Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1985/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2928/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21.06.2016 und die Bescheide der Beklagten vom 12.01.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.07.2015 aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Kläger zu 1) in seiner Tätigkeit als Schweißer bei der Klägerin zu 2) ab 01.01.2009 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zu 1) bei der Klägerin zu 2) als Schweißer ab 01.01.2009 versicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die Klägerin zu 2) betreibt in der Rechtsform der GmbH ein Unternehmen mit dem Gegenstand maschinelle Bearbeitung von Metallteilen aller Art, insbesondere Lohndrehen (Amtsgericht U., HRB ...). Der 1961 geborene Kläger zu 1) ist italienischer Staatsangehöriger und arbeitet im 3-Schichtbetrieb in Vollzeit bei der Firma B., M ... Er war zusätzlich zunächst im Rahmen eines Minijobs als Schweißer bei der Klägerin zu 2) tätig. Im März 2002 meldete er ein Gewerbe "Montage für Industrie" an. Aufgrund mündlicher Vereinbarung erbringt er Schweißarbeiten für die Klägerin zu 2), die nach Anzahl der gefertigten Teile abgerechnet werden.
Am 15.04.2014 stellte die Klägerin zu 2), am 02.05.2014 der Kläger zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Statusfeststellung. Die Klägerin zu 2) gab hierbei an, der Kläger zu 1) sei für sie als Subunternehmer tätig. Er erhalte Aufträge, die er in freier Zeiteinteilung während der Öffnungszeiten des Betriebs der Klägerin zu 2) zwischen 05:00 und 21:00 Uhr (Samstag bis 16:00 Uhr) dort weisungsungebunden erledige. Schutzkleidung und Schweißgerät bringe er mit, lediglich die Werkbank sowie die benötigte Energie (Strom, Gas) werde ihm zur Verfügung gestellt. Der Preis der jeweiligen Stücke werde vor Auftragserteilung verhandelt. Da die Aufträge mit einer Vorlaufzeit von drei bis sechs Wochen erledigt werden müssten, könnten Urlaubs- und Krankheitszeiten überbrückt werden. Die Teile würden nach Zeichnung bzw Abstimmung mit den Mitarbeitern der Klägerin zu 2) gefertigt. In den letzten Jahren habe der Kläger zu 1) als selbstständiger Subunternehmer bei der Klägerin zu 2) folgende Umsätze erwirtschaftet: 2009 – 15.580,38 EUR, 2010 – 15.988,77 EUR, 2011 – 17.924,71 EUR, 2012 – 16.110,29 EUR, 2013 – 19.960,73 EUR. Der Kläger zu 1) sei auch für weitere Auftraggeber tätig.
Vom Hauptzollamt U. wurde der Beklagten mitgeteilt, dass gegen den Geschäftsführer der Klägerin zu 2) ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt geführt werde im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers zu 1). Der Beklagten wurden hierzu Rechnungen des Klägers zu 1) an die Klägerin zu 2) vorgelegt sowie die Vernehmungsniederschrift des Klägers zu 1) vom 10.03.2014. Der Kläger zu 1) gab hierbei an, er sei früher für die Klägerin auf 400 EUR Basis angestellt gewesen. Als die Auftragslage darüber hinaus gegangen sei, habe er ein eigenes Gewerbe angemeldet, da er mehr Geld habe verdienen wollen. Er gebe den Preis vor, wenn dieser nicht akzeptiert werde, arbeite er nicht. Bisher sei man sich jedoch fast immer einig gewesen. Die Arbeiten führe er in der Firma der Klägerin zu 2) aus. Er erhalte einen schriftlichen Auftrag mit einer Zeichnung, die Werkstücke seien dort vorbereitet und er schweiße sie dann zusammen. Der Auftrag befinde sich bei den Werkstücken und bleibe bei der Klägerin zu 2). Bei Reklamationen (durch Hitze verbogene Teile) habe er auch schon Teile nachbearbeitet. Seit ca 3-4 Jahren arbeite er noch für die Firma C., vorher habe er nur für die Klägerin zu 2) gearbeitet. Das Auftragsvolumen liege zu ca 90% bei der Klägerin zu 2).
Mit Anhörung vom 26.11.2014 teilte die Beklagte mit, dass sie die Feststellung der Versicherungspflicht für eine abhängige Beschäftigung beabsichtige. Der Kläger zu 1) teilte hierauf mit, er entscheide selbst, welche Arbeiten angenommen werden und erhalte keine Weisungen von der Klägerin zu 2).
Mit Bescheid vom 12.01.2015 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als Schweißer für die Klägerin zu 2) ab 01.01.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und in allen Zweigen der Sozialversicherungspflicht unterliege; ab 01.01.2011 bestehe keine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien: Der Kläger zu 1) sei Erfüllungsgehilfe der vertraglichen Pflichten, welche die Klägerin zu 2) gegenüber ihren Kunden habe; der Kläger zu 1) erhalte Weisungen mit dem schriftlichen Auftrag und den vorgegebenen Zeichnungen; es erfolge eine Kontrolle durch Herrn D.; der Arbeitsort sei überwiegend die Betriebsstätte der Klägerin zu 2); Werkbank, Rohmaterial, Gas zum Schweißen und Energie werde von der Klägerin zu 2) zur Verfügung gestellt; Kapital in wesentlichem Umfang werde vom Kläger zu 1) nicht eingesetzt; die Arbeitszeit richte sich nach den Öffnungszeiten der Betriebsstätte; die Leistung werde persönlich erbracht, Hilfskräfte durch den Kläger zu 1) nicht eingesetzt; die Vergütung erfolge in Form eines Stücklohns. Für selbstständige Tätigkeit spreche: Der Kläger zu 1) setze auch eigene Werkzeuge ein und sei noch für weitere Auftraggeber tätig. In der Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Am 29.01.2015 bzw 05.02.2015 legten die Kläger jeweils Widerspruch ein, der von der Beklagten mit Widerspruchsbescheiden vom 08.07.2015 zurückgewiesen wurde.
Am 29.07.2015 hat der Kläger zu 1) – Az S 7 R 1985/15, am 03.08.2015 die Klägerin zu 2) – Az S 7 R 2081/15 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Mit Beschluss vom 05.11.2015 hat das SG die beiden Klagen verbunden.
Am 26.01.2016 hat das SG einen Erörterungstermin durchgeführt. Der Kläger zu 1) hat hierbei ausgeführt, er fahre etwa zwei- bis dreimal pro Woche bei der Klägerin zu 2) vorbei und schaue, ob Teile zum Schweißen da seien. Die Klägerin zu 2) hat mitgeteilt, es werde drei- bis fünfmal pro Jahr eine Absprache über eine neue Sorte von Teilen getroffen, bei der der Preis verhandelt und geklärt werde, ob der Kläger zu 1) diese Sorte machen wolle. Die Teile würden vom Endkunden geliefert und stünden bei der Klägerin zu 2) bereit; es gebe eine Lieferzeit von zwei bis sechs Wochen. Schweißarbeiten, wie sie der Kläger zu 1) erledige, würden sonst im Betrieb nicht durchgeführt. Wenn der Kläger zu 1) die Arbeit nicht machen wolle, werde der Auftrag nicht angenommen. In der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2016 hat der Kläger zu 1) weiter vorgetragen, er habe vor acht oder zehn Jahren eine Schulung für Schweißer absolviert und selbst bezahlt. Weitere Schulungen mache er in diesem Bereich nicht.
Mit Urteil vom 21.06.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Würdigung aller Umstände ergebe, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handele. Der Kläger zu 1) erbringe die Tätigkeit in den Betriebsräumen der Klägerin zu 2). Die Investitionen für ein Schweißgerät, Arbeitskleidung und eine Schulung vor acht oder zehn Jahren begründeten kein erhebliches Unternehmerrisiko. Der Umstand, dass der Kläger zu 1) auch Aufträge der Klägerin zu 2) habe ablehnen können, sei nicht allein entscheidungserheblich. Soweit die Klägerin zu 2) ausgeführt habe, dass sie entsprechende Aufträge nur angenommen habe, wenn der Kläger zu 1) zur Ausführung bereit gewesen sei, könnten solche Gestaltungen auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung vorkommen, wenn etwa ein besonders spezialisierter Arbeitnehmer bestimmte Arbeiten im Betrieb erbringe. Die Bezahlung nach Stückpreisen sei vergleichbar in Form des Akkordlohns bei abhängigen Beschäftigungen möglich. Dass die Kläger eine selbstständige Tätigkeit des Klägers zu 1) anstrebten, sei letztlich darin begründet, dass dieser bereits einen Vollzeitarbeitsplatz innehabe und über den zuvor ausgeübten Minijob habe Arbeiten erbringen wollen. Die hier gewählte Form der Erbringung von Schweißarbeiten im Betrieb der Klägerin zu 2) beruhe nach den Angaben der Kläger im Erörterungstermin darauf, dass die Auftraggeber nur mit einem Auftragnehmer abrechnen wollten und der Kläger zu 1) keinen zertifizierten Betrieb für entsprechende Schweißarbeiten habe. Gerade dies sei ein wesentliches Kriterium, da Kennzeichen für eine selbstständige Tätigkeit als Schweißer das Vorliegen einer entsprechenden Zertifizierung sei.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 25. bzw 26.07.2016 zugestellte Urteil haben die Kläger am 05.08.2016 Berufung eingelegt.
Der Kläger zu 1) trägt vor, er sei mit einem Unternehmerrisiko belastet, denn er habe entsprechende Gerätschaften selbst besorgt und müsse im Bedarfsfall auch auf eigene Kosten für Ersatz sorgen. Ferner sei er mit dem Risiko behaftet, von der Klägerin zu 2) künftig keine Aufträge mehr zu erhalten. Außerdem trage er das Risiko eines Forderungsausfalls gegenüber der Klägerin zu 2). Sehr wesentlich sei die Möglichkeit des Klägers zu 1), Aufträge abzulehnen. Der Kläger zu 1) habe zwar keine Zertifizierung, es sei ihm jedoch nicht untersagt, Schweißarbeiten zu erbringen. Solche Aufträge seien jedoch nur von "kleinen" Auftraggebern zu erwarten, während "größere" Auftraggeber lediglich zertifizierte Betriebe beauftragten. Dies sei jedoch erst eine Entwicklung aus neuerer Zeit, während die Zusammenarbeit zwischen den Klägern schon viele Jahre andauere. Für den Kläger zu 1) sei die vorliegende Vertragsgestaltung daher wirtschaftlich sinnvoll. Der Kläger zu 1) habe versucht, andere Auftraggeber zu gewinnen. Bei den Firmen, an die er sich gewandt habe, sei er schon wegen sprachlicher Einschränkungen nicht gut angekommen. Er habe sich daher an die Klägerin zu 2) gewandt, von der er seither regelmäßig Aufträge erhalte. Bei der Preisfindung werde in Ansatz gebracht, dass die Klägerin zu 2) Material, Energie und Räumlichkeiten stelle. Eine Zusammenarbeit zwischen dem Kläger zu 1) und Mitarbeitern der Klägerin zu 2) finde nicht statt, er sei auch komplett abgekoppelt von Pausen, die im Betrieb durchgeführt würden. Eine freiwillige Versicherung bei der für den Kläger zuständigen Berufsgenossenschaft bestehe nicht.
Die Klägerin zu 2) führt aus, der Kläger zu 1) könne frei entscheiden, ob er einen Auftrag annehme, er kalkuliere seine Preise. Hierbei werde ein Nutzungsentgelt für Gas, Strom, Werkbank abgezogen. Die Aufträge umfassten Stückzahlen von 5 bis 200. Die zu schweißenden Teile hätten im Durchschnitt eine Größe von 150 – 300 mm im Quadrat, die Teile wögen zu 90% weniger als 1 kg. Aufgabe des Klägers sei es, eine Platte oder einen Stift anzuschweißen, bei aufwändigeren Teilen seien 2-3 Teile anzuschweißen. Hinsichtlich der konkreten Zeiten der Auftragserbringung sei der Kläger zu 1) frei, er könne die Betriebsräume wegen der automatischen Verriegelung auch noch nach Ende der Betriebszeiten verlassen. Die Klägerin zu 2) prüfe die Ausführung stichprobenartig, Mängel seien durch den Kläger zu 1) zu beheben. Das SG lasse in seinem Urteil die erforderliche Gesamtschau und Abwägung vermissen. Eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin zu 2) liege nicht vor. Innerhalb der Betriebszeiten könne der Kläger jederzeit ohne Anmeldung in den Räumen der Klägerin zu 2) tätig werden; außerhalb dieser Zeiten könne er sich den Schlüssel bei dem Geschäftsführer der Klägerin zu 2) holen, der direkt neben dem Betriebsgelände wohne. Die Tätigkeit werde weisungsfrei ausgeübt. Es bestehe ein Unternehmerrisiko des Klägers zu 1), er habe Geräte und die Sicherheitskleidung auf eigene Kosten angeschafft und müsse für die Mangelhaftigkeit des Werks einstehen. Die mündliche Vereinbarung zwischen den Klägern weise hauptsächlich werkvertragliche Elemente auf, wesentlich sei der Erfolg der Herstellung. Es bestehe keine Vereinbarung hinsichtlich Entgeltfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21.06.2016 und die Bescheide der Beklagten vom 12.01.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.07.2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als Schweißer für die Klägerin zu 2) ab 01.01.2009 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und keine Versicherungspflicht zur Sozialversicherung besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Gegen den Geschäftsführer der Klägerin zu 2), B. D., ist mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgericht (AG) H. vom 01.12.2016 (3 Ds ...) wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 151 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verhängt worden, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Akten des Hauptzollamts U. (SV ...) und des AG H. (22 Js ...) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger hat Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Kläger sind statthaft und damit zulässig und in der Sache auch begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 12.01.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.07.2015 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass der Kläger zu 1) seine Tätigkeit als Schweißer bei der Klägerin zu 2) ab 01.01.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, ab 01.01.2011 nur noch in der Rentenversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht unterliegt. Das klageabweisende Urteil des SG kann daher keinen Bestand haben.
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Abs 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I S 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/185 S 6).
Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung haben die Kläger am 15.04.2014 bzw 02.05.2014 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen im streitgegenständlichen Zeitraum ab 01.01.2009 in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)). Ab 01.01.2011 hat die Beklagte aufgrund der Änderung des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V keine Versicherungspflicht mehr in der Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt, so dass der Senat hierüber auch nicht zu befinden hat. Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Klägerin zu 2) ausgeübt hat und daher nicht der Versicherungspflicht unterliegt.
Aufgrund der insoweit übereinstimmenden Angaben der Kläger im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren geht der Senat davon aus, dass der Kläger zu 1) aufgrund mündlicher Vereinbarung für die Klägerin zu 2) in deren Betriebsstätte Schweißarbeiten durchführt, die nach einem vorab vereinbarten Stückpreis entlohnt werden, worüber der Kläger zu 1) monatliche Rechnungen stellt. Die Schweißarbeiten werden für Kunden der Klägerin zu 2) an von den Kunden gelieferten Teilen ausgeführt. Nach den glaubhaften Angaben der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat findet bei jeder neuen Art von Teilen eine Vereinbarung zwischen den Klägern darüber statt, ob der Kläger zu 1) diese fertigen will und zu welchem Preis. Die Klägerin zu 2) gibt dann wiederum ein konkretes Angebot an ihre Kunden ab, wonach sich entscheidet, ob der Auftrag erteilt wird oder nicht. Die zwischen den Klägern vereinbarten Preise sind auch für Folgeaufträge gültig bis etwas anderes vereinbart wird. Bei fehlerhaften Arbeiten muss der Kläger zu 1) die Teile nachbearbeiten. Vorgegeben ist lediglich eine Fertigungsfrist, nicht jedoch bestimmte Zeiten, zu denen der Kläger zu 1) tätig werden muss. Er fährt – sowie ihm im Rahmen seiner Haupttätigkeit im Schichtbetrieb Zeit bleibt – mehrmals pro Woche bei der Klägerin zu 2) vorbei und schweißt dort für ihn bereitstehende Teile, denen eine Zeichnung (die dem Kläger zu 1) bereits für seine Angebotskalkulation vorlag) bzw ein schriftlicher Auftrag des Kunden beigefügt ist, zusammen. Dem Kläger zu 1) wird von der Klägerin zu 2) ein Arbeitsplatz sowie die erforderliche Energieversorgung (Strom, Gas) zur Verfügung gestellt. Hierfür ist nach den schriftlichen Angaben der Kläger ein Anteil in dem vereinbarten Endpreis enthalten. Nach näherer Erläuterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bezieht die Klägerin zu 2) alle zwei Wochen Gaslieferungen. Der Geschäftsführer der Klägerin zu 2) sieht die insoweit nicht ins Gewicht fallenden Energiekosten für die Schweißarbeiten als mit dem Aufschlag abgedeckt, zu dem er die Schweißarbeiten seinen Kunden anbietet. Der Kläger zu 1) verwendet sein eigenes Schweißgerät und eigene Arbeitskleidung. Im streitgegenständlichen Zeitraum war der Kläger zu 1) als Schweißer zunächst nur für die Klägerin zu 2) tätig und hatte keine weiteren Auftraggeber; seit ca 3-4 Jahren hat er weitere Auftraggeber, 90% seiner Aufträge erhält er jedoch von der Klägerin zu 2). Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers zu 1) sowie der Auswertung der vorliegenden Rechnungen (vgl Blatt 120 Ordner V der Ermittlungsakte EV ...). Er erbringt die Leistung höchstpersönlich und setzt keine Dritten ein.
Eine Eingliederung des Klägers zu 1) in die betrieblichen Abläufe der Klägerin zu 2) liegt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht vor. Es gibt keinerlei Weisungen in zeitlicher Hinsicht, der Kläger zu 1) kann völlig frei entscheiden, zu welchen Zeiten er die Arbeiten ausführt. Vereinbart ist lediglich ein Fertigstellungstermin, idR mit einer Frist zwischen zwei und sechs Wochen. Geschuldet ist allein die ordnungsgemäße Fertigung der Werkstücke. Zu den Öffnungszeiten des Betriebs kann der Kläger zu 1) jederzeit und ohne Anmeldung kommen, außerhalb kann er sich beim Geschäftsführer der Klägerin zu 2) einen Schlüssel holen. Nach den Angaben des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat arbeitet er idR, wenn er tätig wird, zwei bis drei Stunden am Stück, manchmal an zwei bis fünf Tagen pro Woche, manche Woche auch gar nicht. Eine Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Klägerin zu 2) findet nicht statt; keiner der angestellten Beschäftigten führt Schweißarbeiten aus. Der Kläger zu 1) ist insoweit auch nicht in einen Produktionsprozess eingebunden, denn die von ihm geschweißten Teile werden nicht von der Klägerin zu 2) weiterverarbeitet, sondern unmittelbar an deren Kunden ausgeliefert. Auch sonst sind Weisungen zu Art und Ausführung der Tätigkeit nicht festzustellen, auch nicht hinsichtlich des Arbeitsorts. Die Kläger haben insoweit übereinstimmend vorgetragen, dass es praktischer und wirtschaftlicher ist, wenn die Schweißarbeiten im Betrieb der Klägerin zu 2), der am Arbeitsweg des Klägers zu 1) zur Firma B. liegt, ausgeführt werden. Dem Kläger zu 1) steht es aber auch frei, die Teile in seiner eigenen Werkstatt zu Hause zu bearbeiten. Dort führt er nach seinen glaubhaften Angaben auch entsprechende Vorarbeiten durch, etwa die Fertigung einer Lehre. Eine Endkontrolle durch den Geschäftsführer der Klägerin zu 2) erfolgt stichprobenartig. Dies ist hier jedoch im Rahmen der Prüfung zu sehen, ob das Werk vertragsgerecht hergestellt worden ist, es handelt sich nicht um eine Überwachung des Arbeitsprozesses. Die fehlende betriebliche Eingliederung ist ein starkes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.
Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Kläger zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmt. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (LSG Baden-Württemberg, B. v. 18. 7. 2013, L 11 R 1083/12 - juris). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Dieses Kriterium hat daher im vorliegenden Fall keine große Aussagekraft.
Für die vom Kläger zu 1) übernommene Tätigkeit des Schweißens war im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich ein Stückpreis vereinbart, der vom Kläger zu 1) entsprechend der Anzahl der gefertigten Teile monatlich in Rechnung gestellt wurde. Als der Kläger zu 1) die entsprechenden Schweißarbeiten noch im Rahmen eines Minijobs durchführte, war dagegen ein Stundenlohn iHv 12 EUR vereinbart gewesen. Die Art der Entlohnung entspricht einer werkvertraglichen Regelung. Nach den übereinstimmenden Angaben der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat würde sich bei Umrechnung auf den Zeitaufwand bei der jetzigen Stücklohnvergütung ein Stundenlohn von etwa 50 EUR ergeben. Zwar sind auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen in Form des Akkordlohns entsprechende Gestaltungen möglich, die deutlichen Unterschiede im Verdienst sprechen hier jedoch klar für eine selbstständige Tätigkeit.
Der Kläger zu 1) hatte auch ein für Selbständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko zu tragen. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (siehe dazu BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris; BSG 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 15). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann ein Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüber stehen (BSG aaO). Mit dem eigenen Schweißgerät und der Schutzausrüstung setzte der Kläger zu 1) eigene Betriebsmittel und insoweit Kapital ein, jedoch ist dies in eher bescheidenem Umfang erfolgt. Auch der bereits viele Jahre zurückliegende einmalige Schweißerlehrgang stellt keine erhebliche Investition dar. Ein unternehmerisches Risiko bestand jedoch insoweit, als der Kläger zu 1) bei fehlerhaften Lieferungen verpflichtet war, nachzubessern. Wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, kam es bislang in zwei Fällen zu Beanstandungen. In einem Fall konnte nachgebessert werden, im anderen Fall waren die Teile nicht mehr zu gebrauchen, der Kläger zu 1) musste Schadenersatz leisten. Die Gefahr eines Verlustes hinsichtlich des eigenen Arbeitseinsatzes besteht somit.
Die Gewerbeanmeldung sagt nichts darüber aus, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Sie ist allenfalls ein Hinweis auf eine gewollte Selbständigkeit, mit der Anmeldung ist jedoch keine Entscheidung über die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation verbunden. Gleiches gilt für die fehlende Vereinbarung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub.
Entgegen der Auffassung des SG sieht der Senat kein ausschlaggebendes Kriterium darin, dass der Kläger zu 1) als Schweißer nicht zertifiziert ist. Mit einer Zertifizierung nach DIN EN ISO 3834 soll gewährleistet werden, dass die geschweißten Produkte unter Einhaltung bestimmter qualitätssichernder Maßnahmen hergestellt und geprüft wurden. Von größeren Auftraggebern wird nach dem Vortrag der Kläger eine solche Zertifizierung seit einigen Jahren häufig verlangt. Sie ist jedoch nicht Voraussetzung, um Schweißarbeiten überhaupt ausführen zu dürfen. Von daher spricht eine vorhandene Zertifizierung für eine selbstständige Tätigkeit, eine fehlende Zertifizierung hat jedoch keine entsprechende Aussagekraft.
Im Rahmen der Gesamtabwägung ist auf der einen Seite insbesondere zu berücksichtigen die fehlende Eingliederung in die betrieblichen Abläufe der Klägerin zu 2) bei vorhandenem Unternehmerrisiko des Klägers zu 1), die vollkommen freie Einteilung der Arbeitszeit und die Entlohnung nach Werklohn. Demgegenüber wiegt die Ausübung der Tätigkeit am Betriebssitz der Klägerin zu 2) und damit in deren Herrschaftsbereich sowie die Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes und die Versorgung mit Energie weniger schwer. Insgesamt überwiegen damit diejenigen Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen deutlich gegenüber denjenigen, die auf eine abhängige Beschäftigung schließen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zu 1) bei der Klägerin zu 2) als Schweißer ab 01.01.2009 versicherungspflichtig beschäftigt ist.
Die Klägerin zu 2) betreibt in der Rechtsform der GmbH ein Unternehmen mit dem Gegenstand maschinelle Bearbeitung von Metallteilen aller Art, insbesondere Lohndrehen (Amtsgericht U., HRB ...). Der 1961 geborene Kläger zu 1) ist italienischer Staatsangehöriger und arbeitet im 3-Schichtbetrieb in Vollzeit bei der Firma B., M ... Er war zusätzlich zunächst im Rahmen eines Minijobs als Schweißer bei der Klägerin zu 2) tätig. Im März 2002 meldete er ein Gewerbe "Montage für Industrie" an. Aufgrund mündlicher Vereinbarung erbringt er Schweißarbeiten für die Klägerin zu 2), die nach Anzahl der gefertigten Teile abgerechnet werden.
Am 15.04.2014 stellte die Klägerin zu 2), am 02.05.2014 der Kläger zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Statusfeststellung. Die Klägerin zu 2) gab hierbei an, der Kläger zu 1) sei für sie als Subunternehmer tätig. Er erhalte Aufträge, die er in freier Zeiteinteilung während der Öffnungszeiten des Betriebs der Klägerin zu 2) zwischen 05:00 und 21:00 Uhr (Samstag bis 16:00 Uhr) dort weisungsungebunden erledige. Schutzkleidung und Schweißgerät bringe er mit, lediglich die Werkbank sowie die benötigte Energie (Strom, Gas) werde ihm zur Verfügung gestellt. Der Preis der jeweiligen Stücke werde vor Auftragserteilung verhandelt. Da die Aufträge mit einer Vorlaufzeit von drei bis sechs Wochen erledigt werden müssten, könnten Urlaubs- und Krankheitszeiten überbrückt werden. Die Teile würden nach Zeichnung bzw Abstimmung mit den Mitarbeitern der Klägerin zu 2) gefertigt. In den letzten Jahren habe der Kläger zu 1) als selbstständiger Subunternehmer bei der Klägerin zu 2) folgende Umsätze erwirtschaftet: 2009 – 15.580,38 EUR, 2010 – 15.988,77 EUR, 2011 – 17.924,71 EUR, 2012 – 16.110,29 EUR, 2013 – 19.960,73 EUR. Der Kläger zu 1) sei auch für weitere Auftraggeber tätig.
Vom Hauptzollamt U. wurde der Beklagten mitgeteilt, dass gegen den Geschäftsführer der Klägerin zu 2) ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt geführt werde im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers zu 1). Der Beklagten wurden hierzu Rechnungen des Klägers zu 1) an die Klägerin zu 2) vorgelegt sowie die Vernehmungsniederschrift des Klägers zu 1) vom 10.03.2014. Der Kläger zu 1) gab hierbei an, er sei früher für die Klägerin auf 400 EUR Basis angestellt gewesen. Als die Auftragslage darüber hinaus gegangen sei, habe er ein eigenes Gewerbe angemeldet, da er mehr Geld habe verdienen wollen. Er gebe den Preis vor, wenn dieser nicht akzeptiert werde, arbeite er nicht. Bisher sei man sich jedoch fast immer einig gewesen. Die Arbeiten führe er in der Firma der Klägerin zu 2) aus. Er erhalte einen schriftlichen Auftrag mit einer Zeichnung, die Werkstücke seien dort vorbereitet und er schweiße sie dann zusammen. Der Auftrag befinde sich bei den Werkstücken und bleibe bei der Klägerin zu 2). Bei Reklamationen (durch Hitze verbogene Teile) habe er auch schon Teile nachbearbeitet. Seit ca 3-4 Jahren arbeite er noch für die Firma C., vorher habe er nur für die Klägerin zu 2) gearbeitet. Das Auftragsvolumen liege zu ca 90% bei der Klägerin zu 2).
Mit Anhörung vom 26.11.2014 teilte die Beklagte mit, dass sie die Feststellung der Versicherungspflicht für eine abhängige Beschäftigung beabsichtige. Der Kläger zu 1) teilte hierauf mit, er entscheide selbst, welche Arbeiten angenommen werden und erhalte keine Weisungen von der Klägerin zu 2).
Mit Bescheid vom 12.01.2015 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als Schweißer für die Klägerin zu 2) ab 01.01.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und in allen Zweigen der Sozialversicherungspflicht unterliege; ab 01.01.2011 bestehe keine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien: Der Kläger zu 1) sei Erfüllungsgehilfe der vertraglichen Pflichten, welche die Klägerin zu 2) gegenüber ihren Kunden habe; der Kläger zu 1) erhalte Weisungen mit dem schriftlichen Auftrag und den vorgegebenen Zeichnungen; es erfolge eine Kontrolle durch Herrn D.; der Arbeitsort sei überwiegend die Betriebsstätte der Klägerin zu 2); Werkbank, Rohmaterial, Gas zum Schweißen und Energie werde von der Klägerin zu 2) zur Verfügung gestellt; Kapital in wesentlichem Umfang werde vom Kläger zu 1) nicht eingesetzt; die Arbeitszeit richte sich nach den Öffnungszeiten der Betriebsstätte; die Leistung werde persönlich erbracht, Hilfskräfte durch den Kläger zu 1) nicht eingesetzt; die Vergütung erfolge in Form eines Stücklohns. Für selbstständige Tätigkeit spreche: Der Kläger zu 1) setze auch eigene Werkzeuge ein und sei noch für weitere Auftraggeber tätig. In der Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Am 29.01.2015 bzw 05.02.2015 legten die Kläger jeweils Widerspruch ein, der von der Beklagten mit Widerspruchsbescheiden vom 08.07.2015 zurückgewiesen wurde.
Am 29.07.2015 hat der Kläger zu 1) – Az S 7 R 1985/15, am 03.08.2015 die Klägerin zu 2) – Az S 7 R 2081/15 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Mit Beschluss vom 05.11.2015 hat das SG die beiden Klagen verbunden.
Am 26.01.2016 hat das SG einen Erörterungstermin durchgeführt. Der Kläger zu 1) hat hierbei ausgeführt, er fahre etwa zwei- bis dreimal pro Woche bei der Klägerin zu 2) vorbei und schaue, ob Teile zum Schweißen da seien. Die Klägerin zu 2) hat mitgeteilt, es werde drei- bis fünfmal pro Jahr eine Absprache über eine neue Sorte von Teilen getroffen, bei der der Preis verhandelt und geklärt werde, ob der Kläger zu 1) diese Sorte machen wolle. Die Teile würden vom Endkunden geliefert und stünden bei der Klägerin zu 2) bereit; es gebe eine Lieferzeit von zwei bis sechs Wochen. Schweißarbeiten, wie sie der Kläger zu 1) erledige, würden sonst im Betrieb nicht durchgeführt. Wenn der Kläger zu 1) die Arbeit nicht machen wolle, werde der Auftrag nicht angenommen. In der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2016 hat der Kläger zu 1) weiter vorgetragen, er habe vor acht oder zehn Jahren eine Schulung für Schweißer absolviert und selbst bezahlt. Weitere Schulungen mache er in diesem Bereich nicht.
Mit Urteil vom 21.06.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Würdigung aller Umstände ergebe, dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handele. Der Kläger zu 1) erbringe die Tätigkeit in den Betriebsräumen der Klägerin zu 2). Die Investitionen für ein Schweißgerät, Arbeitskleidung und eine Schulung vor acht oder zehn Jahren begründeten kein erhebliches Unternehmerrisiko. Der Umstand, dass der Kläger zu 1) auch Aufträge der Klägerin zu 2) habe ablehnen können, sei nicht allein entscheidungserheblich. Soweit die Klägerin zu 2) ausgeführt habe, dass sie entsprechende Aufträge nur angenommen habe, wenn der Kläger zu 1) zur Ausführung bereit gewesen sei, könnten solche Gestaltungen auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung vorkommen, wenn etwa ein besonders spezialisierter Arbeitnehmer bestimmte Arbeiten im Betrieb erbringe. Die Bezahlung nach Stückpreisen sei vergleichbar in Form des Akkordlohns bei abhängigen Beschäftigungen möglich. Dass die Kläger eine selbstständige Tätigkeit des Klägers zu 1) anstrebten, sei letztlich darin begründet, dass dieser bereits einen Vollzeitarbeitsplatz innehabe und über den zuvor ausgeübten Minijob habe Arbeiten erbringen wollen. Die hier gewählte Form der Erbringung von Schweißarbeiten im Betrieb der Klägerin zu 2) beruhe nach den Angaben der Kläger im Erörterungstermin darauf, dass die Auftraggeber nur mit einem Auftragnehmer abrechnen wollten und der Kläger zu 1) keinen zertifizierten Betrieb für entsprechende Schweißarbeiten habe. Gerade dies sei ein wesentliches Kriterium, da Kennzeichen für eine selbstständige Tätigkeit als Schweißer das Vorliegen einer entsprechenden Zertifizierung sei.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 25. bzw 26.07.2016 zugestellte Urteil haben die Kläger am 05.08.2016 Berufung eingelegt.
Der Kläger zu 1) trägt vor, er sei mit einem Unternehmerrisiko belastet, denn er habe entsprechende Gerätschaften selbst besorgt und müsse im Bedarfsfall auch auf eigene Kosten für Ersatz sorgen. Ferner sei er mit dem Risiko behaftet, von der Klägerin zu 2) künftig keine Aufträge mehr zu erhalten. Außerdem trage er das Risiko eines Forderungsausfalls gegenüber der Klägerin zu 2). Sehr wesentlich sei die Möglichkeit des Klägers zu 1), Aufträge abzulehnen. Der Kläger zu 1) habe zwar keine Zertifizierung, es sei ihm jedoch nicht untersagt, Schweißarbeiten zu erbringen. Solche Aufträge seien jedoch nur von "kleinen" Auftraggebern zu erwarten, während "größere" Auftraggeber lediglich zertifizierte Betriebe beauftragten. Dies sei jedoch erst eine Entwicklung aus neuerer Zeit, während die Zusammenarbeit zwischen den Klägern schon viele Jahre andauere. Für den Kläger zu 1) sei die vorliegende Vertragsgestaltung daher wirtschaftlich sinnvoll. Der Kläger zu 1) habe versucht, andere Auftraggeber zu gewinnen. Bei den Firmen, an die er sich gewandt habe, sei er schon wegen sprachlicher Einschränkungen nicht gut angekommen. Er habe sich daher an die Klägerin zu 2) gewandt, von der er seither regelmäßig Aufträge erhalte. Bei der Preisfindung werde in Ansatz gebracht, dass die Klägerin zu 2) Material, Energie und Räumlichkeiten stelle. Eine Zusammenarbeit zwischen dem Kläger zu 1) und Mitarbeitern der Klägerin zu 2) finde nicht statt, er sei auch komplett abgekoppelt von Pausen, die im Betrieb durchgeführt würden. Eine freiwillige Versicherung bei der für den Kläger zuständigen Berufsgenossenschaft bestehe nicht.
Die Klägerin zu 2) führt aus, der Kläger zu 1) könne frei entscheiden, ob er einen Auftrag annehme, er kalkuliere seine Preise. Hierbei werde ein Nutzungsentgelt für Gas, Strom, Werkbank abgezogen. Die Aufträge umfassten Stückzahlen von 5 bis 200. Die zu schweißenden Teile hätten im Durchschnitt eine Größe von 150 – 300 mm im Quadrat, die Teile wögen zu 90% weniger als 1 kg. Aufgabe des Klägers sei es, eine Platte oder einen Stift anzuschweißen, bei aufwändigeren Teilen seien 2-3 Teile anzuschweißen. Hinsichtlich der konkreten Zeiten der Auftragserbringung sei der Kläger zu 1) frei, er könne die Betriebsräume wegen der automatischen Verriegelung auch noch nach Ende der Betriebszeiten verlassen. Die Klägerin zu 2) prüfe die Ausführung stichprobenartig, Mängel seien durch den Kläger zu 1) zu beheben. Das SG lasse in seinem Urteil die erforderliche Gesamtschau und Abwägung vermissen. Eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin zu 2) liege nicht vor. Innerhalb der Betriebszeiten könne der Kläger jederzeit ohne Anmeldung in den Räumen der Klägerin zu 2) tätig werden; außerhalb dieser Zeiten könne er sich den Schlüssel bei dem Geschäftsführer der Klägerin zu 2) holen, der direkt neben dem Betriebsgelände wohne. Die Tätigkeit werde weisungsfrei ausgeübt. Es bestehe ein Unternehmerrisiko des Klägers zu 1), er habe Geräte und die Sicherheitskleidung auf eigene Kosten angeschafft und müsse für die Mangelhaftigkeit des Werks einstehen. Die mündliche Vereinbarung zwischen den Klägern weise hauptsächlich werkvertragliche Elemente auf, wesentlich sei der Erfolg der Herstellung. Es bestehe keine Vereinbarung hinsichtlich Entgeltfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21.06.2016 und die Bescheide der Beklagten vom 12.01.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.07.2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als Schweißer für die Klägerin zu 2) ab 01.01.2009 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und keine Versicherungspflicht zur Sozialversicherung besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Gegen den Geschäftsführer der Klägerin zu 2), B. D., ist mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgericht (AG) H. vom 01.12.2016 (3 Ds ...) wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 151 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verhängt worden, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Akten des Hauptzollamts U. (SV ...) und des AG H. (22 Js ...) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger hat Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Kläger sind statthaft und damit zulässig und in der Sache auch begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 12.01.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.07.2015 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass der Kläger zu 1) seine Tätigkeit als Schweißer bei der Klägerin zu 2) ab 01.01.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, ab 01.01.2011 nur noch in der Rentenversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht unterliegt. Das klageabweisende Urteil des SG kann daher keinen Bestand haben.
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Abs 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I S 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/185 S 6).
Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung haben die Kläger am 15.04.2014 bzw 02.05.2014 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen im streitgegenständlichen Zeitraum ab 01.01.2009 in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)). Ab 01.01.2011 hat die Beklagte aufgrund der Änderung des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V keine Versicherungspflicht mehr in der Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt, so dass der Senat hierüber auch nicht zu befinden hat. Nach § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Klägerin zu 2) ausgeübt hat und daher nicht der Versicherungspflicht unterliegt.
Aufgrund der insoweit übereinstimmenden Angaben der Kläger im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren geht der Senat davon aus, dass der Kläger zu 1) aufgrund mündlicher Vereinbarung für die Klägerin zu 2) in deren Betriebsstätte Schweißarbeiten durchführt, die nach einem vorab vereinbarten Stückpreis entlohnt werden, worüber der Kläger zu 1) monatliche Rechnungen stellt. Die Schweißarbeiten werden für Kunden der Klägerin zu 2) an von den Kunden gelieferten Teilen ausgeführt. Nach den glaubhaften Angaben der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat findet bei jeder neuen Art von Teilen eine Vereinbarung zwischen den Klägern darüber statt, ob der Kläger zu 1) diese fertigen will und zu welchem Preis. Die Klägerin zu 2) gibt dann wiederum ein konkretes Angebot an ihre Kunden ab, wonach sich entscheidet, ob der Auftrag erteilt wird oder nicht. Die zwischen den Klägern vereinbarten Preise sind auch für Folgeaufträge gültig bis etwas anderes vereinbart wird. Bei fehlerhaften Arbeiten muss der Kläger zu 1) die Teile nachbearbeiten. Vorgegeben ist lediglich eine Fertigungsfrist, nicht jedoch bestimmte Zeiten, zu denen der Kläger zu 1) tätig werden muss. Er fährt – sowie ihm im Rahmen seiner Haupttätigkeit im Schichtbetrieb Zeit bleibt – mehrmals pro Woche bei der Klägerin zu 2) vorbei und schweißt dort für ihn bereitstehende Teile, denen eine Zeichnung (die dem Kläger zu 1) bereits für seine Angebotskalkulation vorlag) bzw ein schriftlicher Auftrag des Kunden beigefügt ist, zusammen. Dem Kläger zu 1) wird von der Klägerin zu 2) ein Arbeitsplatz sowie die erforderliche Energieversorgung (Strom, Gas) zur Verfügung gestellt. Hierfür ist nach den schriftlichen Angaben der Kläger ein Anteil in dem vereinbarten Endpreis enthalten. Nach näherer Erläuterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bezieht die Klägerin zu 2) alle zwei Wochen Gaslieferungen. Der Geschäftsführer der Klägerin zu 2) sieht die insoweit nicht ins Gewicht fallenden Energiekosten für die Schweißarbeiten als mit dem Aufschlag abgedeckt, zu dem er die Schweißarbeiten seinen Kunden anbietet. Der Kläger zu 1) verwendet sein eigenes Schweißgerät und eigene Arbeitskleidung. Im streitgegenständlichen Zeitraum war der Kläger zu 1) als Schweißer zunächst nur für die Klägerin zu 2) tätig und hatte keine weiteren Auftraggeber; seit ca 3-4 Jahren hat er weitere Auftraggeber, 90% seiner Aufträge erhält er jedoch von der Klägerin zu 2). Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers zu 1) sowie der Auswertung der vorliegenden Rechnungen (vgl Blatt 120 Ordner V der Ermittlungsakte EV ...). Er erbringt die Leistung höchstpersönlich und setzt keine Dritten ein.
Eine Eingliederung des Klägers zu 1) in die betrieblichen Abläufe der Klägerin zu 2) liegt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht vor. Es gibt keinerlei Weisungen in zeitlicher Hinsicht, der Kläger zu 1) kann völlig frei entscheiden, zu welchen Zeiten er die Arbeiten ausführt. Vereinbart ist lediglich ein Fertigstellungstermin, idR mit einer Frist zwischen zwei und sechs Wochen. Geschuldet ist allein die ordnungsgemäße Fertigung der Werkstücke. Zu den Öffnungszeiten des Betriebs kann der Kläger zu 1) jederzeit und ohne Anmeldung kommen, außerhalb kann er sich beim Geschäftsführer der Klägerin zu 2) einen Schlüssel holen. Nach den Angaben des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat arbeitet er idR, wenn er tätig wird, zwei bis drei Stunden am Stück, manchmal an zwei bis fünf Tagen pro Woche, manche Woche auch gar nicht. Eine Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Klägerin zu 2) findet nicht statt; keiner der angestellten Beschäftigten führt Schweißarbeiten aus. Der Kläger zu 1) ist insoweit auch nicht in einen Produktionsprozess eingebunden, denn die von ihm geschweißten Teile werden nicht von der Klägerin zu 2) weiterverarbeitet, sondern unmittelbar an deren Kunden ausgeliefert. Auch sonst sind Weisungen zu Art und Ausführung der Tätigkeit nicht festzustellen, auch nicht hinsichtlich des Arbeitsorts. Die Kläger haben insoweit übereinstimmend vorgetragen, dass es praktischer und wirtschaftlicher ist, wenn die Schweißarbeiten im Betrieb der Klägerin zu 2), der am Arbeitsweg des Klägers zu 1) zur Firma B. liegt, ausgeführt werden. Dem Kläger zu 1) steht es aber auch frei, die Teile in seiner eigenen Werkstatt zu Hause zu bearbeiten. Dort führt er nach seinen glaubhaften Angaben auch entsprechende Vorarbeiten durch, etwa die Fertigung einer Lehre. Eine Endkontrolle durch den Geschäftsführer der Klägerin zu 2) erfolgt stichprobenartig. Dies ist hier jedoch im Rahmen der Prüfung zu sehen, ob das Werk vertragsgerecht hergestellt worden ist, es handelt sich nicht um eine Überwachung des Arbeitsprozesses. Die fehlende betriebliche Eingliederung ist ein starkes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.
Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Kläger zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmt. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (LSG Baden-Württemberg, B. v. 18. 7. 2013, L 11 R 1083/12 - juris). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Dieses Kriterium hat daher im vorliegenden Fall keine große Aussagekraft.
Für die vom Kläger zu 1) übernommene Tätigkeit des Schweißens war im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich ein Stückpreis vereinbart, der vom Kläger zu 1) entsprechend der Anzahl der gefertigten Teile monatlich in Rechnung gestellt wurde. Als der Kläger zu 1) die entsprechenden Schweißarbeiten noch im Rahmen eines Minijobs durchführte, war dagegen ein Stundenlohn iHv 12 EUR vereinbart gewesen. Die Art der Entlohnung entspricht einer werkvertraglichen Regelung. Nach den übereinstimmenden Angaben der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat würde sich bei Umrechnung auf den Zeitaufwand bei der jetzigen Stücklohnvergütung ein Stundenlohn von etwa 50 EUR ergeben. Zwar sind auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen in Form des Akkordlohns entsprechende Gestaltungen möglich, die deutlichen Unterschiede im Verdienst sprechen hier jedoch klar für eine selbstständige Tätigkeit.
Der Kläger zu 1) hatte auch ein für Selbständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko zu tragen. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (siehe dazu BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris; BSG 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 15). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann ein Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüber stehen (BSG aaO). Mit dem eigenen Schweißgerät und der Schutzausrüstung setzte der Kläger zu 1) eigene Betriebsmittel und insoweit Kapital ein, jedoch ist dies in eher bescheidenem Umfang erfolgt. Auch der bereits viele Jahre zurückliegende einmalige Schweißerlehrgang stellt keine erhebliche Investition dar. Ein unternehmerisches Risiko bestand jedoch insoweit, als der Kläger zu 1) bei fehlerhaften Lieferungen verpflichtet war, nachzubessern. Wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, kam es bislang in zwei Fällen zu Beanstandungen. In einem Fall konnte nachgebessert werden, im anderen Fall waren die Teile nicht mehr zu gebrauchen, der Kläger zu 1) musste Schadenersatz leisten. Die Gefahr eines Verlustes hinsichtlich des eigenen Arbeitseinsatzes besteht somit.
Die Gewerbeanmeldung sagt nichts darüber aus, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Sie ist allenfalls ein Hinweis auf eine gewollte Selbständigkeit, mit der Anmeldung ist jedoch keine Entscheidung über die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation verbunden. Gleiches gilt für die fehlende Vereinbarung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub.
Entgegen der Auffassung des SG sieht der Senat kein ausschlaggebendes Kriterium darin, dass der Kläger zu 1) als Schweißer nicht zertifiziert ist. Mit einer Zertifizierung nach DIN EN ISO 3834 soll gewährleistet werden, dass die geschweißten Produkte unter Einhaltung bestimmter qualitätssichernder Maßnahmen hergestellt und geprüft wurden. Von größeren Auftraggebern wird nach dem Vortrag der Kläger eine solche Zertifizierung seit einigen Jahren häufig verlangt. Sie ist jedoch nicht Voraussetzung, um Schweißarbeiten überhaupt ausführen zu dürfen. Von daher spricht eine vorhandene Zertifizierung für eine selbstständige Tätigkeit, eine fehlende Zertifizierung hat jedoch keine entsprechende Aussagekraft.
Im Rahmen der Gesamtabwägung ist auf der einen Seite insbesondere zu berücksichtigen die fehlende Eingliederung in die betrieblichen Abläufe der Klägerin zu 2) bei vorhandenem Unternehmerrisiko des Klägers zu 1), die vollkommen freie Einteilung der Arbeitszeit und die Entlohnung nach Werklohn. Demgegenüber wiegt die Ausübung der Tätigkeit am Betriebssitz der Klägerin zu 2) und damit in deren Herrschaftsbereich sowie die Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes und die Versorgung mit Energie weniger schwer. Insgesamt überwiegen damit diejenigen Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen deutlich gegenüber denjenigen, die auf eine abhängige Beschäftigung schließen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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