Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 R 388/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 5052/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Unter Aufhebung des Bescheides vom 21.05.2015 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 26.01.2016 wird festgestellt, dass der Beigeladene seit dem 26.07.2014 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 SGB IV zur Klägerin steht und insofern auch keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen streitig.
Die Klägerin ist eine Filmproduktionsgesellschaft, die Dokumentarfilme, Magazinbeiträge und Musikvideos produziert und Film- und Fernsehteams organisiert.
Der Beigeladene ist Kameramann.
Seit 26.07.2014 war der Beigeladene immer wieder als Kameramann für die Klägerin tätig. Die jeweilige Auftragsvergabe für ein bestimmtes Projekt erfolgte telefonisch. Schriftliche Vereinbarungen existieren nicht, auch kein Rahmenvertrag für die Tätigkeit. Die Klägerin bietet dem Beigeladenen Einsätze als Kameramann bei Filmproduktionen an, die die Klägerin ihrerseits im Auftrag eines Kunden, z.B. eines Fernsehsenders, erstellt. Die Klägerin arbeitet mit verschiedenen Kameraleuten zusammen. Welchem von diesen sie ein bestimmtes Projekt anbietet, hängt vorrangig von den Wünschen des jeweiligen Kunden ab. Denn die Auswahl des Kameramanns hat gestalterischen Einfluss auf die jeweilige Produktion, da jeder Kameramann seine eigene Handschrift oder Bildsprache hat.
Wird dem Beigeladenen ein Projekt angeboten, so ist er frei, dies anzunehmen oder nicht. Seine Entscheidung trifft er in Abhängigkeit seiner zeitlichen Verfügbarkeit und auch der Frage, ob er das jeweilige Projekt als für ihn passend erachtet.
Kommt ein – mündlicher - Vertrag für ein Projekt zustande, so nimmt der Beigeladene Kontakt auf mit dem zuständigen Regisseur, der ihm das geplante Projekt vorstellt. Der Beigeladene gibt dann eine Empfehlung ab, welches Kamera-Equipment zum Einsatz kommen sollte. Denn schon die Wahl der Kamera beeinflusst in gestalterischer Hinsicht den Film. Der Beigeladene äußert auch etwaige weitere Wünsche, welche Gerätschaften er für die filmische Arbeit benötigt, z.B. einen Kran. Der Beigeladene mietet das erforderli-che Kamera- Equipment nicht selbst an, sondern teilt der Klägerin mit, was angemietet werden soll. Die Anmietung erfolgt dann durch die Klägerin und auf deren Kosten. Ob alle Wünsche des Beigeladenen erfüllt werden, hängt vom Budget der Produktion ab.
Der Beigeladene hat auch selbst ein vollständiges Kamera- Equipment, das allerdings nur zum Einsatz kommt, wenn es für die Anforderungen des jeweiligen Projekts geeignet ist. Der Beigeladene hat weiterhin für die Ausübung seiner Tätigkeit eine Lichtanlage, für die er ca. 2.500.- Euro investiert hat. Er ist als Kameramann für die Lichtgestaltung am Drehort verantwortlich und bestimmt darüber eigenverantwortlich und unter Einsatz seines eigenen Equipments. Er wählt auch die Tageszeit für bestimmte Szenen unter Aspekten der Lichtgebung aus.
Um die Lichtanlage zum Drehort transportieren zu können, hat der Beigeladene einen großen PKW-Kombi. Er hat ferner ein eigenes Rig, für das er ca. 1.500.- Euro investiert hat. Dabei handelt es sich um eine an den Körper angepasste Vorrichtung, auf die eine Kamera aufgesetzt werden kann.
Am Drehort selbst bestimmt der Beigeladene in Absprache mit der Regie eigenverant-wortlich, wie, aus welcher Perspektive und mit welcher Lichtgestaltung er bestimmte Szenen aufnimmt. Teilweise bringt der Kameramann auch eigene Ideen zur Regie ein. Völlig eigenständig und ohne Mitwirkung der Regie sucht er im Übrigen Motive für Schnittbilder und nimmt diese nach eigenen Vorstellungen auf.
Der Beigeladene war für die Klägerin regelmäßig tätig, er schätzt den Anteil an seinen Gesamteinnahmen auf 70%. Aktuell ist der Beigeladene jedoch kaum für die Klägerin tätig wegen des ungeklärten sozialversicherungsrechtlichen Status. Er hat derzeit überwiegend Aufträge von Produktionsfirmen in Österreich,
Im Falle einer kurzfristigen Verhinderung, z.B. wegen Krankheit, sucht der Beigeladene einen Kameramann mit ähnlicher Bildgestaltung und schlägt diesen der Klägerin als Ersatz vor. Die Klägerin schließt dann für die Zeit der Verhinderung ihrerseits einen Vertrag mit dem Ersatzkameramann.
Der Beigeladene hat eigene Visitenkarten und einen Briefkopf für seine geschäftliche Korrespondenz. Eine Web-Site über seine Tätigkeit als Kameramann befindet sich im Aufbau. Der Beigeladene erhält seine Aufträge in aller Regel aufgrund Mundpropaganda, d.h., der jeweilige Kunde der Klägerin äußert aufgrund von Empfehlungen den Wunsch nach einem bestimmten Kameramann.
Im Falle der Schlechtleistung oder der schuldhaften Verursachung von Schäden ist der Beigeladene zum Schadensersatz verpflichtet. Ein solcher Haftungsfall ist auch bereits eingetreten: Der Beigeladene hatte im Rahmen eines Projekts seine Aufnahmen im falschen Format gemacht und hatte die Kosten zu tragen, die sich durch die notwendige Umformatierung ergaben.
Der Beigeladene hat keinen Arbeitsplatz in den Geschäftsräumen der Klägerin. Verwal-tungsarbeiten, wie z.B. Rechnungstellung, oder Projektvorbereitungsarbeiten führt er in seinem Homeoffice aus.
Der Beigeladene versteuert seine Einnahmen aus der hier streitigen Tätigkeit als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.
Die Tätigkeit als Kameramann erfordert laufende Fortbildung, da sich die Technik der Kameras fortlaufend weiterentwickelt. Der Beigeladene bildet sich aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten fort. Die Klägerin bietet ihm keinerlei Fortbildung.
Im Betrieb der Klägerin sind 5 Kameraleute fest angestellt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Kameramänner, sondern um Kameraassistenten, die weisungsgebunden in Filmproduktionen tätig werden. Sie haben – im Gegensatz zum Beigeladenen – keinen gestalterischen Freiraum im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin. Einer dieser 5 Kameraassistenten entwickelt sich aktuell weiter in Richtung Kameramann. Er ist aber noch nicht in der Lage, gestalterische Aufträge eigenverantwortlich durchzuführen. Vielmehr wird er von der Klägerin aktuell nur dann alleinverantwortlich an der Kamera eingesetzt, wenn es sich um Produktionen handelt, die keinerlei künstlerische Gestaltung verlangen (wie z.B. die Aufnahme eines Verkehrsstaus für eine Nachrichtensendung). Der Beigeladene ist für die Klägerin grundsätzlich als Kameramann tätig, nicht als Kameraassistent. Davon gab es eine Ausnahme am Anfang der Zusammenarbeit, als der Beigeladene die Kameraassistenz für einen Kameramann übernahm, mit dem er sich besonders gut verstand.
Der Beigeladene stellt der Klägerin nach Projektende seine Tätigkeit unter Ausweisung der Umsatzsteuer in Rechnung. Die Höhe der Bezahlung wird dabei zwischen Klägerin und Beigeladenem für jedes Projekt individuell ausgehandelt. Vereinbart wird entweder ein Pauschalhonorar für ein Projekt, oder eine an der Arbeitszeit bemessene Vergütung.
Die Klägerin hat für den Beigeladenen keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, weil sie, ebenso wie der Beigeladene selbst, von einer selbständigen Tätigkeit ausgeht.
Am 12.11.2014 beantragten die Beteiligten bei der Beklagten Statusfeststellung.
Die Beklagte stellte mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 21.05.2015 fest, dass der Beigeladene seit 26.07.2014 bei der Klägerin beschäftigt sei und demzufolge Versi-cherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeits-förderung bestehe. Sie begründet dies damit, dass die Merkmale für eine abhängige Be-schäftigung überwögen, nämlich im Hinblick auf terminliche Vorgaben für die Ablieferung des Endprodukts, Vorgaben für Produktionsabläufe, Begrenzung des eigenschöpferischen Anteils wegen Notwendigkeit der Absprache mit der Klägerin und den Autoren, Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Klägerin, Spesenübernahme durch die Klägerin und einer gewinnunabhängigen Vergütung auf Tagesbasis. Außerdem sei der Beigeladene verpflichtet, einen Drehbericht zu verfassen, und die Arbeitsmittel würden überwiegend durch die Klägerin gestellt. Demgegenüber schienen die Merkmale einer selbständigen Tä-tigkeit (Möglichkeit der Ablehnung von Aufträgen, projektbezogene, einzelvertragliche Verpflichtung, eine Ausschließlichkeitsvereinbarung, Einsatz eigener Kameras und Lichtanlage) nicht ins Gewicht.
Die Widersprüche des Beigeladenen und der Klägerin wurden mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2016 zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wurde zur Begründung vor allem ausgeführt, der Beigeladene übe keine programmgestaltende Tätigkeit aus, er liefere lediglich Bilder; die Entscheidung, welche Bilder verwendet würden, läge nicht bei ihm.
Dagegen erhob die Klägerin Klage, eingegangen beim Sozialgericht München am 29.02.2016.
Das Gericht hat den Kameramann C. zum Rechtsstreit beigeladen.
Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,
unter Aufhebung des Bescheides vom 21.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 26.01.2016 festzustellen, dass der Beigeladene als Kameramann seit 26.07.2014 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin steht und insofern auch keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten und ins-besondere der Anhörung der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.03.2017 wird auf den Inhalt der Akte des Sozialgerichts München und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klagefrist gewahrt. Zwar ist der Wider-spruchsbescheid der Klägerin schon am 27.01.2016 zugegangen, jedoch fiel der 27.02.2016 auf einen Samstag, sodass der Klageeingang am Montag, 29.02.2016 frist-wahrend war, §§ 87, 64 Abs. 3 SGG.
Die Klage ist auch begründet.
Der Beigeladene ist als Kameramann im Auftrag der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig. Der angefochtene Bescheid vom 21.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2016 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung: eine Tätig-keit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beschäftigt ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
Die persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und damit die Un-terordnung unter das umfassende Weisungsrecht des Arbeitgebers vor allem hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung.
Anhaltspunkte für selbständige Tätigkeit sind hingegen eine Tätigkeit im Rahmen einer selbst vorgegebenen Arbeitsorganisation, fehlendes Weisungsrecht, Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und ein eigenes Unternehmerrisiko.
Um festzustellen, in welchem sozialversicherungsrechtlichen Status eine Tätigkeit erfolgt, sind die Kriterien, die für Selbständigkeit sprechen, abzuwägen gegen die Kriterien, die für eine Beschäftigung sprechen. Welcher Status gegeben ist, richtet sich danach, welche Merkmale überwiegen. Auszugehen ist dabei vorliegend ausschließlich von den tatsächli-chen Verhältnissen, da schriftliche Vereinbarungen nicht existieren.
Zur Überzeugung des Gerichts wäre schon bei Berücksichtigung dieser allgemeingültigen Grundsätze der Statusfeststellung von einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen auszugehen. Es sprechen folgende gewichtige Aspekte für eine Selbständigkeit:
Der Beigeladene wird projektbezogen für die Klägerin tätig. Eine Rahmenvereinbarung im Sinne eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht. Auch sind zwischen Klägerin und Beigeladenem keine gleichbleibenden Konditionen für die Zusammenarbeit festgelegt, vielmehr wird die Bezahlung der Tätigkeit des Beigeladenen für jedes Projekt individuell ausgehandelt. Der Beigeladene ist völlig frei hinsichtlich der Frage, ob er ein Projekt übernehmen will oder nicht. Er stellt seine Arbeitskraft der Klägerin nicht umfassend zur Verfügung. Rechtliche Verpflichtungen gegenüber der Klägerin bestehen nur, wenn und soweit ein Auftrag angenommen wird.
Auch nach Auftragsannahme und innerhalb des jeweiligen Projekts überwiegen die Merkmale, die für Beschäftigung sprechen, nicht. Zum einen ist der Beigeladene gerade nicht in die betriebliche Organisation der Klägerin eigegliedert. Der Beigeladene hat bei der Klägerin keinerlei Arbeitsplatz, ihm wird der – für die Tätigkeit als Kameramann unerlässliche – große PKW Kombi nicht zur Verfügung gestellt. Auch hält die Klägerin für den Beigeladene keine Lichtanlage vor, die dieser für die Filmaufnahmen braucht. Vielmehr hat der Beigeladene die Lichtanlage, den PKW und eine komplette Filmkameraausrüstung selbst angeschafft, und dies in Ungewissheit, ob er entsprechende Aufträge bekommen würde, um diese Investitionen und einen Gewinn zu erwirtschaften.
Bei der Klägerin arbeiten auch keine Festangestellten mit dem gleichen Tätigkeitsspektrum wie der Beigeladene. Die Tätigkeit der angestellten Kameraassistenten ist nicht vergleichbar mit der Tätigkeit des Klägers - auch nicht die Tätigkeit des Kameraassistenten, der sich aktuell in der Weiterentwicklung zum Kameramann befindet. Denn dieser hat gerade nicht die gestalterischen Freiräume, die der Beigeladene hat, sondern er arbeitet weisungsgebunden.
Die Klägerin ist im Übrigen auf die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl selbständiger Kameraleute angewiesen, da sie ihren Kunden eine breite Auswahl verschiedener Kameraleute anbieten muss, um ihr Geschäftsmodell umzusetzen. Dementsprechend hat die Klägerin auch selbst keinen Angestellten, der für den Beigeladenen bei kurzfristiger Verhinderung einspringen könnte. Vielmehr muss der Beigeladene seinen Ersatz selbst suchen.
Im Übrigen besteht auch keine persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen gegenüber der Klägerin, die mit der Abhängigkeit eines Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber vergleichbar wäre. Zum einen ist der Beigeladene gegenüber der Klägerin nicht wirtschaftlich abhängig, was schon aus der Tatsache ersichtlich ist, dass er seit Erlass des Statusbescheides kaum mehr Aufträge von der Klägerin angenommen hat, sondern nun-mehr für andere Auftraggeber, vornehmlich in Österreich, tätig ist. Zum anderen ist die Tätigkeit des Beigeladenen als Kameramann nicht durch Vorgaben der Klägerin eingeschränkt, die einem Arbeitgeberdirektionsrecht gleichzusetzen wären. Die Klägerin nimmt keinerlei Einfluss auf die Bildgestaltung oder die technische Umsetzung der Ideen zur Bildgestaltung durch den Beigeladenen. Über die Bildgestaltung entscheidet der Beigeladene vielmehr eigenverantwortlich, in Absprache mit der Regie. Der Autor ist für den Inhalt eines Films verantwortlich, der Regisseur für die szenische Umsetzung, der Kameramann für die Frage, wie, mit welchem Licht, zum Teil auch, mit welchem Motiv oder Hintergrund die Szene bildlich eingefangen wird. Die Bildgestaltung umfasst dabei z.B. auch die Frage, mit welcher Blende gefilmt wird. Hier bringt der Beigeladene eigenes gestalterisches Fachwissen ein, über das kein anderes Mitglied des Filmteams verfügt.
Der Beigeladene wird im Übrigen in seiner Tätigkeit nicht von der Klägerin kontrolliert. Der Drehbericht, der am Ende des Drehtages zu erstellen ist, ist kein Arbeitgeber-Kontrollinstrument, sondern dient der Dokumentation der erbrachten Leistungen, wie ein im Werkvertragsrecht z.B. üblicher Regiebericht. Auch die Tatsache, dass am Projektende eine Abnahme stattfindet, ist keinesfalls ein Indiz für Beschäftigung – die Abnahme ist ganz im Gegenteil typisches Merkmal eines Werkvertrags. Auch die Übernahme von Spesen und Reisekosten durch die Klägerin ist kein Indiz für Beschäftigung, da dies auch im Bereich selbständiger Tätigkeiten durchaus üblich ist.
Es finden sich durchaus auch Indizien, die für Beschäftigung sprechen, jedoch überwiegen diese nicht:
Für Beschäftigung spricht vorliegend, dass der Beigeladene das Kamera- Equipment in der Regel nicht selbst stellt. Zwar hat er eine Kameraausrüstung, jedoch passt diese nicht immer zu den Anforderungen des filmischen Projekts. Passt seine Ausrüstung nicht, empfiehlt er im Rahmen seiner künstlerischen Gestaltungsfreiheit, welche Kamera zum Einsatz kommen soll. Die Anmietung erfolgt allerdings nicht durch ihn, sondern durch die Klägerin. Das heißt, insoweit trägt die Klägerin das finanzielle Risiko, und nicht der Beigeladene. Da er aber durchaus eigene Gerätschaften in nennenswertem Umfang stellt (Lichtanlage, Rig) und auch seinen eigenen PKW zum Einsatz bringt, gibt die Anmietung des Kamera- Equipments durch die Klägerin nicht den Ausschlag bei der Statusbeurteilung.
Dies gilt auch für die Tatsache, dass der Beigeladene nicht offen werbend am Markt auf-tritt, z.B. – noch - keine eigene Web-Site über seine Tätigkeit hat. Dies ist nämlich nicht darauf zurückzuführen, dass der Beigeladene nicht selbständig wäre, sondern darauf, dass er seine Aufträge ganz überwiegend aufgrund von Mundpropaganda erhält.
Schon bei der Abwägung der allgemeingültigen Kriterien der Statusbeurteilung ergibt sich vorliegend also das Bild einer selbständigen Tätigkeit.
Dass der Beigeladene als Kameramann selbständig tätig ist, ergibt sich darüber hinaus aus der Tatsache, dass er programmgestaltend tätig ist. Programmgestaltend ist bei einer Filmproduktion jeder, dessen Tätigkeit Einfluss darauf nimmt, wie das Endprodukt, also der Film, letztlich aussieht, indem er seine "eigene Auffassung zu künstlerischen ( ) Fragen, seine Fachkenntnisse und Informationen sowie seine individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung" einbringt ( ). "Überwiegt die gestalterische Freiheit und wird die Gesamttätigkeit vorwiegend durch den journalistisch- schöpferischen Eigenanteil bestimmt, ist eine selbständige Tätigkeit anzunehmen." (zitiert aus dem Abgrenzungskatalog für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunkt- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen, Bestandteil des gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 16.01.1996 zur Durchführung der Künstlersozialversicherung ab 01.01.1996, Ziffer 3.2). Dort heißt es weiter: "Die Selbständigkeit des programmgestaltenden Mitarbeiters wird nicht schon durch die Abhängigkeit vom technischen Apparat der Sendeanstalt und der Einbindung in das Produktionsteam ausgeschlossen. Die programmgestaltenden Mitarbeiter stehen jedoch dann in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn die Sendanstalt innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann. Dies ist anzunehmen, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang ohne Abschluss entsprechender Vereinbarungen zur Arbeit herangezogen werden kann."
Wendet man diese Grundsätze der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung auf den vorliegenden Fall an, so ist eindeutig eine selbständige Tätigkeit gegeben. Dieses Ergebnis entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung (LSG Berlin- Brandenburg vom 06.11.2015, Az.: L 1 KR 136/13, LSG Sachsen vom 17.09.2015, Az.: L 1 KR 10/11, LSG Baden- Württemberg vom 23.11.2011, Az.: L 5 R 5703/09).
Abweichende Entscheidungen insbesondere zu Kameraleuten, die z.B. bei Sportveranstaltungen in der Liveübertragung eingesetzt werden und Bildmaterial liefern, das aufgrund von Weisungen erstellt wird, die die Kameraleute über Kopfhörer erhalten, und deren Bildmaterial dann von der Regie zu einer Liveberichterstattung zusammengesetzt wird, stehen dem nicht entgegen, weil sie mit der vorliegend streitgegenständlichen, programmgestaltenden Tätigkeit des Beigeladenen nicht vergleichbar sind. Auch das Urteil des LSG NRW vom 28.03.2012, L 8 R 156/09, steht nicht entgegen: hier wurde die Beschäftigung eines Kameramannes festgestellt, der vollständig in einen Fernsehproduktionsbetrieb eingegliedert war, dem Weisungsrecht des Inhabers unterlag und keinerlei Unternehmerrisiko hatte. Dieser Sachverhalt ist dem hier streitgegenständlichen nicht vergleichbar.
Nach allem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen streitig.
Die Klägerin ist eine Filmproduktionsgesellschaft, die Dokumentarfilme, Magazinbeiträge und Musikvideos produziert und Film- und Fernsehteams organisiert.
Der Beigeladene ist Kameramann.
Seit 26.07.2014 war der Beigeladene immer wieder als Kameramann für die Klägerin tätig. Die jeweilige Auftragsvergabe für ein bestimmtes Projekt erfolgte telefonisch. Schriftliche Vereinbarungen existieren nicht, auch kein Rahmenvertrag für die Tätigkeit. Die Klägerin bietet dem Beigeladenen Einsätze als Kameramann bei Filmproduktionen an, die die Klägerin ihrerseits im Auftrag eines Kunden, z.B. eines Fernsehsenders, erstellt. Die Klägerin arbeitet mit verschiedenen Kameraleuten zusammen. Welchem von diesen sie ein bestimmtes Projekt anbietet, hängt vorrangig von den Wünschen des jeweiligen Kunden ab. Denn die Auswahl des Kameramanns hat gestalterischen Einfluss auf die jeweilige Produktion, da jeder Kameramann seine eigene Handschrift oder Bildsprache hat.
Wird dem Beigeladenen ein Projekt angeboten, so ist er frei, dies anzunehmen oder nicht. Seine Entscheidung trifft er in Abhängigkeit seiner zeitlichen Verfügbarkeit und auch der Frage, ob er das jeweilige Projekt als für ihn passend erachtet.
Kommt ein – mündlicher - Vertrag für ein Projekt zustande, so nimmt der Beigeladene Kontakt auf mit dem zuständigen Regisseur, der ihm das geplante Projekt vorstellt. Der Beigeladene gibt dann eine Empfehlung ab, welches Kamera-Equipment zum Einsatz kommen sollte. Denn schon die Wahl der Kamera beeinflusst in gestalterischer Hinsicht den Film. Der Beigeladene äußert auch etwaige weitere Wünsche, welche Gerätschaften er für die filmische Arbeit benötigt, z.B. einen Kran. Der Beigeladene mietet das erforderli-che Kamera- Equipment nicht selbst an, sondern teilt der Klägerin mit, was angemietet werden soll. Die Anmietung erfolgt dann durch die Klägerin und auf deren Kosten. Ob alle Wünsche des Beigeladenen erfüllt werden, hängt vom Budget der Produktion ab.
Der Beigeladene hat auch selbst ein vollständiges Kamera- Equipment, das allerdings nur zum Einsatz kommt, wenn es für die Anforderungen des jeweiligen Projekts geeignet ist. Der Beigeladene hat weiterhin für die Ausübung seiner Tätigkeit eine Lichtanlage, für die er ca. 2.500.- Euro investiert hat. Er ist als Kameramann für die Lichtgestaltung am Drehort verantwortlich und bestimmt darüber eigenverantwortlich und unter Einsatz seines eigenen Equipments. Er wählt auch die Tageszeit für bestimmte Szenen unter Aspekten der Lichtgebung aus.
Um die Lichtanlage zum Drehort transportieren zu können, hat der Beigeladene einen großen PKW-Kombi. Er hat ferner ein eigenes Rig, für das er ca. 1.500.- Euro investiert hat. Dabei handelt es sich um eine an den Körper angepasste Vorrichtung, auf die eine Kamera aufgesetzt werden kann.
Am Drehort selbst bestimmt der Beigeladene in Absprache mit der Regie eigenverant-wortlich, wie, aus welcher Perspektive und mit welcher Lichtgestaltung er bestimmte Szenen aufnimmt. Teilweise bringt der Kameramann auch eigene Ideen zur Regie ein. Völlig eigenständig und ohne Mitwirkung der Regie sucht er im Übrigen Motive für Schnittbilder und nimmt diese nach eigenen Vorstellungen auf.
Der Beigeladene war für die Klägerin regelmäßig tätig, er schätzt den Anteil an seinen Gesamteinnahmen auf 70%. Aktuell ist der Beigeladene jedoch kaum für die Klägerin tätig wegen des ungeklärten sozialversicherungsrechtlichen Status. Er hat derzeit überwiegend Aufträge von Produktionsfirmen in Österreich,
Im Falle einer kurzfristigen Verhinderung, z.B. wegen Krankheit, sucht der Beigeladene einen Kameramann mit ähnlicher Bildgestaltung und schlägt diesen der Klägerin als Ersatz vor. Die Klägerin schließt dann für die Zeit der Verhinderung ihrerseits einen Vertrag mit dem Ersatzkameramann.
Der Beigeladene hat eigene Visitenkarten und einen Briefkopf für seine geschäftliche Korrespondenz. Eine Web-Site über seine Tätigkeit als Kameramann befindet sich im Aufbau. Der Beigeladene erhält seine Aufträge in aller Regel aufgrund Mundpropaganda, d.h., der jeweilige Kunde der Klägerin äußert aufgrund von Empfehlungen den Wunsch nach einem bestimmten Kameramann.
Im Falle der Schlechtleistung oder der schuldhaften Verursachung von Schäden ist der Beigeladene zum Schadensersatz verpflichtet. Ein solcher Haftungsfall ist auch bereits eingetreten: Der Beigeladene hatte im Rahmen eines Projekts seine Aufnahmen im falschen Format gemacht und hatte die Kosten zu tragen, die sich durch die notwendige Umformatierung ergaben.
Der Beigeladene hat keinen Arbeitsplatz in den Geschäftsräumen der Klägerin. Verwal-tungsarbeiten, wie z.B. Rechnungstellung, oder Projektvorbereitungsarbeiten führt er in seinem Homeoffice aus.
Der Beigeladene versteuert seine Einnahmen aus der hier streitigen Tätigkeit als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.
Die Tätigkeit als Kameramann erfordert laufende Fortbildung, da sich die Technik der Kameras fortlaufend weiterentwickelt. Der Beigeladene bildet sich aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten fort. Die Klägerin bietet ihm keinerlei Fortbildung.
Im Betrieb der Klägerin sind 5 Kameraleute fest angestellt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Kameramänner, sondern um Kameraassistenten, die weisungsgebunden in Filmproduktionen tätig werden. Sie haben – im Gegensatz zum Beigeladenen – keinen gestalterischen Freiraum im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin. Einer dieser 5 Kameraassistenten entwickelt sich aktuell weiter in Richtung Kameramann. Er ist aber noch nicht in der Lage, gestalterische Aufträge eigenverantwortlich durchzuführen. Vielmehr wird er von der Klägerin aktuell nur dann alleinverantwortlich an der Kamera eingesetzt, wenn es sich um Produktionen handelt, die keinerlei künstlerische Gestaltung verlangen (wie z.B. die Aufnahme eines Verkehrsstaus für eine Nachrichtensendung). Der Beigeladene ist für die Klägerin grundsätzlich als Kameramann tätig, nicht als Kameraassistent. Davon gab es eine Ausnahme am Anfang der Zusammenarbeit, als der Beigeladene die Kameraassistenz für einen Kameramann übernahm, mit dem er sich besonders gut verstand.
Der Beigeladene stellt der Klägerin nach Projektende seine Tätigkeit unter Ausweisung der Umsatzsteuer in Rechnung. Die Höhe der Bezahlung wird dabei zwischen Klägerin und Beigeladenem für jedes Projekt individuell ausgehandelt. Vereinbart wird entweder ein Pauschalhonorar für ein Projekt, oder eine an der Arbeitszeit bemessene Vergütung.
Die Klägerin hat für den Beigeladenen keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, weil sie, ebenso wie der Beigeladene selbst, von einer selbständigen Tätigkeit ausgeht.
Am 12.11.2014 beantragten die Beteiligten bei der Beklagten Statusfeststellung.
Die Beklagte stellte mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 21.05.2015 fest, dass der Beigeladene seit 26.07.2014 bei der Klägerin beschäftigt sei und demzufolge Versi-cherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeits-förderung bestehe. Sie begründet dies damit, dass die Merkmale für eine abhängige Be-schäftigung überwögen, nämlich im Hinblick auf terminliche Vorgaben für die Ablieferung des Endprodukts, Vorgaben für Produktionsabläufe, Begrenzung des eigenschöpferischen Anteils wegen Notwendigkeit der Absprache mit der Klägerin und den Autoren, Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Klägerin, Spesenübernahme durch die Klägerin und einer gewinnunabhängigen Vergütung auf Tagesbasis. Außerdem sei der Beigeladene verpflichtet, einen Drehbericht zu verfassen, und die Arbeitsmittel würden überwiegend durch die Klägerin gestellt. Demgegenüber schienen die Merkmale einer selbständigen Tä-tigkeit (Möglichkeit der Ablehnung von Aufträgen, projektbezogene, einzelvertragliche Verpflichtung, eine Ausschließlichkeitsvereinbarung, Einsatz eigener Kameras und Lichtanlage) nicht ins Gewicht.
Die Widersprüche des Beigeladenen und der Klägerin wurden mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2016 zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wurde zur Begründung vor allem ausgeführt, der Beigeladene übe keine programmgestaltende Tätigkeit aus, er liefere lediglich Bilder; die Entscheidung, welche Bilder verwendet würden, läge nicht bei ihm.
Dagegen erhob die Klägerin Klage, eingegangen beim Sozialgericht München am 29.02.2016.
Das Gericht hat den Kameramann C. zum Rechtsstreit beigeladen.
Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,
unter Aufhebung des Bescheides vom 21.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 26.01.2016 festzustellen, dass der Beigeladene als Kameramann seit 26.07.2014 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin steht und insofern auch keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten und ins-besondere der Anhörung der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.03.2017 wird auf den Inhalt der Akte des Sozialgerichts München und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klagefrist gewahrt. Zwar ist der Wider-spruchsbescheid der Klägerin schon am 27.01.2016 zugegangen, jedoch fiel der 27.02.2016 auf einen Samstag, sodass der Klageeingang am Montag, 29.02.2016 frist-wahrend war, §§ 87, 64 Abs. 3 SGG.
Die Klage ist auch begründet.
Der Beigeladene ist als Kameramann im Auftrag der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig. Der angefochtene Bescheid vom 21.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2016 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung: eine Tätig-keit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beschäftigt ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
Die persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und damit die Un-terordnung unter das umfassende Weisungsrecht des Arbeitgebers vor allem hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung.
Anhaltspunkte für selbständige Tätigkeit sind hingegen eine Tätigkeit im Rahmen einer selbst vorgegebenen Arbeitsorganisation, fehlendes Weisungsrecht, Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und ein eigenes Unternehmerrisiko.
Um festzustellen, in welchem sozialversicherungsrechtlichen Status eine Tätigkeit erfolgt, sind die Kriterien, die für Selbständigkeit sprechen, abzuwägen gegen die Kriterien, die für eine Beschäftigung sprechen. Welcher Status gegeben ist, richtet sich danach, welche Merkmale überwiegen. Auszugehen ist dabei vorliegend ausschließlich von den tatsächli-chen Verhältnissen, da schriftliche Vereinbarungen nicht existieren.
Zur Überzeugung des Gerichts wäre schon bei Berücksichtigung dieser allgemeingültigen Grundsätze der Statusfeststellung von einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen auszugehen. Es sprechen folgende gewichtige Aspekte für eine Selbständigkeit:
Der Beigeladene wird projektbezogen für die Klägerin tätig. Eine Rahmenvereinbarung im Sinne eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht. Auch sind zwischen Klägerin und Beigeladenem keine gleichbleibenden Konditionen für die Zusammenarbeit festgelegt, vielmehr wird die Bezahlung der Tätigkeit des Beigeladenen für jedes Projekt individuell ausgehandelt. Der Beigeladene ist völlig frei hinsichtlich der Frage, ob er ein Projekt übernehmen will oder nicht. Er stellt seine Arbeitskraft der Klägerin nicht umfassend zur Verfügung. Rechtliche Verpflichtungen gegenüber der Klägerin bestehen nur, wenn und soweit ein Auftrag angenommen wird.
Auch nach Auftragsannahme und innerhalb des jeweiligen Projekts überwiegen die Merkmale, die für Beschäftigung sprechen, nicht. Zum einen ist der Beigeladene gerade nicht in die betriebliche Organisation der Klägerin eigegliedert. Der Beigeladene hat bei der Klägerin keinerlei Arbeitsplatz, ihm wird der – für die Tätigkeit als Kameramann unerlässliche – große PKW Kombi nicht zur Verfügung gestellt. Auch hält die Klägerin für den Beigeladene keine Lichtanlage vor, die dieser für die Filmaufnahmen braucht. Vielmehr hat der Beigeladene die Lichtanlage, den PKW und eine komplette Filmkameraausrüstung selbst angeschafft, und dies in Ungewissheit, ob er entsprechende Aufträge bekommen würde, um diese Investitionen und einen Gewinn zu erwirtschaften.
Bei der Klägerin arbeiten auch keine Festangestellten mit dem gleichen Tätigkeitsspektrum wie der Beigeladene. Die Tätigkeit der angestellten Kameraassistenten ist nicht vergleichbar mit der Tätigkeit des Klägers - auch nicht die Tätigkeit des Kameraassistenten, der sich aktuell in der Weiterentwicklung zum Kameramann befindet. Denn dieser hat gerade nicht die gestalterischen Freiräume, die der Beigeladene hat, sondern er arbeitet weisungsgebunden.
Die Klägerin ist im Übrigen auf die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl selbständiger Kameraleute angewiesen, da sie ihren Kunden eine breite Auswahl verschiedener Kameraleute anbieten muss, um ihr Geschäftsmodell umzusetzen. Dementsprechend hat die Klägerin auch selbst keinen Angestellten, der für den Beigeladenen bei kurzfristiger Verhinderung einspringen könnte. Vielmehr muss der Beigeladene seinen Ersatz selbst suchen.
Im Übrigen besteht auch keine persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen gegenüber der Klägerin, die mit der Abhängigkeit eines Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber vergleichbar wäre. Zum einen ist der Beigeladene gegenüber der Klägerin nicht wirtschaftlich abhängig, was schon aus der Tatsache ersichtlich ist, dass er seit Erlass des Statusbescheides kaum mehr Aufträge von der Klägerin angenommen hat, sondern nun-mehr für andere Auftraggeber, vornehmlich in Österreich, tätig ist. Zum anderen ist die Tätigkeit des Beigeladenen als Kameramann nicht durch Vorgaben der Klägerin eingeschränkt, die einem Arbeitgeberdirektionsrecht gleichzusetzen wären. Die Klägerin nimmt keinerlei Einfluss auf die Bildgestaltung oder die technische Umsetzung der Ideen zur Bildgestaltung durch den Beigeladenen. Über die Bildgestaltung entscheidet der Beigeladene vielmehr eigenverantwortlich, in Absprache mit der Regie. Der Autor ist für den Inhalt eines Films verantwortlich, der Regisseur für die szenische Umsetzung, der Kameramann für die Frage, wie, mit welchem Licht, zum Teil auch, mit welchem Motiv oder Hintergrund die Szene bildlich eingefangen wird. Die Bildgestaltung umfasst dabei z.B. auch die Frage, mit welcher Blende gefilmt wird. Hier bringt der Beigeladene eigenes gestalterisches Fachwissen ein, über das kein anderes Mitglied des Filmteams verfügt.
Der Beigeladene wird im Übrigen in seiner Tätigkeit nicht von der Klägerin kontrolliert. Der Drehbericht, der am Ende des Drehtages zu erstellen ist, ist kein Arbeitgeber-Kontrollinstrument, sondern dient der Dokumentation der erbrachten Leistungen, wie ein im Werkvertragsrecht z.B. üblicher Regiebericht. Auch die Tatsache, dass am Projektende eine Abnahme stattfindet, ist keinesfalls ein Indiz für Beschäftigung – die Abnahme ist ganz im Gegenteil typisches Merkmal eines Werkvertrags. Auch die Übernahme von Spesen und Reisekosten durch die Klägerin ist kein Indiz für Beschäftigung, da dies auch im Bereich selbständiger Tätigkeiten durchaus üblich ist.
Es finden sich durchaus auch Indizien, die für Beschäftigung sprechen, jedoch überwiegen diese nicht:
Für Beschäftigung spricht vorliegend, dass der Beigeladene das Kamera- Equipment in der Regel nicht selbst stellt. Zwar hat er eine Kameraausrüstung, jedoch passt diese nicht immer zu den Anforderungen des filmischen Projekts. Passt seine Ausrüstung nicht, empfiehlt er im Rahmen seiner künstlerischen Gestaltungsfreiheit, welche Kamera zum Einsatz kommen soll. Die Anmietung erfolgt allerdings nicht durch ihn, sondern durch die Klägerin. Das heißt, insoweit trägt die Klägerin das finanzielle Risiko, und nicht der Beigeladene. Da er aber durchaus eigene Gerätschaften in nennenswertem Umfang stellt (Lichtanlage, Rig) und auch seinen eigenen PKW zum Einsatz bringt, gibt die Anmietung des Kamera- Equipments durch die Klägerin nicht den Ausschlag bei der Statusbeurteilung.
Dies gilt auch für die Tatsache, dass der Beigeladene nicht offen werbend am Markt auf-tritt, z.B. – noch - keine eigene Web-Site über seine Tätigkeit hat. Dies ist nämlich nicht darauf zurückzuführen, dass der Beigeladene nicht selbständig wäre, sondern darauf, dass er seine Aufträge ganz überwiegend aufgrund von Mundpropaganda erhält.
Schon bei der Abwägung der allgemeingültigen Kriterien der Statusbeurteilung ergibt sich vorliegend also das Bild einer selbständigen Tätigkeit.
Dass der Beigeladene als Kameramann selbständig tätig ist, ergibt sich darüber hinaus aus der Tatsache, dass er programmgestaltend tätig ist. Programmgestaltend ist bei einer Filmproduktion jeder, dessen Tätigkeit Einfluss darauf nimmt, wie das Endprodukt, also der Film, letztlich aussieht, indem er seine "eigene Auffassung zu künstlerischen ( ) Fragen, seine Fachkenntnisse und Informationen sowie seine individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung" einbringt ( ). "Überwiegt die gestalterische Freiheit und wird die Gesamttätigkeit vorwiegend durch den journalistisch- schöpferischen Eigenanteil bestimmt, ist eine selbständige Tätigkeit anzunehmen." (zitiert aus dem Abgrenzungskatalog für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunkt- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen, Bestandteil des gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 16.01.1996 zur Durchführung der Künstlersozialversicherung ab 01.01.1996, Ziffer 3.2). Dort heißt es weiter: "Die Selbständigkeit des programmgestaltenden Mitarbeiters wird nicht schon durch die Abhängigkeit vom technischen Apparat der Sendeanstalt und der Einbindung in das Produktionsteam ausgeschlossen. Die programmgestaltenden Mitarbeiter stehen jedoch dann in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn die Sendanstalt innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann. Dies ist anzunehmen, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang ohne Abschluss entsprechender Vereinbarungen zur Arbeit herangezogen werden kann."
Wendet man diese Grundsätze der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung auf den vorliegenden Fall an, so ist eindeutig eine selbständige Tätigkeit gegeben. Dieses Ergebnis entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung (LSG Berlin- Brandenburg vom 06.11.2015, Az.: L 1 KR 136/13, LSG Sachsen vom 17.09.2015, Az.: L 1 KR 10/11, LSG Baden- Württemberg vom 23.11.2011, Az.: L 5 R 5703/09).
Abweichende Entscheidungen insbesondere zu Kameraleuten, die z.B. bei Sportveranstaltungen in der Liveübertragung eingesetzt werden und Bildmaterial liefern, das aufgrund von Weisungen erstellt wird, die die Kameraleute über Kopfhörer erhalten, und deren Bildmaterial dann von der Regie zu einer Liveberichterstattung zusammengesetzt wird, stehen dem nicht entgegen, weil sie mit der vorliegend streitgegenständlichen, programmgestaltenden Tätigkeit des Beigeladenen nicht vergleichbar sind. Auch das Urteil des LSG NRW vom 28.03.2012, L 8 R 156/09, steht nicht entgegen: hier wurde die Beschäftigung eines Kameramannes festgestellt, der vollständig in einen Fernsehproduktionsbetrieb eingegliedert war, dem Weisungsrecht des Inhabers unterlag und keinerlei Unternehmerrisiko hatte. Dieser Sachverhalt ist dem hier streitgegenständlichen nicht vergleichbar.
Nach allem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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