Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
43
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 43 KR 1087/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller für die Zeit vom 08.11.2016 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum 07.05.2017 mit extrakorporalen Lipid-Apherese-Behandlungen zu versorgen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der 2. geborene, bei der Antragsgegnerin versicherte Antragsteller leidet unter anderem an einer koronaren Gefäßerkrankung. Ende Mai 2015 erlitt er erstmals einen akuten subendokardialen Myokardinfarkt. Des Weiteren wurde eine isolierte Hyperlipoproteinämie mit kardiovaskulärer Erkrankung diagnostiziert. Nach stationären Behandlungen anlässlich des Herzinfarkt unter anderem in der Klinik L in F. stellte Dr. B. W. bei der Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) einen Antrag auf Kostenübernahme für eine extrakorporale Lipid-Apherese-Behandlung. Die Sachverständigen-Kommission Apherese der KVWL war in ihrer Sitzung vom 03.11.2015 mit dem Fall befasst und hielt auf Grundlage der Daten vom 02.06.2015 bis zum 20.08.2015 die Indikation zur Fortsetzung der konservativen Therapie für gegeben. Zusammenfassend kam sie zu dem Ergebnis, bisher sei keine Progression der Gefäßerkrankung belegt und daher nach den Richtlinien keine Indikation zur Aufnahme der Apherese-Therapie gegeben. Sonographisch sei bisher keine relevante PAVK oder CAVK dokumentiert. Trotzdem werde bei bedeutsamem Lp(a)-Risiko eine Kontrolle der Gefäßprovinzen empfohlen. Mit Schreiben vom 11.11.2015 (Eingang am 12.11.2015) übermittelte die Kommission der KVWL der Antragsgegnerin die Ergebnisse ihrer Sitzung vom 03.11.2015. Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin mit Bescheid vom 03.12.2015 unter Bezugnahme auf das Ergebnis und die Ausführungen der Apherese-Kommission der KVWL den Antrag ab. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein. Am 02.12.2015 beantragte er sodann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Kostenübernahme für die begehrte Behandlung. Das Sozialgericht Gelsenkirchen (S 11 KR 1776/15 ER) holte Befundberichte der den Antragsteller behandelnden Ärzte ein, wovon lediglich Dr. W. die medizinische Notwendigkeit für die Apherese-Behandlung bejahte. Das Sozialgericht lehnte den Antrag daraufhin mit der Begründung ab, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wurde der Beschluss des Sozialgerichts sodann mit Beschluss vom 30.05.2016 des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW, L 11 KR 152/16 B ER) abgeändert und die Antragsgegnerin auf Grundlage einer Folgenabwägung verpflichtet, den Antragsteller für die Zeit vom 01.06.2016 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, spätestens bis zum 31.11.2016 mit extrakorporalen Lipid-Apherese-Behandlungen zu versorgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2016 wies die Antragsgegnerin sodann den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode ohne positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) und ohne Abrechnungsmöglichkeit nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) könne die begehrte Behandlung nur ausnahmsweise von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein. Die Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmetatbestand seien vorliegend jedoch nicht gegeben. Im Übrigen sei nach der Stellungnahme der KVWL vom 11.11.2015 keine Progression der Gefäßerkrankung belegt. Die Antragsgegnerin setzte den Beschluss des Landessozialgerichts mit Bescheid vom 26.07.2016 um.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Antragsteller vor dem erkennenden Gericht am 08.08.2016 Klage. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 43 KR 1097/16 geführt.
Am gleichen Tag hat er erneut die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung stützt er sich auf das vorausgegangene Eilverfahren und führt ferner aus, er befinde sich in lebensbedrohtem Zustand bei Unterbrechung der Therapie. Die Antragsgegnerin habe entgegen den Erwartungen des LSG NRW den Sachverhalt im Widerspruchsverfahren nicht aufgearbeitet. Insbesondere sei die Apherese-Kommission nicht erneut gehört worden.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die regelmäßige extrakorporale Lipid-Apherese-Therapie zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, es sei mit Blick auf die Ausführungen der Apherese-Kommission der KVWL nicht erkennbar, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit obsiegen werde. Hinsichtlich der Eilbedürftigkeit verweist sie auf die Ausführungen der Ärzte im vorausgegangenen Eilverfahren S 11 KR 1776/15 ER. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens seien die Anspruchsvoraussetzungen erneut überprüft worden. Eine Notwendigkeit zur erneuten Befragung der Apherese-Kommission sei mangels neuer medizinischer Erkenntnisse nicht gegeben gewesen.
Mit Bescheid vom 10.08.2016 hat sie den Bescheid vom 26.07.2016 aufgehoben und die Kostenübernahme für die Versorgung mit der LDL-Apherese-Behandlung mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Das Gericht hat sodann Befundberichte von Dr. B. W. (Arzt für Innere Medizin/Nephrologie), Dr. G.-N. J. (Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie), vom F. Krankenhaus D. sowie vom T. E. eingeholt.
Dr. W. hat daraufhin mitgeteilt, den Antragsteller am 25.07.2016 zuletzt untersucht und behandelt zu haben. Der Antragsteller benötige aus medizinischer Sicht die Lipid-Apherese-Therapie unmittelbar und sofort, ein Zuwarten sei medizinisch nicht vertretbar und erhöhe die Gefahr für Leib und Leben des Antragstellers deutlich. Die Notfallambulanz des F. Krankenhauses hat mitgeteilt, den Patienten zuletzt vom 02.06.2015 bis zum 05.06.2015 untersucht und behandelt zu haben. Die Lipid-Apherese sei in Anbetracht der Laborwerte nicht indiziert. Die Ansicht der Apherese-Kommission der KVWL werde geteilt. Dr. N ... M. vom T. Hospital Dortmund hat dem Gericht mitgeteilt, den Antragsteller zuletzt am 02.06.2015 behandelt zu haben. Eine Lipid-Apherese sei zum Zeitpunkt der Behandlung nicht indiziert gewesen, die Auffassung der Apherese-Kommission werde geteilt. Eine adäquate Aussage könne jedoch nur bei Einholung aktueller Werte getroffen werden.
Im weiteren Verlauf hat Herr Dr. Velthof unter Vorlage eines Berichts des Kardiologen Dr. K. C. ergänzend dem Gericht mitgeteilt, am 27.09.2016 sei beim Antragsteller eine farbkodierte Duplexsonographie der Halsarterien durchgeführt und insoweit eine Artherosklerose mit flachen Plaques der Carotisstrombahn, mithin im Bereich der Halsarterien mit artherosklerotischen Gefäßerkrankungen festgestellt worden. Dafür werde in erster Linie die bekannte Lp(a)-Erhöhung verantwortlich sein. Vor diesem Hintergrund bestehe auch nach dem GBA die Indikation für eine Lipid-Apherese. Herr Dr. C. kommt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, die aktuellen Untersuchungen sprächen für einen stabilen Verlauf. Ein Ischämienachweis habe nicht geführt werden können. Trotz einer limitierten Sensitivität der aktuellen Diagnostik sei ein konservativ abwartender Weg aus kardiologischer Sicht aktuell vertretbar. Es bestehe eine altersbezogen akzelerierte Atherosklerose. Bei klinischer Stabilität werde eine kardiologische Kontrolluntersuchung nach 12 Monaten empfohlen.
Dr. J. hat schließlich mitgeteilt, den Patienten zuletzt am 12.07.2016 untersucht und behandelt zu haben. Eine unmittelbare Apherese-Behandlung sei medizinisch nicht erforderlich, mit der Eliminationsbehandlung könne noch zugewartet werden. Es solle zunächst eine aggressive Behandlung der weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren erfolgen. Der Auffassung der Apherese-Kommission werde zugestimmt.
Die Antragsgegnerin hat daraufhin mitgeteilt, die aktuellen Befundberichte einer erneuten medizinischen Prüfung zuzuführen. Der Antragsteller hat sodann eine kardiologische Stellungnahme von F. vom 13.10.2016 übermittelt. Dieser führt aus, es ergäben sich zahlreiche Risikofaktoren, die bisher nicht ausreichend gewertet worden seien. Aufgrund der vorgelegten Befunde werde die Entscheidung zur Durchführung einer Lipid-Apherese nachdrücklich unterstützt.
Des Weiteren hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Befundberichte veraltet seien. Die Apherese sei als "ultima-ratio-Behandlung" vorliegend dringlich indiziert. Im Übrigen seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) seit mehreren Wochen erfüllt. Gerade nach der aktuellen Entwicklung des Progresses stehe zu befürchten, dass der Antragsteller einen weiteren Infarkt mit wohlmöglich letalem Ausgang in Kauf nehmen müsse, sofern die streitgegenständliche Apherese nicht zeitnah zum Einsatz komme.
Auf Sachstandsanfragen des Gerichts hat die Antragsgegnerin sodann mitgeteilt, dass eine Antwort der KVWL noch ausstehe. Die Antragsgegnerin sei mit dem Leistungsbegehren im Übrigen erstmals am 12.11.2015 mit Schreiben der KVWL vom 11.11.2015 befasst gewesen. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht vor, da für diese Norm ein Vertrauen auf Kostenübernahme bestanden haben müsse und die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen dürfe, was bei der in Rede stehenden Behandlung jedoch der Fall sei. Der Antragsteller verweist diesbezüglich auf eine Entscheidung des Bayerischen LSG, die er zur Gerichtsakte gereicht hat. Ferner hat er ärztliche Stellungnahmen von T. (Radiologie) vom 26.10.2016 nach Vorstellung am 25.10.2016 überreicht, nach welcher sich für sein Alter bereits beginnende untypische arteriosklerotische Veränderungen finden. In allen Koronararterien fänden sich auffällige Softplaques, die zu einer Unregelmäßigkeit der Gefäßinnenwand geführt hätten, wodurch ein deutlich erhöhtes Risiko für einen erneuten Myokardinfarkt bestünde.
Das Gericht hat erneut bei der Antragsgegnerin um Mitteilung gebeten, ob eine Stellungnahme der KVWL erfolgt ist. Die Antragsgegnerin hat dann auf telefonische Nachfrage des Gerichts die Kontaktierung der Apherese-Kommission der KVWL anheimgestellt. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass möglicherweise die Stellungnahme der Kommission vor der Entscheidung nicht mehr abgewartet werden kann. Auf telefonische Nachfrage des Gerichts hat die KVWL mitgeteilt, dass die Kommission den Fall voraussichtlich in ihrer Sitzung am 15.11.2016, möglicherweise aber auch erst am 29.11.2016 erneut beraten werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Akte S 11 KR 1776/16 ER Bezug genommen.
II. Der Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem der Antragsteller eigene Rechte – insbesondere Leistungsansprüche – ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf eine reduzierte Prüfungsdichte und die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des An-ordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, in der sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen haben (siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007 – 1 BvR 3101/06). Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, a.a.O.). Dabei darf die einstweilige Anordnung grundsätzlich die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (LSG NRW, Beschluss vom 30.05.2016 – L 11 KR 152/16 B ER m.w.N.). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsachverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (LSG NRW, a.a.O. m.w.N.).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Antrag begründet. Die Folgenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus. Derzeit ist nicht sicher zu beurteilen, ob der Antragsteller im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Ein Fall des § 13 Abs. 3a SGB V (Genehmigungsfiktion) liegt mit Blick auf den Eingang des Schreibens der Apherese-Kommission am 12.11.2015 und die Bescheidung am 03.12.2015 nicht vor.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB V hat der Antragsteller Anspruch auf die begehrte ärztliche Behandlung als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nur im Rahmen der Empfehlung des GBA nach § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. der Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung, in deren Anlage I die Voraussetzungen zur Durchführung und Abrechnung von Apheresen in der vertragsärztlichen Versorgung geregelt sind. Nach § 3 Abs. 2 der Anlage können LDL-Apharesen bei isolierter Lp(a)-Erhöhung nur durchgeführt werden bei Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung über 60 mg/dl und LDL-Cholesterin im Normbereich sowie gleichzeitig klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierter progredienter kardiovaskulärer Erkrankung (koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder zerebrovaskuläre Erkrankungen).
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann nach den vorliegenden Unterlagen und der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht beurteilt werden. Die Daten aus den eingeholten Befundberichten sind teilweise veraltet. Schlüsse für dieses Verfahren lassen sich aus diesen (nicht aktuellen Daten) nicht ziehen. Aktuelle Werte für die Beurteilung der isolierten Lp(a)-Erhöhung liegen nicht vor. Die aktuellsten Angaben bzw. Stellungnahmen beruhen auf den Erhebungen von Dr. W. (letzte Vorsprache 25.07.2016) und Dr. J. (letzte Vorstellung am 12.07.2016) sowie Dr. C. (27.09.2016), T. (Untersuchung am 25.10.2016) sowie F. (wohl nur nach Aktenlage). Während Dr. W. bereits vor dem 27.09.2016 auf eine Gefahr für Leib und Leben des Antragstellers bei weiterem Zuwarten bzw. Aussetzen mit der Eliminationsbehandlung hingewiesen hat, hält Herr Dr. J. eine unmittelbare Apherese-Behandlung medizinisch nicht für erforderlich. Ausweislich der Untersuchung bei Dr. C. am 27.09.2016 hat es Veränderungen im Gesundheitszustand des Antragstellers gegeben (Atherosklerose mit flachen Plaques der Carotisstrombahn), welche auch die Antragsgegnerin veranlasst haben, die Apherese-Kommission der KVWL erneut mit dem Sachverhalt zu befassen. Aufgrund der Untersuchung vom 27.09.2016 bei Herrn Dr. C. und den so gewonnenen Ergebnissen in Form eines Progresses der atherosklerotischen Gefäßerkrankung bestätigt Dr. W. seine Auffassung. Für das Alter des Antragstellers untypische arteriosklerotische Veränderungen und ein deutlich erhöhtes Myokardinfarktrisiko hat auch T. am 25.10.2016 festgestellt. Gestützt wird dies grundsätzlich durch die Stellungnahme des F. Andererseits hält dieser einen konservativ abwartenden Weg aktuell für kardiologisch vertretbar.
Die insoweit erforderlichen weiteren Ermittlungen sind im Eilverfahren nicht geboten. Das Gericht hat zudem Bedenken, mit der Entscheidung bis zu erneuten Befassung der Angelegenheit der Apherese-Kommission zuzuwarten, zumal seitens der KVWL nicht sicher zugesagt werden kann, dass sich die Kommission am 15.11.2016 mit der Sache befassen und letztlich auch zu einem für den Antragsteller günstigen Ergebnis kommen wird.
Die möglichen gesundheitlichen Folgen bis zu einem letalen Ausgang überwiegen die Folgen, die bei einer zu Unrecht ergangenen Anordnung zum Nachteil der Antragsgegnerin einträten. Das finanzielle Risiko tritt gegenüber den Risiken des Antragstellers zurück (vgl. etwa LSG Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2015 – L 9 KR 99/15 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 07.09.2016 – L 5 KR 403/16 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Gründe:
I.
Der 2. geborene, bei der Antragsgegnerin versicherte Antragsteller leidet unter anderem an einer koronaren Gefäßerkrankung. Ende Mai 2015 erlitt er erstmals einen akuten subendokardialen Myokardinfarkt. Des Weiteren wurde eine isolierte Hyperlipoproteinämie mit kardiovaskulärer Erkrankung diagnostiziert. Nach stationären Behandlungen anlässlich des Herzinfarkt unter anderem in der Klinik L in F. stellte Dr. B. W. bei der Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) einen Antrag auf Kostenübernahme für eine extrakorporale Lipid-Apherese-Behandlung. Die Sachverständigen-Kommission Apherese der KVWL war in ihrer Sitzung vom 03.11.2015 mit dem Fall befasst und hielt auf Grundlage der Daten vom 02.06.2015 bis zum 20.08.2015 die Indikation zur Fortsetzung der konservativen Therapie für gegeben. Zusammenfassend kam sie zu dem Ergebnis, bisher sei keine Progression der Gefäßerkrankung belegt und daher nach den Richtlinien keine Indikation zur Aufnahme der Apherese-Therapie gegeben. Sonographisch sei bisher keine relevante PAVK oder CAVK dokumentiert. Trotzdem werde bei bedeutsamem Lp(a)-Risiko eine Kontrolle der Gefäßprovinzen empfohlen. Mit Schreiben vom 11.11.2015 (Eingang am 12.11.2015) übermittelte die Kommission der KVWL der Antragsgegnerin die Ergebnisse ihrer Sitzung vom 03.11.2015. Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin mit Bescheid vom 03.12.2015 unter Bezugnahme auf das Ergebnis und die Ausführungen der Apherese-Kommission der KVWL den Antrag ab. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein. Am 02.12.2015 beantragte er sodann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Kostenübernahme für die begehrte Behandlung. Das Sozialgericht Gelsenkirchen (S 11 KR 1776/15 ER) holte Befundberichte der den Antragsteller behandelnden Ärzte ein, wovon lediglich Dr. W. die medizinische Notwendigkeit für die Apherese-Behandlung bejahte. Das Sozialgericht lehnte den Antrag daraufhin mit der Begründung ab, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wurde der Beschluss des Sozialgerichts sodann mit Beschluss vom 30.05.2016 des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW, L 11 KR 152/16 B ER) abgeändert und die Antragsgegnerin auf Grundlage einer Folgenabwägung verpflichtet, den Antragsteller für die Zeit vom 01.06.2016 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, spätestens bis zum 31.11.2016 mit extrakorporalen Lipid-Apherese-Behandlungen zu versorgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2016 wies die Antragsgegnerin sodann den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode ohne positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) und ohne Abrechnungsmöglichkeit nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) könne die begehrte Behandlung nur ausnahmsweise von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein. Die Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmetatbestand seien vorliegend jedoch nicht gegeben. Im Übrigen sei nach der Stellungnahme der KVWL vom 11.11.2015 keine Progression der Gefäßerkrankung belegt. Die Antragsgegnerin setzte den Beschluss des Landessozialgerichts mit Bescheid vom 26.07.2016 um.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Antragsteller vor dem erkennenden Gericht am 08.08.2016 Klage. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 43 KR 1097/16 geführt.
Am gleichen Tag hat er erneut die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung stützt er sich auf das vorausgegangene Eilverfahren und führt ferner aus, er befinde sich in lebensbedrohtem Zustand bei Unterbrechung der Therapie. Die Antragsgegnerin habe entgegen den Erwartungen des LSG NRW den Sachverhalt im Widerspruchsverfahren nicht aufgearbeitet. Insbesondere sei die Apherese-Kommission nicht erneut gehört worden.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die regelmäßige extrakorporale Lipid-Apherese-Therapie zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, es sei mit Blick auf die Ausführungen der Apherese-Kommission der KVWL nicht erkennbar, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit obsiegen werde. Hinsichtlich der Eilbedürftigkeit verweist sie auf die Ausführungen der Ärzte im vorausgegangenen Eilverfahren S 11 KR 1776/15 ER. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens seien die Anspruchsvoraussetzungen erneut überprüft worden. Eine Notwendigkeit zur erneuten Befragung der Apherese-Kommission sei mangels neuer medizinischer Erkenntnisse nicht gegeben gewesen.
Mit Bescheid vom 10.08.2016 hat sie den Bescheid vom 26.07.2016 aufgehoben und die Kostenübernahme für die Versorgung mit der LDL-Apherese-Behandlung mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Das Gericht hat sodann Befundberichte von Dr. B. W. (Arzt für Innere Medizin/Nephrologie), Dr. G.-N. J. (Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie), vom F. Krankenhaus D. sowie vom T. E. eingeholt.
Dr. W. hat daraufhin mitgeteilt, den Antragsteller am 25.07.2016 zuletzt untersucht und behandelt zu haben. Der Antragsteller benötige aus medizinischer Sicht die Lipid-Apherese-Therapie unmittelbar und sofort, ein Zuwarten sei medizinisch nicht vertretbar und erhöhe die Gefahr für Leib und Leben des Antragstellers deutlich. Die Notfallambulanz des F. Krankenhauses hat mitgeteilt, den Patienten zuletzt vom 02.06.2015 bis zum 05.06.2015 untersucht und behandelt zu haben. Die Lipid-Apherese sei in Anbetracht der Laborwerte nicht indiziert. Die Ansicht der Apherese-Kommission der KVWL werde geteilt. Dr. N ... M. vom T. Hospital Dortmund hat dem Gericht mitgeteilt, den Antragsteller zuletzt am 02.06.2015 behandelt zu haben. Eine Lipid-Apherese sei zum Zeitpunkt der Behandlung nicht indiziert gewesen, die Auffassung der Apherese-Kommission werde geteilt. Eine adäquate Aussage könne jedoch nur bei Einholung aktueller Werte getroffen werden.
Im weiteren Verlauf hat Herr Dr. Velthof unter Vorlage eines Berichts des Kardiologen Dr. K. C. ergänzend dem Gericht mitgeteilt, am 27.09.2016 sei beim Antragsteller eine farbkodierte Duplexsonographie der Halsarterien durchgeführt und insoweit eine Artherosklerose mit flachen Plaques der Carotisstrombahn, mithin im Bereich der Halsarterien mit artherosklerotischen Gefäßerkrankungen festgestellt worden. Dafür werde in erster Linie die bekannte Lp(a)-Erhöhung verantwortlich sein. Vor diesem Hintergrund bestehe auch nach dem GBA die Indikation für eine Lipid-Apherese. Herr Dr. C. kommt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, die aktuellen Untersuchungen sprächen für einen stabilen Verlauf. Ein Ischämienachweis habe nicht geführt werden können. Trotz einer limitierten Sensitivität der aktuellen Diagnostik sei ein konservativ abwartender Weg aus kardiologischer Sicht aktuell vertretbar. Es bestehe eine altersbezogen akzelerierte Atherosklerose. Bei klinischer Stabilität werde eine kardiologische Kontrolluntersuchung nach 12 Monaten empfohlen.
Dr. J. hat schließlich mitgeteilt, den Patienten zuletzt am 12.07.2016 untersucht und behandelt zu haben. Eine unmittelbare Apherese-Behandlung sei medizinisch nicht erforderlich, mit der Eliminationsbehandlung könne noch zugewartet werden. Es solle zunächst eine aggressive Behandlung der weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren erfolgen. Der Auffassung der Apherese-Kommission werde zugestimmt.
Die Antragsgegnerin hat daraufhin mitgeteilt, die aktuellen Befundberichte einer erneuten medizinischen Prüfung zuzuführen. Der Antragsteller hat sodann eine kardiologische Stellungnahme von F. vom 13.10.2016 übermittelt. Dieser führt aus, es ergäben sich zahlreiche Risikofaktoren, die bisher nicht ausreichend gewertet worden seien. Aufgrund der vorgelegten Befunde werde die Entscheidung zur Durchführung einer Lipid-Apherese nachdrücklich unterstützt.
Des Weiteren hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Befundberichte veraltet seien. Die Apherese sei als "ultima-ratio-Behandlung" vorliegend dringlich indiziert. Im Übrigen seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) seit mehreren Wochen erfüllt. Gerade nach der aktuellen Entwicklung des Progresses stehe zu befürchten, dass der Antragsteller einen weiteren Infarkt mit wohlmöglich letalem Ausgang in Kauf nehmen müsse, sofern die streitgegenständliche Apherese nicht zeitnah zum Einsatz komme.
Auf Sachstandsanfragen des Gerichts hat die Antragsgegnerin sodann mitgeteilt, dass eine Antwort der KVWL noch ausstehe. Die Antragsgegnerin sei mit dem Leistungsbegehren im Übrigen erstmals am 12.11.2015 mit Schreiben der KVWL vom 11.11.2015 befasst gewesen. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht vor, da für diese Norm ein Vertrauen auf Kostenübernahme bestanden haben müsse und die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen dürfe, was bei der in Rede stehenden Behandlung jedoch der Fall sei. Der Antragsteller verweist diesbezüglich auf eine Entscheidung des Bayerischen LSG, die er zur Gerichtsakte gereicht hat. Ferner hat er ärztliche Stellungnahmen von T. (Radiologie) vom 26.10.2016 nach Vorstellung am 25.10.2016 überreicht, nach welcher sich für sein Alter bereits beginnende untypische arteriosklerotische Veränderungen finden. In allen Koronararterien fänden sich auffällige Softplaques, die zu einer Unregelmäßigkeit der Gefäßinnenwand geführt hätten, wodurch ein deutlich erhöhtes Risiko für einen erneuten Myokardinfarkt bestünde.
Das Gericht hat erneut bei der Antragsgegnerin um Mitteilung gebeten, ob eine Stellungnahme der KVWL erfolgt ist. Die Antragsgegnerin hat dann auf telefonische Nachfrage des Gerichts die Kontaktierung der Apherese-Kommission der KVWL anheimgestellt. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass möglicherweise die Stellungnahme der Kommission vor der Entscheidung nicht mehr abgewartet werden kann. Auf telefonische Nachfrage des Gerichts hat die KVWL mitgeteilt, dass die Kommission den Fall voraussichtlich in ihrer Sitzung am 15.11.2016, möglicherweise aber auch erst am 29.11.2016 erneut beraten werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Akte S 11 KR 1776/16 ER Bezug genommen.
II. Der Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem der Antragsteller eigene Rechte – insbesondere Leistungsansprüche – ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf eine reduzierte Prüfungsdichte und die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des An-ordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, in der sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen haben (siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007 – 1 BvR 3101/06). Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, a.a.O.). Dabei darf die einstweilige Anordnung grundsätzlich die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (LSG NRW, Beschluss vom 30.05.2016 – L 11 KR 152/16 B ER m.w.N.). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsachverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (LSG NRW, a.a.O. m.w.N.).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Antrag begründet. Die Folgenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus. Derzeit ist nicht sicher zu beurteilen, ob der Antragsteller im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Ein Fall des § 13 Abs. 3a SGB V (Genehmigungsfiktion) liegt mit Blick auf den Eingang des Schreibens der Apherese-Kommission am 12.11.2015 und die Bescheidung am 03.12.2015 nicht vor.
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB V hat der Antragsteller Anspruch auf die begehrte ärztliche Behandlung als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nur im Rahmen der Empfehlung des GBA nach § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. der Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung, in deren Anlage I die Voraussetzungen zur Durchführung und Abrechnung von Apheresen in der vertragsärztlichen Versorgung geregelt sind. Nach § 3 Abs. 2 der Anlage können LDL-Apharesen bei isolierter Lp(a)-Erhöhung nur durchgeführt werden bei Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung über 60 mg/dl und LDL-Cholesterin im Normbereich sowie gleichzeitig klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierter progredienter kardiovaskulärer Erkrankung (koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder zerebrovaskuläre Erkrankungen).
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann nach den vorliegenden Unterlagen und der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht beurteilt werden. Die Daten aus den eingeholten Befundberichten sind teilweise veraltet. Schlüsse für dieses Verfahren lassen sich aus diesen (nicht aktuellen Daten) nicht ziehen. Aktuelle Werte für die Beurteilung der isolierten Lp(a)-Erhöhung liegen nicht vor. Die aktuellsten Angaben bzw. Stellungnahmen beruhen auf den Erhebungen von Dr. W. (letzte Vorsprache 25.07.2016) und Dr. J. (letzte Vorstellung am 12.07.2016) sowie Dr. C. (27.09.2016), T. (Untersuchung am 25.10.2016) sowie F. (wohl nur nach Aktenlage). Während Dr. W. bereits vor dem 27.09.2016 auf eine Gefahr für Leib und Leben des Antragstellers bei weiterem Zuwarten bzw. Aussetzen mit der Eliminationsbehandlung hingewiesen hat, hält Herr Dr. J. eine unmittelbare Apherese-Behandlung medizinisch nicht für erforderlich. Ausweislich der Untersuchung bei Dr. C. am 27.09.2016 hat es Veränderungen im Gesundheitszustand des Antragstellers gegeben (Atherosklerose mit flachen Plaques der Carotisstrombahn), welche auch die Antragsgegnerin veranlasst haben, die Apherese-Kommission der KVWL erneut mit dem Sachverhalt zu befassen. Aufgrund der Untersuchung vom 27.09.2016 bei Herrn Dr. C. und den so gewonnenen Ergebnissen in Form eines Progresses der atherosklerotischen Gefäßerkrankung bestätigt Dr. W. seine Auffassung. Für das Alter des Antragstellers untypische arteriosklerotische Veränderungen und ein deutlich erhöhtes Myokardinfarktrisiko hat auch T. am 25.10.2016 festgestellt. Gestützt wird dies grundsätzlich durch die Stellungnahme des F. Andererseits hält dieser einen konservativ abwartenden Weg aktuell für kardiologisch vertretbar.
Die insoweit erforderlichen weiteren Ermittlungen sind im Eilverfahren nicht geboten. Das Gericht hat zudem Bedenken, mit der Entscheidung bis zu erneuten Befassung der Angelegenheit der Apherese-Kommission zuzuwarten, zumal seitens der KVWL nicht sicher zugesagt werden kann, dass sich die Kommission am 15.11.2016 mit der Sache befassen und letztlich auch zu einem für den Antragsteller günstigen Ergebnis kommen wird.
Die möglichen gesundheitlichen Folgen bis zu einem letalen Ausgang überwiegen die Folgen, die bei einer zu Unrecht ergangenen Anordnung zum Nachteil der Antragsgegnerin einträten. Das finanzielle Risiko tritt gegenüber den Risiken des Antragstellers zurück (vgl. etwa LSG Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2015 – L 9 KR 99/15 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 07.09.2016 – L 5 KR 403/16 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
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