L 4 AS 27/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 853/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 27/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zusammenhang mit einer endgültigen Festsetzung der bewilligten Leistungen. Dabei steht insbesondere die Frage der Einkommensanrechnung von Privatentnahmen aus einem von der Klägerin betriebenen Kleinunternehmen ("Eis- und Caféhaus") in Streit.

Die 1971 geborene Klägerin steht bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II und ist Inhaberin eines Eiscafés im Eigenheim ihrer Eltern, in welchem sie gemeinsam mit ihrem 2001 geborenen Sohn, N., lebt. Ihr wurden im hier maßgeblichen Zeitraum für ihren Sohn Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR sowie Unterhaltsleistungen in Höhe von 228,00 EUR monatlich überwiesen.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 247,00 EUR für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Juli 2011. Für August 2011 erfolgte eine vorläufige Bewilligung von Leistungen in Höhe von insgesamt 317,00 EUR, wovon 247,00 EUR auf die Klägerin sowie 70,00 EUR als "zusätzliche Leistung für die Schule für das Schuljahr 2011/2012" auf N. entfielen. Als "Gründe für die vorläufige Bewilligung" bezog sich der Beklagte auf die noch nicht feststehenden Einnahmen und Ausgaben aus der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin. Der Beklagte ging bei seinen Berechnungen bezüglich der Klägerin von einem Regelleistungsbedarf in Höhe von 364,00 EUR sowie einem Mehrbedarf für Alleinerziehung in Höhe von 44,00 EUR (insgesamt 408,00 EUR) sowie bezüglich des Sohnes grundsätzlich von einem Bedarf in Höhe der Regelleistung von 251,00 EUR aus. Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) wurden nicht berücksichtigt, da die Familie im Haus der Eltern der Klägerin wohne und mithin keine Kosten anfielen. Als Einkommen wurden für N. das Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR sowie die Unterhaltsleistungen in Höhe von 228,00 EUR in Ansatz gebracht. Im Hinblick auf den daraus resultierenden Gesamtbetrag (412,00 EUR) ergebe sich ein seinen Bedarf um 161,00 EUR übersteigendes Einkommen. Dieses wurde im Rahmen der "Einkommensverteilung" nunmehr bei der Klägerin berücksichtigt, so dass sich für sie noch ein Leistungsanspruch in Höhe von 247,00 EUR (408,00 EUR – 161,00 EUR) ergab. Unter Berücksichtigung der prognostizierten Betriebseinnahmen und -ausgaben ging der Beklagte vorläufig nicht von einem im Rahmen der Einkommensanrechnung zu berücksichtigenden Gewinn aus.

Mit Schreiben vom 4. November 2011 reichte die Steuerberaterin S. die abschließenden Angaben zum Einkommen der Klägerin aus der selbstständigen Tätigkeit für den Zeitraum von März bis August 2011 ein. Danach ergaben sich Verluste in Höhe von 96,21 EUR (März 2011), 1.595,55 EUR (April 2011), 1.134,79 EUR (Mai 2011), 758,51 EUR (Juni 2011), 113,18 EUR (Juli 2011) und 263,56 EUR (August 2011).

In der von der Steuerberaterin vorgelegten Summen- und Saldenliste waren jeweils sowohl Privatentnahmen aufgeführt als auch verbuchte Privateinlagen. Die Privatentnahmen beliefen sich auf folgende Beträge: 95,60 EUR (März 2011), 1.661,88 EUR (April 2011), 3.059,41 EUR (Mai 2011) 2.529,10 EUR (Juni 2011), 1.847,19 EUR (Juli 2011) und 2.252,93 EUR (August 2011), also auf insgesamt 11.446,11 EUR. Privateinlagen wurden in folgenden Höhen verbucht: 184,00 EUR (März 2011), 412,00 EUR (April 2011), 3.526,00 EUR (Mai 2011) 853,00 EUR (Juni 2011), 1.164,00 EUR (Juli 2011) und 3.910,30 EUR (August 2011), also insgesamt in Höhe von 10.049,30 EUR.

Mit Schreiben vom 30. August 2012 erbat der Beklagte ergänzende Erläuterungen zur Frage der in Ansatz gebrachten Raumkosten (nach einer Erklärung von 2010 würden diese von den Eltern getragen), zur Verwendung der Privatentnahmen und Herkunft der Privateinlagen sowie zum Ausgleich des Gesamtverlustes in einer vom Beklagten errechneten Höhe von 5.925,73 EUR.

Hierzu teilte die Klägerin mit, die früheren Angaben zu den Raumkosten hätten sich lediglich auf das Jahr 2010 bezogen. Wie aus den beigefügten Kontoinformationen zu Gas, Strom und Wasser ersichtlich sei, seien entsprechende Zahlungen 2011 aber ausschließlich durch die Klägerin von deren Geschäftskonto getätigt worden. Die Privatentnahmen seien "für Hort, Essengeld, Gerichtsvollzieher H., Pfändungen und Ratenzahlungen, Bußgelder sowie für die private Lebensführung für mich und meinen Sohn verbraucht" worden. Diese Entnahmen seien zum überwiegenden Teil durch Kindergeld- und Unterhaltszahlungen, SGB II-Leistungen sowie Unterstützung durch die Eltern der Klägerin finanziert worden. Dies gelte ebenso für den Ausgleich des Verlustes.

Nach der daraufhin von dem Beklagten gefertigten endgültigen Aufstellung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ging er auf der Grundlage der Angaben der Klägerin von folgenden Betriebsergebnissen aus: -96,21 EUR (März 2011), -1.880,55 EUR (April 2011), -850,48 EUR (Mai 2011), -405,95 EUR (Juni 2011), + 67,27 EUR (Juli 2011) und -263,56 EUR (August 2011). Hieraus folge für den streitgegenständlichen Zeitraum ein Gesamtverlust in Höhe von 3.429,48 EUR. Darüber hinaus errechnete der Beklagte die Differenzen zwischen den Privatentnahmen und Privateinlagen, woraus sich für April 2011 ein "Überhang" der Entnahmen in Höhe von 1.249,88 EUR, für Juni 2011 in Höhe von 1.676,10 EUR und für Juli 2011 in Höhe von 683,19 EUR ergab. Für März 2011 lagen die Entnahmen um 88,40 EUR unter den verbuchten Privateinlagen, im Mai 2011 um 466,59 EUR und im August 2011 um 1.657,37 EUR. Hieraus resultiere ein durchschnittlicher Überhang der Entnahmen um 232,80 EUR monatlich.

Am 5. März 2013 erließ der Beklagte einen Bescheid bezüglich der "Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruchs": Aus den Berechnungen habe sich insgesamt ein monatlicher Verlust und somit kein Anrechnungsbetrag ergeben. Die Klägerin habe jedoch im hier in Rede stehenden Zeitraum Privatentnahmen von monatlich durchschnittlich 232,80 EUR getätigt, wobei die Privateinlagen bereits "gegengerechnet" worden seien. Fielen Privatentnahmen höher aus als der tatsächliche Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit, so seien diese als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen. Leistungen wurden in monatlicher Höhe von 44,20 EUR endgültig festgesetzt. Daher habe die Klägerin im Zeitraum von März bis August 2011 monatlich um je 202,80 EUR (unter Berücksichtigung einer "Einkommensbereinigung" um 30,00 EUR) zu hohe Leistungen erhalten, ohne dass hierauf ein Anspruch bestanden habe. Der daraus resultierende Gesamtüberzahlungsbetrag in Höhe von 1.216,80 EUR sei gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) zu erstatten.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch: Es habe keine Privatentnahmen in den angegebenen Höhen gegeben. Es sei nicht vorstellbar, dass man mehr Geld entnehmen könne, als überhaupt vorhanden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe Einkommen aus den Privatentnahmen in Höhe von monatlich (durchschnittlich) 232,80 EUR sowie aus übersteigendem Kindergeld in Höhe von 161,00 EUR erzielt. Im Übrigen habe sie auch bestätigt, die Privatentnahmen zum Bestreiten des Lebensunterhalts verwandt zu haben.

Die Klägerin hat am 10. April 2013 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhoben, mit der sie ihr Begehren der Aufhebung der Erstattungsforderung gemäß Bescheid vom 5. März 2013 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2013) weiterverfolgt. Sie hat geltend gemacht, Privatentnahmen stellten nicht gleichzeitig Einkommen dar. Im Übrigen ließen sich die ermittelten Beträge auch nicht aus den betriebswirtschaftlichen Auswertungen entnehmen.

Der Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, dass sich zwar tatsächlich kein anzurechnender Gewinn ergeben habe, Privatentnahmen gleichwohl erfolgt seien, die der Klägerin zum Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden hätten. Soweit damit eine Schuldentilgung erfolgt sein sollte, sei dies unerheblich, weil Einnahmen primär für den Lebensunterhalt zu verwenden seien.

Mit Urteil vom 10. Dezember 2014 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Festsetzungs- und Erstattungsbescheides vom 5. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2013 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2011 Leistungen in Höhe von monatlich 247,00 EUR endgültig zu gewähren, so dass die Erstattungsforderung aufgehoben werde. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III könne der Leistungsträger über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs voraussichtlich längere Zeit erforderlich sei, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorlägen und der Hilfebedürftige die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehenden Umstände nicht zu vertreten habe. Aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen seien auf die zustehende Leistung anzurechnen (§ 328 Abs. 3 SGB III). Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde, seien aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten. Nach diesen Grundsätzen sei die vorläufige Bewilligung mit Bescheid vom 3. Mai 2011 zu Recht erfolgt, so dass der Beklagte bei der endgültigen Bewilligung zutreffenderweise auf § 328 SGB III abgestellt habe. Die Klägerin sei auch leistungsberechtigt im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen. Der Bedarf errechne sich aus dem Regelbedarf in Höhe von 364,00 EUR zuzüglich eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in Höhe von 44,00 EUR. Ein Bedarf gemäß § 22 SGB II (KdU) sei nicht gegeben. Vom Gesamtbedarf der Klägerin in Höhe von 408,00 EUR sei kein Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II aus selbstständiger Tätigkeit bzw. aus Privatentnahmen abzuziehen. Nach Abzug der Betriebsausgaben von den Betriebseinnahmen entsprechend der Regelung des § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-V) ergebe sich ein Verlust, was zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht umstritten sei. Die Privatentnahmen (in Geld) seien nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Die auf den Summen- und Saldenlisten ersichtlichen Kontobewegungen stellten in der Regel lediglich die Entnahme liquider Mittel aus gegenwärtig erzieltem bzw. in der Vergangenheit nicht verbrauchtem Gewinn dar. Privatentnahmen beruhten auf der Verfügungsbefugnis des Selbstständigen und würden der Substanz entnommen. Eine wertmäßige Steigerung, die eine Anrechnung als Einkommen rechtfertigen würde, sei darin nicht zu sehen.

Der im Haushalt lebende minderjährige Sohn habe seinen Bedarf (Sozialgeld in Höhe von 251,00 EUR) durch eigenes Einkommen selbst decken können und deshalb nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II stelle Kindergeld Einkommen des Kindes war, soweit es zur Deckung des eigenen Bedarfs benötigt werde. Verfüge das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf zu decken, scheide es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der nicht benötigte Teil des Kindergeldes werde dem Kindergeldberechtigten entsprechend den Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) als Einkommen zugerechnet. Für den Sohn sei Unterhalt in Höhe von monatlich 228,00 EUR sowie Kindergeld in Höhe von monatlich 184,00 EUR gezahlt worden. Es habe somit ein den Kindesbedarf übersteigendes Kindergeld in Höhe von 161,00 EUR vorgelegen, welches dann als Einkommen der kindergeldberechtigten Klägerin im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II berücksichtigungsfähig gewesen sei. Inwieweit von diesem Einkommen Absetzungen nach § 11b Abs. 1 SGB II vorzunehmen gewesen seien, könne aufgrund der Beschränkung des Klägerbegehrens dahinstehen. Ohne derartige Absetzungen ergebe sich ein Anspruch der Klägerin in Höhe von monatlich 247,00 EUR, so dass Leistungen durch sie nicht zu erstatten seien.

Gegen das ihm am 18. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19. Januar 2015 (Montag) Berufung eingelegt: Die Klägerin habe, obgleich kein anrechenbarer Gewinn vorgelegen habe, dem Betrieb Geldbeträge in Höhe von insgesamt 1.396,81 EUR entnommen, welche tatsächlich als Einkommen zur Verfügung gestanden hätten. Folgerichtig habe der Beklagte den sich hieraus ergebenden Durchschnitt auf den Leistungsanspruch der Klägerin angerechnet, so dass tatsächlich ein geringerer Leistungsanspruch verblieben sei und die zuvor bewilligten Leistungen gemäß § 328 Abs. 3 SGB III zur Erstattung zu stellen gewesen seien. Soweit die Klägerin geltend gemacht habe, die Einnahmen hätten der Schuldentilgung gedient, sei dies irrelevant; insbesondere "selbstständig aufstockende Leistungsempfänger" hätten Einnahmen zuerst für ihren Lebensunterhalt zu verwenden. Soweit die Klägerin etwaige Einnahmen anderweitig für Schuldentilgung verwandt habe, seien tatsächlich Geldmittel vorhanden gewesen, die dann grundsätzlich als Einkommen zu gelten hätten. Die Verwendung der Mittel spiele keine Rolle. Dies sei vom SG verkannt worden, indem es die Privatentnahmen nicht berücksichtigt habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 10. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Erwägungen in der angegriffenen Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht – unter Abänderung des Festsetzungs- und Erstattungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides – den Beklagten zur endgültigen Bewilligung von monatlichen Leistungen in Höhe von 247,00 EUR (anstelle der vom Beklagten festgesetzten 44,20 EUR) für den streitgegenständlichen Zeitraum von März bis August 2011 verurteilt und demgemäß die Erstattungsforderung über insgesamt 1.216,80 EUR (6 mal 202,80 EUR) aufgehoben.

1. Die Klage gegen den Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 5. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2013 ist zulässig, insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG statthaft. Das SG geht zu Recht davon aus, dass sich die Klägerin nur gegen eine gegenüber der ursprünglichen (vorläufigen) Bewilligung geringere endgültige Bewilligung für den streitgegenständlichen Zeitraum und die daraus resultierende Erstattungsforderung wendet. Aus der Antragsfassung ist zu entnehmen, dass es nach dem Klagebegehren bei der Höhe der bewilligten Leistungen gemäß dem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 3. Mai 2011 bleiben soll. Die Frage, ob der Klägerin – etwa im Hinblick auf fehlende Absetzungen vom anzurechnenden Einkommen gemäß § 11b Abs. 1 SGB II – möglicherweise sogar noch darüber hinausgehende Leistungen zustehen könnten, war somit bereits im Verfahren vor dem SG nicht Streitgegenstand. Für das Berufungsverfahren gilt dies darüber hinaus auch deshalb, weil ausschließlich der Beklagte Berufungsführer ist.

2. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 5. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin hat einen Anspruch auf die endgültige Bewilligung von Leistungen für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum von März bis August 2011 in Höhe von monatlich je 247,00 EUR. Mithin ist auch die Erstattungsforderung des Beklagten in Höhe von insgesamt 1.216,80 EUR rechtswidrig.

a) Zur Begründung wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 10. Dezember 2014 verwiesen, die sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen macht. Danach war für die Klägerin eine den Leistungsanspruch mindernde Einkommensanrechnung weder unter dem Gesichtspunkt eines aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Gewinns noch im Hinblick auf die als Privatentnahmen verbuchten Beträge vorzunehmen. Ein Gewinn ist wegen § 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V insbesondere auch nicht für Juli 2011 festzustellen, für den ein positives Betriebsergebnis angenommen worden ist. Denn nach dieser Vorschrift ist für den jeweiligen Bewilligungszeitraum zunächst das Gesamteinkommen zu berechnen und dann zu gleichen Teilen auf die einzelnen Monate zu verteilen. Im Hinblick auf das sich somit ergebende negative Gesamteinkommen im maßgebenden Bewilligungszeitraum ist daher für alle in Rede stehenden Monate das erzielte Einkommen mit "0" anzusetzen.

b) Auch aus den vom Beklagten geltend gemachten Erwägungen zur konkreten Verwendung der als Privatentnahmen verbuchten Mittel folgt kein anderes Ergebnis. Denn die Nichtberücksichtigung von Privateinnahmen als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II ergibt sich – wie schon vom SG überzeugend dargestellt – bereits aus der grundsätzlichen Erwägung, dass Privatentnahmen auf der Verfügungsbefugnis des Selbstständigen über sein Betriebsvermögen beruhen und daher der Substanz entnommen werden. Sie sind als Rechnungsposten beim Betriebsvermögensvergleich (vgl. § 4 Abs. 1 EStG) nicht das Ergebnis unternehmerischer Tätigkeit und damit kein Einkommen. Solche sonstigen Privatentnahmen wirken sich nicht Einnahmen erhöhend aus, weil sie bereits bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung berücksichtigt werden (s. hierzu Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. April 2007 – L 26 B 422/07 AS ER, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. April 2008 – L 7 AS 5626/07 ER-B, juris; vgl. auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 44/07 R, juris).

Auch wenn die entsprechenden Beträge zur Finanzierung des Lebensunterhalts der Klägerin und ihres Sohnes eingesetzt worden sind bzw. – nach der Intention des SGB II – vorrangig hierfür einzusetzen gewesen wären (ggf. anstelle einer etwaig vorgenommenen Tilgung privater und/oder betrieblicher Kredite), ändert dies also nichts an dem hier allein maßgeblichen Umstand der bloßen Entnahme aus der Substanz. Es handelt sich damit gerade nicht um das (positive) Ergebnis der unternehmerischen Tätigkeit, welches nach Maßgabe der Berechnungsmodalitäten des § 3 Alg II-V als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit gemäß § 11 Abs. 1 SGB II anzusetzen gewesen wäre. Eine anderweitige Möglichkeit der Berücksichtigung als Einkommen nach § 11 SGB II ist nicht erkennbar (so auch ausdrücklich LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O.). Obgleich die Mittel – wie vom Beklagten geltend gemacht – im Grundsatz für die Bestreitung des Lebensunterhalts tatsächlich zur Finanzierung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hätten, sind sie der Klägerin nach alldem jedenfalls nicht im Sinne des § 11 SGB II im Bewilligungszeitraum als Einkommen zugeflossen.

c) Etwas anderes folgt auch nicht aus den Erwägungen des Beschlusses des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. September 2011 – L 19 AS 1304/11 B, juris. Hiernach sind Privatentnahmen berücksichtigungsfähig, soweit die Entnahmen aus den laufenden Jahreseinnahmen erfolgen. Nur wenn in zurückliegenden Jahren ein entsprechender Gewinn im Betrieb verblieben sei und dessen Vermögen bilde, sei die Privatentnahme lediglich Vermögensverzehr und nicht dem Gewinn zuzurechnen. Begründet wird dies damit, dass es für die Gewinnermittlung des laufenden Jahres keinen Unterschied machen könne, ob die Einnahmen bis zum Jahresende beim Betriebsvermögen verbleiben und sodann im Rahmen der Steuerfestsetzung als Gewinn berücksichtigt werden oder ob sie zuvor entnommen und über § 4 Abs. 1 EStG dem Gewinn zugerechnet werden müssen. Grundlage der vom LSG Nordrhein-Westfalen getroffenen Differenzierung ist also jedenfalls die Erwirtschaftung eines Gewinns, der entweder zunächst im Unternehmen verbleibt und im Rahmen der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen oder aber bereits zuvor entnommen worden ist. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass ein tatsächlich angefallener Gewinn – unabhängig von einer etwaigen "sofortigen Entnahme" – im Ergebnis jedenfalls (genau einmal) Berücksichtigung findet. Diese Grundsätze lassen sich aber nicht auf die hiesige Konstellation übertragen, in der ein Gewinn (im laufenden Geschäftsjahr) gerade nicht erwirtschaftet worden ist. Denn in einer solchen Fallgestaltung kann eine Entnahme grundsätzlich nur aus der bereits zuvor vorhandenen Substanz erfolgt bzw. durch die "Auffüllung" des "Eigenkapitals" etwa aus eigenem Vermögen oder (bereits "angerechnetem") Einkommen (z. B. aus Kindergeld oder aus "angesparten" SGB II-Leistungen) finanziert worden sein.

d) Eine im verfahrensgegenständlichen Zeitraum maßgebliche Einkommenserzielung resultiert auch nicht aus einer – im "Parallelverfahren" L 4 AS 28/15 mitgeteilten –Darlehensgewährung (2.500,00 EUR) durch die Eltern. Unabhängig davon, ob es insoweit erheblich ist, dass dieses Darlehen nach dem Vortrag der Klägerin unmittelbar "in das Geschäft" geflossen sei bzw. der Tilgung eines zuvor bei der Sparkasse aufgenommenen betrieblichen Darlehens gedient habe, sind der Zeitpunkt des (mündlichen) Abschlusses des Kreditvertrages und der Auskehrung des Darlehensbetrages nicht erkennbar. Da das Darlehen wiederum der am 26. Juni 2012 erfolgten Rückzahlung eines betrieblich veranlassten Darlehens der Sparkasse gedient habe, kommt ein darauf basierender Zufluss im hier streitgegenständlichen Zeitraum (März bis August 2011) ohnehin nicht in Betracht. Hierzu bedarf es indes keiner näheren Ermittlungen. Denn jedenfalls sind Verwandtendarlehen mit Rückzahlungsverpflichtung nicht als Einkommen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R, juris). Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich um eine "verdeckte Schenkung" gehandelt hätte, zumal auch die Steuerberaterin S. (im oben genannten "Parallelverfahren") mit Schreiben vom 18. Februar 2016 insoweit ausdrücklich auf "geborgtes" Geld verwiesen hat.

3. Somit bleibt es dabei, dass lediglich das dessen Bedarf übersteigende Einkommen des Sohnes (monatlich 228,00 EUR Unterhalt + 184,00 EUR Kindergeld) in Höhe eines Kindergeldanteils von 161,00 EUR bei der Klägerin als monatliches Einkommen zu berücksichtigen ist. Damit sind der Klägerin Leistungen in der Höhe (endgültig) zu bewilligen gewesen, wie sie bereits mit dem ursprünglichen (vorläufigen) Bewilligungsbescheid vom 3. Mai 2011 zugesprochen worden waren. Wie vorstehend ausgeführt, ist das Begehren der Klägerin (lediglich) auf die Wahrung dieses "status quo" gerichtet. Ob der Beklagte bei der Einkommensanrechnung von dem Betrag in Höhe von 161,00 EUR noch Absetzungen gemäß § 11b Abs. 1 SGB II (insbesondere im Hinblick auf die "Versicherungspauschale" im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V in Höhe von 30,00 EUR) vorzunehmen gehabt und sich hieraus sogar ein noch höherer Leistungsanspruch der Klägerin ergeben hätte, kann somit dahinstehen.

Nach alldem ist die Entscheidung des SG, das ausgehend von einem endgültigen Leistungsanspruch von 247,00 EUR (Bedarf in Höhe von 408,00 EUR abzüglich des bei der Klägerin anzurechnenden Teils des Kindergeldes in Höhe von 161,00 EUR) die Erstattungsforderung des Beklagten vollständig aufgehoben hat, nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved