariatrischer Wiederherstellungsoperationen (Oberarme, Oberschenkel, Mammae) als Sachleistung vom 27. Juli 2015 gemäß § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gelte.
Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klage in eine Leistungsklage umgestellt. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin umfassend vor, warum die Voraussetzungen für den Eintritt einer Genehmigungsfiktion gegeben seien.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt schriftlich,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin – aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V – drei postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (Oberarm, Oberschenkel, Brust) als Sachleistung zu gewähren, dies unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie der Klägerin rechtzeitig darüber informiert habe, dass der MDK eingeschaltet werde. Es habe deshalb die fünfwöchige Frist bis zum 31.08.2015 gegolten. Diese habe nicht eingehalten werden können, weil die Klägerin den Untersuchungstermin verschoben habe. Über die Folgen sei die Klägerin im Schreiben vom 31.08.2015 informiert worden. Die Frage, ob die beantragten Maßnahmen tatsächlich dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen seien, dürfte sich nicht eindeutig beantworten lassen, da sie nur in wenigen, medizinisch notwendigen Fällen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürften. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts greife die Genehmigungsfiktion nur ein, wenn sich der Versicherte die Leistung bereits selbst beschafft habe und die Kostenerstattung geltend mache. Da die Klägerin dies noch nicht getan habe, gehe es um eine Versorgung im Rahmen der Sachleistung. In diesem Fall sei § 13 Abs. 3a SGB V nicht anwendbar. Das Bundessozialgericht dürfte sich im anhängigen Revisionsverfahren B 3 KR 4/16 R zur Frage der Anwendung der Genehmigungsfiktion auf Sachleistungsansprüche sowie zur Begrenzung des Anspruchs nach § 13 Abs. 3a SGB V durch das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot äußern. In Hinblick darauf werde das Ruhen des Verfahrens angeregt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich mit einem Ruhen des Verfahrens nicht einverstanden erklärt.
Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II.
Das Gericht konnte nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Sachverhalt ist geklärt und weist keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden. Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 17.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2016 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, der Klägerin die drei beantragten Operationen als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf diese Operationen aufgrund der eingetretenen Genehmigungsfiktion.
Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. (§ 13 Abs. 3a Satz 5 und 6 SGB V) Nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V ist die Krankenkasse zu Erstattung der entstandenen Kosten verpflichtet, wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen.
Die drei beantragten Operationen galten wegen Fristablaufs als genehmigt. Die Klägerin hat am 27.07.2015 bei der Beklagten die Operationen beantragt. Diesen Antrag hat die Beklagte erst am 17.09.2015 und damit nach Ablauf der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V beschieden. Die Beklagte hat grundsätzlich innerhalb von drei Wochen über den Antrag zu entscheiden. Die Frist wurde auch nicht auf fünf Wochen verlängert durch die Einschaltung des MDK. Die Beklagte hatte mit der Einschaltung des MDK zwar einen zureichenden Grund, nicht innerhalb von drei Wochen zu entscheiden. Sie hat die Klägerin auch über die Einschaltung des MDK informiert. Allerdings fehlt es an der Mitteilung, bis zu welchem Tag sich dadurch die Frist verlängert. Selbst wenn man eine solche Mitteilung für die Fristverlängerung auf fünf Wochen nicht für erforderlich halten sollte, so wäre auch diese fünfwöchige Frist nicht eingehalten worden, so dass es deshalb zum Eintritt der Genehmigungsfiktion gekommen wäre. Für eine Verlängerung der Entscheidungsfrist genügt es nicht, dass die Beklagte einen hinreichenden Grund hatte, noch nicht zu entscheiden, und diesen Grund der Klägerin auch mitteilt. Die Beklagte muss gleichzeitig die Klägerin darüber informieren, bis zu welchem Tag (taggenau) sich dadurch die Entscheidungsfrist bis zum Eintritt der Genehmigungsfiktion verlängert. "Will eine Krankenkasse den Eintritt der Genehmigungsfiktion eines Antrags auf Krankenbehandlung hinausschieben, muss sie den Antragsteller von einem hierfür hinreichenden Grund und einer taggenau bestimmten Fristverlängerung jeweils vor Fristablauf in Kenntnis setzen" (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, 2. Leitsatz, juris).
Die Klägerin hat bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag gestellt. Aus dem beigefügten ärztlichen Attest ergibt sich, welche Operationen geplant sind. Bei diesen Operationen handelt es sich auch um erforderliche Leistungen im Sinne des § 13 Abs. 3a SGB V. Es ist nicht notwendig, dass die Operationen objektiv erforderlich sind und dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V genügen. "Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen." (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rdnr. 26) Wie die Beklagte selber ausführt, gehören die beantragten Operationen grundsätzlich zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin sind nicht erkennbar. Aufgrund der Stellungnahme des Dr. C. durfte die Klägerin die Operationen für geeignet und erforderlich halten.
Das Gericht sieht keine Notwendigkeit, weitere Entscheidungen des Bundessozialgerichts abzuwarten. Das Bundessozialgericht hat seiner Entscheidung vom 08.03.2016 ein eindeutiges Regelungskonzept zugrunde gelegt. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V begründet "zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren." (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, juris, Rdnr. 25) Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts erging vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts am 08.03.2016.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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