L 2 R 4019/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2559/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 4019/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. September 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) gegen die von der Beklagten geltend gemachte Erstattung von Rentenleistungen in Höhe von 11.133,45 EUR.

Die Klägerin wurde am 24. Oktober 1937 in B./Ungarn geboren. Auf ihren Rentenantrag vom 10. August 2000 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten - die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - mit Bescheid vom 2. Januar 2001 der Klägerin Altersrente für Frauen ab dem 1. Januar 2001 bewilligt. Der Bescheid hatte den Hinweis enthalten, dass bestimmte Sozialleistungen, die neben der Rente gezahlt würden, Einfluss auf die Rentenhöhe haben könnten. Daher bestehe die gesetzliche Verpflichtung, den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung folgender Leistungen unverzüglich mitzuteilen: Rente an Versicherte aus der gesetzlichen Unfallversicherung, Abfindung einer Rente an Versicherte oder Heimpflege anstelle einer Rente an Versicherte aus der gesetzlichen Unfallversicherung, Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung, Leistungen nach § 10 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes, andere Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie vorstehende Leistungen, wenn sie von Trägern im Ausland erbracht werden (Seite 4 des Bescheides).

Im Mai 2011 erhielt die Beklagte erstmals Kenntnis davon, dass die Klägerin auch eine Rente vom ungarischen Versicherungsträger erhält. Nach dem der Beklagten mit Schreiben vom 11. Januar 2012 vom ungarischen Versicherungsträger die konkreten Zahlbeträge hinsichtlich der an die Klägerin jeweils gezahlten ungarischen Rente übermittelt worden waren, berechnete die Beklagte - nach vorheriger Anhörung mit Schreiben vom 30. April 2012 - die Rente der Klägerin mit Bescheid vom 20. Juli 2012 neu. Darin wurde der Rentenbescheid vom 2. Januar 2001 hinsichtlich der Rentenhöhe rückwirkend mit Wirkung ab 1. Januar 2001 zurückgenommen. Die ab 1. Januar 2001 bis 31. August 2012 entstandene Überzahlung in Höhe von 11.133,45 EUR sei von der Klägerin zu erstatten. Auf Grund der vom ungarischen Versicherungsträger übermittelten Zahlbeträge der ungarischen Rente der Klägerin seien diese ab dem 1. Januar 2001 nach § 31 Fremdrentengesetz (FRG) auf die deutsche Rente anzurechnen. Die Anrechnung erfolge zu 97,89 %, da nicht alle ungarischen Zeiten deckungsgleich mit deutschen Zeiten belegt seien. Die Klägerin könne sich auf Vertrauen in den Bestand des ursprünglichen Bescheides nicht berufen, weil sie auf Grund der von der Beklagten gegebenen Informationen die Fehlerhaftigkeit des Bescheides hätte erkennen müssen. Auch im Wege des Ermessens halte die Beklagte die Bescheidrücknahme für gerechtfertigt, weil an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ein überwiegendes Interesse bestehe und das Vertrauen in den Bestand des Bescheides nicht schutzwürdig sei und ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) vorliege und die Klägerin sich nicht auf den Bestand des Bescheides berufen könne. Mit Bescheid vom 21. März 2013 stellte die Beklagte fest, dass nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse die Voraussetzungen für eine Stundung nicht bestünden und setzte mit weiterem Bescheid vom 21. März 2013 eine Aufrechnung der Forderung in Höhe von monatlich 250 EUR gegenüber der Altersrente der Klägerin in Höhe von 1.430,37 EUR fest. Ausweislich der Bedarfsbescheinigung des Sozialamtes Freiburg vom 27. Februar 2013 habe die Klägerin einen Bedarf i.H.v. 1.298,05 EUR. Dem stehe einmonatliches Gesamteinkommen i.H.v. 1.603,30 EUR gegenüber, damit bestehe ein Einkommensüberhang i.H.v. 305,25 EUR, der zur Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I herangezogen werden könne. Die Aufrechnung beginne am 1. Mai 2013. Mit Bescheid vom 3. Juli 2013 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin des Weiteren auch für die Zeit ab 1. Januar 2012 neu, danach ergebe sich für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. Juli 2013 eine Überzahlung von 90,38 EUR, die von der Klägerin zu erstatten sei. Die Bescheide wurden alle bestandskräftig.

Am 28. Mai 2014 wandte sich die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, an die Beklagte und beantragte die Überprüfung des Rentenbescheides vom 20. Juli 2012, des Bescheides über die Aufrechnung vom 21. März 2013 sowie des Rentenbescheides vom 3. Juli 2013.

Mit Bescheid vom 26. November 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2015 zurückgewiesen, die von der Klägerin zur Überprüfung gestellten Bescheide seien nicht zu beanstanden.

Hiergegen hat die Klägerin am 5. Juni 2015 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben. Zur Begründung hat der Klägerbevollmächtigte geltend gemacht, der Aufhebungsbescheid sei rechtswidrig, weil er das schutzwürdige Vertrauen der Klägerin nicht berücksichtige. Der Bescheid sei auch ermessenfehlerhaft, zum Ermessen bei der Rücknahme des Bescheides würden sich nur formelhafte, blocksatzartige Ausführungen finden, die nicht geeignet seien, eine Ermessenausübung darzulegen. Es sei auch unverständlich, dass ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 ZPO vorliegen solle.

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat ausgeführt, dass sie ihre Entscheidungen für rechtsfehlerfrei halte. Soweit geltend gemacht werde, der Bescheid sei fehlerhaft, weil die Beklagte sich auf § 580 ZPO berufe, weise sie darauf hin, dass § 580 ZPO nicht das einzige Argument gewesen sei. Es sei auch auf das nicht bestehende bzw. nicht schützenswerte Vertrauen hingewiesen worden. Entfalle nur ein Grund für die Rücknahme, verblieben gleichwohl die weiteren benannten Gründe, die eine Rücknahme und Rückforderung weiterhin rechtfertigten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 9. September 2016 zurückgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass der Bescheid vom 26. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 rechtmäßig sei. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung der Bescheide vom 20. Juli 2012, 21. März 2013 sowie 3. Juli 2013. Das SG nahm im Weiteren Bezug auf die Begründungen des Bescheides vom 26. November 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 und verwies ergänzend noch darauf, dass die Beklagte im Ergebnis das ihr eingeräumte Ermessen in § 45 Abs. 2 SGB X unter Beachtung von § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten habe. So habe die Beklagte die hier erheblichen Gesichtspunkte in der gebotenen Weise berücksichtigt und miteinander abgewogen. Dabei habe sie mehrere Gesichtspunkte, die für eine Bescheidrücknahme sprechen würden, aufgeführt. Der Hinweis auf § 580 ZPO sei zwar sachlich nicht zutreffend. Stütze die Behörde ihre Ermessensentscheidung aber auf mehrere Gründe, von denen nur einige ermessensgerecht seien (Fall des Motivbündels) komme es für die Frage, ob die Entscheidung insgesamt ermessensgerecht sei, auf folgendes an: Die Ermessensentscheidung sei dann insgesamt rechtmäßig, wenn die Entscheidung nach dem Willen der Behörde jeweils bereits durch einen der herangezogenen Gründe getragen werden solle (die Entscheidung also "zur Sicherheit" auf mehrere Erwägungen gestützt werde). Insgesamt ermessenfehlerhaft sei die Entscheidung, wenn die Behörde deutlich mache, dass nur die einzelnen Gründe in ihrer Summe sie zu ihrer Entscheidung veranlasst hätten (mit Hinweis auf umfangreiche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Hier habe die Beklagte nicht nur auf § 580 ZPO verwiesen, sondern auch auf das überwiegende öffentliche Interesse an der Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes und die fehlende Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Klägerin. Vor diesem Hintergrund habe die von der Beklagten unzutreffend angenommene Verwirklichung des § 580 ZPO nur einen Gesichtspunkt unter anderen dargestellt. Es sei nicht ersichtlich, dass nur die Gründe in ihrer Summe für eine Bescheidrücknahme nach § 45 Abs. 2 SGB X hätten sprechen sollen.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 6. Oktober 2016 zugestellte Urteil am 6. Oktober 2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte geltend, zunächst habe das SG Sachvortrag übergangen. So habe die Klägerseite in Schriftsätzen vom 15. April 2016, 20. Januar 2016 und in der Klagebegründung vom 18. September 2015 sich bereits auf Verfristung berufen. Dieser Sachvortrag sei vom SG komplett übergangen worden. Hierzu äußere sich das SG mit keinem Wort. Des Weiteren setze sich das SG zwar mit der Möglichkeit eines Ermessensfehler auseinander und habe insoweit in der mündlichen Verhandlung auch Zweifel an der Richtigkeit der Ermessensausübung geäußert, komme jedoch rechtsirrig zum Ergebnis, dass die Ermessensausübung (noch) korrekt sei. Dies sei unzutreffend. Es liege entgegen der Auffassung des SG gerade kein Motivbündel vor. Ermessensleitend sei vielmehr die Berufung auf einen Restitutionsgrund gemäß § 580 ZPO. Alle Beteiligten seien indes in der mündlichen Verhandlung nunmehr davon ausgegangen, dass ein solcher nicht vorliege und der Prozessvertreter der Beklagten habe keine Erklärung gehabt, wie dieser "Blocksatz" in den Bescheid habe gelangen können. Da ein Restitutionsgrund aber nur gegeben sei, wenn hohe Voraussetzungen vorliegen würden, habe die Beklagte sich offenbar verpflichtet gefühlt zu Ungunsten der Klägerin zu entscheiden, folglich gar kein Ermessen ausgeübt. Hinzu komme, dass die auf die Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung von der Beklagtenseite mühselig bemühten anderen Ermessensgründe, die auch das Gericht schlussendlich akzeptiert habe, nämlich das überwiegende öffentliche Interesse an der Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes und das angeblich fehlende schutzwürdige Vertrauen der Klägerin, letztlich gar keine Ermessenserwägungen seien, sondern schon zum Tatbestand gehörten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. September 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Bescheide vom 20. Juli 2012, 21. März 2013 und 3. Juli 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend führt die Beklagte aus, die Argumentation des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 29. November 2016 sei bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens bekannt gewesen und berücksichtigt worden, dies gelte insbesondere für die Ausführungen hinsichtlich des § 580 ZPO. Außerdem sei bereits im Bescheid vom 20. Juli 2012 das Ermessen zutreffend ausgeübt worden. Mit Anhörungsschreiben vom 30. April 2012 sei die Klägerin aufgefordert worden, alle Gründe vorzutragen, die der beabsichtigten Bescheidrücknahme entgegen stehen könnten. Sie sei hierbei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass besonders ein möglicher Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit, der Bezug von Grundsicherung oder entgangene und nicht mehr nachträglich zu leistende Sozialleistungen bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen wären. Die Klägerin habe die ihr gewährte Frist zur Stellungnahme allerdings ohne Reaktion verstreichen lassen. Bei der Erteilung des Rücknahmebescheides habe daher nur nach Aktenlage entschieden werden können. Dabei hätten sich aus der Akte keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Rücknahme für die Klägerin eine unzumutbare Härte darstellen könnte. Da die Klägerin selbst ebenfalls keine entgegen stehenden Gründe vorgetragen habe, hätten bei der Ermessensausübung auch nicht die persönlichen Verhältnisse der Klägerin im Einzelnen berücksichtigt und hierzu nähere Ausführungen gemacht werden können. Im weiteren Verlauf habe die Klägerin zwar ihre wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt und die Ansicht vertreten, sie könne die aufgelaufenen Forderungen nicht begleichen, bei näherer Prüfung hätten sich jedoch keine Hinweise darauf ergeben, dass die Rückforderung des überzahlten Betrages zur Sozialhilfebedürftigkeit führen oder für sie eine unzumutbare Härte darstellen könnten. Auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin nachträglich dargelegten wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse war die Rücknahme des Rentenbescheides nicht ermessensfehlerhaft.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 8. Februar 2017 darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestehe, dass der Senat die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweise, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Den Beteiligten war Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Äußerung erfolgte von Seiten der Beteiligten nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten (2 Bände) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 GG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Zutreffend hat das SG entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Aufhebung der Bescheide vom 20. Juli 2012, 21. März 2013 sowie 3. Juli 2013 hat. Der Bescheid vom 26. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für das von der Klägerin initiierte Überprüfungsverfahren der oben genannten Bescheide vom 20. Juli 2012, 21. März 2013 und 3. Juli 2013 ist § 44 SGB X. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Im Übrigen ist gemäß § 44 Abs. 2 SGG X ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X).

Die Bescheide vom 20. Juli 2012, 21. März 2013 und 3. Juli 2013, betreffend die (teilweise) rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Rente und Rückforderung überzahlter Leistungen, sind jedoch rechtmäßig. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist § 45 SGB X. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit

1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen (Satz 2). Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder Nr. 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde (Satz 3). In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde (§ 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X). Nur in den Fällen von Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

Die Beklagte hatte der Klägerin auf ihren Antrag vom 10. August 2000 mit Bescheid vom 2. Januar 2001 ab dem 1. Januar 2001 Altersrente für Frauen bewilligt. Diese Bewilligung war jedoch von Anfang an rechtswidrig. Denn wie der Auskunft des ungarischen Versicherungsträgers vom 11. Januar 2012 (Bl. 33 ff Verwaltungsakte - VA -) zu entnehmen ist bezog die Klägerin bereits seit dem 01. Juni 1996 vom ungarischen Rentenversicherungsträger eine Altersrente. Die Klägerin kann sich auch nicht gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 auf Vertrauen berufen, da sie die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Denn die Klägerin war im Bewilligungsbescheid vom 2. Januar 2001 auf Seite 4 ausdrücklich darauf hingewiesen und aufgefordert worden, unter anderem den Bezug anderer Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und zwar auch wenn sie von einem Träger im Ausland erbracht werden, unverzüglich mitzuteilen. Wenn die Klägerin nicht schon bei ihrer Antragstellung auf Grund entsprechender Fragen im Antragsformular die mögliche Bedeutung der ungarischen Rente hinsichtlich ihre Altersrente vom deutschen Rentenversicherungsträger hätte erkennen können, hätte sie jedenfalls spätestens bei Studium des Bewilligungsbescheides vom 2. Januar 2001 bei gehöriger Sorgfalt ohne Weiteres erkennen können, dass sie ihre ungarische Rente der Beklagten mitzuteilen hat. Die Beklagte hat im Weiteren das ihr damit eingeräumte Ermessen in § 45 Abs. 2 SGB X auch in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Insoweit wird auf die Ausführungen des SG im Urteil Seite 5 bis Seite 7 gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. Nur ergänzend ist noch hinsichtlich der Einwendungen des Klägerbevollmächtigten darauf hinzuweisen, dass in der Tat nachdem die Klägerin im Rahmen der Anhörung überhaupt keine Angaben gegenüber der Beklagten gemacht hatte diese selbstverständlich auch nur nach Aktenlage entscheiden konnte und es in keiner Weise zu beanstanden ist, wenn sie im Rahmen der Ausübung des Ermessens das öffentliche Interesse an der Rückforderung überzahlter Leistungen dem auf der anderen Seite nicht schutzwürdigen Vertrauen der Klägerin und im Hinblick darauf, dass auch keine weiteren besonderen Umstände, die einen Härtefall begründen könnten, dargetan wurden bzw. im Widerspruchsverfahren nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse festzustellen war, das auch nach wie vor kein Härtefall begründet ist, gegenüberstellt und letztlich im Rahmen dessen eine Zahlungspflicht der Klägerin feststellt. Denn im Rahmen der Ermessensausübung dürfen sehr wohl insbesondere Umstände nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X, die nämlich ein schutzwürdiges Vertrauen ausschließen, berücksichtigt werden und stehen solche einem Absehen von der Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligung und dem Verzicht auf eine Rückforderung überzahlter Leistungen entgegen.

Im Übrigen war die Beklagte auch berechtigt mit dem Aufhebungsbescheid vom 20. Juli 2012 für die hier streitige Zeit ab dem 1. Januar 2001 rückwirkend die überzahlten Leistungen einzufordern. Da es sich um nach wie vor laufende Leistungen handelte, konnte auch wenn die Bekanntgabe des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 2. Januar 2001 schon über zehn Jahre zurücklag, dennoch der Bewilligungsbescheid vom 2. Januar 2001 für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 Satz 3 iVm Satz 4 SGB X). Darüber hinaus hat die Beklagte innerhalb der Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nach Kenntnis von dem Doppelbezug auf Grund der Auskunft des ungarischen Rentenversicherungsträgers und der jeweiligen konkreten Rentenhöhe im Januar 2012, der Anhörung der Klägerin im April 2012 im Juli 2012 die Bewilligung aufgehoben und die Überzahlung zurückgefordert.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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