Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 626/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 31/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 17/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 werden aufgehoben, soweit darin die probatorischen Sitzungen mit einem effektiven Punktwert von unter 2,56 Cent vergütet werden und die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Punktwertes für probatorische Sitzungen in den Quartalen II/05 bis I/06.
Der Kläger nimmt als psychologischer Psychotherapeut mit Praxissitz in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er gehört der Honoraruntergruppe 2.25 an. Der Kläger legte jeweils Widersprüche gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis IV/08 ein. Mit Schreiben vom 11.04.2010 konkretisierte er seine Widerspruchsbegründung dahingehend, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 28.05.2008, Az.: B 6 KA 9/07 R für den Geltungszeitraum der Regelleistungsvolumina in Hessen einen Mindestpunktwert vorgegeben habe, der jedoch seitens der Beklagten regelmäßig unterschritten worden sei.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 beschränkt auf die Quartale II/05 bis I/06 und beschränkt auf die Frage des Punktwertes für probatorische Sitzungen zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Höhe des Punktwertes für probatorische Sitzungen in den Quartalen II/05 bis I/06 nicht zu beanstanden sei. Eine Stützungsverpflichtung sei auf Grund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses nur für die antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen gegeben, so dass alle übrigen Leistungen mit den Quoten der Punktwerte der jeweiligen Honorargruppe zu vergüten seien. Insoweit habe auch das BSG bisher die Notwendigkeit für eine Stützung des Punktwertes für andere Leistungen ausdrücklich verneint. Hinsichtlich der Vergütung der probatorischen Sitzungen habe das BSG jedoch ausgeführt, dass diese zwar nicht mit dem Mindestpunktwert für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen vergütet würden aber gleichwohl unter Berücksichtigung ihrer Funktion angemessen honoriert werden müssten. Die für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen müsse deshalb grundsätzlich so honoriert werden, dass - erforderlichenfalls nach Anwendung von Mengenbegrenzungsregelungen oder ähnlichem - jedenfalls die Hälfte des ursprünglich zur Kalkulation herangezogenen Punktwertes von 10 Cent (d. h. 2,56 Cent für solche Leistungen nicht unterschritten würde). Der obere Bruttopunktwert (d. h. ohne Abzug EHV und Notdienstumlagefaktor) für probatorische Sitzungen der psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten und psychotherapeutisch tätigen Ärzten (Honorargruppe B 2.25) stelle sich in den Quartalen II/05 bis I/06 vor Anwendung der Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 HVV folgendermaßen dar:
Quartal EK PK
II/05 3,135 Cent 2,818 Cent
III/05 3,288 Cent 3,1174 Cent
IV/05 3,202 Cent 3,047 Cent
I/06 3,168 Cent 3,075 Cent
Diese Punktwerte überstiegen den vom BSG in seinen Urteilen vom 28.05.2010 (Az.: B 6 KA 8/07 R, B 6 KA 9/07 R und B 6 KA 10/07 R) geforderten Punktwert von 2,56 Cent. Dem Anspruch auf angemessene Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 - 4 SGB V sei demnach Genüge getan. Anders als die der Entscheidung des BSG vom 28.05.2008 zugrundeliegende Honorarverteilung für den Bereich der KV Sachsen sehe die hessische Vereinbarung zur Honorarverteilung für die Quartale II/05 - IV/05 (die bis zum Quartal I/07 fortgalt) keine Sonderregelung vor, die eine inhaltliche Überprüfung des Honorarfonds der Psychotherapeuten im Gegensatz zu den übrigen Fachgruppen explizit ausschließe. So nehme die Honorargruppe B 2.25 auch an der Stützungsregelung gemäß der Anlagen 1 und 2 zu Ziffer 7.2 des HVV teil. In den streitgegenständlichen Quartalen stelle sich der Punktwert der Honorargruppe B 2.25 nach Vergütung der Leistungen des Leistungsbereichs 4.1 zum Mindestpunktwert (zeitgebundene genehmigungspflichtige Leistungen) wie folgt dar:
Quartal EK PK
II/05 -5,040 Cent -5,531 Cent
III/05 0,709 Cent -0849 Cent
IV/05 1,418 Cent 0,571 Cent
I/06 -0,270 Cent -3,144 Cent
Teilweise übersteige der Umfang zeitgebundener genehmigungspflichtiger Leistungen die zur Verfügung stehenden Geldmenge im Honorartopf der Honorargruppe B 2.25, so dass der Punktwert - wie in der vorstehenden Tabelle dargestellt – rechnerisch zunächst Minuswerte aufgewiesen habe. Erst nach Stützung dieser Punktwerte auf 85% des mittleren Punktwertes der Fachärzte gemäß Ziffer 2.2 der Anlagen 1 und 2 zu Ziffer 7.2 HVV hätten die Punktwerte in ersterer Tabelle ermittelt werden können. Eine weitere Stützung des Punktwertes ginge zu Lasten der übrigen Fachgruppen des Honorarbereichs B und stelle eine unangemessene Belastung dieser Fachgruppen dar. Unberücksichtigt bleiben müsse auch, dass der Punktwert durch den Bedarf für die Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 HVV gemindert werde. Der Bedarf für diese Regelung sei von allen an der Honorarverteilung Beteiligten gleichsam zu tragen, da hierdurch unerwünschte Effekte der Einführung des EBM 2000plus kompensiert würden. Dieser Kompensierungseffekt komme auch dem Kläger in den Quartalen II/05 und IV/05 zugute. Weiterhin müsse unberücksichtigt bleiben, dass im Rahmen der praxisindividuellen Regelleistungsvolumens Ziffer 6.3 HVV nicht alle Leistungen zum oberen Punktwert vergütet würden. Durch Anwendung des praxisindividuellen RLV werde der Mengenausweitung innerhalb der Fachgruppe entgegengewirkt, die zu einem weiteren Punktwertabfall führen würde. Darüber hinaus sei anzumerken, dass die im Regelleistungsvolumen zugrunde zu legenden Fallpunktzahlen gemäß den Bestimmungen des HVV nach Arzt-/Fachgruppen differenziert seien und insoweit das besondere Leistungsspektrum der jeweiligen Arzt-/Fachgruppe bereits berücksichtigten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass in der Arztrechnung dargestellte Quoten und Punktwerte den Abzug für den Honorarbereich C bereits enthielten. Diesbezüglich werde auf das Urteil des SG Marburg vom 31.03.2010 (Az.: S 11 KA 689/08 ZVW) verwiesen, in dem das Gericht festgestellt habe, dass im Rahmen der Berechnung des Mindestpunktwertes Psychotherapie keine unzulässige Verminderung durch den Abzug eines Notdienstfaktors vorgenommen würde. Nichts anderes müsse auch für den Bereich der den Regelleistungsvolumina unterworfenen Leistungen gelten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 23.07.2010. Der Kläger trägt vor, die Beklagte führe mit dem Quartal II/05 für alle Arztgruppen zur Mengensteuerung Regelleistungsvolumina ein, um den Punktwert innerhalb der RLV stabil zu halten und habe das abgerechnete Punktzahlvolumen, das über das jeweilige RLV hinausgehe, lediglich zu einem Restpunktwert, der bei ca. 1/10 des Punktwertes im RLV gelegen habe, vergütet. Diese Bestimmungen hätten zu unkalkulierbaren Verwerfungen bei der Honorierung auch der probatorischen Sitzungen geführt. Bei dem Kläger führe die RLV-Berechnung, wie bei allen Psychotherapeuten, zu inadäquaten individuellen Begrenzungen, weil wesentliche Kontingente der zur fachtherapeutischen Versorgung gehörenden Gesprächsleistungen, insbesondere der probatorischen Sitzungen, von einer nennenswerten Vergütung abgeschnitten würden. Insbesondere die probatorischen Sitzungen fielen dabei sehr diskontinuierlich im Quartalsvergleich an und würden daher – obwohl zu Einleitung jeder genehmigungspflichtigen Psychotherapie erforderlich – durch die starren Grenzen des RLV besonders häufig nur zum Restpunktwert vergütet. Nicht eine einzige probatorische Sitzung könne innerhalb des RLV mit einem höheren Punktwert in einem Quartal vollständig abgerechnet werden. In allen streitgegenständlichen Quartalen erreiche der obere Punktwert laut der den Honorarbescheid beigefügten Arztrechnungen noch nicht einmal dem Mindestpunktwert von 2,56 Cent, der vom BSG für eine substanzielle Vergütung zumindest der probatorischen Sitzungen für erforderlich gehalten werde. Die Regelungssystematik der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV habe zu einem Zerfall des oberen Punktwertes im RLV geführt. Bereits im Quartal I/06 habe der obere Punktwert im RLV kassenartenübergreifend im Schnitt bei nur noch 1,45 Cent bei den antragsfreien psychotherapeutischen Leistungen gelegen. Die im Widerspruchsbescheid aufgestellten Berechnungen der Punktwerte stünden im Widerspruch zu den in den Arztrechnung angegebenen Punktwerten. Die korrekten Punktwerte könnten vielmehr aus der folgenden Tabelle entnommen werden:
Quartal EK Obere Punktwerte PK Obere Punktwerte EK Untere Punktwerte PK Untere Punktwerte
II/05 2,13 Cent 1,965 Cent 0,497 Cent 0,493 Cent
III/05 2,187 Cent 1,995 Cent 0,497 Cent 0,493 Cent
IV/05 2,161 Cent 2,008 Cent 0,497 Cent 0,493 Cent
I/06 1,567 Cent 1,34 Cent 0,494 Cent 0,498 Cent
Eine probatorische Sitzung werde im EBM bis 2007 mit 1.495 Punkten taxiert, während das Punktzahlgrenzvolumen je Fall bei 6 - 59-jährigen Patienten auf 1.110 Punkte kassenartenübergreifend im HVV festgesetzt sei. Bei einem über 59-jährigen Patienten wachse der zu einem unteren Punktwert vergütete Punktzahlenanteil noch weiter. Das bedeute, dass die nächstfolgende probatorische Sitzung nur noch außerhalb des RLV komplett zu einem unteren Punktwert vergütet würde, weil das Fallpunktzahlvolumen bereits ausgeschöpft sei. Dies gelte auch für die sonstigen antragsfreien Leistungen. Sachgerechte Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlung würden somit aufgrund mangelnder Rentabilität und wirtschaftlicher Kompensierbarkeit erschwert und die Vergütung der probatorischen Sitzungen zu dem vom BSG für erforderlich gehalten Mindestpunktwert von 2,56 Cent verfehlt. Die folgende Tabelle zeige das beim Kläger in den streitbefangenen Quartalen erbrachte Punktzahlvolumen der nicht genehmigungspflichtigen Leistungen, die Punktzahlmenge innerhalb und außerhalb des RLV, die nicht vergütete Punktzahlmenge nach Fallzahlquotierung und Fallzahlbegrenzung, die vergüteten Punktwerte und den kassenartenübergreifend gemittelten effektiven Punktwert pro Quartal:
II/05 III/05 I/06 I/07
Punktzahl gesamt 110.735 102.260 124.950 104.070
Davon vergütet im RLV 47.463,3 51.174,9 52.226,3 51.855,7
Vergütet außerhalb RLV 62.086,8 32.627,2 35.151,2 52.214,3
Nicht vergütete Punktzahl 1.184,9 18.457,9 37.572,5 -
Prozent Verhältnis RLV zu außerh. RLV zu nicht vergütet 43%: 56%: 1% 50%: 32%: 18% 42%: 28%: 30% 50%: 50%
RLV-Punktwert* 2,46 Cent 2,091 Cent 1,45 Cent 2,277 Cent***
Abgestaffelter Punktwert 0,495 Cent 0,495 Cent 0,496 Cent 0,496 Cent***
Punktwert effektiv** 1,159 Cent 1,223 Cent 0,742 Cent 1,412 Cent
Punktzahl Probatorik 79.235 61.295 76.245 59.800
% an übrige Leistungen 72% 60% 61% 57%
* Kassenartenübergreifender durchschnittlicher Punktwert im RLV, ermittelt aus den Angaben der KV Hessen in den den Honorarbescheiden beigefügten Arztrechnungen.
** Der Punktwert effektiv ist rechnerisch ermittelt als Durchschnittspunktwert aus dem entsprechenden prozentualen Punktmengen-Anteil von RLV-Punktwert, Restpunktwert, indem der Quotient aus gezahlter Vergütung und Punktzahlmenge antragsfreier Leistungen gebildet wurde.
*** Punktwerte jeweils arithmetisch gemittelt aus Punktwerten der Primär- und Ersatzkassen.
Die folgende Tabelle zeige die Wirkungen der Ausgleichszahlungen respektive Kürzungen auf die effektive Punktwerthöhe für die Vergütung der antragsfreien psychotherapeutischen Leistungen auf:
II/2005 III/2005 I/2006 I/2007
Effektive Punktwerthöhe i. RLV u. außer. RLV 1,159 Cent 1,223 Cent 0,742 Cent 1,412 Cent
Effektive Punktwerthöhe nach Ausgleichszahlungen/-kürzungen 2,71 Cent 1,52 Cent 0,98 Cent 1,18 Cent
Die infolge von Fallwertverlusten gegenüber dem Referenzquartal des Vorjahres gewährten Ausgleichszahlungen bewirkten ausschließlich im Quartal II/05 eine nennenswerte Punktwertsteigerung oberhalb des Mindestpunktwertes von 2,56 Cent. In den Folgequartalen habe es nur geringfügige Steigerungen der Punktwerte gegeben. Mit der nicht modifizierten Anwendung des HVV und mit der entsprechenden Vergütung der probatorischen Sitzung werde eine leistungsproportionale Honorierung vorenthalten. Leistungsmengenbegrenzungen dürften nicht dazu führen, dass die Punktwerte unverhältnismäßig stark abfielen, zumindest nicht unterhalb eines höchstrichterlich für erforderlich gehaltenen Mindestniveaus der Vergütung. Die Ausgleichszahlungen, die die unerwünschten Effekte der Punktwertminderung bei der Einführung des EBM 2000plus abfedern sollten, verfehlten das Ziel der Kompensation, weil die Punktwerte mit Ausnahme des Quartals II/05 in den Folgequartalen trotz der gewährten aber unzureichenden Ausgleichszahlungen unangemessen niedrig blieben bzw. weil sogar Ausgleichskürzungen das Verfehlen einer angemessenen Vergütung der antragsfreien psychotherapeutischen Leistungen noch verstärkten. Auch wenn die Quotierung der Punktwerte für die Notdienstleistungen zulässig seien, dürften die Punktwerte zumindest der probatorischen Sitzungen nicht unter 2,56 Cent fallen. Es würden dem Kläger Kürzungen zugemutet, obwohl keinerlei Anhaltspunkte für überhöhte Leistungs- oder Punktmengen gegeben seien. Probatorische Sitzungen seien in ihrem Umfang im EBM festgelegt. Sie trügen nicht zur Leistungsvermehrung bei, sondern würden – bei Betrachtung der Wochenarbeitszeit – nur anstelle von Terminen für Behandlungssitzungen je nach Versorgungsbedarf mal mehr oder weniger vergeben. Nach der Rechtsprechung des BSG folge aus der zentralen Funktion der probatorischen Sitzungen, dass die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen für eine substanzielle Honorierung dieser Leistungen zu sorgen habe. Die Beklagte sei dieser Verpflichtung bisher nicht nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Festlegung der Punktwertuntergrenze nur dann sinnvoll, wenn sie nicht gleichzeitig durch Mengenbegrenzungsmaßnahmen unterlaufen werden könne. Der Einschub " - erforderlichenfalls nach Anwendung von Mengenbegrenzungsregelungen oÄ - " stelle nur klar, dass erforderlichenfalls auch auf die probatorischen Sitzungen Mengenbegrenzungsmaßnahmen angewandt werden könnten, sofern die Punktwerte für antragsfreie Psychotherapieleistungen oberhalb des Punktzahlgrenzwertes von 2,56 Cent lägen und wenn nach Anwendung der Mengenbegrenzungsmaßnahme der Punktwert von 2,56 Cent insbesondere bei probatorischen Sitzungen nicht unterschritten werde. Das nachfolgende "jedenfalls" mache unmissverständlich deutlich, dass auch nach den ggf. angewandten Begrenzungsregelungen jedenfalls der genannte Mindestpunktwert nicht unterschritten werden dürfe. Jede andere Auslegung ergebe keinen Sinn und würde Intention und Argumentation des Urteils ins Gegenteil verkehren. Bei dem genannten Wert handele es sich um eine absolute und durch Nichts relativierbare Untergrenze für die Vergütung der probatorischen Sitzungen. Die irrige Rechtsansicht der Beklagten führe dazu, dass durch schlichte Mengenbegrenzungsregelung der unstreitige Rechtsanspruch auf eine substanzielle Vergütung unterlaufen werden könne. Die Festlegung der Mindestzahl von probatorischen Sitzungen liege nicht im Gestaltungsspielraum der Beklagten sondern im Ermessen des psychotherapeutisch tätigen Klägers, der nach fachlichen und sachlichen Erwägungen eine auf die Behandlungserfordernis eines Patienten individuell abgestimmte Entscheidung treffe. Die Beklagte könne daher nicht in die Therapiefreiheit eines Psychotherapeuten eingreifen und ihrerseits eine Mindestzahl an probatorischen Sitzungen festlegen, die für die Versorgung eines Patienten maßgeblich zu sein hätte. Im EBM seien bis zu 5 probatorische Sitzungen vor der Einleitung einer indizierten Psychotherapie abrechnungsfähig, so dass die Vergütung der erbrachten probatorischen Sitzungen auch in Maßgabe der bundesrechtlichen Ebene bestand habe. Ob es im Einzelfall geboten sei, weniger probatorische Sitzungen abzurechnen, liege in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des für die Versorgung eines Patienten verantwortlichen Psychotherapeuten. Im vorliegenden Verfahren entsprechen die abgerechneten probatorischen Sitzungen unzweifelhaft den jeweiligen Behandlungserfordernissen bei Patienten. Der Kläger trägt weiter vor, die Beklagte sei weder befugt noch befähigt, eine sachgerechte Feststellung über die Mindestzahl der im Einzelfall zu erbringenden probatorischen Sitzungen zu treffen um von Amts wegen eine Entscheidung zur Einleitung einer Psychotherapie herbeiführen zu können. Ausnahmslos seien alle erbrachten probatorischen Sitzungen zu einem Mindestpunktwert von 2,56 Cent zu vergüten, weil es keine probatorischen Sitzungen erster und zweiter Klasse gäbe. Da die bisher ausbezahlten Punktwerte für probatorische Sitzungen zu niedrig seien, seien zumindest die klägerseitig berechneten kassenübergreifend ermittelten Differenzbeträge zu gewähren. Abrechnungstechnisch müssten diese Differenzbeträge zusätzlich dem RLV zugeführt werden, um dem Mindestpunktwert für probatorische Sitzungen zu erreichen.
Der Kläger beantragt,
die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis I/06 sowie den Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 aufzuheben, soweit darin die probatorischen Sitzungen durch Vergütungen zum Restpunktwert außerhalb des Punktzahlgrenzvolumens mit einem effektiven Punktwert von unter 2,56 Cent vergütet wurden und die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen.
Die Beklagt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Gründe des Widerspruchsbescheides und die in diesem Rahmen vorgelegten Tabellen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Vergütung des von ihm errechneten Differenzbetrages, da der Kläger sein Regelleistungsvolumen überschritten habe, sei ein Teil der Leistungen zum unteren Punktwert vergütet worden. Im Quartal II/05 sei ein Umfang von 79.235 Punkten für die abgerechneten probatorischen Sitzungen festzustellen. Das Regelleistungsvolumen von 47.463,4 Punkten des Klägers sei bereits damit überschritten gewesen. Für die weiteren Quartale gelte dies entsprechend, was sich aus der folgenden Übersicht ergebe:
Quartal Praxisbezogenes RLV des Klägers vom Kläger abgerechnetes Honorarvolumen Punktzahlvolumen probatorische Sitzungen
II/2005 47.463,4 110.735,0 79.235,0
III/2005 51.175,0 102.236,0 61.295,0
IV/2005 57.512,0 160.230,0 116.610,0
I/2006 52.226,4 124.950,0 76.245,0
Mit dem oberen Punktwert würden die Leistungen des Klägers vergütet, die in das RLV fielen. Der dargestellte Punktwert beziehe sich auf die Punktwerte ohne Abzug EHV Notdienstumlagefaktor und Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 HVV. Hinsichtlich der Frage der Mindestzahl probatorischer Sitzungen stehe der Beklagte ein Ermessensspielraum zu. Würde der jeweilige Psychotherapeut entscheiden, käme es zu einer unterschiedlichen Bewertung hinsichtlich der Mindestzahlen. Im Rahmen ihrer Ermessensausübung habe sie die Entscheidungsbefugnis darüber, welche Mindestzahl von probatorischen Sitzungen mit dem Mindestpunktwert zu vergüten sei.
Die Beklagte hat im Vorfeld des Termins zur mündlichen Verhandlung auf Anfrage des Gerichts die Berechnungsweise für die ausgewiesenen Punktwerte für die probatorischen Sitzungen übermittelt. Diese Abrechnung wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung seitens einer mit der Abrechnung vertrauten Mitarbeiterin der Beklagten ausführlich erläutert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen habe und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 sind bezogen auf die Berechnung des Punktwertes für die probatorischen Sitzungen rechtswidrig und verletzten diesbezüglich den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtauffassung des Gerichts.
Das Gericht legt seiner Entscheidung die Urteile des BSG vom 28. Mai 2008 (u.a. B 6 KA 9/07 R und B 6 KA 49/07 R) zugrunde. Darin hat das BSG hinsichtlich der probatorischen Sitzungen seine Rechtsprechung dahingehend fortgeführt, dass diese zwar nicht mit dem Mindestpunktwert für die zeitgebundenen und genehmigungspflichtigen Leistungen vergütet, aber gleichwohl unter Berücksichtigung ihrer Funktion angemessen honoriert werden müssen. Während insoweit bisher eine bestimmte Vergütungsuntergrenze nicht festgelegt, sondern lediglich dargelegt worden war, dass ein Punktwert von deutlich mehr als 3 Cent jedenfalls ausreiche (BSG, Urt. v. 29. August 2007 - B 6 KA 35/06 R -
SozR 4 2500 § 85 Nr. 38, juris Rn. 17), hat das BSG nunmehr entschieden, dass ein Betrag von 5 Pfennig/2,56 Cent grundsätzlich nicht unterschritten werden darf (BSG, Urt. v. 28. Mai 2008, a.a.O.; juris Leitsatz 3 und Rn. 65).
Das Gericht folgt dieser Rechtsprechung, auch wenn man – wie das LSG Schleswig Holstein (Urt. vom 26.01.2010, L 4 KA 10/09) – verschiedene Kritikpunkte an der Festlegung eines nicht zu unterschreitenden Mindestpunktwertes (auch) für die probatorischen Sitzungen anbringen kann. So ist die Festlegung nicht nur von Vergütungsmaßstäben, sondern eines konkreten Cent-Betrages nicht leicht in Einklang zu bringen mit dem vom BSG in Entscheidungen zu Honorierungsregelungen stets betonten weiten Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses, soweit dieser zur Bestimmung der angemessenen Vergütung berufen war, sowie der KVen gemeinsam mit den Verbänden der Krankenkassen als Normgeber des HVV. Da diese Kritik jedoch in gleicher Weise für die Festlegung eines Mindestpunktwertes bzw. konkreter Berechnungsvorgaben für die sowohl zeit- als auch antragsgebundenen Psychotherapieleistungen galt, diese Festlegungen jedoch durch entsprechende Beschlüsse des Bewertungsausschusses bereits umgesetzt worden sind, erübrigt sich insoweit eine vertiefende Auseinandersetzung. Gleiches gilt für den weiteren denkbaren Kritikpunkt, dass die Festlegung eines Mindestpunktwertes für die probatorischen Sitzungen und übrigen Leistungen des Kapitels 23 EBM nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen ist mit der Herleitung des Mindestpunktwertes für die zeit- und antragsgebundenen Psychotherapieleistungen. Dieser wurde vom BSG mit der Notwendigkeit begründet, dass es den Psychotherapeuten ermöglicht werden müsse, mit den sowohl zeit- als auch antrags- und genehmigungsgebundenen Leistungen das durchschnittliche Einkommens einer vergleichbaren Arztgruppe zu erreichen. Nach der hierzu vom BSG entwickelten Modellberechnung (vgl. dazu im Einzelnen Urt. des BSG v. 25. August 1999 - B 6 KA 14/98 R - BSGE 84, 235) wurde der Mindestpunktwert für die genannten Leistungen so festgesetzt, dass ein vergleichbares Einkommen eines Allgemeinmediziners bereits durch die Erbringung der zeit- und genehmigungsgebundenen Leistungen gewährleistet ist. Angesichts dieser Berechnung erscheint die Festlegung eines Mindestpunktwerts auch für die übrigen Leistungen zur Erreichung des genannten Zieles jedenfalls nicht zwingend geboten. Dass andererseits ein beliebiger Punktwertabfall für die übrigen, jedenfalls für die probatorischen Leistungen auf Dauer nicht hingenommen werden kann, hatte das BSG bereits in dem Urteil vom 29. August 2007 (B 6 KA 35/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 38, juris Rn. 17) dargelegt, entsprechend der nach ständiger Rechtsprechung bestehenden Verpflichtung der Beklagten zur Beobachtung und Reaktion im Falle eines zu weitgehenden, von der Arztgruppe nicht beeinflussbaren Punktwertverfalls innerhalb eines Honorartopfes, ohne jedoch bisher daraus die Vorgabe eines nicht zu unterschreitenden Mindestpunktwertes abzuleiten. Allerdings sieht das Gericht im Ergebnis auch insoweit keine zwingende Veranlassung, von den Entscheidungen des BSG vom 28. Mai 2008 abzuweichen. Denn zum einen hat das BSG in den Urteilen vom 28. Mai 2008 die Untergrenze nachvollziehbar damit begründet, dass die (in dem konkreten Verfahren zugrunde liegenden) Punktwerte von 1,84 bzw. 2,13 Cent zur Folge haben, dass für eine probatorische Sitzung von mindestens 50 Minuten Dauer ein Honorar von 26,68 Euro bzw. von 30,89 Euro anfalle und dass der nach Berücksichtigung der Betriebskosten verbleibende Ertrag von weniger als 20 Euro nicht ausreiche, um dauerhaft eine ausreichende Sicherstellung der Versorgung auch mit probatorischen Sitzungen zu gewährleisten. Zum anderen hat das BSG in den Urteilen an anderer Stelle auf seinen Auftrag zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und zur Schaffung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit hingewiesen (B 6 KA 9/07 R, a.a.O., juris Rn. 39). Angesichts des mehr als 10 Jahre andauernden Streits über die angemessene Vergütung der Psychotherapeuten ist schon mit Blick auf die gebotene endgültige Klärung der Streitfragen die konkrete Festlegung eines Mindestpunktwertes einer erneuten abstrakten Umschreibung der Grenzen des Gestaltungsspielraumes des Normgebers vorzuziehen.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass in sämtlichen streitgegenständlichen Quartalen der vom BSG vorgegebene Mindestpunktwert von 2,56 Cent nicht korrekt berechnet worden ist. Die Beklagte hat ihre mit Schriftsatz vom 19.03.2012 vorgelegte Punktwertberechnung im Termin zur mündlichen Verhandlung schlüssig erläutert. Das Gericht hat insoweit keine Zweifel an der Richtigkeit des Rechenweges und des Rechenergebnisses. Aus der Berechnung ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass der Punktwert für die probatorischen Sitzungen nur – quasi als rechnerischer Zwischenschritt (jeweils Zeile 56 der Berechnung) – vor Anwendung der Ausgleichsregelung die BSG-Mindestvorgabe erreicht hat. Dieser Wert hat dann jedoch weitere Minderungen durch die Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV erfahren. Die so ermittelten Punktwerte liegen bereits in allen streitgegenständlichen Quartalen unterhalb der BSG-Mindestvorgabe (Zeile 60 der Berechnung der Beklagten). Auch die im Gegenzug erhaltenen Auffüllbeträge vermögen den Punktwert dann nicht wieder auf das Mindestpunktwertniveau anzuheben, wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung deutlich geworden ist. Darüber hinaus erfolgt eine weitere Punktwertabsenkung durch das RLV, sofern eine Überschreitung desselben vorliegt. Da der Kläger in allen streitgegenständlichen Quartalen das RLV überschritten hat, ergibt sich eine Quotierung und damit verbunden eine Vergütung des Überschreitungsanteils nur zum unteren Punktwert. Aus oberem und unteren Punktwert, jeweils in Bezug gesetzt zum Gesamtpunktzahlvolumen im RLV, ergibt sich ein rechnerischer mittlerer Punktwert, der in allen streitgegenständlichen Quartalen deutlich unter dem vom BSG vorgegebenen Mindestpunktwert lag. Dies ist nach der BSG Rechtsprechung unzulässig. Das Gericht hat insoweit keine Zweifel daran, dass das BSG mit der Formulierung "Mengenbegrenzungsregelungen oÄ" auch Mechanismen wie die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 gemeint hat. Jedenfalls das RLV ist wohl eine klassische Mengenbegrenzungsregelung.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass von dem vom BSG vorgegebenen Mindestpunktwert von 2,56 Cent ein Abzug des Notdienstfaktors und ggf. der EHV zulässig ist.
Zur Überzeugung des Gerichts steht unter Bezugnahme auf die o.g. BSG-Entscheidung auch fest, dass vor Abzug des Notdienstfaktors und ggf. der EHV der Mindestpunktwert von 2,56 Cent auch zur Auszahlung zu bringen ist. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung zwar nachvollziehbar dargelegt, dass ihre HVV-Systematik nach Durchführung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV keine weitere Stützungsmöglichkeit des Punktwertes mehr vorsehen. Diese nachvollziehbaren systematischen Schwierigkeiten vermögen jedoch nicht zu rechtfertigen, dass eine Absenkung des Mindestpunktwertes (vor Abzug Notdienst und ggf. EHV) erfolgt. Wie schon das LSG Berlin-Brandenburg (Urt. vom 14.09.2011 – L 7 KA 87/08) zutreffend festgestellt hat, steht es der Beklagten frei, in welcher Weise sie ggf. entstehende Finanzierungslücken schließt. Mehrere Handlungsoptionen kommen in Betracht: Zum einen kann die Beklagte auf ihre Rücklagen zurückgreifen. Zum zweiten kann sie – selbstverständlich unter Berücksichtigung der jeweiligen Fristen – die Fachärzte außer den ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychotherapeuten erneut heranziehen. Zum dritten kann sie – ebenfalls unter Berücksichtigung der jeweiligen Verjährungsfristen – alle Fachärzte, d.h. einschließlich der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychotherapeuten, heranziehen, wobei sie auf die gleichmäßige Belastung aller Fachärzte zu achten hat, insbesondere indem sie Honorarrückforderungen für alle diese Leistungserbringer auf denselben Zeitraum bezieht. Zum vierten kann sie das Landesschiedsamt mit dem Ziel anrufen, die Krankenkassen auch an diesem Finanzierungsbedarf zu beteiligen.
Damit ist die Beklagte zur Neubescheidung des Klägers insoweit verpflichtet, als die Punktwerte für die probatorischen Sitzungen in den einzelnen streitigen Quartalen den Betrag von 5 Pfennig/2,56 Cent unterschritten. Zur Berechnung des tatsächlichen Punktwertes hat das BSG in dem Urteil vom 28. Mai 2008 in dem Verfahren B 6 KA 49/07 R eine Gesamtbetrachtung der durchschnittlichen Punktwerte der Primärkassen und der Ersatzkassen vorgenommen. So betrug der Punktwert in dem dortigen Verfahren in einem der Quartale bei den Primärkassen nur 2,17 Cent. Hierzu heißt es, insoweit müsse aber die deutlich höhere Vergütung für Ersatzkassenpatienten in demselben Quartal von 3,92 Cent in die erforderliche Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Danach ergebe sich ein durchschnittlicher Punktwert von 3,04 Cent, der das vom Senat für erforderlich gehaltene Honorar von 2,56 Cent deutlich übersteige (juris Rn. 58). Das Gericht hat keine Bedenken im Hinblick auf eine Gesamtbetrachtung des Primär- und Ersatzkassenbereichs, hält es jedoch für notwendig, dass nicht lediglich die Summe der Punktwerte PK und EK halbiert wird, sondern eine Gewichtung nach Leistungsanteilen im PK- und EK-Bereich erfolgt, da nur so eine möglichst wirklichkeitsnahe Berechnung des in der konkreten Praxis erzielten Durchschnittspunktwertes möglich ist. Da in allen streitgegenständlichen Quartalen eine Unterschreitung der BSG-Mindestvorgabe sowohl im PK als auch im EK-Bereich vorlag, kommt es auf eine Gesamtbetrachtung jedoch vorliegend nicht an. Vielmehr kann kassenbereichsspezifisch eine Auffüllung auf den Mindestpunktwert vorgenommen werden.
Der Kläger hat damit einen Anspruch auf Neubescheidung in allen streitgegenständlichen Quartalen. Dabei wird die Beklagte auch festzulegen haben, für wie viele probatorische Sitzungen der Mindestpunktwert von 2,56 Cent gilt. Das BSG hat insoweit eine Einschränkung vorgenommen, indem es den genannten Mindestpunktwert nur auf die "für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen" bezogen hat (B 6 KA 49/07 R, juris, Rn. 57). Wie hoch diese Mindestzahl anzusetzen ist, hat das BSG in den Entscheidungen vom 28. Mai 2008 nicht näher konkretisiert. Diese Festlegung obliegt nicht dem Gericht, sondern der Beklagten im Rahmen ihres Gestaltungsspielraumes. Wäre das BSG auch insoweit von einer Einschränkung des Gestaltungsspielraums im Sinne einer nach konkreten Vorgaben zu bestimmenden allgemein gültigen Mindestzahl ausgegangen, hätte es die entsprechende Festlegung selbst vorgenommen. Welche Mindestzahl probatorischer Sitzungen für eine sachgerechte therapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendig ist, erfordert Einblicke in die vertragspsychotherapeutische Versorgung. Die Beklagte wird ihr Ermessen im Einzelfall ausüben müssen und nicht pauschal eine Begrenzung auf eine gewisse Anzahl probatorischer Sitzungen vornehmen dürfen. Die Beklagte wird bei ihrer Ermessensausübung zu berücksichtigen haben, dass probatorische Sitzungen diskontinuierlich im Quartalsvergleich anfallen. Darüber hinaus eröffnet bereits der EBM im Hinblick auf die Vorgabe der probatorischen Sitzungen von bis zu fünf einen therapeutischen Gestaltungsspielraum, den die Beklagte im Einzelfall schwerlich wird überprüfen können. Es obliegt zunächst dem Therapeuten einzuschätzen, wie viele probatorische Sitzungen für eine "sachgerechte therapeutische Versorgung" notwendig sind. Es dürfte davon auszugehen sein, dass sich im therapeutischen Tätigkeitsbereich grundsätzlich ein gewisses Verhältnis von probatorischen Sitzungen, antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen sowie übrigen Leistungen ergibt. Die Ausfüllung des ihr eingeräumten Gestaltungsspielraums erfordert vielmehr eine auf sachlichen Gesichtspunkten beruhende nachvollziehbar begründete Bewertung durch die Beklagte. Unter den o.g. Gesichtspunkten wird zumindest bei evident über mehrere Quartale bestehenden fachgruppenuntypischen Missverhältnissen, die seitens des Psychotherapeuten nicht erklärt werden können, eine Begrenzung der Anzahl der durchgeführten probatorischen Sitzungen von der Beklagten vorgenommen werden können. Ob eine Mengenbegrenzung insbesondere auch dann in Betracht kommt, wenn bereits mit den probatorischen Sitzungen das RLV überschritten wird, muss vorliegend nicht entschieden werden, liegt aber nahe.
Nach alledem musste die Klage Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Punktwertes für probatorische Sitzungen in den Quartalen II/05 bis I/06.
Der Kläger nimmt als psychologischer Psychotherapeut mit Praxissitz in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er gehört der Honoraruntergruppe 2.25 an. Der Kläger legte jeweils Widersprüche gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis IV/08 ein. Mit Schreiben vom 11.04.2010 konkretisierte er seine Widerspruchsbegründung dahingehend, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 28.05.2008, Az.: B 6 KA 9/07 R für den Geltungszeitraum der Regelleistungsvolumina in Hessen einen Mindestpunktwert vorgegeben habe, der jedoch seitens der Beklagten regelmäßig unterschritten worden sei.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 beschränkt auf die Quartale II/05 bis I/06 und beschränkt auf die Frage des Punktwertes für probatorische Sitzungen zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Höhe des Punktwertes für probatorische Sitzungen in den Quartalen II/05 bis I/06 nicht zu beanstanden sei. Eine Stützungsverpflichtung sei auf Grund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses nur für die antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen gegeben, so dass alle übrigen Leistungen mit den Quoten der Punktwerte der jeweiligen Honorargruppe zu vergüten seien. Insoweit habe auch das BSG bisher die Notwendigkeit für eine Stützung des Punktwertes für andere Leistungen ausdrücklich verneint. Hinsichtlich der Vergütung der probatorischen Sitzungen habe das BSG jedoch ausgeführt, dass diese zwar nicht mit dem Mindestpunktwert für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen vergütet würden aber gleichwohl unter Berücksichtigung ihrer Funktion angemessen honoriert werden müssten. Die für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen müsse deshalb grundsätzlich so honoriert werden, dass - erforderlichenfalls nach Anwendung von Mengenbegrenzungsregelungen oder ähnlichem - jedenfalls die Hälfte des ursprünglich zur Kalkulation herangezogenen Punktwertes von 10 Cent (d. h. 2,56 Cent für solche Leistungen nicht unterschritten würde). Der obere Bruttopunktwert (d. h. ohne Abzug EHV und Notdienstumlagefaktor) für probatorische Sitzungen der psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten und psychotherapeutisch tätigen Ärzten (Honorargruppe B 2.25) stelle sich in den Quartalen II/05 bis I/06 vor Anwendung der Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 HVV folgendermaßen dar:
Quartal EK PK
II/05 3,135 Cent 2,818 Cent
III/05 3,288 Cent 3,1174 Cent
IV/05 3,202 Cent 3,047 Cent
I/06 3,168 Cent 3,075 Cent
Diese Punktwerte überstiegen den vom BSG in seinen Urteilen vom 28.05.2010 (Az.: B 6 KA 8/07 R, B 6 KA 9/07 R und B 6 KA 10/07 R) geforderten Punktwert von 2,56 Cent. Dem Anspruch auf angemessene Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 - 4 SGB V sei demnach Genüge getan. Anders als die der Entscheidung des BSG vom 28.05.2008 zugrundeliegende Honorarverteilung für den Bereich der KV Sachsen sehe die hessische Vereinbarung zur Honorarverteilung für die Quartale II/05 - IV/05 (die bis zum Quartal I/07 fortgalt) keine Sonderregelung vor, die eine inhaltliche Überprüfung des Honorarfonds der Psychotherapeuten im Gegensatz zu den übrigen Fachgruppen explizit ausschließe. So nehme die Honorargruppe B 2.25 auch an der Stützungsregelung gemäß der Anlagen 1 und 2 zu Ziffer 7.2 des HVV teil. In den streitgegenständlichen Quartalen stelle sich der Punktwert der Honorargruppe B 2.25 nach Vergütung der Leistungen des Leistungsbereichs 4.1 zum Mindestpunktwert (zeitgebundene genehmigungspflichtige Leistungen) wie folgt dar:
Quartal EK PK
II/05 -5,040 Cent -5,531 Cent
III/05 0,709 Cent -0849 Cent
IV/05 1,418 Cent 0,571 Cent
I/06 -0,270 Cent -3,144 Cent
Teilweise übersteige der Umfang zeitgebundener genehmigungspflichtiger Leistungen die zur Verfügung stehenden Geldmenge im Honorartopf der Honorargruppe B 2.25, so dass der Punktwert - wie in der vorstehenden Tabelle dargestellt – rechnerisch zunächst Minuswerte aufgewiesen habe. Erst nach Stützung dieser Punktwerte auf 85% des mittleren Punktwertes der Fachärzte gemäß Ziffer 2.2 der Anlagen 1 und 2 zu Ziffer 7.2 HVV hätten die Punktwerte in ersterer Tabelle ermittelt werden können. Eine weitere Stützung des Punktwertes ginge zu Lasten der übrigen Fachgruppen des Honorarbereichs B und stelle eine unangemessene Belastung dieser Fachgruppen dar. Unberücksichtigt bleiben müsse auch, dass der Punktwert durch den Bedarf für die Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 HVV gemindert werde. Der Bedarf für diese Regelung sei von allen an der Honorarverteilung Beteiligten gleichsam zu tragen, da hierdurch unerwünschte Effekte der Einführung des EBM 2000plus kompensiert würden. Dieser Kompensierungseffekt komme auch dem Kläger in den Quartalen II/05 und IV/05 zugute. Weiterhin müsse unberücksichtigt bleiben, dass im Rahmen der praxisindividuellen Regelleistungsvolumens Ziffer 6.3 HVV nicht alle Leistungen zum oberen Punktwert vergütet würden. Durch Anwendung des praxisindividuellen RLV werde der Mengenausweitung innerhalb der Fachgruppe entgegengewirkt, die zu einem weiteren Punktwertabfall führen würde. Darüber hinaus sei anzumerken, dass die im Regelleistungsvolumen zugrunde zu legenden Fallpunktzahlen gemäß den Bestimmungen des HVV nach Arzt-/Fachgruppen differenziert seien und insoweit das besondere Leistungsspektrum der jeweiligen Arzt-/Fachgruppe bereits berücksichtigten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass in der Arztrechnung dargestellte Quoten und Punktwerte den Abzug für den Honorarbereich C bereits enthielten. Diesbezüglich werde auf das Urteil des SG Marburg vom 31.03.2010 (Az.: S 11 KA 689/08 ZVW) verwiesen, in dem das Gericht festgestellt habe, dass im Rahmen der Berechnung des Mindestpunktwertes Psychotherapie keine unzulässige Verminderung durch den Abzug eines Notdienstfaktors vorgenommen würde. Nichts anderes müsse auch für den Bereich der den Regelleistungsvolumina unterworfenen Leistungen gelten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 23.07.2010. Der Kläger trägt vor, die Beklagte führe mit dem Quartal II/05 für alle Arztgruppen zur Mengensteuerung Regelleistungsvolumina ein, um den Punktwert innerhalb der RLV stabil zu halten und habe das abgerechnete Punktzahlvolumen, das über das jeweilige RLV hinausgehe, lediglich zu einem Restpunktwert, der bei ca. 1/10 des Punktwertes im RLV gelegen habe, vergütet. Diese Bestimmungen hätten zu unkalkulierbaren Verwerfungen bei der Honorierung auch der probatorischen Sitzungen geführt. Bei dem Kläger führe die RLV-Berechnung, wie bei allen Psychotherapeuten, zu inadäquaten individuellen Begrenzungen, weil wesentliche Kontingente der zur fachtherapeutischen Versorgung gehörenden Gesprächsleistungen, insbesondere der probatorischen Sitzungen, von einer nennenswerten Vergütung abgeschnitten würden. Insbesondere die probatorischen Sitzungen fielen dabei sehr diskontinuierlich im Quartalsvergleich an und würden daher – obwohl zu Einleitung jeder genehmigungspflichtigen Psychotherapie erforderlich – durch die starren Grenzen des RLV besonders häufig nur zum Restpunktwert vergütet. Nicht eine einzige probatorische Sitzung könne innerhalb des RLV mit einem höheren Punktwert in einem Quartal vollständig abgerechnet werden. In allen streitgegenständlichen Quartalen erreiche der obere Punktwert laut der den Honorarbescheid beigefügten Arztrechnungen noch nicht einmal dem Mindestpunktwert von 2,56 Cent, der vom BSG für eine substanzielle Vergütung zumindest der probatorischen Sitzungen für erforderlich gehalten werde. Die Regelungssystematik der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV habe zu einem Zerfall des oberen Punktwertes im RLV geführt. Bereits im Quartal I/06 habe der obere Punktwert im RLV kassenartenübergreifend im Schnitt bei nur noch 1,45 Cent bei den antragsfreien psychotherapeutischen Leistungen gelegen. Die im Widerspruchsbescheid aufgestellten Berechnungen der Punktwerte stünden im Widerspruch zu den in den Arztrechnung angegebenen Punktwerten. Die korrekten Punktwerte könnten vielmehr aus der folgenden Tabelle entnommen werden:
Quartal EK Obere Punktwerte PK Obere Punktwerte EK Untere Punktwerte PK Untere Punktwerte
II/05 2,13 Cent 1,965 Cent 0,497 Cent 0,493 Cent
III/05 2,187 Cent 1,995 Cent 0,497 Cent 0,493 Cent
IV/05 2,161 Cent 2,008 Cent 0,497 Cent 0,493 Cent
I/06 1,567 Cent 1,34 Cent 0,494 Cent 0,498 Cent
Eine probatorische Sitzung werde im EBM bis 2007 mit 1.495 Punkten taxiert, während das Punktzahlgrenzvolumen je Fall bei 6 - 59-jährigen Patienten auf 1.110 Punkte kassenartenübergreifend im HVV festgesetzt sei. Bei einem über 59-jährigen Patienten wachse der zu einem unteren Punktwert vergütete Punktzahlenanteil noch weiter. Das bedeute, dass die nächstfolgende probatorische Sitzung nur noch außerhalb des RLV komplett zu einem unteren Punktwert vergütet würde, weil das Fallpunktzahlvolumen bereits ausgeschöpft sei. Dies gelte auch für die sonstigen antragsfreien Leistungen. Sachgerechte Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlung würden somit aufgrund mangelnder Rentabilität und wirtschaftlicher Kompensierbarkeit erschwert und die Vergütung der probatorischen Sitzungen zu dem vom BSG für erforderlich gehalten Mindestpunktwert von 2,56 Cent verfehlt. Die folgende Tabelle zeige das beim Kläger in den streitbefangenen Quartalen erbrachte Punktzahlvolumen der nicht genehmigungspflichtigen Leistungen, die Punktzahlmenge innerhalb und außerhalb des RLV, die nicht vergütete Punktzahlmenge nach Fallzahlquotierung und Fallzahlbegrenzung, die vergüteten Punktwerte und den kassenartenübergreifend gemittelten effektiven Punktwert pro Quartal:
II/05 III/05 I/06 I/07
Punktzahl gesamt 110.735 102.260 124.950 104.070
Davon vergütet im RLV 47.463,3 51.174,9 52.226,3 51.855,7
Vergütet außerhalb RLV 62.086,8 32.627,2 35.151,2 52.214,3
Nicht vergütete Punktzahl 1.184,9 18.457,9 37.572,5 -
Prozent Verhältnis RLV zu außerh. RLV zu nicht vergütet 43%: 56%: 1% 50%: 32%: 18% 42%: 28%: 30% 50%: 50%
RLV-Punktwert* 2,46 Cent 2,091 Cent 1,45 Cent 2,277 Cent***
Abgestaffelter Punktwert 0,495 Cent 0,495 Cent 0,496 Cent 0,496 Cent***
Punktwert effektiv** 1,159 Cent 1,223 Cent 0,742 Cent 1,412 Cent
Punktzahl Probatorik 79.235 61.295 76.245 59.800
% an übrige Leistungen 72% 60% 61% 57%
* Kassenartenübergreifender durchschnittlicher Punktwert im RLV, ermittelt aus den Angaben der KV Hessen in den den Honorarbescheiden beigefügten Arztrechnungen.
** Der Punktwert effektiv ist rechnerisch ermittelt als Durchschnittspunktwert aus dem entsprechenden prozentualen Punktmengen-Anteil von RLV-Punktwert, Restpunktwert, indem der Quotient aus gezahlter Vergütung und Punktzahlmenge antragsfreier Leistungen gebildet wurde.
*** Punktwerte jeweils arithmetisch gemittelt aus Punktwerten der Primär- und Ersatzkassen.
Die folgende Tabelle zeige die Wirkungen der Ausgleichszahlungen respektive Kürzungen auf die effektive Punktwerthöhe für die Vergütung der antragsfreien psychotherapeutischen Leistungen auf:
II/2005 III/2005 I/2006 I/2007
Effektive Punktwerthöhe i. RLV u. außer. RLV 1,159 Cent 1,223 Cent 0,742 Cent 1,412 Cent
Effektive Punktwerthöhe nach Ausgleichszahlungen/-kürzungen 2,71 Cent 1,52 Cent 0,98 Cent 1,18 Cent
Die infolge von Fallwertverlusten gegenüber dem Referenzquartal des Vorjahres gewährten Ausgleichszahlungen bewirkten ausschließlich im Quartal II/05 eine nennenswerte Punktwertsteigerung oberhalb des Mindestpunktwertes von 2,56 Cent. In den Folgequartalen habe es nur geringfügige Steigerungen der Punktwerte gegeben. Mit der nicht modifizierten Anwendung des HVV und mit der entsprechenden Vergütung der probatorischen Sitzung werde eine leistungsproportionale Honorierung vorenthalten. Leistungsmengenbegrenzungen dürften nicht dazu führen, dass die Punktwerte unverhältnismäßig stark abfielen, zumindest nicht unterhalb eines höchstrichterlich für erforderlich gehaltenen Mindestniveaus der Vergütung. Die Ausgleichszahlungen, die die unerwünschten Effekte der Punktwertminderung bei der Einführung des EBM 2000plus abfedern sollten, verfehlten das Ziel der Kompensation, weil die Punktwerte mit Ausnahme des Quartals II/05 in den Folgequartalen trotz der gewährten aber unzureichenden Ausgleichszahlungen unangemessen niedrig blieben bzw. weil sogar Ausgleichskürzungen das Verfehlen einer angemessenen Vergütung der antragsfreien psychotherapeutischen Leistungen noch verstärkten. Auch wenn die Quotierung der Punktwerte für die Notdienstleistungen zulässig seien, dürften die Punktwerte zumindest der probatorischen Sitzungen nicht unter 2,56 Cent fallen. Es würden dem Kläger Kürzungen zugemutet, obwohl keinerlei Anhaltspunkte für überhöhte Leistungs- oder Punktmengen gegeben seien. Probatorische Sitzungen seien in ihrem Umfang im EBM festgelegt. Sie trügen nicht zur Leistungsvermehrung bei, sondern würden – bei Betrachtung der Wochenarbeitszeit – nur anstelle von Terminen für Behandlungssitzungen je nach Versorgungsbedarf mal mehr oder weniger vergeben. Nach der Rechtsprechung des BSG folge aus der zentralen Funktion der probatorischen Sitzungen, dass die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen für eine substanzielle Honorierung dieser Leistungen zu sorgen habe. Die Beklagte sei dieser Verpflichtung bisher nicht nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Festlegung der Punktwertuntergrenze nur dann sinnvoll, wenn sie nicht gleichzeitig durch Mengenbegrenzungsmaßnahmen unterlaufen werden könne. Der Einschub " - erforderlichenfalls nach Anwendung von Mengenbegrenzungsregelungen oÄ - " stelle nur klar, dass erforderlichenfalls auch auf die probatorischen Sitzungen Mengenbegrenzungsmaßnahmen angewandt werden könnten, sofern die Punktwerte für antragsfreie Psychotherapieleistungen oberhalb des Punktzahlgrenzwertes von 2,56 Cent lägen und wenn nach Anwendung der Mengenbegrenzungsmaßnahme der Punktwert von 2,56 Cent insbesondere bei probatorischen Sitzungen nicht unterschritten werde. Das nachfolgende "jedenfalls" mache unmissverständlich deutlich, dass auch nach den ggf. angewandten Begrenzungsregelungen jedenfalls der genannte Mindestpunktwert nicht unterschritten werden dürfe. Jede andere Auslegung ergebe keinen Sinn und würde Intention und Argumentation des Urteils ins Gegenteil verkehren. Bei dem genannten Wert handele es sich um eine absolute und durch Nichts relativierbare Untergrenze für die Vergütung der probatorischen Sitzungen. Die irrige Rechtsansicht der Beklagten führe dazu, dass durch schlichte Mengenbegrenzungsregelung der unstreitige Rechtsanspruch auf eine substanzielle Vergütung unterlaufen werden könne. Die Festlegung der Mindestzahl von probatorischen Sitzungen liege nicht im Gestaltungsspielraum der Beklagten sondern im Ermessen des psychotherapeutisch tätigen Klägers, der nach fachlichen und sachlichen Erwägungen eine auf die Behandlungserfordernis eines Patienten individuell abgestimmte Entscheidung treffe. Die Beklagte könne daher nicht in die Therapiefreiheit eines Psychotherapeuten eingreifen und ihrerseits eine Mindestzahl an probatorischen Sitzungen festlegen, die für die Versorgung eines Patienten maßgeblich zu sein hätte. Im EBM seien bis zu 5 probatorische Sitzungen vor der Einleitung einer indizierten Psychotherapie abrechnungsfähig, so dass die Vergütung der erbrachten probatorischen Sitzungen auch in Maßgabe der bundesrechtlichen Ebene bestand habe. Ob es im Einzelfall geboten sei, weniger probatorische Sitzungen abzurechnen, liege in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des für die Versorgung eines Patienten verantwortlichen Psychotherapeuten. Im vorliegenden Verfahren entsprechen die abgerechneten probatorischen Sitzungen unzweifelhaft den jeweiligen Behandlungserfordernissen bei Patienten. Der Kläger trägt weiter vor, die Beklagte sei weder befugt noch befähigt, eine sachgerechte Feststellung über die Mindestzahl der im Einzelfall zu erbringenden probatorischen Sitzungen zu treffen um von Amts wegen eine Entscheidung zur Einleitung einer Psychotherapie herbeiführen zu können. Ausnahmslos seien alle erbrachten probatorischen Sitzungen zu einem Mindestpunktwert von 2,56 Cent zu vergüten, weil es keine probatorischen Sitzungen erster und zweiter Klasse gäbe. Da die bisher ausbezahlten Punktwerte für probatorische Sitzungen zu niedrig seien, seien zumindest die klägerseitig berechneten kassenübergreifend ermittelten Differenzbeträge zu gewähren. Abrechnungstechnisch müssten diese Differenzbeträge zusätzlich dem RLV zugeführt werden, um dem Mindestpunktwert für probatorische Sitzungen zu erreichen.
Der Kläger beantragt,
die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis I/06 sowie den Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 aufzuheben, soweit darin die probatorischen Sitzungen durch Vergütungen zum Restpunktwert außerhalb des Punktzahlgrenzvolumens mit einem effektiven Punktwert von unter 2,56 Cent vergütet wurden und die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen.
Die Beklagt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Gründe des Widerspruchsbescheides und die in diesem Rahmen vorgelegten Tabellen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Vergütung des von ihm errechneten Differenzbetrages, da der Kläger sein Regelleistungsvolumen überschritten habe, sei ein Teil der Leistungen zum unteren Punktwert vergütet worden. Im Quartal II/05 sei ein Umfang von 79.235 Punkten für die abgerechneten probatorischen Sitzungen festzustellen. Das Regelleistungsvolumen von 47.463,4 Punkten des Klägers sei bereits damit überschritten gewesen. Für die weiteren Quartale gelte dies entsprechend, was sich aus der folgenden Übersicht ergebe:
Quartal Praxisbezogenes RLV des Klägers vom Kläger abgerechnetes Honorarvolumen Punktzahlvolumen probatorische Sitzungen
II/2005 47.463,4 110.735,0 79.235,0
III/2005 51.175,0 102.236,0 61.295,0
IV/2005 57.512,0 160.230,0 116.610,0
I/2006 52.226,4 124.950,0 76.245,0
Mit dem oberen Punktwert würden die Leistungen des Klägers vergütet, die in das RLV fielen. Der dargestellte Punktwert beziehe sich auf die Punktwerte ohne Abzug EHV Notdienstumlagefaktor und Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 HVV. Hinsichtlich der Frage der Mindestzahl probatorischer Sitzungen stehe der Beklagte ein Ermessensspielraum zu. Würde der jeweilige Psychotherapeut entscheiden, käme es zu einer unterschiedlichen Bewertung hinsichtlich der Mindestzahlen. Im Rahmen ihrer Ermessensausübung habe sie die Entscheidungsbefugnis darüber, welche Mindestzahl von probatorischen Sitzungen mit dem Mindestpunktwert zu vergüten sei.
Die Beklagte hat im Vorfeld des Termins zur mündlichen Verhandlung auf Anfrage des Gerichts die Berechnungsweise für die ausgewiesenen Punktwerte für die probatorischen Sitzungen übermittelt. Diese Abrechnung wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung seitens einer mit der Abrechnung vertrauten Mitarbeiterin der Beklagten ausführlich erläutert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen habe und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 sind bezogen auf die Berechnung des Punktwertes für die probatorischen Sitzungen rechtswidrig und verletzten diesbezüglich den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtauffassung des Gerichts.
Das Gericht legt seiner Entscheidung die Urteile des BSG vom 28. Mai 2008 (u.a. B 6 KA 9/07 R und B 6 KA 49/07 R) zugrunde. Darin hat das BSG hinsichtlich der probatorischen Sitzungen seine Rechtsprechung dahingehend fortgeführt, dass diese zwar nicht mit dem Mindestpunktwert für die zeitgebundenen und genehmigungspflichtigen Leistungen vergütet, aber gleichwohl unter Berücksichtigung ihrer Funktion angemessen honoriert werden müssen. Während insoweit bisher eine bestimmte Vergütungsuntergrenze nicht festgelegt, sondern lediglich dargelegt worden war, dass ein Punktwert von deutlich mehr als 3 Cent jedenfalls ausreiche (BSG, Urt. v. 29. August 2007 - B 6 KA 35/06 R -
SozR 4 2500 § 85 Nr. 38, juris Rn. 17), hat das BSG nunmehr entschieden, dass ein Betrag von 5 Pfennig/2,56 Cent grundsätzlich nicht unterschritten werden darf (BSG, Urt. v. 28. Mai 2008, a.a.O.; juris Leitsatz 3 und Rn. 65).
Das Gericht folgt dieser Rechtsprechung, auch wenn man – wie das LSG Schleswig Holstein (Urt. vom 26.01.2010, L 4 KA 10/09) – verschiedene Kritikpunkte an der Festlegung eines nicht zu unterschreitenden Mindestpunktwertes (auch) für die probatorischen Sitzungen anbringen kann. So ist die Festlegung nicht nur von Vergütungsmaßstäben, sondern eines konkreten Cent-Betrages nicht leicht in Einklang zu bringen mit dem vom BSG in Entscheidungen zu Honorierungsregelungen stets betonten weiten Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses, soweit dieser zur Bestimmung der angemessenen Vergütung berufen war, sowie der KVen gemeinsam mit den Verbänden der Krankenkassen als Normgeber des HVV. Da diese Kritik jedoch in gleicher Weise für die Festlegung eines Mindestpunktwertes bzw. konkreter Berechnungsvorgaben für die sowohl zeit- als auch antragsgebundenen Psychotherapieleistungen galt, diese Festlegungen jedoch durch entsprechende Beschlüsse des Bewertungsausschusses bereits umgesetzt worden sind, erübrigt sich insoweit eine vertiefende Auseinandersetzung. Gleiches gilt für den weiteren denkbaren Kritikpunkt, dass die Festlegung eines Mindestpunktwertes für die probatorischen Sitzungen und übrigen Leistungen des Kapitels 23 EBM nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen ist mit der Herleitung des Mindestpunktwertes für die zeit- und antragsgebundenen Psychotherapieleistungen. Dieser wurde vom BSG mit der Notwendigkeit begründet, dass es den Psychotherapeuten ermöglicht werden müsse, mit den sowohl zeit- als auch antrags- und genehmigungsgebundenen Leistungen das durchschnittliche Einkommens einer vergleichbaren Arztgruppe zu erreichen. Nach der hierzu vom BSG entwickelten Modellberechnung (vgl. dazu im Einzelnen Urt. des BSG v. 25. August 1999 - B 6 KA 14/98 R - BSGE 84, 235) wurde der Mindestpunktwert für die genannten Leistungen so festgesetzt, dass ein vergleichbares Einkommen eines Allgemeinmediziners bereits durch die Erbringung der zeit- und genehmigungsgebundenen Leistungen gewährleistet ist. Angesichts dieser Berechnung erscheint die Festlegung eines Mindestpunktwerts auch für die übrigen Leistungen zur Erreichung des genannten Zieles jedenfalls nicht zwingend geboten. Dass andererseits ein beliebiger Punktwertabfall für die übrigen, jedenfalls für die probatorischen Leistungen auf Dauer nicht hingenommen werden kann, hatte das BSG bereits in dem Urteil vom 29. August 2007 (B 6 KA 35/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 38, juris Rn. 17) dargelegt, entsprechend der nach ständiger Rechtsprechung bestehenden Verpflichtung der Beklagten zur Beobachtung und Reaktion im Falle eines zu weitgehenden, von der Arztgruppe nicht beeinflussbaren Punktwertverfalls innerhalb eines Honorartopfes, ohne jedoch bisher daraus die Vorgabe eines nicht zu unterschreitenden Mindestpunktwertes abzuleiten. Allerdings sieht das Gericht im Ergebnis auch insoweit keine zwingende Veranlassung, von den Entscheidungen des BSG vom 28. Mai 2008 abzuweichen. Denn zum einen hat das BSG in den Urteilen vom 28. Mai 2008 die Untergrenze nachvollziehbar damit begründet, dass die (in dem konkreten Verfahren zugrunde liegenden) Punktwerte von 1,84 bzw. 2,13 Cent zur Folge haben, dass für eine probatorische Sitzung von mindestens 50 Minuten Dauer ein Honorar von 26,68 Euro bzw. von 30,89 Euro anfalle und dass der nach Berücksichtigung der Betriebskosten verbleibende Ertrag von weniger als 20 Euro nicht ausreiche, um dauerhaft eine ausreichende Sicherstellung der Versorgung auch mit probatorischen Sitzungen zu gewährleisten. Zum anderen hat das BSG in den Urteilen an anderer Stelle auf seinen Auftrag zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und zur Schaffung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit hingewiesen (B 6 KA 9/07 R, a.a.O., juris Rn. 39). Angesichts des mehr als 10 Jahre andauernden Streits über die angemessene Vergütung der Psychotherapeuten ist schon mit Blick auf die gebotene endgültige Klärung der Streitfragen die konkrete Festlegung eines Mindestpunktwertes einer erneuten abstrakten Umschreibung der Grenzen des Gestaltungsspielraumes des Normgebers vorzuziehen.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass in sämtlichen streitgegenständlichen Quartalen der vom BSG vorgegebene Mindestpunktwert von 2,56 Cent nicht korrekt berechnet worden ist. Die Beklagte hat ihre mit Schriftsatz vom 19.03.2012 vorgelegte Punktwertberechnung im Termin zur mündlichen Verhandlung schlüssig erläutert. Das Gericht hat insoweit keine Zweifel an der Richtigkeit des Rechenweges und des Rechenergebnisses. Aus der Berechnung ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass der Punktwert für die probatorischen Sitzungen nur – quasi als rechnerischer Zwischenschritt (jeweils Zeile 56 der Berechnung) – vor Anwendung der Ausgleichsregelung die BSG-Mindestvorgabe erreicht hat. Dieser Wert hat dann jedoch weitere Minderungen durch die Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV erfahren. Die so ermittelten Punktwerte liegen bereits in allen streitgegenständlichen Quartalen unterhalb der BSG-Mindestvorgabe (Zeile 60 der Berechnung der Beklagten). Auch die im Gegenzug erhaltenen Auffüllbeträge vermögen den Punktwert dann nicht wieder auf das Mindestpunktwertniveau anzuheben, wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung deutlich geworden ist. Darüber hinaus erfolgt eine weitere Punktwertabsenkung durch das RLV, sofern eine Überschreitung desselben vorliegt. Da der Kläger in allen streitgegenständlichen Quartalen das RLV überschritten hat, ergibt sich eine Quotierung und damit verbunden eine Vergütung des Überschreitungsanteils nur zum unteren Punktwert. Aus oberem und unteren Punktwert, jeweils in Bezug gesetzt zum Gesamtpunktzahlvolumen im RLV, ergibt sich ein rechnerischer mittlerer Punktwert, der in allen streitgegenständlichen Quartalen deutlich unter dem vom BSG vorgegebenen Mindestpunktwert lag. Dies ist nach der BSG Rechtsprechung unzulässig. Das Gericht hat insoweit keine Zweifel daran, dass das BSG mit der Formulierung "Mengenbegrenzungsregelungen oÄ" auch Mechanismen wie die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 gemeint hat. Jedenfalls das RLV ist wohl eine klassische Mengenbegrenzungsregelung.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass von dem vom BSG vorgegebenen Mindestpunktwert von 2,56 Cent ein Abzug des Notdienstfaktors und ggf. der EHV zulässig ist.
Zur Überzeugung des Gerichts steht unter Bezugnahme auf die o.g. BSG-Entscheidung auch fest, dass vor Abzug des Notdienstfaktors und ggf. der EHV der Mindestpunktwert von 2,56 Cent auch zur Auszahlung zu bringen ist. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung zwar nachvollziehbar dargelegt, dass ihre HVV-Systematik nach Durchführung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV keine weitere Stützungsmöglichkeit des Punktwertes mehr vorsehen. Diese nachvollziehbaren systematischen Schwierigkeiten vermögen jedoch nicht zu rechtfertigen, dass eine Absenkung des Mindestpunktwertes (vor Abzug Notdienst und ggf. EHV) erfolgt. Wie schon das LSG Berlin-Brandenburg (Urt. vom 14.09.2011 – L 7 KA 87/08) zutreffend festgestellt hat, steht es der Beklagten frei, in welcher Weise sie ggf. entstehende Finanzierungslücken schließt. Mehrere Handlungsoptionen kommen in Betracht: Zum einen kann die Beklagte auf ihre Rücklagen zurückgreifen. Zum zweiten kann sie – selbstverständlich unter Berücksichtigung der jeweiligen Fristen – die Fachärzte außer den ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychotherapeuten erneut heranziehen. Zum dritten kann sie – ebenfalls unter Berücksichtigung der jeweiligen Verjährungsfristen – alle Fachärzte, d.h. einschließlich der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten und Psychotherapeuten, heranziehen, wobei sie auf die gleichmäßige Belastung aller Fachärzte zu achten hat, insbesondere indem sie Honorarrückforderungen für alle diese Leistungserbringer auf denselben Zeitraum bezieht. Zum vierten kann sie das Landesschiedsamt mit dem Ziel anrufen, die Krankenkassen auch an diesem Finanzierungsbedarf zu beteiligen.
Damit ist die Beklagte zur Neubescheidung des Klägers insoweit verpflichtet, als die Punktwerte für die probatorischen Sitzungen in den einzelnen streitigen Quartalen den Betrag von 5 Pfennig/2,56 Cent unterschritten. Zur Berechnung des tatsächlichen Punktwertes hat das BSG in dem Urteil vom 28. Mai 2008 in dem Verfahren B 6 KA 49/07 R eine Gesamtbetrachtung der durchschnittlichen Punktwerte der Primärkassen und der Ersatzkassen vorgenommen. So betrug der Punktwert in dem dortigen Verfahren in einem der Quartale bei den Primärkassen nur 2,17 Cent. Hierzu heißt es, insoweit müsse aber die deutlich höhere Vergütung für Ersatzkassenpatienten in demselben Quartal von 3,92 Cent in die erforderliche Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Danach ergebe sich ein durchschnittlicher Punktwert von 3,04 Cent, der das vom Senat für erforderlich gehaltene Honorar von 2,56 Cent deutlich übersteige (juris Rn. 58). Das Gericht hat keine Bedenken im Hinblick auf eine Gesamtbetrachtung des Primär- und Ersatzkassenbereichs, hält es jedoch für notwendig, dass nicht lediglich die Summe der Punktwerte PK und EK halbiert wird, sondern eine Gewichtung nach Leistungsanteilen im PK- und EK-Bereich erfolgt, da nur so eine möglichst wirklichkeitsnahe Berechnung des in der konkreten Praxis erzielten Durchschnittspunktwertes möglich ist. Da in allen streitgegenständlichen Quartalen eine Unterschreitung der BSG-Mindestvorgabe sowohl im PK als auch im EK-Bereich vorlag, kommt es auf eine Gesamtbetrachtung jedoch vorliegend nicht an. Vielmehr kann kassenbereichsspezifisch eine Auffüllung auf den Mindestpunktwert vorgenommen werden.
Der Kläger hat damit einen Anspruch auf Neubescheidung in allen streitgegenständlichen Quartalen. Dabei wird die Beklagte auch festzulegen haben, für wie viele probatorische Sitzungen der Mindestpunktwert von 2,56 Cent gilt. Das BSG hat insoweit eine Einschränkung vorgenommen, indem es den genannten Mindestpunktwert nur auf die "für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen" bezogen hat (B 6 KA 49/07 R, juris, Rn. 57). Wie hoch diese Mindestzahl anzusetzen ist, hat das BSG in den Entscheidungen vom 28. Mai 2008 nicht näher konkretisiert. Diese Festlegung obliegt nicht dem Gericht, sondern der Beklagten im Rahmen ihres Gestaltungsspielraumes. Wäre das BSG auch insoweit von einer Einschränkung des Gestaltungsspielraums im Sinne einer nach konkreten Vorgaben zu bestimmenden allgemein gültigen Mindestzahl ausgegangen, hätte es die entsprechende Festlegung selbst vorgenommen. Welche Mindestzahl probatorischer Sitzungen für eine sachgerechte therapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendig ist, erfordert Einblicke in die vertragspsychotherapeutische Versorgung. Die Beklagte wird ihr Ermessen im Einzelfall ausüben müssen und nicht pauschal eine Begrenzung auf eine gewisse Anzahl probatorischer Sitzungen vornehmen dürfen. Die Beklagte wird bei ihrer Ermessensausübung zu berücksichtigen haben, dass probatorische Sitzungen diskontinuierlich im Quartalsvergleich anfallen. Darüber hinaus eröffnet bereits der EBM im Hinblick auf die Vorgabe der probatorischen Sitzungen von bis zu fünf einen therapeutischen Gestaltungsspielraum, den die Beklagte im Einzelfall schwerlich wird überprüfen können. Es obliegt zunächst dem Therapeuten einzuschätzen, wie viele probatorische Sitzungen für eine "sachgerechte therapeutische Versorgung" notwendig sind. Es dürfte davon auszugehen sein, dass sich im therapeutischen Tätigkeitsbereich grundsätzlich ein gewisses Verhältnis von probatorischen Sitzungen, antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen sowie übrigen Leistungen ergibt. Die Ausfüllung des ihr eingeräumten Gestaltungsspielraums erfordert vielmehr eine auf sachlichen Gesichtspunkten beruhende nachvollziehbar begründete Bewertung durch die Beklagte. Unter den o.g. Gesichtspunkten wird zumindest bei evident über mehrere Quartale bestehenden fachgruppenuntypischen Missverhältnissen, die seitens des Psychotherapeuten nicht erklärt werden können, eine Begrenzung der Anzahl der durchgeführten probatorischen Sitzungen von der Beklagten vorgenommen werden können. Ob eine Mengenbegrenzung insbesondere auch dann in Betracht kommt, wenn bereits mit den probatorischen Sitzungen das RLV überschritten wird, muss vorliegend nicht entschieden werden, liegt aber nahe.
Nach alledem musste die Klage Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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