L 11 KR 1321/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 3225/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1321/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02.03.2016 und der Bescheid der Beklagten vom 28.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2015 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 24.07. bis 01.08.2014, 04.08. bis 25.08.2014 und 10.11. bis 21.12.2014 in Höhe von kalendertäglich 34,76 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren trägt die Beklagte 3/4.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Krankengeld (Krg) für verschiedene Zeiträume.

Der 1968 geborene Kläger ist seit Anfang 2011 hauptberuflich selbständiger Bäckermeister, er arbeitet in einem Betrieb persönlich mit. Seit dem 14.02.2011 ist er bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Am 18.02.2011 reichte er die Wahlerklärung zum Anspruch auf Krg gem § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (Gesetzliche Krankenversicherung, SGB V) bei der Beklagten ein. Im Anmeldeformular zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung heißt es diesbezüglich unter 2.1 (Krankengeldanspruch für hauptberuflich Selbständige): "Die Mitgliedschaft soll den gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit umfassen. Es gilt der allgemeine Beitragssatz. An diese Wahl bin ich 3 Jahre gebunden." Im Kalenderjahr 2011 machte der Kläger mit seinem Betrieb Verluste, im Jahr 2012 erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 18.061 EUR (Einkommensteuerbescheide des Finanzamts Biberach für die Jahre 2011 und 2012).

Im Jahr 2014 reichte der Kläger bei der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB) für folgende Zeiträume ein (Bl 66 Senatsakte):

13. bis 14.04.2014 (2 Tage, Diagnose: R07.4 = Brustschmerzen, nicht näher bezeichnet) 18.04. bis 07.05.2014 (20 Tage, Diagnose: J86.9 = Pyothorax ohne Fistel) 04.07. bis 01.08.2014 (29 Tage, Diagnose: J86.9 = Pyothorax ohne Fistel) 04.08. bis 25.08.2014 (22 Tage, Diagnose: J89.4 = Sonstige Veränderung der Lunge) und 10.11.2014 bis 02.01.2015 (54 Tage, Diagnose: J45.9 = Asthma bronchiale, nicht näher bezeichnet; J94.8 = Sonstige näher bezeichnete Krankheitszustände der Pleura; J45.0 = Vorwiegend allergisches Asthma bronchiale).

Außerdem wurde im Zeitraum vom 08.05. bis 29.05.2014 eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme über die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg durchgeführt (Bl 47 SG-Akte),

Am 21. und 22.01.2015 gab es Telefonate der Ehefrau des Klägers und des Klägers selbst mit der Beklagten. Der Kläger erkundigte sich nach seinem Krg-Anspruch.

Mit Schreiben vom 06.03.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Anspruch auf Krg aufgrund einer Wahlerklärung bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen erst ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit (AU) entstehe.

Mit Schreiben vom 01.04.2015 (Bl 45 Verwaltungsakte) führte der Kläger aus, er sei vom 13. bis 14.04.2014, vom 18.04. bis 07.05.2014, vom 08.05. bis 29.05.2014, vom 04.07. bis 01.08.2014, vom 04.08. bis 25.08.2014 und vom 10.11.2014 bis 02.01.2015 wegen ein- und derselben Krankheit arbeitsunfähig gewesen.

Mit Schreiben vom 13.04.2015 teilte die Beklagte mit, dass erst bei einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit ab der 7. Woche ein Anspruch auf Krg bestehe. Eine Kumulierung mehrerer AU-Zeiten finde nicht statt. Eine AU-Bescheinigung für die Zeit vom 08.05. - 29.05.2014 liege nicht vor. Lediglich der letzte AU-Zeitraum ab dem 10.11.2014 erfülle die Voraussetzungen für die Gewährung von Krg, weshalb ab der 7. Woche (22.12.2014) ein Anspruch auf Krg bis zum 02.01.2015 bestehe. Die vorherigen Zeiträume seien jeweils kürzer als 6 Wochen gewesen.

Mit Bescheid vom 26.06.2015 gewährte die Beklagte dem Kläger Krg für die Zeit vom 22.12.2014 bis 02.01.2015 iHv 34,76 EUR kalendertäglich.

Mit Bescheid vom 28.07.2014 (Bl 57 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte die Gewährung von Krg für Zeiträume vor dem 22.12.2014 ab. Für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V abgegeben hätten, bestehe ein Anspruch auf Krg erst ab der 7. Woche der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit. Eine Anrechnung von Vorerkrankungszeiten sei nicht zulässig.

Der hiergegen am 30.07.2015 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2015 (Bl 62 Verwaltungsakte) als unbegründet zurückgewiesen. Anspruch auf Krg bestehe erst ab der 7. Woche der jeweiligen AU an. Die AU-Zeiträume vom 13.04. bis 14.04.2014, 18.04. bis 07.05.2014, 04.07. bis 01.08.2014 und 04.08. bis 25.08.2014 erfüllten diese Voraussetzungen nicht. Eine Addierung der Zeiten sei nicht möglich.

Hiergegen hat der Kläger am 22.10.2015 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung vorgebracht, dass ein- und dieselbe Erkrankung für sämtliche AU-Zeiten ursächlich gewesen sei, weshalb ab dem 27.05.2014, nach Ablauf von insgesamt 7 Wochen bzw ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld für die Zeiträume vom 27.05. bis 29.05.2014, vom 04.07. bis 01.08.2014, vom 04.08. bis 25.08.2014 und vom 10.11. bis 22.12.2014 bestehe. Im Zeitraum vom 08.05. bis 29.05.2014 sei eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme über die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg durchgeführt worden (Bl 47 SG-Akte), weshalb auch insoweit AU bestanden habe. Maßgeblich könne entgegen der Ansicht der Beklagten nicht sein, dass eine ununterbrochene sechswöchige AU-Zeit vorliegen müsse. Nach der Gesetzesbegründung solle für selbständig Erwerbstätige ein Gleichlauf mit gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern geschaffen werden. Gesetzlich Krankenversicherte hätten auch dann Anspruch auf Krankengeld, wenn die vorangegangene sechswöchige Dauer der AU unterbrochen sei, sofern ein- und dieselbe Erkrankung zugrunde liege. Auch der Gesetzeswortlaut erfordere keine "ununterbrochene" Arbeitsunfähigkeit.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes entstehe der Krg-Anspruch erst nach einer ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit von mehr als 6 Wochen. Das Gesetz (§ 46 S 2 SGB V aF) stelle auf eine Zeitspanne ab ("von der 7. Woche an ...") und nicht auf einen kumulierten Zeitraum von insgesamt 6 Wochen AU als Tatbestandsvoraussetzung. Auch bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern werde Krg regelmäßig erst ab der 7. Woche der AU gezahlt, da der Anspruch regelmäßig während der ersten 6 Wochen wegen Entgeltfortzahlung ruhe. Für freiwillig gesetzlich krankenversicherte selbständig Erwerbstätige bestehe daher eine Karenzzeit von 6 Wochen. Auf diese Weise werde ein Gleichklang zu den versicherten Arbeitnehmern hergestellt. § 46 Satz 2 SGB V aF wolle nicht das gesamte Regelungskonzept des Entgeltfortzahlungsgesetzes implementieren, sondern lediglich den Anspruchs- und Bezugsraum harmonisieren.

Mit Urteil vom 02.03.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Krg für Zeiten vor dem 22.12.2014. Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 46 Satz 2 SGB V aF) entstehe der Anspruch auf Krg von der 7. Woche der AU an. Dies lasse erkennen, dass es sich um eine einzige AU-Zeit handeln müsse und nicht um mehrere addierte Zeiten. Dem stehe nicht entgegen, dass im Tatbestand das Merkmal "ununterbrochen" nicht erwähnt werde. Kumulierte AU-Zeiten könnten nicht berücksichtigt werden. Der Anspruch entstehe nicht mit der ärztlichen Feststellung der AU, sondern mit einer zeitlichen Karenz, die bei jeder neuen AU von neuem zu berücksichtigen sei. Wertungswidersprüche zu gesetzlich Versicherten mit Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bestünden nicht. Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 07.03.2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 06.04.2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen voll umfänglich aufrecht erhalten und weiter vertieft. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG entstehe der Krg-Anspruch bei freiwillig versicherten selbständig Erwerbstätigen nicht erst nach ununterbrochener sechswöchiger Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02.03.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 28.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.09.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeiträume vom 27.05. bis 29.05.2014, vom 04.07. bis zum 01.08.2014, vom 04.08. bis zum 25.08.2014 und vom 10.11. bis zum 22.12.2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und die Entscheidungsgründe des SG Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat im Wesentlichen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und teilweise begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage insgesamt abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Krg auch für die Zeit vom 24.07. bis 01.08.2014, 04.08. bis 25.08.2014 und 10.11. bis 21.12.2014. Für Zeiten vor dem 24.07.2014 hat er dagegen keinen Anspruch auf Krg.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Krg-Anspruchs ist § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Voraussetzung für einen Anspruch auf Krg ist zunächst, dass im Zeitpunkt des Entstehens des Krg-Anspruchs ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg bestanden hat. Dies ist hier der Fall. § 44 Abs 2 SGB V schließt zwar für hauptberuflich Erwerbstätige wie den Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Krg aus, eröffnet diesen aber die Möglichkeit, eine sog Wahlerklärung abzugeben mit der Folge, dass die freiwillige Versicherung auch einen Anspruch auf Krg umfasst. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger Gebrauch gemacht.

Der Kläger war (auch) während folgender Zeiträume arbeitsunfähig krank: vom 24.07. bis 01.08.2014, 04.08. bis 25.08.2014 und 10.11. bis 21.12.2014. Dies entnimmt der Senat den vorgelegten AUB; im Übrigen ist dies zwischen den Beteiligten unstreitig. Die AU beruhte auf derselben Krankheit. Von "derselben Krankheit" (iSd § 48 SGB V) ist auszugehen, wenn die zur AU führenden Auswirkungen der Krankheit auf einer nicht ausgeheilten Grunderkrankung oder einer bestimmten anatomischen Veränderung (Bsp. Arthrose) beruhen. Es kommt nicht auf die Krankheitsbezeichnung (Diagnose) an. Im Fall des Klägers beruhte die AU auf einer Erkrankung der Lunge (Bronchien). Ob der Kläger auch während der Dauer der vom 08.05. bis 29.05.2014 durchgeführten stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme arbeitsunfähig erkrankt war, kann offen bleiben. Für diesen Zeitraum fehlt es bereits an einer ärztlichen Feststellung der AU. Die stationäre Behandlung selbst begründet keinen Krg-Anspruch, da sie nicht auf Kosten der Beklagten durchgeführt, sondern von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg finanziert wurde.

Der Anspruch auf Krg entsteht nach § 46 S 1 SGB V in der bis 22.07.2015 geltenden Fassung 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten sowie für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V abgegeben haben, entsteht der Anspruch nach § 46 S 2 SGB V aF von der siebten Woche der AU an. Abweichend hiervon entsteht der Anspruch auf Krg für die in § 46 Satz 2 SGB V aF genannten Versicherten bereits vor der siebten Woche der AU zu dem von der Satzung bestimmten Zeitpunkt, spätestens jedoch mit Beginn der dritten Woche der AU, wenn der Versicherte bei seiner Krankenkasse einen Tarif nach § 53 Abs 6 SGB V gewählt hat, was der Kläger nicht getan hat.

§ 46 Satz 2 SGB V a.F. schiebt das Entstehen des Krg-Anspruchs für freiwillig Versicherte, die eine Krg-Wahlerklärung abgegeben haben, um sechs Wochen vom Beginn der AU an auf. Für diese ersten sechs Wochen der AU ist demnach der Anspruch auf Krg ausgeschlossen. Er beginnt erst nach Ablauf einer sechswöchigen "Karenzzeit" mit dem Beginn der 7. Woche der AU (Hauck/Noftz/Gerlach, SGB V, § 46 Rn 25 Stand 12/2016; Schifferdecker in KassKomm SGB V, § 46 Rn 55, Stand 09/2016; jurisPK-SGB V/Sonnhoff, 3. Aufl 2016, § 46 Rn 61). Soll der Krg-Anspruch vor Ablauf von 6 Wochen beginnen, müssen freiwillig Versicherte einen Wahltarif abschließen, in dem der konkrete Anspruchsbeginn festgelegt ist (§ 53 Abs 6 SGB V).

Der Senat teilt angesichts dieses Regelungszusammenhangs nicht die Auffassung der Beklagten und des SG, dass erst nach einer ununterbrochenen AU-Dauer von sechs Wochen der Krg-Anspruch entsteht. In der amtlichen Begründung zu der zuerst in § 182 Abs 3 S 2 RVO enthaltenen Regelung des § 46 Satz 2 SGB V aF heißt es: "Wegen der besonderen Einkommensverhältnisse dieser Versicherten und um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme entgegenzuwirken, ist bei Arbeitsunfähigkeit für die Gewährung von Krankengeld eine Wartezeit von sechs Wochen vorgesehen. Der Beitragssatz entspricht daher demjenigen, der für Mitglieder mit Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhoben wird" (BT-Drs 8/3172, S 26 zu § 48 Nr 3; BT-Drs 9/26, S 23 zu § 49 Nr 3; vgl auch BR-Drs 171/09, S 109: "Für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, die sich mit einer Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Nummer 2 für den "gesetzlichen" Krankengeldanspruch gegen Zahlung des allgemeinen Beitragssatzes entschieden haben, beginnt der Anspruch ab der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit und damit im selben Zeitpunkt wie bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern."; zur beabsichtigten Parallele zu den versicherten Arbeitnehmern vgl auch Joussen in Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl. 2017, § 46 Rn 5).

Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass die sechs Wochen, für die einem hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen trotz Vorliegens von AU kein Krg gewährt wird, nach demselben Maßstab zu bemessen sind, wie der Zeitraum, für den Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen ihren Arbeitgeber haben.

Für Arbeitnehmer bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltFG, dass das Entgelt "bis zur Dauer von sechs Wochen" zu zahlen ist. Diese Frist wird allgemein so verstanden, dass damit 42 Kalendertage gemeint sind. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung wird in der Weise ermittelt, dass die einzelnen Arbeitsunfähigkeitszeiten zusammengerechnet werden, bis die Anspruchszeit von 42 Kalendertagen verbraucht ist. Begründet wird dies u.a. damit, dass für die Berechnung der Frist die §§ 187, 188 und 191 BGB gelten. Es wird ohne weiteres angenommen, dass es sich bei den sechs Wochen um einen Zeitraum handelt, der nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht und bei dem die Woche zu sieben Tage (6*7 = 42) gerechnet wird. Ab der siebten Woche bedeutet deshalb, ab dem 43. Tag der AU. Auch bei § 46 Satz 2 SGB V aF brauchen die sechs Wochen, die noch keinen Anspruch auf Krg begründen, nicht zusammenhängend zu verlaufen. Neben der Analogie zu § 3 EntgeltFG folgt dies auch aus § 48 SGB V. Die 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, für die es bei Vorliegen derselben Erkrankung längstens Krg gibt, müssen ebenfalls nicht zusammenhängend verlaufen, sondern nur zusammengerechnet 576 Tage ergeben.

Bei freiwillig versicherten Selbständigen richtet sich das Krg gemäß § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V grundsätzlich nach dem tatsächlich erzielten Einkommen, das der Festsetzung des Beitrags zuletzt vor Beginn der AU zugrunde lag. Das Arbeitseinkommen im Referenzjahr ist in der Regel dem Einkommensteuerbescheid zu entnehmen, der der Beitragsfestsetzung zuletzt vor Beginn der AU zugrunde lag (BSG 06.11.2008 - B 1 KR 8/08 R – juris Rn 17). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerbescheid nicht das Kalenderjahr betrifft, das dem Jahr, in dem die AU eintritt, unmittelbar vorausgeht (Thüringer LSG 26.02.2013 – L 6 KR 202/10 – juris). Der Einkommensteuerbescheid ist auch dann maßgebend, wenn darin keine oder sogar negative Einkünfte festgesetzt worden sind (LSG Baden-Württemberg 23.04.2015 – L 11 KR 5087/14 – juris). Lediglich dann, wenn der Steuerbescheid einen Zeitraum betrifft, der so weit zurückliegt, dass er die aktuellen Einkommensverhältnisse nicht widerspiegelt oder wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betrag, welcher zuletzt vor Eintritt der AU der Beitragsbemessung zugrunde lag, hinsichtlich des Arbeitseinkommens erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der AU entspricht, weil das tatsächliche Einkommen wesentlich geringer war, ist nach der Rechtsprechung des BSG eine möglichst zeitnahe Ermittlung des maßgeblichen Arbeitseinkommens anzustreben. Erforderlichenfalls ist das Arbeitseinkommen des Veranlagungszeitraums aufgrund der steuerrechtlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen von der Krankenkasse von Amts wegen zu ermitteln. Für die Ermittlung des für das Regelentgelt maßgeblichen Arbeitseinkommens wird an das Einkommensteuerrecht angeknüpft, nach dem das Kalenderjahr der Veranlagungszeitraum ist (BSG 06.11.2008 - B 1 KR 8/08 R – juris Rn 17).

Ausgehend von diesen Grundsätzen bemisst sich die Höhe des Krg nach den Einkünften aus Gewerbebetrieb, die der Kläger nach dem vorliegenden, der Beitragsbemessung zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Biberach im Jahr 2012 erzielt hatte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte aus Gewerbebetrieb belief sich auf 18.061 EUR, dies sind monatlich 1.505,08 EUR, hiervon 70% sind 1.053,56 EUR. Umgerechnet auf den Kalendertag ergibt sich damit ein Betrag von 35,12 EUR. Abzüglich der Pflegeversicherungsbeiträge (0,36 EUR) ergibt sich der Betrag 34,76 EUR. Davon ging auch die Beklagte bei der Berechnung des dem Kläger ab 22.12.2014 zuerkannten Krg aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Klage nur teilweise Erfolg hatte.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, wie die Wörter " ... von der der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an" in § 46 Satz 2 SGB V aF bzw jetzt § 46 Satz 3 SGB V auszulegen ist, zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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