Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 353/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 69/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 29. August 2014 geändert und die Klage vollständig abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Berufungsverfahren noch streitgegenständlich ist die Höhe des klägerischen Honorars für die vier Quartale IV/11 bis III/12.
Die Klägerin ist eine seit 1993 existierende Gemeinschaftspraxis mit Sitz in A-Stadt, die aus zwei Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie - dem Ehepaar A. - besteht. Sie betreibt seit dem Quartal III/10 ein Schlaflabor. Ab dem Quartal III/11 wurde die ärztliche Tätigkeit nach Umzug in größeren Praxisräumen ausgeübt.
Die Beklagte setzte in den streitbefangenen Quartalen das Honorar der Klägerin durch Honorarbescheide vom 2. April 2012, 19. September 2012, 28. September 2012 und 6. Januar 2013 fest. Die Klägerin legte gegen alle Bescheide Widerspruch ein.
Folgende Daten ergeben sich, unter weiterer Einbeziehung erstinstanzlich noch streitigen Quartals III/11, im Einzelnen:
Quartal III/11 IV/11 I/12 II/12 III/12
Honorarbescheid vom 12.01.2012 02.04.2012 19.09.2012 28.09.2012 06.01.2013
Widerspruch eingelegt am 15.03.2012 30.05.2012 08.11.2012 20.11.2012 03.03.2013
Anzahl Praxen/Ärzte 140/180,96 137/179,25 136/179,25 137/179,89
Nettohonorar gesamt in EUR 81.756,61 81.936,38 79.957,84 83.429,36 81.653,43
Bruttohonorar PK + EK in EUR 83.095,78 82.597,49 80.734,10 84.980,70 83.185,92
Fallzahl PK + EK 1.116 1.163 1.266 1.198 1.230
Honoraranteile PK + EK
Regelleistungsvolumen in EUR 65.018,07 63.887,03 61.404,31 67.920,93 66.977,69
Qualifikationsgebundene Zusatzvolumina 10.232,48 10.273,50 9.532,96 10.879,45 11.792,40
Quotiertes Regelleistungsvolumen/QZV in EUR 4.0348,38 4.654,89 4.650,34 4.755,27 5.168,59
Freie Leistungen 0,00 0.00 0,00 0,00 0,00
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (MGV) 2.899,51 2.844,32 3.008,42 2.493,11 3.054,62
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (AMG) 897,34 937,75 2.138,07 1.577,44 581,62
Regelleistungsvolumen
Obergrenze in EUR 63.438,81 67.265,62 62.195,63 67.340,33 60.147,15
Angefordert in EUR 94.219,02 98.304,25 109.416,76 102.590,97 107.635,16
Überschreitung in EUR 30.780,21 31.038,63 47.221,13 35.250,64 47.488,01
Unter-/Überschreitung QZV in EUR + 142, 45 + 6.732,21 + 4.426,30 - 1.320,65 - 2.582,81
Dr. C. A.
Obergrenze in EUR 42.877,83 44.726,87 41.135,39 42.863,12 38.379,63
Angefordert in EUR 62.995,15 69.165,50 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Überschreitung in EUR 20.117,32 24.438,63 34.998,77 29.020,41 35.289,64
Unter-/Überschreitung QZV in EUR
D. A.
Obergrenze in EUR 20.590,98 22.538,75 41.135,39 24.477,21 21.767,52
Angefordert in EUR 31.223,87 29.138,75 76.134,16 30.707.44 33.965,89
Überschreitung in EUR 10.632,89 6.600 34.998,77 6.273,79 12.198,37
Unter-/Überschreitung QZV in EUR
Nr. 30900 Kardioresp. Polygraphie, 58,53 EUR
Anzahl der Leistungen 59 65 70 57 75
Wert der Leistungen 3.442,65 3.792,75 4.084,50 3.325,95 4.376,25
Anzahl Praxen 4 4 6 4 6
Nr. 30901 Kardioresp. Polysomnographie, 313,68 EUR
Anzahl der Leistungen 36 39 46 46 49
Wert der Leistungen 11.292,48 12.233,52 14.429,28 14.429,28 15.370,32
Anzahl Praxen 2 2 4 2 4
1. Verfahren betreffend die Quartale III/11 bis I/12
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 17. Oktober und 12. Dezember 2011 an die Beklagte und trug vor, die RLV-Mitteilungen für die Quartale III/11 bis I/12 sähen kein qualifikationsbezogenes Zusatzvolumen (QZV) oder sonstiges Volumen für die Abrechnungsziffer 30901 vor. Die Polysomnographie sei aber eine sehr kostenaufwendige Untersuchung, die durch ein Regelleistungsvolumen von ca. 50,00 Euro nicht kostendeckend erbracht werden könne. Sie sehe einen besonderen Versorgungsauftrag, da es im Rhein-Main-Gebiet kaum neurologisch ausgerichtete Schlaflabore gebe.
Mit Bescheid vom 13. April 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Änderung des Regelleistungsvolumens bzw. der QZV für die Quartale III/11 bis I/12 ab. Eine Zuerkennung des QZV 52 GOP 30901 EBM sei für das Fachgebiet der Ärzte der Klägerin nicht vorgesehen. Bei einem Fallwert der Fachgruppe von 54,61 Euro, 54,02 Euro bzw. 53,12 Euro betrage der arztindividuelle Fallwert 63,40 Euro, 67,16 Euro bzw. 68,50 Euro und die Fallwertüberschreitung 16,0 %, 24,33 % bzw. 28,87 %. Für das Quartal III/11 liege der Fallwert unter der 20 %-Grenze, weshalb eine Erhöhung des RLV-Fallwerts nicht gerechtfertigt sei. Der Leistungsanteil für die kardiorespiratorische Polysomnographie nach Nr. 30901 EBM betrage im Quartal IV/11 und I/12 jeweils 1.254,72 Euro bzw. dies mache einen Leistungsanteil von 2,48 % bzw. 2,60 % aus. Damit lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht vor.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Mai 2012 Widerspruch ein. Sie trug vor, für das Quartal III/11 betrage die zusätzliche Honoraranforderung für 36 Polysomnographien ca. 11.000,00 Euro, so dass der Fallwert hierdurch um 24 % und nicht um 16,09 % überschritten worden sei. Herr Dr. A. betreibe seit dem Quartal III/10 ein Schlaflabor. Nur er verfüge über die Abrechnungsgenehmigung und erbringe die Leistung nach Nr. 30900 (kardiorespiratorische Polygraphie) und 30901 EBM (kardiorespiratorische Polysomnographie). Die Polysomnographie sei zum 1. April 2005 in den EBM aufgenommen worden und bis einschließlich Quartal IV/08 extrabudgetär mit festen Punktwerten vergütet worden. Seitdem unterfalle auch sie der Mengenbegrenzung. Nur für die Nr. 30900 EBM sei ein QZV vorgesehen. Ein QZV für Leistungen nach Nr. 30901 EBM sei nur anderen Fachgruppen zugewiesen, wofür es einen sachlichen Grund nicht gäbe. Es handele sich um eine arztgruppenübergreifende spezielle Gebührenordnungsposition, deren fachliche Voraussetzungen nicht an eine spezielle Facharztausbildung, sondern an die Erfüllung der Qualitätssicherungsvereinbarung geknüpft würden. Für eine Sonderregelung könne die Beklagte nicht einzelne Quartale isoliert betrachten. Es sei vielmehr ein Durchschnittswert für vier aufeinanderfolgende Quartale zu ermitteln. Für die ersten vier Quartale ab III/11 ergäbe sich bereits nach Berechnung der Beklagten eine Überschreitung des Fachgruppenwerts von 16,09 %, 24,33 %, 28,87 % und 60,20 %. Dies entspreche einer durchschnittlichen Überschreitung des Fallwerts von 32,32 %. Das Aufgreifkriterium von 20 % sei damit deutlich überschritten. Der tatsächliche Aufwand sei höher, da nur Herr Dr. A. diese Leistungen erbringe. Die Berechnung des arztindividuellen Fallwerts werde nicht erläutert. Für das Quartal III/11 sei dieser erheblich höher. Die Praxisbesonderheit müsse im aktuellen Quartal vorliegen. Hilfsweise weise sie für das Quartal III/11 auf Sicherstellungsgründe hin, denn sie sei die einzige Leistungserbringerin im E-Stadter Raum. Bei der Prüfung stelle die Beklagte offensichtlich auf das Vorjahresquartal ab. Sie habe die kardiorespiratorische Polysomnographie im Quartal IV/11 in 39 Fällen abgerechnet, dies ergebe ein Volumen von 12.233,52 Euro (39 x 313,68 Euro). Dies entspreche etwa 20 % des angeforderten Regelleistungsvolumens. Hinzu kämen die Leistungen nach Nr. 30900 EBM. Im Quartal IV/11 betrage das Abrechnungsvolumen 11.292,48 Euro und liege der Anteil ebenfalls über 20 %. Mit ihrer Spezialisierung verfüge sie über einen besonderen Versorgungsauftrag.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2013 wies die Beklagte, nach Verbindung der Verfahren, sowohl den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. April 2012 als auch die Widersprüche gegen die Honorarbescheide vom 12. Januar 2012, 2. April 2012 und 19. September 2012 (Quartale III/11 bis I/12) als unbegründet zurück. Es könne nicht ausnahmsweise auf ein anderes Quartal als das Vorjahresquartal als Referenzquartal zurückgegriffen werden. Dass die Klägerin ihren Praxisumzug erst zum Quartal III/11 vollzogen habe, stelle nach der Rechtsprechung des BSG (B 6 KA 44/03 R) sowie des SG Marburg (S 11 KA 332/08; S 11 KA 405/10) einen Umstand dar, der ein unternehmerisches Risiko begründe, welches in den eigenen Verantwortungsbereich der Klägerin falle. Die Zuteilung des QZV 52 (Polysomnographie) sei für die Arztgruppe der Klägerin nicht vorgesehen. Ferner erläuterte sie den Ausgleichsindex 100 sowie den Wirtschaftlichkeitsbonus.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 3. Juni 2013 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben (S 12 KA 353/13). Mit Beschluss vom 4. Juni 2013 hat das Sozialgericht die Verfahren bzgl. der Quartale IV/11 und I/12 abgetrennt (weitere Az. S 12 KA 362 und 363/13).
2. Verfahren betreffend das Quartal II/12
Hinsichtlich des Quartals II/12 rügte die Klägerin mit Schreiben vom 29. April 2012 wiederum die ungenügende Berücksichtigung der Leistungen nach Ziff. 30901.
Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Antrag auf Änderung der Regelleistungsvolumens bzw. der QZV, welchen sie mit Bescheid vom 1. August 2012 ablehnte. Zwar überschreite der arztindividuelle Fallwert für Herrn Dr. A. mit 87,23 Euro den Fachgruppenfallwert mit 54,45 Euro um 60,20 %. Die Leistungen nach Nr. 30901 EBM machten mit 6.587,28 Euro nur einen Leistungsanteil von 10,53 % des Regelleistungsvolumens aus.
Hiergegen legte die Klägerin am 9. August 2012 Widerspruch ein.
Die Beklagte verband dieses Widerspruchsverfahren mit dem Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid vom 28. September 2012 (Quartal II/12). Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2013 gab sie den Widersprüchen insoweit statt, als sie für Herrn Dr. A. den Fallwert für das QZV 9 von 3,80 Euro auf 4,80 Euro erhöhte; im Übrigen wies sie die Widersprüche als unbegründet zurück. Die Widersprüche hätten nur teilweise Erfolg. Das QZV 9 mit Leistungen nach Nr. 30900 EBM betrage 2.724,60 Euro, abgerechnet habe die Klägerin 3.442,65 Euro, was eine Überschreitung von 26,35 % ergebe. Der Fallwert sei daher auf 4,80 Euro zu erhöhen. Sonstige Änderungen zugunsten der Klägerin kämen nicht in Betracht. Es könne auch nicht auf ein anderes Quartal als das Vorjahresquartal zurückgegriffen werden. Zwar überschreite der arztindividuelle RLV-Fallwert mit 91,07 Euro den RLV-Fallwert der Arztgruppe mit 54,45 Euro um 67,25 %. Eine Sonderregelung sei jedoch nicht möglich, weil sich für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM lediglich ein Fallwert in Höhe von 9,19 Euro ergebe, der weniger als 20 % des eigenen RLV-Fallwerts in Höhe von 91,07 Euro betrage.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 29. Mai 2013 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben (S 12 KA 354/13).
3. Verfahren betreffend das Quartal III/12
Mit Schreiben vom 13. Juli 2012 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für das Quartal III/12
Diesem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 2012 hinsichtlich des QZV 9 insoweit statt, als sie den Fallwert auf 4,85 Euro erhöhte; im Übrigen wies sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, für Herrn Dr. A. ergebe sich bezüglich des QZV 9 mit einem Volumen von 3.442,65 Euro eine Überschreitung des zugewiesenen Volumens von 2.527,60 Euro in Höhe von 36,20 %. Hieraus resultiere die Erhöhung des alten Fallwerts von 3,56 Euro um 1,29 Euro auf 4,85 Euro. Den RLV-Fallwert der Fachgruppe von 49,25 Euro überschreite Herr Dr. A. mit einem Fallwert von 88,73 Euro um 80,15 %. Eine Sonderregelung komme jedoch nicht in Betracht, da das Abrechnungsvolumen mit 11.292,48 Euro bei den Leistungen nach Nr. 30901 EBM nur 17,93 % des Regelleistungsvolumens betrage.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 15. Oktober 2012 Widerspruch, dessen Begründung im Wesentlichen der Begründung der vorherigen Widersprüche entsprach.
Die Beklagte verband dieses Widerspruchsverfahren mit dem Widerspruchsverfahren betreffend den Honorarbescheid vom 6. Januar 2013 (Quartal III/12) und wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2013 als unbegründet zurück. Darin führte sie u. a. aus, für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM habe sie einen Fallwert in Höhe von 15,90 Euro ermittelt. Dieser betrage weniger als 20 % des eigenen RLV-Fallwertes.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 23. Juli 2013 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben (S 12 KA 416/13).
In allen Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie sei weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte in begründeten Ausnahmefällen an Stelle des entsprechenden Vergleichsquartals des Vorjahres ein anderes Quartal als Referenzquartal zu Grunde legen könne. Soweit die Klägerin nicht auf das aktuelle Quartal abgestellt habe, liege ein Ermessensnichtgebrauch vor. Auch komme es auf die Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet an, weshalb die Leistungen nach Nr. 30901 EBM bei der Frage des Vorliegens eines Aufgreifkriteriums zu berücksichtigen seien, wenn auch nicht bei der Bemessung der Sonderregelung. Für das Moratorium bei Fallzahlerhöhungen sei ausdrücklich eine Rechtsgrundlage geschaffen worden.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2013 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Sonderregelung bezogen auf das RLV für das Quartal II/13 (Fallwerterhöhung um 18,52 EUR), wobei sie hinsichtlich der 20 %-Überschreitung die Zahlen des Quartals II/12 zugrunde legte. Mit weiterem Bescheid vom 10. Oktober 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin dann eine Sonderregelung bezogen auf das RLV für das Quartal III/13 (Fallwerterhöhung um 19,76 EUR); hier ging sie hinsichtlich der 20 %-Überschreitung bei der Berechnung von den Zahlen des Quartals III/12 aus.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 29. August 2014 die Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und der Klage teilweise stattgegeben. Konkret hat es die Beklagte, unter Aufhebung des Bescheides über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für die Quartale III/11 bis I/12 vom 13. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2013 (richtig: 30. April 2013) für das Quartal I/12, des Honorarbescheids für das Quartal I/12 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2013 (richtig: 30. April 2013), des Bescheides über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal II/12 vom 1. August 2012 und des Honorarbescheids für das Quartal II/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2013 (richtig: 30. April 2013) sowie des Bescheides über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/12 vom 27. September 2012 und des Honorarbescheids für das Quartal III/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2013, verurteilt, die Klägerin über ihren Antrag auf Gewährung einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen und über ihren Honoraranspruch für die Quartale I bis III/12 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen hat das Gericht die Klage abgewiesen und die Beklagte verpflichtet, 3/5 der Verfahrenskosten zu tragen.
Die Kammer habe ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden können. Die Sache habe keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art und der Sachverhalt sei geklärt. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu werde vom Gesetz nicht verlangt. Die Kammer habe die Beteiligten mit Verfügung vom 28. Juli 2014 angehört. Eine grundsätzliche Bedeutung komme dem Verfahren auch deshalb nicht zu, weil um eine Einzelfallentscheidung für die klägerische Praxis gestritten werde.
Die Klage sei zulässig, denn sie sei insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage sei auch z.T. begründet. Die angefochtenen Bescheide für die Quartale I bis III/12 seien rechtswidrig, die angefochtenen Bescheide für die Quartale III und IV/11 dagegen rechtmäßig. Die Klägerin habe nur für die Quartale I bis III/12 einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen für die Quartale III und IV/11 - sei die Klage abzuweisen gewesen.
Die angefochtenen Bescheide für die Quartale I bis III/12 seien rechtswidrig. Die Beklagte habe verkannt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen vorlägen. Insofern habe sie ihr Ermessen nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch).
Anspruchsgrundlage sei Abschnitt II Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 des ab Januar 2011 geltenden Honorarvertrags 2011. Danach könne der Vorstand der KV Hessen im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gelte insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergäben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliege (RLV und QZV). Diese Vorschriften seien unverändert im Honorarverteilungsmaßstab 2012 (Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3) fortgeführt worden. Sie beruhten auf den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Ziff. 3.5 des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 zu Teil F gebe Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung vor, nach Ziff. 3.7 beschlössen die Partner der Gesamtverträge für Neuzulassungen von Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigten sich die Partner der Gesamtverträge. Die Regelungen seien durch die weiteren Beschlüsse des Bewertungsausschusses nicht geändert worden, insbesondere nicht durch den Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 239. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) und in seiner 242. Sitzung am 24. November 2010. Mit Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 248. Sitzung am 25. Januar 2011 sei zur Sicherung der Versorgung in besonderen Situationen mit Wirkung zum 1. April 2011 Abschnitt I., Nr. 3.5, erster Spiegelstrich Abschnitt I., Nr. 3.7 durch hier nicht weiter relevante Regelungen ergänzt worden.
Unstreitig zwischen den Beteiligten sei, dass es sich bei den Leistungen nach Nr. 30900 und 30901 EBM um fachgruppenatypische Leistungen handele, für die grundsätzlich eine Sonderregelung in Betracht komme.
Soweit letztlich ein "besonderer Versorgungsbedarf" vorliegen müsse, sei nicht auf vergangene Zeiträume abzustellen, da es sich gerade um eine Sonderregelung handele. So habe die Kammer bereits mit Urteil vom 16. November 2011 - S 12 KA 614/10 - juris Rdnr. 38 (Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urteil vom 28. November 2012 L 4 KA 73/11 - juris) hinsichtlich einer Ausnahmeregelung der Beklagten für die Quartale I/09 bis II/10 ausgeführt, die Bezugnahme auf das aktuelle Quartal sei nur dann rechtmäßig, wenn sie bereits in der Vorgabe des Bewertungsausschusses bzw. des HVV enthalten sei. Hierfür spreche der Umstand, dass die Praxisbesonderheit im jeweils aktuellen Quartal vorliegen müsse. Auch das Bundessozialgericht stelle in seinem Urteil vom 29. Juni 2011 - B 6 KA 17/10 R für das Jahr 2005 auf die Werte des aktuellen Quartals ab, ohne diese Frage weiter zu thematisieren (zitiert nach juris, Rdnr. 24). Das von der Beklagten reklamierte Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Juli 2013 - B 6 KA 44/12 R betreffe die Zuweisung des Regelleistungsvolumens und gerade nicht die Frage einer - einzelfallabhängigen - Sonderregelung. Eine Sonderregelung ermögliche auch dem Vertragsarzt, auf aktuelle Entwicklungen hinzuweisen bzw. diese geltend zu machen, die sachgerecht erst im Rahmen der Honorarfestsetzung vorgebracht werden könnten, z.B. weil die den Einwänden zugrunde liegenden Tatsachen bei Bekanntgabe des RLV-Bescheids noch nicht bekannt oder absehbar gewesen seien, insbesondere, wenn sich ein Überschreiten des Regelleistungsvolumens erst im Zusammenhang mit der Honorarabrechnung ergebe (vgl., wenn auch in anderem Zusammenhang, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Februar 2014 - L 7 KA 68/12 - juris Rdnr. 18).
Die Anspruchsgrundlage nach Abschnitt II Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 HVV 2011 bzw. Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 HVM 2012 sei auch im Kontext der vorhergehenden Absätze für eine Ausnahme bzgl. der Fallzahlen zu sehen, wofür gerade auf das aktuelle Quartal abzustellen sei.
Soweit ein QZV für die kardiorespiratorische Polygraphie nach Nr. 30900 EBM zugebilligt werde, scheide eine Einbeziehung in eine Sonderregelung aus. Insofern liege eine vergleichbare Lage mit der Fallkonstellation vor, in der ein bestimmter Praxisschwerpunkt mit atypischen Leistungen mit Leistungen, die im Regelleistungsvolumen auch von der Fachgruppe erbracht würden, einhergehe. Insofern werde nach der Systematik des Bundessozialgerichts nicht auf Krankheitsbilder, sondern auf Leistungen abgestellt, denen in der Regel wieder besondere Krankheitsbilder zugrunde lägen. Soweit aber ein QZV eingeräumt werde, werde bereits eine Sonderregelung getroffen.
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben stehe fest, dass die Klägerin mit ihrem arztindividuellen Fallwert den Fallwert der Fachgruppe in den Quartalen IV/11 bis III/12 um über 20 % überschreite. Die Überschreitungen betrügen nach den Angaben der Beklagten 24,33 %, 28,87 %, 60,20 % bzw. 80,15 %. Lediglich im Quartal III/11 betrage die Überschreitung mit 16,0 % weniger als 20 %. Für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM (kardiorespiratorische Polysomnographie) ergäben sich folgende Leistungsanteile:
Quartal IV/11 I/12 II/12 III/12
Nr. 30901 EBM
Anzahl 39 46 46 49
Wert aller Leistungen in EUR 12.233,52 14.429,28 14.429 15.370,32
Durchschnitt je Behandlungsfall in EUR 10,52 11,40 12,04 12,50
Fallwert der Fachgruppe in EUR 54,02 53,12 54,45 49,25
Leistungsanteil d. Kl. in % 19,5 21,5 22,1 25,4
Damit betrage der Leistungsanteil der Leistungen nach Nr. 30901 EBM nur in den Quartalen I bis III/12 mehr als 20 % und lägen im Quartal IV/11 die Voraussetzungen nicht vor.
Es könne hier dahinstehen, ob generell eine Praxisbesonderheit über mindestens vier Quartale zu beurteilen sei. Soweit wie vorliegend von fünf Quartalen die ersten beiden Quartale die 20 %-Grenze nicht erreichten, zeige dies, dass eine Praxisbesonderheit im Sinne der genannten Regelungen noch nicht bestanden habe. Ein Ausgleich bzw. die Vernachlässigung eines Quartals bei Unterschreiten der 20 %-Grenze komme nur im Sinne einer Schwankungsbreite in Betracht, wenn also das Quartal der Unterschreitung von den Vor- und Nachquartal mit einer Überschreitung der 20 %-Grenze flankiert werde.
Nach allem sei der Klage für die Quartale I bis III/12 stattzugeben gewesen. Bei einer Neubescheidung habe die Beklagte hinsichtlich einer Sonderregelung ihr Ermessen auszuüben und die Leistungen nach Nr. 30901 EBM auf der Grundlage der aktuellen Abrechnungsquartale I bis III/12 zu berücksichtigen. Entsprechend sei die Klägerin über ihren Honoraranspruch für diese Quartale neu zu bescheiden.
Die Klage sei aber im Übrigen - für die Quartale III und IV/11 - abzuweisen gewesen. Die angefochtenen Bescheide für die Quartale III und IV/11 seien rechtmäßig. Die Beklagte habe im Ergebnis zutreffend das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen aus den von der Kammer genannten Gründen verneint. Insofern habe sie auch das Honorar für diese Quartale nicht fehlerhaft festgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruhe auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trage die Kosten des Verfahrens.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 8. September 2014 zugestellten erstinstanzlichen Gerichtsbescheid am 6. Oktober 2014 Berufung eingelegt.
Die Klägerin hat gegen den ihr ebenfalls am 8. September 2014 zugestellten Gerichtsbescheid am 7. Januar 2015 Anschlussberufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Gerichtsbescheid sei, soweit er der Klage stattgegeben habe, rechtswidrig.
Ziffer 3.5 HV gebe ihrem Vorstand in Bezug auf die Zuerkennung von Sonderregelungen einen Ermessensspielraum, von dem der Vorstand mit seinem Beschluss vom 14. Februar 2011 auch Gebrauch gemacht habe. Weiteres Ermessen sei nicht auszuüben. Sie habe sich aber auch in den Widerspruchsbescheiden mit der Frage, ob ein anderes als das Aufsatzquartal für die Berechnung einer Praxisbesonderheit herangezogen werden müsse, beschäftigt und hierzu ausgeführt. Dabei sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass der klägerische Praxisumzug im Quartal III/11 ein unternehmerisches Risiko darstelle, weshalb es auch keine Veranlassung gegeben habe, von der üblichen Vorgehensweise abzuweichen. Ein Ermessensnichtgebrauch liege daher auch insoweit nicht vor. Sie habe ihr Ermessen, indem sie auf das Aufsatzquartal abgestellt habe, auch korrekt ausgeübt. Die gesamte RLV-Systematik stelle auf das Vorjahresquartal ab, wodurch das zugewiesene RLV auf den Werten des entsprechenden Vorquartals beruhe. Dies gelte nicht nur für die RLV-Fallzahlen, sondern auch für die Fachgruppen-Fallwerte, die sich nach den Abrechnungsdaten des Vorjahres bemäßen. Da die Regelungen zu den Praxisbesonderheiten in Teil F der Beschlüsse des Bewertungsausschusses und unter 3. HV (Festsetzung der Regelleistungsvolumen, qualifikationsgebundene Zusatzvolumen und "freie Leistungen") geregelt seien, dürfe man davon ausgehen, dass bei der Ermittlung von Praxisbesonderheiten von den Grundsätzen der RLV-Systematik nicht abgewichen werden solle. Diese Festlegungen seien für die Beklagte auch bindend. Die Regelleistungsvolumina sollten einer Mengen- und Leistungsausweitung entgegenwirken. Es sei folgerichtig, wenn diese Intention auch bei den Praxisbesonderheiten verfolgt werde.
Aus der Entscheidung des BSG vom 19. Juni 2011 ergebe sich nichts anderes. Dieses Urteil sei kontextbezogen zu betrachten; insbesondere sei zu beachten, dass in den Quartalen, auf die es sich beziehe, für die Berechnung des RLV auf das aktuelle Abrechnungsquartal, nicht auf das Vorjahresquartal, abzustellen gewesen sei. Das hier relevante Problem, ob es für die Ermittlung der Praxisbesonderheiten auf ein anderes als das Vorjahresquartal ankomme, habe sich für das BSG damals mithin gar nicht gestellt. Die dortigen Ausführungen seien auf die jetzige Rechtslage daher insoweit nicht übertragbar. Insofern sei die Rechtslage, auch angesichts unterschiedlicher Entscheidungen der Instanzgerichte in diesem Punkt, noch nicht höchstrichterlich geklärt und die Revision zuzulassen.
Gerade im konkreten Fall sei ein Abweichen hiervon im Übrigen auch nicht sachgerecht. Die Klägerin habe ihre Praxistätigkeit geändert, um in größerem Umfang Schlaflaborleistungen anbieten zu können, was eine unternehmerische Entscheidung sei. Nach der Auffassung des BSG (vgl. Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R, juris, Rn. 53) sei es dem unternehmerischen Risiko des Vertragsarztes zuzurechnen, wie er seine Praxistätigkeit gestalte, insbesondere auch, in welchem Umfang er vertragsärztlich tätig werde. Nach dem BSG sei es zulässig, eine Praxis grundsätzlich eine Zeitlang an ihrem Praxis- und Honorierungsumfang festzuhalten (a.a.O, Rn. 43). Dies werde durch die verzögerte Berücksichtigung, die mit der Anknüpfung an das Vorjahresquartal einhergehe, erreicht. Sie habe ihr Ermessen daher nicht zugunsten der Klägerin ausüben müssen. Der Rechtsgedanke der obigen Entscheidung des BSG sei auf das hiesige Verfahren anwendbar, denn auch hier werde im Grunde eine Sonderregelung begehrt. Zudem habe das Sozialgericht unberücksichtigt gelassen, dass über Anträge auf Sonderregelung zeitnah und vor Zugang des Honorarbescheides entschieden werden solle. Dies sei aber aus verwaltungspraktischen Gründen nicht möglich, wenn man die aktuellen Werte für die Berechnung heranziehen müsse.
Selbst wenn man die Auffassung des Sozialgerichts für korrekt halte, sei die Berechnung des Gerichts zur Ermittlung des Leistungsanteils falsch. Nach dem Wortlaut von Ziffer 3.5 HV müsse eine Überschreitung von mindestens 20 % des eigenen Leistungsanteils gegeben sein, damit eine Praxisbesonderheit vorliegen könne, nicht von 20 % des Fachgruppenfallwertes. Andernfalls könne jeder Arzt, dessen Fallwert den durchschnittlichen Fallwert seiner Arztgruppe um 20 % überschreite, einen Anspruch auf Anerkennung einer Praxisbesonderheit haben, wenn er irgendeine Leistung erbringe, die keine Kernleistung sei, unabhängig vom Leistungsanteil. Dies führe nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Genauso wenig sei es sachgerecht, den auf die Abrechnung der Ziffer 30900 entfallenden Leistungsanteil mit zu berücksichtigen, denn diese Ziffer werde gesondert in dem QVZ 9 abgebildet und nicht im RLV. Hiervon ausgehend, liege bei der Klägerin nur in den Quartalen II/12 und III/12 eine (geringfügige) Überschreitung der 20 %-Grenze vor.
Wegen der vom BSG verlangten Härtefallklausel habe die Beklagte eine Regelung in Ziffer 3.7 HV geschaffen. Härtefall und Praxisbesonderheiten seien zwei unterschiedliche Bereiche. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Ziffer 3.7 HV lägen hier offensichtlich nicht vor.
Hinsichtlich der Quartale I/12 bis III/12 sei die Klägerin im Übrigen nicht mehr beschwert, weil sie für die Quartale II/13 bis IV/13 eine Sonderregelung zum RLV erhalten habe.
Die unselbständige Anschlussberufung sei unzulässig, weil sie einen anderen Streitgegenstand als den der Berufung betreffe.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 29. August 2014 zu ändern und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung, unter entsprechender Änderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Marburg vom 29. August 2014 den Bescheid vom 13. April 2012 auch, soweit mit diesem die Gewährung einer Sonderregelung im Rahmen des RLV für das Quartal IV/11 abgelehnt wurde, sowie den Honorarbescheid für das Quartal IV/11 vom 2. April 2012, soweit dort kein Honorar für die nach Ziffer 30901 EBM erbrachten Leistungen gewährt wurde, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2013, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über die Anträge der Klägerin auf Erhöhung des Regelleistungsvolumens und über das ihr zusätzlich zustehende Honorar für das Quartal IV/11 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der erstinstanzliche Gerichtsbescheid sei nur teilweise rechtmäßig.
Es sei zutreffend, dass das BSG in dem Urteil vom 17. Juli 2013 (B 6 KA 44/12 R) bestätigt habe, dass bei der Bildung von Honorarkontingenten auch an die Verhältnisse in früheren Quartalen angeknüpft werden könne. Es sei dort um die grundsätzliche Bemessung des RLV auf Grundlage der Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses gegangen. Das BSG habe die entsprechenden Regelungen insbesondere aber auch deswegen als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar erachtet, weil das Instrument des RLV nicht isoliert zu betrachten sei, sondern weil auch die weiteren Honorarregelungen für Sonderfälle in den Blick zu nehmen seien (a.a.O, Rn. 43). Folgerichtig prüfe das BSG dann auch das Vorliegen von Härtefallgründen und Praxisbesonderheiten bezogen auf das jeweils aktuelle Quartal. Es weise auch ausdrücklich auf seine Rechtsprechung hin, wonach eine Härteklausel als notwendiges Korrelat des einjährigen Moratoriums in die Honorarbestimmungen hinein zu interpretieren sei, selbst wenn diese keine ausdrückliche Klausel enthielten. Das BSG habe zudem in dem obigen Urteil ausdrücklich auf Ziffer 3.4 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses Bezug genommen, in dem Praxisbesonderheiten geregelt seien. Dass für Praxisbesonderheiten auf das aktuelle Quartal abzustellen sei, ergebe sich auch aus der Auslegung der Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses sowie dem gültigen HV. Aus dem unter Ziffer 3.4. genannten Regelbeispiel - dass bei Vorliegen eines unverschuldeten Grundes, der zu einer niedrigeren Fallzahl des Arztes im Aufsatzquartal geführt habe, Ausnahmen von der Abstaffelung möglich seien - ergebe sich im Umkehrschluss, dass bei den übrigen Regelbeispielen auf das aktuelle Quartal abzustellen sei. Darüber hinaus sehe 3.5 des HV der Beklagten vor, dass diese in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen könne, insbesondere zu Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergäben. Mit dieser Regelung komme man der Forderung des BSG nach Einführung einer allgemeinen Härteklausel nach. Das BSG habe etwa in seinem Urteil vom 22. Juni 2005 (B 6 KA 80/03 R, Rn. 41), in dem es sich mit solchen Härteklauseln beschäftigt habe, darauf hingewiesen, dass auf Grundlage der Härteklausel eine Befreiung erfolge, die sich durch das veränderte Leistungsspektrum ergeben habe. Das geänderte Leistungsspektrum im Vergleich zum Vorjahresquartal begründe dementsprechend ausdrücklich die Anwendung der Härteklausel. Zudem habe der Erweiterte Bewertungsausschuss selbst am 15. Januar 2009 weitere Regelungen eingeführt, um Honorarverwerfungen zu vermeiden (Konvergenzverfahren, Begrenzungsregelungen zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten). Es handele sich jeweils um Mittel, um etwaige Ungerechtigkeiten, die sich durch das Abstellen auf das Vorjahresquartal ergäben, zu korrigieren.
Der Einwand der Beklagten, Anträge könnten beim Abstellen auf das aktuelle Quartal nicht zeitnah entschieden werden, sei nicht überzeugend. Zum einen dauere es sowieso regelmäßig eine gewisse Zeit, bis die Beklagte über Anträge entscheide, so dass bis zur Entscheidung dann erfahrungsgemäß genügend Daten vorlägen. Zum anderen könnten nach der Rechtsprechung Tatsachen, welche bei Bekanntgabe des RLV-Bescheides noch nicht bekannt gewesen seien und die sich auf das RLV und damit die Höhe des Honorars auswirkten, sogar noch im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, den Honorarbescheid betreffend, geltend gemacht werden. Nicht zuletzt sei es möglich, vorläufige Honorarbescheide zu erteilen oder Auflagen zu erlassen. Das BSG habe zudem ausdrücklich auf die Möglichkeit einer prognostischen Schätzung verwiesen.
Die Beklagte habe auch kein Ermessen ausgeübt. Ein Vorstandsbeschluss stelle keine Ermessensausübung im Einzelfall dar. Im Widerspruchsbescheid sei kein Ermessen ausgeübt worden. Auch habe über den Widerspruch der Widerspruchsausschuss und nicht der Vorstand entschieden. Schließlich werde mit dem Argument, der Umzug sei ein unternehmerisches Risiko, der vorliegende Streitgegenstand verkannt. Es gehe hier um die Honorierung fachgruppenatypischer Leistungen, für die anerkannt sei, dass es sich grundsätzlich um Praxisbesonderheiten handele, nicht um die Gewährung einer Härtefallregelung für getätigte Investitionen.
Die Voraussetzungen entsprechend des Vorstandsbeschlusses der Beklagten gemäß seiner Sitzung am 14. Februar 2011 seien erfüllt. Soweit die Beklagte meine, eine 20 % ige Überschreitung läge lediglich in den Quartalen II/12 und III/12 vor, seien die betreffenden Ausführungen und dazugehörigen Berechnungen nicht nachvollziehbar. Nach dem Wortlaut des 3.5 HV sei eindeutig, dass Bezugspunkt für die Überschreitung der durchschnittliche Fallwert der Arztgruppe sei. Selbst wenn man aber so rechne wie die Beklagte, müsse man, ausgehend von der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R, Rn. 21), das ganze besondere Leistungsangebot und nicht nur einen Teil – nämlich die Ziffer 30901 EBM - berücksichtigen. Aus dieser Rechtsprechung ergebe sich ausdrücklich, dass maßgeblich eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt sei. Ebenfalls einzubeziehen seien somit die nach Ziffer 30900 EBM erbrachten Leistungen, auch wenn diese bereits durch ein QZV erfasst würden. Zu unterscheiden seien insoweit die Tatbestandsseite – der Umfang der Spezialisierung – und die Rechtsfolgenseite – der Umfang der Erhöhung. Bei ersterem seien die durch das QZV erfassten Leistungen zu berücksichtigen, nur bei letzterem nicht.
Bei Einbeziehung auch der nach Ziffer 30900 EBM erbrachten Leistungen ergebe sich in sämtlichen Quartalen ein Anteil der Schlaflaborleistungen am eigenen Leistungsvolumen von deutlich über 20 %. Deswegen werde die erstinstanzliche Entscheidung auch angegriffen, soweit dort eine Sondervergütung für das Quartal IV/2011 abgelehnt worden sei.
Die unselbständige Anschlussberufung sei zulässig, auch wenn sie ein anderes Quartal betreffe als die Berufung. Das ergebe sich daraus, dass in allen Quartalen um eine einheitliche Rechtsfrage gestritten werde. Zudem müsse hier nach der Rechtsprechung des BSG eine Durchschnittsbetrachtung über mehrere Quartale vorgenommen werden, so dass schon deswegen eine isolierte Betrachtung eines einzelnen Quartals nicht möglich sei.
Weiteres Honorar auf Grundlage der Ziffer 3.7 HV werde in diesem Rechtstreit nicht geltend gemacht.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Im Berufungsverfahren noch streitgegenständlich ist die Gewährung einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für die Klägerin betreffend die Quartale IV/11 bis III/12. Die klageabweisende Entscheidung des Sozialgerichts für das Quartal III/11 hat die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung nicht angegriffen, so dass über die Zubilligung einer Sonderregelung für dieses Quartal schon aus diesem Grunde nicht mehr zu entscheiden ist. Genauso wenig ist – unabhängig vom ursprünglichen Streitgegenstand – über eine Änderung des QZV zugunsten der Klägerin im Hinblick auf die Quartale IV/11 bis III/12 zu urteilen. Für das Quartal IV/11 folgt das daraus, dass die Anschlussberufung unzulässig ist. Für die anderen Quartale resultiert die Einschränkung des Prüfungsumfangs aus dem Umstand, dass das Sozialgericht der Klage nur in Bezug auf den Erhalt einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen stattgegeben hat und die Klägerin gegen diese Entscheidung ihrerseits nicht mit einem Rechtsmittel vorgegangen ist.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist sowohl zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, als auch begründet. Der Klage hätte nicht stattgegeben werden dürfen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für die Quartale I/12 bis III/12.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist die Regelung unter Abschnitt II Ziffer 3.5 S. 4 bis 6 des ab Januar 2011 geltenden Honorarvertrages 2011 (HV 2011), die auch für 2012 unverändert fortgalt (vgl. hierzu die gleiche Ziffer des ab 1. Januar 2012 beschlossenen Honorarverteilungsmaßstab – HVM – der Beklagten).
Satz 4 bis 6 des 3.5 lauten:
"Der Vorstand der KV Hessen kann außerdem im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliegt (RLV und QZV). Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen entscheidet hierüber im Einzelfall und informiert die Vertragsparteien."
Gegenüber dieser Vorschrift abweichende Bestimmungen des SGB V oder des Bewertungsausschusses gab es in den streitigen Quartalen nicht. Insbesondere die Regelungen des Bewertungsausschusses erschöpften sich in der Festlegung, dass die Praxisbesonderheiten zwischen den Partnern der Gesamtverträge zu regeln seien und sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergäben (vgl. Teil F, Ziffer I, 3.7 des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 mit Wirkung zum 1. Juli 2010, der gemäß Ziffer 1 b) S. 2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 S. 2 SGB V in seiner 266. Sitzung am 14. Dezember 2011 auch für 2012 noch galt). Eine darüber hinausgehende inhaltliche Normierung, wie sie noch in Teil F Ziffer 3.6 des Beschlusses des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 4 SGB V in seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008 getroffen worden war, bestand im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr.
Der Klägerin steht schon deswegen kein Anspruch auf Gewährung einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen zu, weil sie die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage nicht vollständig erfüllt. Ermessen war durch die Beklagten folglich nicht mehr auszuüben.
Zwar hat die Klägerin in allen betroffenen Quartalen mit ihren Honoraranforderungen jeweils das ihr zugewiesene arztbezogene Regelleistungsvolumen überschritten und auch die erforderlichen Anträge auf Gewährung einer Sonderregelung gestellt. Bei ihr bestehen aber keine Praxisbesonderheiten, die sich aus einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben.
Die Entscheidung darüber, ob eine Praxisbesonderheit in diesem Sinne vorliegt, ist gerichtlich voll überprüfbar; eine Einschätzungsprärogative steht der Kassenärztlichen Vereinigung insoweit nicht zu (s. nur BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –, juris, Rn. 25 m.w.N.). Dazu, unter welchen Bedingungen eine Praxisbesonderheit anzunehmen ist, führt das Bundessozialgericht (s. Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –, juris, Rn. 22 f.) zutreffend aus:
"Eine vom Durchschnitt abweichende Praxisausrichtung, die Rückschlüsse auf einen Versorgungsbedarf erlaubt, kann sich auch hier in einem besonders hohen Anteil der in einem speziellen Leistungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl zeigen. Zur Begründung einer versorgungsrelevanten Besonderheit genügt es allerdings nicht, lediglich ein "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen abzurechnen (vgl. dazu Urteil des Senats vom heutigen Tag - B 6 KA 20/10 R -). Die Überschreitung des praxisindividuellen RLV muss vielmehr darauf beruhen, dass in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden. Dabei wird es sich typischerweise um arztgruppenübergreifend erbrachte spezielle Leistungen handeln, die eine besondere (Zusatz-)Qualifikation und eine besondere Praxisausstattung erfordern ...
Besonderheiten einer Praxis streiten dann für eine Ausnahme von den RLV im Interesse der Sicherstellung, wenn der Anteil der Spezialleistungen am Gesamtpunktzahlvolumen überdurchschnittlich hoch ist. Dies wird in der Regel mit einem überdurchschnittlichen Gesamtpunktzahlvolumen einhergehen. Als überdurchschnittlich ist in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Senats zur Anerkennung eines Versorgungsschwerpunktes jeweils eine Überschreitung des Durchschnitts bzw. ein Anteil der Spezialleistungen von mindestens 20 % anzusehen. Um einerseits von einem dauerhaften Versorgungsbedarf ausgehen zu können, andererseits aber auch Schwankungen zwischen den Quartalen aufzufangen, ist nicht auf jedes einzelne Quartal abzustellen. Ausreichend ist, dass sich die Überschreitungen als Durchschnittswert in einem Gesamtzeitraum von vier aufeinander folgenden Quartalen ergeben "
Einen Teil dieser Anforderungen erfüllt die Klägerin mit ihrer Leistungserbringung in den Quartalen I/12 bis III/12 noch. Sie hat mit den Ziffern 30900 (Kardiorespiratorische Polygraphie) und 30901 EBM (Kardiorespiratorische Polysomnographie) in diesem Zeitraum nämlich arztgruppenübergreifende spezielle Gebührenordnungspositionen abgerechnet. Die Durchführung der durch diese Ziffern vergüteten schlafmedizinischen Untersuchungen erfordert zudem sowohl eine besondere ärztliche Qualifikation als auch eine besondere technische Ausstattung der Praxis. Darüber hinaus war die Klägerin eine der wenigen Praxen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die Leistungen dieser Art erbracht hat.
Die Bejahung einer Praxisbesonderheit scheitert jedoch im Ergebnis daran, dass die besonderen Leistungen in den Quartalen I/12 bis III/12 nicht den erforderlichen Anteil an der Gesamtleistungserbringung erreicht haben. Das gilt sowohl, wenn man den Anteil nach den Vorgaben der Ziffer 3.5 Satz 5 HVM berechnet als auch dann, wenn man die für die Klägerin günstigste Berechnungsweise nach Maßgabe der bundessozialgerichtlichen Entscheidung vom 29. Juni 2011 (B 6 KA 17/10 R) zugrunde legt. Dahingestellt bleiben kann vorliegend weiter, ob der Ansatz der Beklagten, die Werte arzt- und nicht praxisbezogen zu ermitteln, korrekt ist, denn selbst bei arztbezogener Berechnung (bei der nur das Honorar des die Sonderleistung erbringenden Arztes, hier also des Herrn Dr. A., einbezogen wird, was für die Klägerin erheblich günstiger ist als die praxisbezogene Berechnung) wird der notwendige Anteil unterschritten.
Berechnet man den Anteil unter Zugrundelegung der Anforderungen der Ziffer 3.5 Satz 5 HVM, ist in einem ersten Schritt festzustellen, in welchem Umfang der durchschnittliche Fallwert der Arztgruppe überschritten wird. Diesem ist hierfür, wie auch von der Beklagten angenommen, der arztindividuelle Fallwert gegenüberzustellen, wobei Ausgangspunkt für die Prozentberechnung der Fallwert der Arztgruppe ist.
Allerdings ist, entgegen der Auffassung der Beklagten, Bezugszeitraum für die maßgeblichen Zahlen nicht das Aufsatzquartal, sondern das Quartal, für das die Sonderregelung gefordert wird. Das folgt aus dem Sinn und Zweck der Norm. Denn die Sonderregelung wird wegen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung eingeräumt. Ihre vorrangige Aufgabe ist es daher gerade nicht, einen Arzt unter Berücksichtigung von dessen wirtschaftlichen Interessen individuell zu begünstigen, sondern es geht maßgeblich darum, eine ausreichende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Dass der Arzt seine Leistungserbringung über das ihm zuerkannte Regelleistungsvolumen hinaus ausgeweitet hat, wird insofern ausdrücklich gebilligt. Angesichts dieser Sachlage gibt es keine nachvollziehbaren Gründe, das RLV nicht sofort, sondern erst mit einjähriger Verzögerung anzupassen, indem die Werte statt dem aktuellen dem jeweiligen Aufsatzquartal entnommen werden.
Eine solche Auslegung der Bestimmung führt auch nicht dazu, dass sie verwaltungstechnisch nicht mehr umsetzbar wäre. Zwar trifft es zu, dass eine konkrete Berechnung erst nach dem Quartal, für das die Sonderregelung begehrt wird, stattfinden kann. Das ist aber unbedenklich. Zum einen steht sowieso erst nach Ablauf des jeweiligen Quartals fest, ob das RLV tatsächlich überschritten wurde und damit Bedarf an einer Erhöhung in Form einer Sonderregelung gegeben ist. Zum anderen gibt es ausreichende Möglichkeiten, z.B. durch eine vorläufige Bescheidung, bei Bedarf schon vorab, bevor die maßgeblichen Zahlen feststehen, eine Sonderregelung einzuräumen.
Hiervon ausgehend, ergibt der erste Berechnungsschritt, dass in allen drei Quartalen die 20 %-Grenze überschritten wird:
Tabelle 1
Quartal I/12 II/12 III/12
angefordertes RLV in EUR 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Anzahl Fälle 947 912 921
Arztindividueller Fallwert in EUR 80,40 78,82 79,99
Fallwert Fachgruppe in EUR 53,15 54,45 49,25
Differenz in EUR 27,25 24,37 30,74
Überschreitung in % 51,27 44,76 62,42
Damit sind die Voraussetzungen des Satz 5 allerdings noch nicht erfüllt, denn weiter erforderlich ist nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift, dass die zwanzigprozentige Überschreitung gerade auf den Praxisbesonderheiten beruht ("eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung ... von mindestens 20 %").
Ausgehend davon, dass alle abgerechneten Leistungen in gleichem Umfang zu der Überschreitung des RLV beigetragen haben, können sich die Praxisbesonderheiten nur in dem Ausmaß auf die Überschreitung ausgewirkt haben, in dem sie, im Verhältnis zur RLV-Gesamtanforderung des jeweiligen Quartals, ihrerseits abgerechnet und angefordert worden sind. In einem notwendigen zweiten Schritt ist daher festzustellen, welchen Anteil die abgerechneten, die Praxisbesonderheit begründenden Spezialleistungen bezogen auf die abgerechneten RLV-Gesamtleistungen ausmachen.
In diese Berechnung einbezogen werden dürfen, wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, nur die nach Ziffer 30901 EBM erbrachten Leistungen. Die über Ziffer 30900 abgerechneten Leistungen sind dagegen nicht berücksichtigungsfähig. Für sie war der Klägerin nämlich in den streitgegenständlichen Quartalen jeweils ein QVZ (Qualifikationsgebundes Zusatzvolumen) eingeräumt worden war. Diese Leistungen waren mithin separat vergütet worden und unterfielen dem RLV damit von vornherein nicht. Das schließt es schon denklogisch aus, auf sie bei der Entscheidung darüber, ob eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen zu gewähren ist, abzustellen. Würde man sie mit einrechnen, läge zudem eine doppelte Einbeziehung in die Honorarberechnung vor. Ob die Leistungen der Ziffer 30900 EMB innerhalb des QVZ zutreffend vergütet wurden, ist, wie bereits oben dargetan, nicht (mehr) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Es ergeben sich hiernach folgende prozentualen Anteile:
Tabelle 2
Quartal I/12 II/12 III/12
Wert der Leistung Ziffer 30901 EBM 313,68 313,68 313,68
Anzahl der Leistungen nach Ziffer 30901 EBM 46 46 49
Wert der Leistung nach Ziffer 30901 EBM in EUR 14.429,28 14.429,28 15.370,32
angefordertes Honorar für dem RLV unterfallende Leistungen in EUR (Dr. A.) 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Anteil Ziffer 30901 zu RLV-Gesamthonorar in % 18,95 20,07 20,86
Nur mit diesem prozentualen Anteil kann die spezielle Leistung zur Überschreitung des Fallwertes der Arztgruppe beigetragen haben.
Es errechnen sich insofern letztlich, setzt man die auf die Ziffer 30901 EBM bezogene Honoraranforderung zu der Gesamthonoraranforderung der jeweiligen Quartale ins Verhältnis, folgende Anteile:
18,95 % von 51,27 = 9,72 %
20,07 % von 44,76 = 8,98 %
20,86 % von 62,42 =13,02 %
Die erforderliche Überschreitungsgrenze von 20 % wird mithin, geht man von den Vorgaben des Ziffer 3.5 Satz 5 HVM aus, in keinem der Quartale erreicht.
Unerheblich ist, dass der Vorstandsbeschluss vom 13. September 2009 eine andere Berechnungsweise vorgibt, indem er die beiden oben dargelegten Rechenschritte nicht miteinander verknüpft, sondern sie als Voraussetzungen für das Vorliegen einer Praxisbesonderheit beziehungslos nebeneinander stellt, denn dieser Beschluss ist unwirksam. Er verstößt nämlich gegen die Vorgaben der Ziffer 3.5 Satz 5 HVM, der gerade eine solche Verknüpfung verlangt, und damit gegen höherrangiges Recht.
Es ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ob Ziffer 3.5 Satz 5 HVM mit den Vorgaben des Bundessozialgerichts, wie sie sich aus dessen Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R – ergeben, vereinbar ist. Denn selbst wenn man die Anforderungen aus dieser Entscheidung hier zugrunde legt, ergibt sich aus diesen kein für die Klägerin günstigeres Resultat. Zwar dürfte es nach dieser Entscheidung zumindest zulässig sein, hinsichtlich der 20 %-Grenze statt auf die Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe alleine auf den Anteil der Spezialleistungen am angeforderten RLV-Honorargesamtvolumen abzustellen (vgl. BSG, a.a.O., juris, Rn. 23). Rechnet man auf diese - für die Klägerin günstigste - Weise, wird der 20 % - Anteil, wie in Tabelle 2 dargestellt, in den Quartalen II/12 und III/12 überschritten. Allerdings hat das Bundessozialgericht - um sicherzustellen, dass es sich nicht um bloße Überschreitungen in einem einzelnen Quartal handelt, sondern dass ein dauerhafter Versorgungsbedarf vorliegt - für die Annahme einer Praxisbesonderheit, wie bereits dargetan, zutreffend ergänzend gefordert, dass bei der Ermittlung der Anteile nicht auf einzelne Quartale abzustellen ist, sondern dass zusätzlich jeweils auch die Werte der drei vorhergehenden Quartale miteinzubeziehen sind (BSG, a.a.O. Rn. 23). Auch diese Bedingung muss bei der Berechnung folglich beachtet werden.
Dementsprechend sind für das Quartal I/12 die Überschreitungen betreffend die Quartale II/11 bis IV/12, für das Quartal II/12 die Überschreitungen betreffend die Quartale III/11 bis I/12 und für das Quartal III/12 die Überschreitungen betreffend die Quartale IV/11 bis II/12 miteinzurechnen und es ist jeweils ein durchschnittlicher Überschreitungswert zu bilden.
Berechnet man die Überschreitungen aufgrund dieser Vorgaben, ergeben sich folgende Werte:
Quartal II/11 III/11 IV/11 I/12 II/12 III/12
Wert der Leistung Ziffer 30901 EBM 313,68 313,68 313,68 313,68 313,68 313,68
Anzahl der Leistungen nach Ziffer 30901 EBM 23 36 39 46 46 49
Wert der Leistung nach Ziffer 30901 EBM in EUR 7.214,64 11.292,48 12.233,52 14.429,28 14.429,28 15.370,32
angefordertes Honorar für dem RLV unterfallende Leistungen in EUR (Dr. A.) 59.764,10 62.995,15 69.165,50 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Anteil Ziffer 30901 zu RLV-Gesamthonorar in % 12,07 17,93 17,69 18,95 20,07 20,86
Für das Quartal I/12 ermittelt sich dementsprechend eine Überschreitung von 16,66 % (12,07 % + 17,93 % + 17,69 % + 18,95 % = 66,64 %: 4), für das Quartal II/12 von 18,66 % (17,93 % + 17,69 % + 18,95 % + 20,07 % = 74,64 %: 4) und für das Quartal III/12 von 19,39 % (17,69 % + 18,95 % + 20,07 % + 20,86 % = 77,57 %: 4). Mithin wird auch, wenn man unter Zugrundelegung der bundessozialgerichtlichen Anforderungen rechnet, der erforderliche Anteil von 20 % in keinem der betroffenen Quartale erreicht.
Die Anschlussberufung der Klägerin hat bereits aus prozessualen Gründen keinen Erfolg.
Bei einer Anschlussberufung braucht zwar nicht die Berufungsfrist eingehalten zu werden, sie muss aber, um zulässig zu sein, den gleichen prozessualen Anspruch wie die Hauptberufung betreffen (s. nur statt vieler BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 6/09 R – juris, Rn. 18; Urteil vom 10. Februar 2005 – B 4 RA 48/04 R – juris, Rn. 33; Sommer, in: Roos/Wahrendorf, SGG, Kommentar, § 143 Rn. 31).
Daran fehlt es hier.
Die Entscheidung darüber, ob der Klägerin eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen zuzubilligen ist, erfolgte nämlich jeweils quartalsbezogen. Die Notwendigkeit, quartalsbezogen zu entscheiden, ergibt sich schon aus den gesetzlichen Vorgaben und wurde von der Beklagten auch in dieser Form umgesetzt, indem die jeweiligen Berechnungen immer pro Quartal vorgenommen wurden. Für jedes Quartal hat die Beklagte insoweit eine eigenständige Entscheidung im Sinne von § 31 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zehntes Buch (X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) getroffen, unabhängig davon, ob sie dabei einen oder mehrere Bescheide erlassen hat und ob die jeweils zu beantwortenden Rechtsfragen voneinander abweichen oder nicht (s. hierzu allgemein auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 6/09 R – juris, Rn. 19). Dass es sich bei den Sonderregelungen für die Quartale ersichtlich um jeweils unterschiedliche, getrennte Streitgegenstände handelt, zeigt auch der sozialgerichtliche Gerichtsbescheid, der der Klage nur hinsichtlich eines Teils der Quartale stattgegeben hat. Spätestens hierdurch ist somit eine (zulässige) Aufteilung des Streitgegenstandes nach Quartalen erfolgt (vgl. insoweit nur BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 6/09 R – juris, Rn. 21).
Dementsprechend wäre die Anschlussberufung nur zulässig gewesen, wenn sie sich auf Quartale bezogen hätte, die bereits mit der Hauptberufung angegriffen worden waren. Das war hier aber nicht der Fall, denn die Anschlussberufung betrifft ausschließlich das Quartal IV/11, die Hauptberufung dagegen (nur) die Quartale I/12 bis III/12.
Gleiches gilt, soweit die Klägerin den Honorarbescheid für das Quartal IV/11 mit ihrem Rechtsmittel angreift.
Die Umdeutung der Anschlussberufung in eine eigenständige Berufung scheitert schon daran, dass die Klägerin diese nicht innerhalb der Berufsfrist von einem Monat nach Zustellung des sozialgerichtlichen Gerichtsbescheides, § 151 i.V.m. § 105 Abs. 2 S. 1 SGG, erhoben hat. Die erstinstanzliche Entscheidung, die mit einer korrekten Rechtsmittelbelehrung versehen war, ging ihrem Prozessbevollmächtigten nämlich ausweislich des von diesem unterschriebenen Empfangsbekenntnisses am 8. September 2014 zu, die Anschlussberufung wurde jedoch erst mit Schriftsatz vom 7. Januar 2015, der am gleichen Tag beim Landessozialgericht einging, eingelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Berufungsverfahren noch streitgegenständlich ist die Höhe des klägerischen Honorars für die vier Quartale IV/11 bis III/12.
Die Klägerin ist eine seit 1993 existierende Gemeinschaftspraxis mit Sitz in A-Stadt, die aus zwei Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie - dem Ehepaar A. - besteht. Sie betreibt seit dem Quartal III/10 ein Schlaflabor. Ab dem Quartal III/11 wurde die ärztliche Tätigkeit nach Umzug in größeren Praxisräumen ausgeübt.
Die Beklagte setzte in den streitbefangenen Quartalen das Honorar der Klägerin durch Honorarbescheide vom 2. April 2012, 19. September 2012, 28. September 2012 und 6. Januar 2013 fest. Die Klägerin legte gegen alle Bescheide Widerspruch ein.
Folgende Daten ergeben sich, unter weiterer Einbeziehung erstinstanzlich noch streitigen Quartals III/11, im Einzelnen:
Quartal III/11 IV/11 I/12 II/12 III/12
Honorarbescheid vom 12.01.2012 02.04.2012 19.09.2012 28.09.2012 06.01.2013
Widerspruch eingelegt am 15.03.2012 30.05.2012 08.11.2012 20.11.2012 03.03.2013
Anzahl Praxen/Ärzte 140/180,96 137/179,25 136/179,25 137/179,89
Nettohonorar gesamt in EUR 81.756,61 81.936,38 79.957,84 83.429,36 81.653,43
Bruttohonorar PK + EK in EUR 83.095,78 82.597,49 80.734,10 84.980,70 83.185,92
Fallzahl PK + EK 1.116 1.163 1.266 1.198 1.230
Honoraranteile PK + EK
Regelleistungsvolumen in EUR 65.018,07 63.887,03 61.404,31 67.920,93 66.977,69
Qualifikationsgebundene Zusatzvolumina 10.232,48 10.273,50 9.532,96 10.879,45 11.792,40
Quotiertes Regelleistungsvolumen/QZV in EUR 4.0348,38 4.654,89 4.650,34 4.755,27 5.168,59
Freie Leistungen 0,00 0.00 0,00 0,00 0,00
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (MGV) 2.899,51 2.844,32 3.008,42 2.493,11 3.054,62
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (AMG) 897,34 937,75 2.138,07 1.577,44 581,62
Regelleistungsvolumen
Obergrenze in EUR 63.438,81 67.265,62 62.195,63 67.340,33 60.147,15
Angefordert in EUR 94.219,02 98.304,25 109.416,76 102.590,97 107.635,16
Überschreitung in EUR 30.780,21 31.038,63 47.221,13 35.250,64 47.488,01
Unter-/Überschreitung QZV in EUR + 142, 45 + 6.732,21 + 4.426,30 - 1.320,65 - 2.582,81
Dr. C. A.
Obergrenze in EUR 42.877,83 44.726,87 41.135,39 42.863,12 38.379,63
Angefordert in EUR 62.995,15 69.165,50 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Überschreitung in EUR 20.117,32 24.438,63 34.998,77 29.020,41 35.289,64
Unter-/Überschreitung QZV in EUR
D. A.
Obergrenze in EUR 20.590,98 22.538,75 41.135,39 24.477,21 21.767,52
Angefordert in EUR 31.223,87 29.138,75 76.134,16 30.707.44 33.965,89
Überschreitung in EUR 10.632,89 6.600 34.998,77 6.273,79 12.198,37
Unter-/Überschreitung QZV in EUR
Nr. 30900 Kardioresp. Polygraphie, 58,53 EUR
Anzahl der Leistungen 59 65 70 57 75
Wert der Leistungen 3.442,65 3.792,75 4.084,50 3.325,95 4.376,25
Anzahl Praxen 4 4 6 4 6
Nr. 30901 Kardioresp. Polysomnographie, 313,68 EUR
Anzahl der Leistungen 36 39 46 46 49
Wert der Leistungen 11.292,48 12.233,52 14.429,28 14.429,28 15.370,32
Anzahl Praxen 2 2 4 2 4
1. Verfahren betreffend die Quartale III/11 bis I/12
Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 17. Oktober und 12. Dezember 2011 an die Beklagte und trug vor, die RLV-Mitteilungen für die Quartale III/11 bis I/12 sähen kein qualifikationsbezogenes Zusatzvolumen (QZV) oder sonstiges Volumen für die Abrechnungsziffer 30901 vor. Die Polysomnographie sei aber eine sehr kostenaufwendige Untersuchung, die durch ein Regelleistungsvolumen von ca. 50,00 Euro nicht kostendeckend erbracht werden könne. Sie sehe einen besonderen Versorgungsauftrag, da es im Rhein-Main-Gebiet kaum neurologisch ausgerichtete Schlaflabore gebe.
Mit Bescheid vom 13. April 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Änderung des Regelleistungsvolumens bzw. der QZV für die Quartale III/11 bis I/12 ab. Eine Zuerkennung des QZV 52 GOP 30901 EBM sei für das Fachgebiet der Ärzte der Klägerin nicht vorgesehen. Bei einem Fallwert der Fachgruppe von 54,61 Euro, 54,02 Euro bzw. 53,12 Euro betrage der arztindividuelle Fallwert 63,40 Euro, 67,16 Euro bzw. 68,50 Euro und die Fallwertüberschreitung 16,0 %, 24,33 % bzw. 28,87 %. Für das Quartal III/11 liege der Fallwert unter der 20 %-Grenze, weshalb eine Erhöhung des RLV-Fallwerts nicht gerechtfertigt sei. Der Leistungsanteil für die kardiorespiratorische Polysomnographie nach Nr. 30901 EBM betrage im Quartal IV/11 und I/12 jeweils 1.254,72 Euro bzw. dies mache einen Leistungsanteil von 2,48 % bzw. 2,60 % aus. Damit lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht vor.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Mai 2012 Widerspruch ein. Sie trug vor, für das Quartal III/11 betrage die zusätzliche Honoraranforderung für 36 Polysomnographien ca. 11.000,00 Euro, so dass der Fallwert hierdurch um 24 % und nicht um 16,09 % überschritten worden sei. Herr Dr. A. betreibe seit dem Quartal III/10 ein Schlaflabor. Nur er verfüge über die Abrechnungsgenehmigung und erbringe die Leistung nach Nr. 30900 (kardiorespiratorische Polygraphie) und 30901 EBM (kardiorespiratorische Polysomnographie). Die Polysomnographie sei zum 1. April 2005 in den EBM aufgenommen worden und bis einschließlich Quartal IV/08 extrabudgetär mit festen Punktwerten vergütet worden. Seitdem unterfalle auch sie der Mengenbegrenzung. Nur für die Nr. 30900 EBM sei ein QZV vorgesehen. Ein QZV für Leistungen nach Nr. 30901 EBM sei nur anderen Fachgruppen zugewiesen, wofür es einen sachlichen Grund nicht gäbe. Es handele sich um eine arztgruppenübergreifende spezielle Gebührenordnungsposition, deren fachliche Voraussetzungen nicht an eine spezielle Facharztausbildung, sondern an die Erfüllung der Qualitätssicherungsvereinbarung geknüpft würden. Für eine Sonderregelung könne die Beklagte nicht einzelne Quartale isoliert betrachten. Es sei vielmehr ein Durchschnittswert für vier aufeinanderfolgende Quartale zu ermitteln. Für die ersten vier Quartale ab III/11 ergäbe sich bereits nach Berechnung der Beklagten eine Überschreitung des Fachgruppenwerts von 16,09 %, 24,33 %, 28,87 % und 60,20 %. Dies entspreche einer durchschnittlichen Überschreitung des Fallwerts von 32,32 %. Das Aufgreifkriterium von 20 % sei damit deutlich überschritten. Der tatsächliche Aufwand sei höher, da nur Herr Dr. A. diese Leistungen erbringe. Die Berechnung des arztindividuellen Fallwerts werde nicht erläutert. Für das Quartal III/11 sei dieser erheblich höher. Die Praxisbesonderheit müsse im aktuellen Quartal vorliegen. Hilfsweise weise sie für das Quartal III/11 auf Sicherstellungsgründe hin, denn sie sei die einzige Leistungserbringerin im E-Stadter Raum. Bei der Prüfung stelle die Beklagte offensichtlich auf das Vorjahresquartal ab. Sie habe die kardiorespiratorische Polysomnographie im Quartal IV/11 in 39 Fällen abgerechnet, dies ergebe ein Volumen von 12.233,52 Euro (39 x 313,68 Euro). Dies entspreche etwa 20 % des angeforderten Regelleistungsvolumens. Hinzu kämen die Leistungen nach Nr. 30900 EBM. Im Quartal IV/11 betrage das Abrechnungsvolumen 11.292,48 Euro und liege der Anteil ebenfalls über 20 %. Mit ihrer Spezialisierung verfüge sie über einen besonderen Versorgungsauftrag.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2013 wies die Beklagte, nach Verbindung der Verfahren, sowohl den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. April 2012 als auch die Widersprüche gegen die Honorarbescheide vom 12. Januar 2012, 2. April 2012 und 19. September 2012 (Quartale III/11 bis I/12) als unbegründet zurück. Es könne nicht ausnahmsweise auf ein anderes Quartal als das Vorjahresquartal als Referenzquartal zurückgegriffen werden. Dass die Klägerin ihren Praxisumzug erst zum Quartal III/11 vollzogen habe, stelle nach der Rechtsprechung des BSG (B 6 KA 44/03 R) sowie des SG Marburg (S 11 KA 332/08; S 11 KA 405/10) einen Umstand dar, der ein unternehmerisches Risiko begründe, welches in den eigenen Verantwortungsbereich der Klägerin falle. Die Zuteilung des QZV 52 (Polysomnographie) sei für die Arztgruppe der Klägerin nicht vorgesehen. Ferner erläuterte sie den Ausgleichsindex 100 sowie den Wirtschaftlichkeitsbonus.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 3. Juni 2013 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben (S 12 KA 353/13). Mit Beschluss vom 4. Juni 2013 hat das Sozialgericht die Verfahren bzgl. der Quartale IV/11 und I/12 abgetrennt (weitere Az. S 12 KA 362 und 363/13).
2. Verfahren betreffend das Quartal II/12
Hinsichtlich des Quartals II/12 rügte die Klägerin mit Schreiben vom 29. April 2012 wiederum die ungenügende Berücksichtigung der Leistungen nach Ziff. 30901.
Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Antrag auf Änderung der Regelleistungsvolumens bzw. der QZV, welchen sie mit Bescheid vom 1. August 2012 ablehnte. Zwar überschreite der arztindividuelle Fallwert für Herrn Dr. A. mit 87,23 Euro den Fachgruppenfallwert mit 54,45 Euro um 60,20 %. Die Leistungen nach Nr. 30901 EBM machten mit 6.587,28 Euro nur einen Leistungsanteil von 10,53 % des Regelleistungsvolumens aus.
Hiergegen legte die Klägerin am 9. August 2012 Widerspruch ein.
Die Beklagte verband dieses Widerspruchsverfahren mit dem Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid vom 28. September 2012 (Quartal II/12). Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2013 gab sie den Widersprüchen insoweit statt, als sie für Herrn Dr. A. den Fallwert für das QZV 9 von 3,80 Euro auf 4,80 Euro erhöhte; im Übrigen wies sie die Widersprüche als unbegründet zurück. Die Widersprüche hätten nur teilweise Erfolg. Das QZV 9 mit Leistungen nach Nr. 30900 EBM betrage 2.724,60 Euro, abgerechnet habe die Klägerin 3.442,65 Euro, was eine Überschreitung von 26,35 % ergebe. Der Fallwert sei daher auf 4,80 Euro zu erhöhen. Sonstige Änderungen zugunsten der Klägerin kämen nicht in Betracht. Es könne auch nicht auf ein anderes Quartal als das Vorjahresquartal zurückgegriffen werden. Zwar überschreite der arztindividuelle RLV-Fallwert mit 91,07 Euro den RLV-Fallwert der Arztgruppe mit 54,45 Euro um 67,25 %. Eine Sonderregelung sei jedoch nicht möglich, weil sich für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM lediglich ein Fallwert in Höhe von 9,19 Euro ergebe, der weniger als 20 % des eigenen RLV-Fallwerts in Höhe von 91,07 Euro betrage.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 29. Mai 2013 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben (S 12 KA 354/13).
3. Verfahren betreffend das Quartal III/12
Mit Schreiben vom 13. Juli 2012 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für das Quartal III/12
Diesem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 2012 hinsichtlich des QZV 9 insoweit statt, als sie den Fallwert auf 4,85 Euro erhöhte; im Übrigen wies sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, für Herrn Dr. A. ergebe sich bezüglich des QZV 9 mit einem Volumen von 3.442,65 Euro eine Überschreitung des zugewiesenen Volumens von 2.527,60 Euro in Höhe von 36,20 %. Hieraus resultiere die Erhöhung des alten Fallwerts von 3,56 Euro um 1,29 Euro auf 4,85 Euro. Den RLV-Fallwert der Fachgruppe von 49,25 Euro überschreite Herr Dr. A. mit einem Fallwert von 88,73 Euro um 80,15 %. Eine Sonderregelung komme jedoch nicht in Betracht, da das Abrechnungsvolumen mit 11.292,48 Euro bei den Leistungen nach Nr. 30901 EBM nur 17,93 % des Regelleistungsvolumens betrage.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 15. Oktober 2012 Widerspruch, dessen Begründung im Wesentlichen der Begründung der vorherigen Widersprüche entsprach.
Die Beklagte verband dieses Widerspruchsverfahren mit dem Widerspruchsverfahren betreffend den Honorarbescheid vom 6. Januar 2013 (Quartal III/12) und wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2013 als unbegründet zurück. Darin führte sie u. a. aus, für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM habe sie einen Fallwert in Höhe von 15,90 Euro ermittelt. Dieser betrage weniger als 20 % des eigenen RLV-Fallwertes.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 23. Juli 2013 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben (S 12 KA 416/13).
In allen Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie sei weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte in begründeten Ausnahmefällen an Stelle des entsprechenden Vergleichsquartals des Vorjahres ein anderes Quartal als Referenzquartal zu Grunde legen könne. Soweit die Klägerin nicht auf das aktuelle Quartal abgestellt habe, liege ein Ermessensnichtgebrauch vor. Auch komme es auf die Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet an, weshalb die Leistungen nach Nr. 30901 EBM bei der Frage des Vorliegens eines Aufgreifkriteriums zu berücksichtigen seien, wenn auch nicht bei der Bemessung der Sonderregelung. Für das Moratorium bei Fallzahlerhöhungen sei ausdrücklich eine Rechtsgrundlage geschaffen worden.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2013 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Sonderregelung bezogen auf das RLV für das Quartal II/13 (Fallwerterhöhung um 18,52 EUR), wobei sie hinsichtlich der 20 %-Überschreitung die Zahlen des Quartals II/12 zugrunde legte. Mit weiterem Bescheid vom 10. Oktober 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin dann eine Sonderregelung bezogen auf das RLV für das Quartal III/13 (Fallwerterhöhung um 19,76 EUR); hier ging sie hinsichtlich der 20 %-Überschreitung bei der Berechnung von den Zahlen des Quartals III/12 aus.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 29. August 2014 die Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und der Klage teilweise stattgegeben. Konkret hat es die Beklagte, unter Aufhebung des Bescheides über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für die Quartale III/11 bis I/12 vom 13. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2013 (richtig: 30. April 2013) für das Quartal I/12, des Honorarbescheids für das Quartal I/12 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2013 (richtig: 30. April 2013), des Bescheides über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal II/12 vom 1. August 2012 und des Honorarbescheids für das Quartal II/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2013 (richtig: 30. April 2013) sowie des Bescheides über die Nichtgewährung einer Sonderregelung des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/12 vom 27. September 2012 und des Honorarbescheids für das Quartal III/12, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2013, verurteilt, die Klägerin über ihren Antrag auf Gewährung einer Sonderregelung für das Regelleistungsvolumen und über ihren Honoraranspruch für die Quartale I bis III/12 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen hat das Gericht die Klage abgewiesen und die Beklagte verpflichtet, 3/5 der Verfahrenskosten zu tragen.
Die Kammer habe ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden können. Die Sache habe keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art und der Sachverhalt sei geklärt. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu werde vom Gesetz nicht verlangt. Die Kammer habe die Beteiligten mit Verfügung vom 28. Juli 2014 angehört. Eine grundsätzliche Bedeutung komme dem Verfahren auch deshalb nicht zu, weil um eine Einzelfallentscheidung für die klägerische Praxis gestritten werde.
Die Klage sei zulässig, denn sie sei insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage sei auch z.T. begründet. Die angefochtenen Bescheide für die Quartale I bis III/12 seien rechtswidrig, die angefochtenen Bescheide für die Quartale III und IV/11 dagegen rechtmäßig. Die Klägerin habe nur für die Quartale I bis III/12 einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen für die Quartale III und IV/11 - sei die Klage abzuweisen gewesen.
Die angefochtenen Bescheide für die Quartale I bis III/12 seien rechtswidrig. Die Beklagte habe verkannt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen vorlägen. Insofern habe sie ihr Ermessen nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch).
Anspruchsgrundlage sei Abschnitt II Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 des ab Januar 2011 geltenden Honorarvertrags 2011. Danach könne der Vorstand der KV Hessen im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gelte insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergäben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliege (RLV und QZV). Diese Vorschriften seien unverändert im Honorarverteilungsmaßstab 2012 (Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3) fortgeführt worden. Sie beruhten auf den Vorgaben des Bewertungsausschusses. Ziff. 3.5 des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 zu Teil F gebe Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung vor, nach Ziff. 3.7 beschlössen die Partner der Gesamtverträge für Neuzulassungen von Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigten sich die Partner der Gesamtverträge. Die Regelungen seien durch die weiteren Beschlüsse des Bewertungsausschusses nicht geändert worden, insbesondere nicht durch den Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 239. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) und in seiner 242. Sitzung am 24. November 2010. Mit Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 248. Sitzung am 25. Januar 2011 sei zur Sicherung der Versorgung in besonderen Situationen mit Wirkung zum 1. April 2011 Abschnitt I., Nr. 3.5, erster Spiegelstrich Abschnitt I., Nr. 3.7 durch hier nicht weiter relevante Regelungen ergänzt worden.
Unstreitig zwischen den Beteiligten sei, dass es sich bei den Leistungen nach Nr. 30900 und 30901 EBM um fachgruppenatypische Leistungen handele, für die grundsätzlich eine Sonderregelung in Betracht komme.
Soweit letztlich ein "besonderer Versorgungsbedarf" vorliegen müsse, sei nicht auf vergangene Zeiträume abzustellen, da es sich gerade um eine Sonderregelung handele. So habe die Kammer bereits mit Urteil vom 16. November 2011 - S 12 KA 614/10 - juris Rdnr. 38 (Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urteil vom 28. November 2012 L 4 KA 73/11 - juris) hinsichtlich einer Ausnahmeregelung der Beklagten für die Quartale I/09 bis II/10 ausgeführt, die Bezugnahme auf das aktuelle Quartal sei nur dann rechtmäßig, wenn sie bereits in der Vorgabe des Bewertungsausschusses bzw. des HVV enthalten sei. Hierfür spreche der Umstand, dass die Praxisbesonderheit im jeweils aktuellen Quartal vorliegen müsse. Auch das Bundessozialgericht stelle in seinem Urteil vom 29. Juni 2011 - B 6 KA 17/10 R für das Jahr 2005 auf die Werte des aktuellen Quartals ab, ohne diese Frage weiter zu thematisieren (zitiert nach juris, Rdnr. 24). Das von der Beklagten reklamierte Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Juli 2013 - B 6 KA 44/12 R betreffe die Zuweisung des Regelleistungsvolumens und gerade nicht die Frage einer - einzelfallabhängigen - Sonderregelung. Eine Sonderregelung ermögliche auch dem Vertragsarzt, auf aktuelle Entwicklungen hinzuweisen bzw. diese geltend zu machen, die sachgerecht erst im Rahmen der Honorarfestsetzung vorgebracht werden könnten, z.B. weil die den Einwänden zugrunde liegenden Tatsachen bei Bekanntgabe des RLV-Bescheids noch nicht bekannt oder absehbar gewesen seien, insbesondere, wenn sich ein Überschreiten des Regelleistungsvolumens erst im Zusammenhang mit der Honorarabrechnung ergebe (vgl., wenn auch in anderem Zusammenhang, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Februar 2014 - L 7 KA 68/12 - juris Rdnr. 18).
Die Anspruchsgrundlage nach Abschnitt II Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 HVV 2011 bzw. Ziff. 3.5 Abs. 3 Satz 2 und 3 HVM 2012 sei auch im Kontext der vorhergehenden Absätze für eine Ausnahme bzgl. der Fallzahlen zu sehen, wofür gerade auf das aktuelle Quartal abzustellen sei.
Soweit ein QZV für die kardiorespiratorische Polygraphie nach Nr. 30900 EBM zugebilligt werde, scheide eine Einbeziehung in eine Sonderregelung aus. Insofern liege eine vergleichbare Lage mit der Fallkonstellation vor, in der ein bestimmter Praxisschwerpunkt mit atypischen Leistungen mit Leistungen, die im Regelleistungsvolumen auch von der Fachgruppe erbracht würden, einhergehe. Insofern werde nach der Systematik des Bundessozialgerichts nicht auf Krankheitsbilder, sondern auf Leistungen abgestellt, denen in der Regel wieder besondere Krankheitsbilder zugrunde lägen. Soweit aber ein QZV eingeräumt werde, werde bereits eine Sonderregelung getroffen.
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben stehe fest, dass die Klägerin mit ihrem arztindividuellen Fallwert den Fallwert der Fachgruppe in den Quartalen IV/11 bis III/12 um über 20 % überschreite. Die Überschreitungen betrügen nach den Angaben der Beklagten 24,33 %, 28,87 %, 60,20 % bzw. 80,15 %. Lediglich im Quartal III/11 betrage die Überschreitung mit 16,0 % weniger als 20 %. Für die Leistungen nach Nr. 30901 EBM (kardiorespiratorische Polysomnographie) ergäben sich folgende Leistungsanteile:
Quartal IV/11 I/12 II/12 III/12
Nr. 30901 EBM
Anzahl 39 46 46 49
Wert aller Leistungen in EUR 12.233,52 14.429,28 14.429 15.370,32
Durchschnitt je Behandlungsfall in EUR 10,52 11,40 12,04 12,50
Fallwert der Fachgruppe in EUR 54,02 53,12 54,45 49,25
Leistungsanteil d. Kl. in % 19,5 21,5 22,1 25,4
Damit betrage der Leistungsanteil der Leistungen nach Nr. 30901 EBM nur in den Quartalen I bis III/12 mehr als 20 % und lägen im Quartal IV/11 die Voraussetzungen nicht vor.
Es könne hier dahinstehen, ob generell eine Praxisbesonderheit über mindestens vier Quartale zu beurteilen sei. Soweit wie vorliegend von fünf Quartalen die ersten beiden Quartale die 20 %-Grenze nicht erreichten, zeige dies, dass eine Praxisbesonderheit im Sinne der genannten Regelungen noch nicht bestanden habe. Ein Ausgleich bzw. die Vernachlässigung eines Quartals bei Unterschreiten der 20 %-Grenze komme nur im Sinne einer Schwankungsbreite in Betracht, wenn also das Quartal der Unterschreitung von den Vor- und Nachquartal mit einer Überschreitung der 20 %-Grenze flankiert werde.
Nach allem sei der Klage für die Quartale I bis III/12 stattzugeben gewesen. Bei einer Neubescheidung habe die Beklagte hinsichtlich einer Sonderregelung ihr Ermessen auszuüben und die Leistungen nach Nr. 30901 EBM auf der Grundlage der aktuellen Abrechnungsquartale I bis III/12 zu berücksichtigen. Entsprechend sei die Klägerin über ihren Honoraranspruch für diese Quartale neu zu bescheiden.
Die Klage sei aber im Übrigen - für die Quartale III und IV/11 - abzuweisen gewesen. Die angefochtenen Bescheide für die Quartale III und IV/11 seien rechtmäßig. Die Beklagte habe im Ergebnis zutreffend das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen aus den von der Kammer genannten Gründen verneint. Insofern habe sie auch das Honorar für diese Quartale nicht fehlerhaft festgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruhe auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trage die Kosten des Verfahrens.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 8. September 2014 zugestellten erstinstanzlichen Gerichtsbescheid am 6. Oktober 2014 Berufung eingelegt.
Die Klägerin hat gegen den ihr ebenfalls am 8. September 2014 zugestellten Gerichtsbescheid am 7. Januar 2015 Anschlussberufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Gerichtsbescheid sei, soweit er der Klage stattgegeben habe, rechtswidrig.
Ziffer 3.5 HV gebe ihrem Vorstand in Bezug auf die Zuerkennung von Sonderregelungen einen Ermessensspielraum, von dem der Vorstand mit seinem Beschluss vom 14. Februar 2011 auch Gebrauch gemacht habe. Weiteres Ermessen sei nicht auszuüben. Sie habe sich aber auch in den Widerspruchsbescheiden mit der Frage, ob ein anderes als das Aufsatzquartal für die Berechnung einer Praxisbesonderheit herangezogen werden müsse, beschäftigt und hierzu ausgeführt. Dabei sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass der klägerische Praxisumzug im Quartal III/11 ein unternehmerisches Risiko darstelle, weshalb es auch keine Veranlassung gegeben habe, von der üblichen Vorgehensweise abzuweichen. Ein Ermessensnichtgebrauch liege daher auch insoweit nicht vor. Sie habe ihr Ermessen, indem sie auf das Aufsatzquartal abgestellt habe, auch korrekt ausgeübt. Die gesamte RLV-Systematik stelle auf das Vorjahresquartal ab, wodurch das zugewiesene RLV auf den Werten des entsprechenden Vorquartals beruhe. Dies gelte nicht nur für die RLV-Fallzahlen, sondern auch für die Fachgruppen-Fallwerte, die sich nach den Abrechnungsdaten des Vorjahres bemäßen. Da die Regelungen zu den Praxisbesonderheiten in Teil F der Beschlüsse des Bewertungsausschusses und unter 3. HV (Festsetzung der Regelleistungsvolumen, qualifikationsgebundene Zusatzvolumen und "freie Leistungen") geregelt seien, dürfe man davon ausgehen, dass bei der Ermittlung von Praxisbesonderheiten von den Grundsätzen der RLV-Systematik nicht abgewichen werden solle. Diese Festlegungen seien für die Beklagte auch bindend. Die Regelleistungsvolumina sollten einer Mengen- und Leistungsausweitung entgegenwirken. Es sei folgerichtig, wenn diese Intention auch bei den Praxisbesonderheiten verfolgt werde.
Aus der Entscheidung des BSG vom 19. Juni 2011 ergebe sich nichts anderes. Dieses Urteil sei kontextbezogen zu betrachten; insbesondere sei zu beachten, dass in den Quartalen, auf die es sich beziehe, für die Berechnung des RLV auf das aktuelle Abrechnungsquartal, nicht auf das Vorjahresquartal, abzustellen gewesen sei. Das hier relevante Problem, ob es für die Ermittlung der Praxisbesonderheiten auf ein anderes als das Vorjahresquartal ankomme, habe sich für das BSG damals mithin gar nicht gestellt. Die dortigen Ausführungen seien auf die jetzige Rechtslage daher insoweit nicht übertragbar. Insofern sei die Rechtslage, auch angesichts unterschiedlicher Entscheidungen der Instanzgerichte in diesem Punkt, noch nicht höchstrichterlich geklärt und die Revision zuzulassen.
Gerade im konkreten Fall sei ein Abweichen hiervon im Übrigen auch nicht sachgerecht. Die Klägerin habe ihre Praxistätigkeit geändert, um in größerem Umfang Schlaflaborleistungen anbieten zu können, was eine unternehmerische Entscheidung sei. Nach der Auffassung des BSG (vgl. Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 44/12 R, juris, Rn. 53) sei es dem unternehmerischen Risiko des Vertragsarztes zuzurechnen, wie er seine Praxistätigkeit gestalte, insbesondere auch, in welchem Umfang er vertragsärztlich tätig werde. Nach dem BSG sei es zulässig, eine Praxis grundsätzlich eine Zeitlang an ihrem Praxis- und Honorierungsumfang festzuhalten (a.a.O, Rn. 43). Dies werde durch die verzögerte Berücksichtigung, die mit der Anknüpfung an das Vorjahresquartal einhergehe, erreicht. Sie habe ihr Ermessen daher nicht zugunsten der Klägerin ausüben müssen. Der Rechtsgedanke der obigen Entscheidung des BSG sei auf das hiesige Verfahren anwendbar, denn auch hier werde im Grunde eine Sonderregelung begehrt. Zudem habe das Sozialgericht unberücksichtigt gelassen, dass über Anträge auf Sonderregelung zeitnah und vor Zugang des Honorarbescheides entschieden werden solle. Dies sei aber aus verwaltungspraktischen Gründen nicht möglich, wenn man die aktuellen Werte für die Berechnung heranziehen müsse.
Selbst wenn man die Auffassung des Sozialgerichts für korrekt halte, sei die Berechnung des Gerichts zur Ermittlung des Leistungsanteils falsch. Nach dem Wortlaut von Ziffer 3.5 HV müsse eine Überschreitung von mindestens 20 % des eigenen Leistungsanteils gegeben sein, damit eine Praxisbesonderheit vorliegen könne, nicht von 20 % des Fachgruppenfallwertes. Andernfalls könne jeder Arzt, dessen Fallwert den durchschnittlichen Fallwert seiner Arztgruppe um 20 % überschreite, einen Anspruch auf Anerkennung einer Praxisbesonderheit haben, wenn er irgendeine Leistung erbringe, die keine Kernleistung sei, unabhängig vom Leistungsanteil. Dies führe nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Genauso wenig sei es sachgerecht, den auf die Abrechnung der Ziffer 30900 entfallenden Leistungsanteil mit zu berücksichtigen, denn diese Ziffer werde gesondert in dem QVZ 9 abgebildet und nicht im RLV. Hiervon ausgehend, liege bei der Klägerin nur in den Quartalen II/12 und III/12 eine (geringfügige) Überschreitung der 20 %-Grenze vor.
Wegen der vom BSG verlangten Härtefallklausel habe die Beklagte eine Regelung in Ziffer 3.7 HV geschaffen. Härtefall und Praxisbesonderheiten seien zwei unterschiedliche Bereiche. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Ziffer 3.7 HV lägen hier offensichtlich nicht vor.
Hinsichtlich der Quartale I/12 bis III/12 sei die Klägerin im Übrigen nicht mehr beschwert, weil sie für die Quartale II/13 bis IV/13 eine Sonderregelung zum RLV erhalten habe.
Die unselbständige Anschlussberufung sei unzulässig, weil sie einen anderen Streitgegenstand als den der Berufung betreffe.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 29. August 2014 zu ändern und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung, unter entsprechender Änderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Marburg vom 29. August 2014 den Bescheid vom 13. April 2012 auch, soweit mit diesem die Gewährung einer Sonderregelung im Rahmen des RLV für das Quartal IV/11 abgelehnt wurde, sowie den Honorarbescheid für das Quartal IV/11 vom 2. April 2012, soweit dort kein Honorar für die nach Ziffer 30901 EBM erbrachten Leistungen gewährt wurde, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2013, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über die Anträge der Klägerin auf Erhöhung des Regelleistungsvolumens und über das ihr zusätzlich zustehende Honorar für das Quartal IV/11 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der erstinstanzliche Gerichtsbescheid sei nur teilweise rechtmäßig.
Es sei zutreffend, dass das BSG in dem Urteil vom 17. Juli 2013 (B 6 KA 44/12 R) bestätigt habe, dass bei der Bildung von Honorarkontingenten auch an die Verhältnisse in früheren Quartalen angeknüpft werden könne. Es sei dort um die grundsätzliche Bemessung des RLV auf Grundlage der Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses gegangen. Das BSG habe die entsprechenden Regelungen insbesondere aber auch deswegen als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar erachtet, weil das Instrument des RLV nicht isoliert zu betrachten sei, sondern weil auch die weiteren Honorarregelungen für Sonderfälle in den Blick zu nehmen seien (a.a.O, Rn. 43). Folgerichtig prüfe das BSG dann auch das Vorliegen von Härtefallgründen und Praxisbesonderheiten bezogen auf das jeweils aktuelle Quartal. Es weise auch ausdrücklich auf seine Rechtsprechung hin, wonach eine Härteklausel als notwendiges Korrelat des einjährigen Moratoriums in die Honorarbestimmungen hinein zu interpretieren sei, selbst wenn diese keine ausdrückliche Klausel enthielten. Das BSG habe zudem in dem obigen Urteil ausdrücklich auf Ziffer 3.4 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses Bezug genommen, in dem Praxisbesonderheiten geregelt seien. Dass für Praxisbesonderheiten auf das aktuelle Quartal abzustellen sei, ergebe sich auch aus der Auslegung der Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses sowie dem gültigen HV. Aus dem unter Ziffer 3.4. genannten Regelbeispiel - dass bei Vorliegen eines unverschuldeten Grundes, der zu einer niedrigeren Fallzahl des Arztes im Aufsatzquartal geführt habe, Ausnahmen von der Abstaffelung möglich seien - ergebe sich im Umkehrschluss, dass bei den übrigen Regelbeispielen auf das aktuelle Quartal abzustellen sei. Darüber hinaus sehe 3.5 des HV der Beklagten vor, dass diese in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen könne, insbesondere zu Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergäben. Mit dieser Regelung komme man der Forderung des BSG nach Einführung einer allgemeinen Härteklausel nach. Das BSG habe etwa in seinem Urteil vom 22. Juni 2005 (B 6 KA 80/03 R, Rn. 41), in dem es sich mit solchen Härteklauseln beschäftigt habe, darauf hingewiesen, dass auf Grundlage der Härteklausel eine Befreiung erfolge, die sich durch das veränderte Leistungsspektrum ergeben habe. Das geänderte Leistungsspektrum im Vergleich zum Vorjahresquartal begründe dementsprechend ausdrücklich die Anwendung der Härteklausel. Zudem habe der Erweiterte Bewertungsausschuss selbst am 15. Januar 2009 weitere Regelungen eingeführt, um Honorarverwerfungen zu vermeiden (Konvergenzverfahren, Begrenzungsregelungen zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten). Es handele sich jeweils um Mittel, um etwaige Ungerechtigkeiten, die sich durch das Abstellen auf das Vorjahresquartal ergäben, zu korrigieren.
Der Einwand der Beklagten, Anträge könnten beim Abstellen auf das aktuelle Quartal nicht zeitnah entschieden werden, sei nicht überzeugend. Zum einen dauere es sowieso regelmäßig eine gewisse Zeit, bis die Beklagte über Anträge entscheide, so dass bis zur Entscheidung dann erfahrungsgemäß genügend Daten vorlägen. Zum anderen könnten nach der Rechtsprechung Tatsachen, welche bei Bekanntgabe des RLV-Bescheides noch nicht bekannt gewesen seien und die sich auf das RLV und damit die Höhe des Honorars auswirkten, sogar noch im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, den Honorarbescheid betreffend, geltend gemacht werden. Nicht zuletzt sei es möglich, vorläufige Honorarbescheide zu erteilen oder Auflagen zu erlassen. Das BSG habe zudem ausdrücklich auf die Möglichkeit einer prognostischen Schätzung verwiesen.
Die Beklagte habe auch kein Ermessen ausgeübt. Ein Vorstandsbeschluss stelle keine Ermessensausübung im Einzelfall dar. Im Widerspruchsbescheid sei kein Ermessen ausgeübt worden. Auch habe über den Widerspruch der Widerspruchsausschuss und nicht der Vorstand entschieden. Schließlich werde mit dem Argument, der Umzug sei ein unternehmerisches Risiko, der vorliegende Streitgegenstand verkannt. Es gehe hier um die Honorierung fachgruppenatypischer Leistungen, für die anerkannt sei, dass es sich grundsätzlich um Praxisbesonderheiten handele, nicht um die Gewährung einer Härtefallregelung für getätigte Investitionen.
Die Voraussetzungen entsprechend des Vorstandsbeschlusses der Beklagten gemäß seiner Sitzung am 14. Februar 2011 seien erfüllt. Soweit die Beklagte meine, eine 20 % ige Überschreitung läge lediglich in den Quartalen II/12 und III/12 vor, seien die betreffenden Ausführungen und dazugehörigen Berechnungen nicht nachvollziehbar. Nach dem Wortlaut des 3.5 HV sei eindeutig, dass Bezugspunkt für die Überschreitung der durchschnittliche Fallwert der Arztgruppe sei. Selbst wenn man aber so rechne wie die Beklagte, müsse man, ausgehend von der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R, Rn. 21), das ganze besondere Leistungsangebot und nicht nur einen Teil – nämlich die Ziffer 30901 EBM - berücksichtigen. Aus dieser Rechtsprechung ergebe sich ausdrücklich, dass maßgeblich eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt sei. Ebenfalls einzubeziehen seien somit die nach Ziffer 30900 EBM erbrachten Leistungen, auch wenn diese bereits durch ein QZV erfasst würden. Zu unterscheiden seien insoweit die Tatbestandsseite – der Umfang der Spezialisierung – und die Rechtsfolgenseite – der Umfang der Erhöhung. Bei ersterem seien die durch das QZV erfassten Leistungen zu berücksichtigen, nur bei letzterem nicht.
Bei Einbeziehung auch der nach Ziffer 30900 EBM erbrachten Leistungen ergebe sich in sämtlichen Quartalen ein Anteil der Schlaflaborleistungen am eigenen Leistungsvolumen von deutlich über 20 %. Deswegen werde die erstinstanzliche Entscheidung auch angegriffen, soweit dort eine Sondervergütung für das Quartal IV/2011 abgelehnt worden sei.
Die unselbständige Anschlussberufung sei zulässig, auch wenn sie ein anderes Quartal betreffe als die Berufung. Das ergebe sich daraus, dass in allen Quartalen um eine einheitliche Rechtsfrage gestritten werde. Zudem müsse hier nach der Rechtsprechung des BSG eine Durchschnittsbetrachtung über mehrere Quartale vorgenommen werden, so dass schon deswegen eine isolierte Betrachtung eines einzelnen Quartals nicht möglich sei.
Weiteres Honorar auf Grundlage der Ziffer 3.7 HV werde in diesem Rechtstreit nicht geltend gemacht.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Im Berufungsverfahren noch streitgegenständlich ist die Gewährung einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für die Klägerin betreffend die Quartale IV/11 bis III/12. Die klageabweisende Entscheidung des Sozialgerichts für das Quartal III/11 hat die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung nicht angegriffen, so dass über die Zubilligung einer Sonderregelung für dieses Quartal schon aus diesem Grunde nicht mehr zu entscheiden ist. Genauso wenig ist – unabhängig vom ursprünglichen Streitgegenstand – über eine Änderung des QZV zugunsten der Klägerin im Hinblick auf die Quartale IV/11 bis III/12 zu urteilen. Für das Quartal IV/11 folgt das daraus, dass die Anschlussberufung unzulässig ist. Für die anderen Quartale resultiert die Einschränkung des Prüfungsumfangs aus dem Umstand, dass das Sozialgericht der Klage nur in Bezug auf den Erhalt einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen stattgegeben hat und die Klägerin gegen diese Entscheidung ihrerseits nicht mit einem Rechtsmittel vorgegangen ist.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist sowohl zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, als auch begründet. Der Klage hätte nicht stattgegeben werden dürfen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für die Quartale I/12 bis III/12.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist die Regelung unter Abschnitt II Ziffer 3.5 S. 4 bis 6 des ab Januar 2011 geltenden Honorarvertrages 2011 (HV 2011), die auch für 2012 unverändert fortgalt (vgl. hierzu die gleiche Ziffer des ab 1. Januar 2012 beschlossenen Honorarverteilungsmaßstab – HVM – der Beklagten).
Satz 4 bis 6 des 3.5 lauten:
"Der Vorstand der KV Hessen kann außerdem im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliegt (RLV und QZV). Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen entscheidet hierüber im Einzelfall und informiert die Vertragsparteien."
Gegenüber dieser Vorschrift abweichende Bestimmungen des SGB V oder des Bewertungsausschusses gab es in den streitigen Quartalen nicht. Insbesondere die Regelungen des Bewertungsausschusses erschöpften sich in der Festlegung, dass die Praxisbesonderheiten zwischen den Partnern der Gesamtverträge zu regeln seien und sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergäben (vgl. Teil F, Ziffer I, 3.7 des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 mit Wirkung zum 1. Juli 2010, der gemäß Ziffer 1 b) S. 2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 S. 2 SGB V in seiner 266. Sitzung am 14. Dezember 2011 auch für 2012 noch galt). Eine darüber hinausgehende inhaltliche Normierung, wie sie noch in Teil F Ziffer 3.6 des Beschlusses des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 4 SGB V in seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008 getroffen worden war, bestand im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr.
Der Klägerin steht schon deswegen kein Anspruch auf Gewährung einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen zu, weil sie die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage nicht vollständig erfüllt. Ermessen war durch die Beklagten folglich nicht mehr auszuüben.
Zwar hat die Klägerin in allen betroffenen Quartalen mit ihren Honoraranforderungen jeweils das ihr zugewiesene arztbezogene Regelleistungsvolumen überschritten und auch die erforderlichen Anträge auf Gewährung einer Sonderregelung gestellt. Bei ihr bestehen aber keine Praxisbesonderheiten, die sich aus einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben.
Die Entscheidung darüber, ob eine Praxisbesonderheit in diesem Sinne vorliegt, ist gerichtlich voll überprüfbar; eine Einschätzungsprärogative steht der Kassenärztlichen Vereinigung insoweit nicht zu (s. nur BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –, juris, Rn. 25 m.w.N.). Dazu, unter welchen Bedingungen eine Praxisbesonderheit anzunehmen ist, führt das Bundessozialgericht (s. Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –, juris, Rn. 22 f.) zutreffend aus:
"Eine vom Durchschnitt abweichende Praxisausrichtung, die Rückschlüsse auf einen Versorgungsbedarf erlaubt, kann sich auch hier in einem besonders hohen Anteil der in einem speziellen Leistungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl zeigen. Zur Begründung einer versorgungsrelevanten Besonderheit genügt es allerdings nicht, lediglich ein "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen abzurechnen (vgl. dazu Urteil des Senats vom heutigen Tag - B 6 KA 20/10 R -). Die Überschreitung des praxisindividuellen RLV muss vielmehr darauf beruhen, dass in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden. Dabei wird es sich typischerweise um arztgruppenübergreifend erbrachte spezielle Leistungen handeln, die eine besondere (Zusatz-)Qualifikation und eine besondere Praxisausstattung erfordern ...
Besonderheiten einer Praxis streiten dann für eine Ausnahme von den RLV im Interesse der Sicherstellung, wenn der Anteil der Spezialleistungen am Gesamtpunktzahlvolumen überdurchschnittlich hoch ist. Dies wird in der Regel mit einem überdurchschnittlichen Gesamtpunktzahlvolumen einhergehen. Als überdurchschnittlich ist in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Senats zur Anerkennung eines Versorgungsschwerpunktes jeweils eine Überschreitung des Durchschnitts bzw. ein Anteil der Spezialleistungen von mindestens 20 % anzusehen. Um einerseits von einem dauerhaften Versorgungsbedarf ausgehen zu können, andererseits aber auch Schwankungen zwischen den Quartalen aufzufangen, ist nicht auf jedes einzelne Quartal abzustellen. Ausreichend ist, dass sich die Überschreitungen als Durchschnittswert in einem Gesamtzeitraum von vier aufeinander folgenden Quartalen ergeben "
Einen Teil dieser Anforderungen erfüllt die Klägerin mit ihrer Leistungserbringung in den Quartalen I/12 bis III/12 noch. Sie hat mit den Ziffern 30900 (Kardiorespiratorische Polygraphie) und 30901 EBM (Kardiorespiratorische Polysomnographie) in diesem Zeitraum nämlich arztgruppenübergreifende spezielle Gebührenordnungspositionen abgerechnet. Die Durchführung der durch diese Ziffern vergüteten schlafmedizinischen Untersuchungen erfordert zudem sowohl eine besondere ärztliche Qualifikation als auch eine besondere technische Ausstattung der Praxis. Darüber hinaus war die Klägerin eine der wenigen Praxen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, die Leistungen dieser Art erbracht hat.
Die Bejahung einer Praxisbesonderheit scheitert jedoch im Ergebnis daran, dass die besonderen Leistungen in den Quartalen I/12 bis III/12 nicht den erforderlichen Anteil an der Gesamtleistungserbringung erreicht haben. Das gilt sowohl, wenn man den Anteil nach den Vorgaben der Ziffer 3.5 Satz 5 HVM berechnet als auch dann, wenn man die für die Klägerin günstigste Berechnungsweise nach Maßgabe der bundessozialgerichtlichen Entscheidung vom 29. Juni 2011 (B 6 KA 17/10 R) zugrunde legt. Dahingestellt bleiben kann vorliegend weiter, ob der Ansatz der Beklagten, die Werte arzt- und nicht praxisbezogen zu ermitteln, korrekt ist, denn selbst bei arztbezogener Berechnung (bei der nur das Honorar des die Sonderleistung erbringenden Arztes, hier also des Herrn Dr. A., einbezogen wird, was für die Klägerin erheblich günstiger ist als die praxisbezogene Berechnung) wird der notwendige Anteil unterschritten.
Berechnet man den Anteil unter Zugrundelegung der Anforderungen der Ziffer 3.5 Satz 5 HVM, ist in einem ersten Schritt festzustellen, in welchem Umfang der durchschnittliche Fallwert der Arztgruppe überschritten wird. Diesem ist hierfür, wie auch von der Beklagten angenommen, der arztindividuelle Fallwert gegenüberzustellen, wobei Ausgangspunkt für die Prozentberechnung der Fallwert der Arztgruppe ist.
Allerdings ist, entgegen der Auffassung der Beklagten, Bezugszeitraum für die maßgeblichen Zahlen nicht das Aufsatzquartal, sondern das Quartal, für das die Sonderregelung gefordert wird. Das folgt aus dem Sinn und Zweck der Norm. Denn die Sonderregelung wird wegen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung eingeräumt. Ihre vorrangige Aufgabe ist es daher gerade nicht, einen Arzt unter Berücksichtigung von dessen wirtschaftlichen Interessen individuell zu begünstigen, sondern es geht maßgeblich darum, eine ausreichende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Dass der Arzt seine Leistungserbringung über das ihm zuerkannte Regelleistungsvolumen hinaus ausgeweitet hat, wird insofern ausdrücklich gebilligt. Angesichts dieser Sachlage gibt es keine nachvollziehbaren Gründe, das RLV nicht sofort, sondern erst mit einjähriger Verzögerung anzupassen, indem die Werte statt dem aktuellen dem jeweiligen Aufsatzquartal entnommen werden.
Eine solche Auslegung der Bestimmung führt auch nicht dazu, dass sie verwaltungstechnisch nicht mehr umsetzbar wäre. Zwar trifft es zu, dass eine konkrete Berechnung erst nach dem Quartal, für das die Sonderregelung begehrt wird, stattfinden kann. Das ist aber unbedenklich. Zum einen steht sowieso erst nach Ablauf des jeweiligen Quartals fest, ob das RLV tatsächlich überschritten wurde und damit Bedarf an einer Erhöhung in Form einer Sonderregelung gegeben ist. Zum anderen gibt es ausreichende Möglichkeiten, z.B. durch eine vorläufige Bescheidung, bei Bedarf schon vorab, bevor die maßgeblichen Zahlen feststehen, eine Sonderregelung einzuräumen.
Hiervon ausgehend, ergibt der erste Berechnungsschritt, dass in allen drei Quartalen die 20 %-Grenze überschritten wird:
Tabelle 1
Quartal I/12 II/12 III/12
angefordertes RLV in EUR 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Anzahl Fälle 947 912 921
Arztindividueller Fallwert in EUR 80,40 78,82 79,99
Fallwert Fachgruppe in EUR 53,15 54,45 49,25
Differenz in EUR 27,25 24,37 30,74
Überschreitung in % 51,27 44,76 62,42
Damit sind die Voraussetzungen des Satz 5 allerdings noch nicht erfüllt, denn weiter erforderlich ist nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift, dass die zwanzigprozentige Überschreitung gerade auf den Praxisbesonderheiten beruht ("eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung ... von mindestens 20 %").
Ausgehend davon, dass alle abgerechneten Leistungen in gleichem Umfang zu der Überschreitung des RLV beigetragen haben, können sich die Praxisbesonderheiten nur in dem Ausmaß auf die Überschreitung ausgewirkt haben, in dem sie, im Verhältnis zur RLV-Gesamtanforderung des jeweiligen Quartals, ihrerseits abgerechnet und angefordert worden sind. In einem notwendigen zweiten Schritt ist daher festzustellen, welchen Anteil die abgerechneten, die Praxisbesonderheit begründenden Spezialleistungen bezogen auf die abgerechneten RLV-Gesamtleistungen ausmachen.
In diese Berechnung einbezogen werden dürfen, wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, nur die nach Ziffer 30901 EBM erbrachten Leistungen. Die über Ziffer 30900 abgerechneten Leistungen sind dagegen nicht berücksichtigungsfähig. Für sie war der Klägerin nämlich in den streitgegenständlichen Quartalen jeweils ein QVZ (Qualifikationsgebundes Zusatzvolumen) eingeräumt worden war. Diese Leistungen waren mithin separat vergütet worden und unterfielen dem RLV damit von vornherein nicht. Das schließt es schon denklogisch aus, auf sie bei der Entscheidung darüber, ob eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen zu gewähren ist, abzustellen. Würde man sie mit einrechnen, läge zudem eine doppelte Einbeziehung in die Honorarberechnung vor. Ob die Leistungen der Ziffer 30900 EMB innerhalb des QVZ zutreffend vergütet wurden, ist, wie bereits oben dargetan, nicht (mehr) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Es ergeben sich hiernach folgende prozentualen Anteile:
Tabelle 2
Quartal I/12 II/12 III/12
Wert der Leistung Ziffer 30901 EBM 313,68 313,68 313,68
Anzahl der Leistungen nach Ziffer 30901 EBM 46 46 49
Wert der Leistung nach Ziffer 30901 EBM in EUR 14.429,28 14.429,28 15.370,32
angefordertes Honorar für dem RLV unterfallende Leistungen in EUR (Dr. A.) 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Anteil Ziffer 30901 zu RLV-Gesamthonorar in % 18,95 20,07 20,86
Nur mit diesem prozentualen Anteil kann die spezielle Leistung zur Überschreitung des Fallwertes der Arztgruppe beigetragen haben.
Es errechnen sich insofern letztlich, setzt man die auf die Ziffer 30901 EBM bezogene Honoraranforderung zu der Gesamthonoraranforderung der jeweiligen Quartale ins Verhältnis, folgende Anteile:
18,95 % von 51,27 = 9,72 %
20,07 % von 44,76 = 8,98 %
20,86 % von 62,42 =13,02 %
Die erforderliche Überschreitungsgrenze von 20 % wird mithin, geht man von den Vorgaben des Ziffer 3.5 Satz 5 HVM aus, in keinem der Quartale erreicht.
Unerheblich ist, dass der Vorstandsbeschluss vom 13. September 2009 eine andere Berechnungsweise vorgibt, indem er die beiden oben dargelegten Rechenschritte nicht miteinander verknüpft, sondern sie als Voraussetzungen für das Vorliegen einer Praxisbesonderheit beziehungslos nebeneinander stellt, denn dieser Beschluss ist unwirksam. Er verstößt nämlich gegen die Vorgaben der Ziffer 3.5 Satz 5 HVM, der gerade eine solche Verknüpfung verlangt, und damit gegen höherrangiges Recht.
Es ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ob Ziffer 3.5 Satz 5 HVM mit den Vorgaben des Bundessozialgerichts, wie sie sich aus dessen Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R – ergeben, vereinbar ist. Denn selbst wenn man die Anforderungen aus dieser Entscheidung hier zugrunde legt, ergibt sich aus diesen kein für die Klägerin günstigeres Resultat. Zwar dürfte es nach dieser Entscheidung zumindest zulässig sein, hinsichtlich der 20 %-Grenze statt auf die Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe alleine auf den Anteil der Spezialleistungen am angeforderten RLV-Honorargesamtvolumen abzustellen (vgl. BSG, a.a.O., juris, Rn. 23). Rechnet man auf diese - für die Klägerin günstigste - Weise, wird der 20 % - Anteil, wie in Tabelle 2 dargestellt, in den Quartalen II/12 und III/12 überschritten. Allerdings hat das Bundessozialgericht - um sicherzustellen, dass es sich nicht um bloße Überschreitungen in einem einzelnen Quartal handelt, sondern dass ein dauerhafter Versorgungsbedarf vorliegt - für die Annahme einer Praxisbesonderheit, wie bereits dargetan, zutreffend ergänzend gefordert, dass bei der Ermittlung der Anteile nicht auf einzelne Quartale abzustellen ist, sondern dass zusätzlich jeweils auch die Werte der drei vorhergehenden Quartale miteinzubeziehen sind (BSG, a.a.O. Rn. 23). Auch diese Bedingung muss bei der Berechnung folglich beachtet werden.
Dementsprechend sind für das Quartal I/12 die Überschreitungen betreffend die Quartale II/11 bis IV/12, für das Quartal II/12 die Überschreitungen betreffend die Quartale III/11 bis I/12 und für das Quartal III/12 die Überschreitungen betreffend die Quartale IV/11 bis II/12 miteinzurechnen und es ist jeweils ein durchschnittlicher Überschreitungswert zu bilden.
Berechnet man die Überschreitungen aufgrund dieser Vorgaben, ergeben sich folgende Werte:
Quartal II/11 III/11 IV/11 I/12 II/12 III/12
Wert der Leistung Ziffer 30901 EBM 313,68 313,68 313,68 313,68 313,68 313,68
Anzahl der Leistungen nach Ziffer 30901 EBM 23 36 39 46 46 49
Wert der Leistung nach Ziffer 30901 EBM in EUR 7.214,64 11.292,48 12.233,52 14.429,28 14.429,28 15.370,32
angefordertes Honorar für dem RLV unterfallende Leistungen in EUR (Dr. A.) 59.764,10 62.995,15 69.165,50 76.134,16 71.883,53 73.669,27
Anteil Ziffer 30901 zu RLV-Gesamthonorar in % 12,07 17,93 17,69 18,95 20,07 20,86
Für das Quartal I/12 ermittelt sich dementsprechend eine Überschreitung von 16,66 % (12,07 % + 17,93 % + 17,69 % + 18,95 % = 66,64 %: 4), für das Quartal II/12 von 18,66 % (17,93 % + 17,69 % + 18,95 % + 20,07 % = 74,64 %: 4) und für das Quartal III/12 von 19,39 % (17,69 % + 18,95 % + 20,07 % + 20,86 % = 77,57 %: 4). Mithin wird auch, wenn man unter Zugrundelegung der bundessozialgerichtlichen Anforderungen rechnet, der erforderliche Anteil von 20 % in keinem der betroffenen Quartale erreicht.
Die Anschlussberufung der Klägerin hat bereits aus prozessualen Gründen keinen Erfolg.
Bei einer Anschlussberufung braucht zwar nicht die Berufungsfrist eingehalten zu werden, sie muss aber, um zulässig zu sein, den gleichen prozessualen Anspruch wie die Hauptberufung betreffen (s. nur statt vieler BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 6/09 R – juris, Rn. 18; Urteil vom 10. Februar 2005 – B 4 RA 48/04 R – juris, Rn. 33; Sommer, in: Roos/Wahrendorf, SGG, Kommentar, § 143 Rn. 31).
Daran fehlt es hier.
Die Entscheidung darüber, ob der Klägerin eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen zuzubilligen ist, erfolgte nämlich jeweils quartalsbezogen. Die Notwendigkeit, quartalsbezogen zu entscheiden, ergibt sich schon aus den gesetzlichen Vorgaben und wurde von der Beklagten auch in dieser Form umgesetzt, indem die jeweiligen Berechnungen immer pro Quartal vorgenommen wurden. Für jedes Quartal hat die Beklagte insoweit eine eigenständige Entscheidung im Sinne von § 31 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zehntes Buch (X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) getroffen, unabhängig davon, ob sie dabei einen oder mehrere Bescheide erlassen hat und ob die jeweils zu beantwortenden Rechtsfragen voneinander abweichen oder nicht (s. hierzu allgemein auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 6/09 R – juris, Rn. 19). Dass es sich bei den Sonderregelungen für die Quartale ersichtlich um jeweils unterschiedliche, getrennte Streitgegenstände handelt, zeigt auch der sozialgerichtliche Gerichtsbescheid, der der Klage nur hinsichtlich eines Teils der Quartale stattgegeben hat. Spätestens hierdurch ist somit eine (zulässige) Aufteilung des Streitgegenstandes nach Quartalen erfolgt (vgl. insoweit nur BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 6 KA 6/09 R – juris, Rn. 21).
Dementsprechend wäre die Anschlussberufung nur zulässig gewesen, wenn sie sich auf Quartale bezogen hätte, die bereits mit der Hauptberufung angegriffen worden waren. Das war hier aber nicht der Fall, denn die Anschlussberufung betrifft ausschließlich das Quartal IV/11, die Hauptberufung dagegen (nur) die Quartale I/12 bis III/12.
Gleiches gilt, soweit die Klägerin den Honorarbescheid für das Quartal IV/11 mit ihrem Rechtsmittel angreift.
Die Umdeutung der Anschlussberufung in eine eigenständige Berufung scheitert schon daran, dass die Klägerin diese nicht innerhalb der Berufsfrist von einem Monat nach Zustellung des sozialgerichtlichen Gerichtsbescheides, § 151 i.V.m. § 105 Abs. 2 S. 1 SGG, erhoben hat. Die erstinstanzliche Entscheidung, die mit einer korrekten Rechtsmittelbelehrung versehen war, ging ihrem Prozessbevollmächtigten nämlich ausweislich des von diesem unterschriebenen Empfangsbekenntnisses am 8. September 2014 zu, die Anschlussberufung wurde jedoch erst mit Schriftsatz vom 7. Januar 2015, der am gleichen Tag beim Landessozialgericht einging, eingelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
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