L 11 KR 3440/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 5142/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3440/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.06.2016 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 15.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2012 verurteilt, dem Kläger Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 26.05. bis 12.06.2012 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet 1/4 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg) im Zeitraum 26.05. bis 22.08.2012.

Der 1951 geborene Kläger war ab 01.12.2010 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Aufgrund einer akuten Pharyngitis, einer Panniculitis und eines Zervikobrachialsyndroms erkrankte er am 08.06.2011 in Bosnien arbeitsunfähig. Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland bescheinigte die praktische Ärztin Dr. L.-P. mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 04.07.2011 und Auszahlscheinen vom 20.07.2011 und 05.08.2011 (bis 06.09.2011) weiter Arbeitsunfähigkeit wegen essentieller Hypertonie, hypertensiver Krise und akuter Pharyngitis. Ab 05.09.2011 bescheinigte der Orthopäde Dr. P. Arbeitsunfähigkeit im Wesentlichen wegen einer nicht näher bezeichneten Wirbelsäulenerkrankung (M53.99) durch Auszahlscheine fortlaufend; für den Zeitraum 24.05. bis 06.06.2012 liegt zusätzlich ein Auszahlschein des Orthopäden Dr. S. vor wegen beginnender Coxarthrose beidseits. Ab 04.07.2012 liegen Auszahlscheine des Orthopäden Dr. W. vor wiederum mit der Diagnose M53.99 (zuletzt vom 15.08.2012 bis auf weiteres).

Der Kläger bezog im Wege der Leistungsfortzahlung bis 19.07.2011 Arbeitslosengeld, anschließend Krg. Nachdem die Beklagte zunächst den Krg-Bezug zum 25.08.2011 beendet hatte, anerkannte sie rückwirkend das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit und erstattete der Bundesagentur für Arbeit das im Zeitraum 25.08. bis 16.10.2011 geleistete Arbeitslosengeld. Krg wurde damit durchgehend vom 20.07.2011 bis zuletzt 25.05.2012 geleistet.

Am 06.03.2012 ließ der Kläger eine laparoskopische Hernioplastik im M.-Hospital S. durchführen. Die Beklagte stellte nach sozialmedizinischer Fallberatung vom 28.03.2012 (Dr. D. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK)) zunächst die Gewährung von Krg zum 04.04.2012 ein. Nachdem der behandelnde Orthopäde Dr. P. geltend gemacht hatte, dass wegen der hinzugetretenen Leistenerkrankung die Arbeit weiter aufgeschoben werden sollte, bestätigte Dr. W. vom MDK mit Direktberatung vom 16.04.2012 ausgehend von der Diagnose "Hämatome in der Leistengegend beidseits" eine weitere Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von zwei Wochen. Mit Bescheid vom 23.04.2012 gewährte die Beklagte daraufhin weiter Krg bis 27.04.2012. Dr. P. wies darauf hin, dass eine erneute Operation für den 30.04.2012 geplant sei. Vom 02. bis 04.05.2012 wurde der Kläger im M.-Hospital S. stationär behandelt und dabei ein Hämatom im Bereich der rechten Leiste operativ ausgeräumt; im Entlassungsbericht wurde eine körperliche Schonung unter Vermeidung schwerer Lasten für die Dauer von 14 Tagen empfohlen. Die Beklagte legte die Unterlagen erneut dem MDK vor, der mit Direktberatung vom 15.05.2012 (Dr. D.) empfahl, die Arbeitsunfähigkeit zum 25.05.2012 zu beenden.

Mit Bescheid vom 15.05.2012 anerkannte die Beklagte eine weitere Arbeitsunfähigkeit bis 25.05.2012. Danach ende der Anspruch auf Krg und die Mitgliedschaft in der bisherigen Form.

Mit seinem Widerspruch legte der Kläger eine Bescheinigung von Dr. Z., M.-Hospital, vom 29.05.2012 vor, wonach weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestehe bei persistierend bestehenden rechtsseitigen Leistenschmerzen. Die Beklagte schaltete erneut den MDK ein, der aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 21.06.2012 mit Gutachten vom 27.06.2012 durch Dr. F. zu dem Ergebnis gelangte, Arbeitsunfähigkeit liege nur bis 25.05.2012 vor. Die Gutachterin stellte im Rahmen der körperlichen Untersuchung eine deutliche Aggravationstendenz mit Gegenspannen des Klägers bei der Bewegungsprüfung fest. Es liege weiterhin Behandlungsbedürftigkeit vor, jedoch begründeten die Beeinträchtigungen keine Arbeitsruhe.

Am 22.08.2012 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos, vom 23.08. bis 13.09.2012 bezog er Übergangsgeld wegen Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme durch den Rentenversicherungsträger und ab 13.09.2012 erneut Arbeitslosengeld. Aus der in der F.-Klinik in B. B. durchgeführten Rehabilitation wurde der Kläger mit den Diagnosen chronisch rezidivierende Zervikobrachialgie und –zephalgie mit degenerativer Spinalkanalstenose C5/6/7, chronisch rezidivierende Lumboischialgie mit Bandscheibendestruktion L2/3, L3/4, L4/5, L5/S1, rezidivierender Omalgie beidseits mit Acromioclaviculargelenkarthrose, Retropatellararthrose beidseits und auswärts vordiagnostizierte Depression arbeitsfähig entlassen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gestützt auf das MDK-Gutachten vom 27.06.2012 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 18.09.2012 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, er sei auch über den 25.05.2012 hinaus arbeitsunfähig gewesen, wie die Bestätigung der Krankenhausärztin vom 29.05.2012 zeige. Auch die behandelnden Orthopäden seien weiter vom Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen.

Mit Urteil vom 30.06.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sei für den Kläger als Arbeitslosen auf körperlich leichte und geistig einfache Vollzeittätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen. Gemessen daran sei der Kläger jedenfalls ab 25.05.2012 nicht mehr arbeitsunfähig gewesen, wie sich aus dem Gutachten des MDK vom 27.06.2012 ergebe. Danach habe ein chronisches Wirbelsäulensyndrom im Vordergrund gestanden, das keine gravierenden Funktionseinschränkungen hervorgerufen habe. Ein Befund, der körperlich leichte Berufstätigkeiten ausgeschlossen hätte, sei bei der Untersuchung nicht erhoben worden und werde auch in den aktenkundigen medizinischen Unterlagen nicht beschrieben. Mit dem Verweis auf progrediente, im Verlauf rezidivierende Erkrankungen des Bewegungsapparates (Attest Dr. W. vom 18.09.2012) bzw persistierende rechtsseitige Leistenschmerzen (Bescheinigung Dr. Z. vom 29.05.2012) sei Arbeitsunfähigkeit nicht zu begründen. Relevante Funktionsbeeinträchtigungen seien weder den ärztlichen Attesten zu entnehmen noch vom Kläger dargetan worden. Dr. F. habe bei der Untersuchung am 21.06.2012 im Bereich der rechten Leiste keinen krankhaften Befund mehr erhoben und deutliche Aggravationstendenzen beschrieben.

Gegen das seinen (damaligen) Bevollmächtigten am 10.08.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 12.09.2016 eingelegte Berufung des Klägers. Nach der Hämatomausräumung im Rahmen der stationären Behandlung vom 02. bis 04.05.2012 seien wegen Komplikationen und der weiteren Operation mehrere ärztliche Behandlungen und Wund- und Verlaufskontrollen erforderlich gewesen. Im Bericht des M.-Hospitals an die Hausärztin vom 16.05.2012 werde ebenfalls körperliche Schonung für 14 Tage empfohlen. Der Kläger habe sich weder aufrichten noch gehen können, die Wunde habe gekühlt werden müssen. Zudem hätten seit mehr als 10 Jahren beim Kläger erhebliche HWS- und LWS-Beschwerden bestanden. Da die ambulanten Behandlungen nicht ausreichend gewesen seien, sei eine stationäre Rehabilitation bewilligt worden. Aus dem Entlassungsbericht ergebe sich, dass der Kläger Beschwerden bei Drehbewegungen und beim Bücken sowie Schwierigkeiten beim Stehen und Gehen gehabt habe. Vom 07. bis 09.08.2012 sei zudem eine weitere stationäre Behandlung im M.-Hospital erfolgt. Eine Amtsermittlung durch das SG habe nicht stattgefunden. Das SG sei kritiklos einem Gutachten des MDK gefolgt, obwohl darin nicht sämtliche nach Durchsicht der Akte ersichtlichen Einschränkungen berücksichtigt worden seien. Es sei auch nicht erkennbar, zu welchem Leistungsumfang und für welches Leistungsbild sich der Kläger der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt habe. Das SG habe unverständlicherweise nur die Akten der Bundesagentur für Arbeit für den Zeitraum August bis Oktober 2011 beigezogen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.06.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 15.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld auch für die Zeit vom 26.05.2012 bis einschließlich 22.08.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dr. F. vom MDK habe den Kläger am 21.06.2012 untersucht und berichtet, dass eine deutliche Aggravationstendenz bestanden habe und die Bewegungsprüfung nur eingeschränkt verwertbar sei, da der Kläger dagegen gespannt und ausgeprägte Schmerzen angegeben habe. Obwohl der Kläger zuvor mit 90° angewinkelten Hüft- und Kniegelenken auf einem Stuhl gesessen habe ohne erkennbare Schmerzen seien bereits bei weniger als 90° Beugung dieser Gelenke starke Schmerzen angegeben worden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien körperlich leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, Über-Kopf-Arbeiten, Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie ohne Akkord oder Nachtschicht mindestens sechs Stunden täglich möglich gewesen.

Der Senat hat die Akten der Agentur für Arbeit beigezogen. Daraus ergibt sich, dass sich der Kläger im Dezember 2010 ohne zeitliche oder sonstige Einschränkung der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Ferner hat der Senat den Entlassungsbericht vom 18.09.2012 zur Reha-Maßnahme in B. B. beigezogen und Prof. Dr. S. vom M.-Hospital schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Hinsichtlich seiner Aussage vom 14.11.2016 wird auf Blatt 38/39 der Senatsakte Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Akten der Bundesagentur für Arbeit Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig und begründet, soweit die Beklagte die Gewährung von Krg für den Zeitraum 26.05. bis 12.06.2012 abgelehnt hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krg im Zeitraum 13.06. bis 22.08.2012, da ab 13.06.2012 Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorlag und im Zeitraum 07. bis 09.08.2012 (stationäre Behandlung im M.-Hospital) keine mit einem Anspruch auf Krg verbundene Mitgliedschaft bei der Beklagten vorlag.

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 SGB V in der bis 22.07.2015 geltenden Fassung - § 46 Satz 1 SGB V aF). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (Bundessozialgericht (BSG) 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7).

Die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs, also nicht nur die AU, sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krankengeld-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14). Die Versicherungsverhältnisse, die die Gewährung von Krg nicht einschließen, sind in § 44 Abs 2 SGB V aufgeführt. Danach können ua die nach § 10 SGB V Versicherten kein Krg beanspruchen. Vor Beginn des Krg-Bezugs am 20.07.2012 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und war über diesen Leistungsbezug nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V pflichtversichert. Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bleibt diese Mitgliedschaft jedoch auch nach Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld über den Bezug von bzw Anspruch auf Krg erhalten. Im vorliegenden Fall endete die Mitgliedschaft in der Arbeitslosenversicherung mit Anspruch auf Krg daher am 12.06.2012. Danach war der Kläger familienversichert.

Der Kläger hat sich im Dezember 2010 der Bundesagentur für Arbeit ohne Einschränkungen für auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zur Verfügung gestellt, wie sich aus der beigezogenen Akte der Bundesagentur für Arbeit entnehmen lässt. Dies ist der Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Maßstab für die Beurteilung der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen sind alle Beschäftigungen, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat und die ihm arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind (BSG 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, BSGE 94, 247, SozR 4-2500 § 44 Nr 6; 04.04.2006, B 1 KR 21/05 R, BSGE 96, 182, SozR 4-2500 § 44 Nr 9). Einen darüber hinausgehenden krankenversicherungsrechtlichen "Berufsschutz" gibt es nicht. Nicht abzustellen ist daher auf die frühere Beschäftigung als Arbeiter in einer Metallfabrik mit schwerer körperlicher Belastung. Es kommt darauf an, ob der Kläger ab 26.05.2012 in der Lage gewesen ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig zu verrichten. Dies ist zur Überzeugung des Senats im Zeitraum bis einschließlich 12.06.2012 nicht der Fall gewesen, weshalb Arbeitsfähigkeit bis dahin nicht, im anschließenden Zeitraum jedoch sehr wohl vorlag.

Unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch nach dem 25.05.2012 bis 12.06.2012 nicht in der Lage war, auch nur einer leichten Tätigkeit nachzugehen und damit Arbeitsunfähigkeit bestand. Der Senat stützt sich insoweit im Wesentlichen auf die Aussage von Prof. Dr. S. (M.-Hospital) vom 14.11.2016, die Bescheinigung von Dr. Z. vom 29.05.2012 und den Entlassungsbericht des M.-Hospitals vom 04.05.2012. Am 06.03.2012 war bei dem Kläger eine laparoskopische Hernioplastik beidseits vorgenommen worden. Postoperativ entwickelte sich ein Hämatoserom beidseits. In der Folge erfolgte eine operative Hämatomausräumung rechts im Rahmen der stationären Behandlung vom 02. bis 04.05.2012. Im Entlassungsbericht vom 04.05.2012 wurde eine körperliche Schonung für 14 Tage empfohlen. Dies akzeptierte auch der MDK und empfahl eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit (erst) zum 25.05.2012 (Direktberatung Dr. D. vom 15.05.2012). Nach der Operation stellte sich der Kläger wegen persistierender Beschwerden noch zweimal in der chirurgischen Ambulanz des M.-Hospitals vor, am 29.05. und 12.06.2012. Nach der Aussage von Prof. Dr. S. bestanden bei rechtsseitigen Leistenschmerzen erhebliche Einschränkungen bei sitzenden, gehenden und stehenden Tätigkeiten und Arbeitsunfähigkeit auch für leichte körperliche Tätigkeiten. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, diese für den streitigen Zeitraum aufgrund damaliger Untersuchung erstellte Beurteilung der behandelnden Ärzte des M.-Hospitals in Zweifel zu ziehen. Bis zur Untersuchung beim MDK am 21.06.2012 waren die Beschwerden in der rechten Leiste offensichtlich abgeklungen, denn bei der dortigen Untersuchung fanden sich im Bereich der rechten Leiste reizlose Operationsnarben ohne tastbare Resistenzen. Für die Zeit davor lässt sich dem Gutachten hinsichtlich der postoperativen Beeinträchtigungen nichts entnehmen. Allerdings ist für die Zeit nach der letzten Vorstellung im M.-Hospital am 12.06.2012 auch nicht nachgewiesen, dass noch eine erhebliche funktionelle Einschränkung bestand infolge der Leistenoperation. Die durch die persistierenden Leistenschmerzen begründete Arbeitsunfähigkeit kann daher nur bis zu diesem Zeitpunkt anerkannt werden.

Auch aus den fortbestehenden orthopädischen Beeinträchtigungen lässt sich Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum nach dem 12.06.2012 nicht begründen. Bei dem Kläger bestehen erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sowie degenerative Veränderungen der Schultern und der Kniegelenke mit Bewegungseinschränkungen. Infolge der Bandscheibenschäden bestehen Sensibilitätsstörungen, jedoch keine motorischen Ausfälle, insbesondere keine Fußheber- oder –senkerschwäche. Dies ergibt sich sowohl aus dem MDK-Gutachten vom 27.06.2012 als auch aus dem Entlassungsbericht der Reha-Maßnahme. Auch die insoweit dokumentierten Bewegungsausmaße sind vergleichbar (MDK: Finger-Boden-Abstand 38 cm; Schober 10/11 cm; Ott 30/31 cm; HWS Rotation 2/3 eingeschränkt – Reha-Bericht: Finger-Boden-Abstand 40 cm; Schober 10/13 cm; Ott 30/30 cm; HWS Rotation bds 50°). Die F.-Klinik ist auch unter Berücksichtigung dieser Bewegungseinschränkungen davon ausgegangen, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte (bis sogar mittelschwere) Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen (Wirbelsäulenzwangshaltungen, Arbeiten in gebückter Körperhaltung, im Knien oder in der Hocke, Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten) besteht. Entsprechend erfolgte die Entlassung als arbeitsfähig. Auch für den Zeitraum vor der Reha-Maßnahme liegen keine dokumentierten Einschränkungen vor, die der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit entgegen stehen könnten. Bereits bei der Untersuchung durch den MDK am 21.06.2012 stellte sich ein vergleichbares Beschwerdebild dar wie im Rahmen der Rehabilitation. Auch wenn bei der MDK-Untersuchung wohl Verständigungsprobleme vorlagen, wie sowohl die Gutachterin ausführt als auch der Kläger vorträgt, hat der Senat keine Bedenken, dieses Gutachten zu verwerten, zumal die Ergebnisse durch die nachfolgende Reha-Maßnahme voll bestätigt werden. Auch bei der Beschwerdeanamnese zu Beginn der Reha hatte der Kläger keine weitergehenden Einschränkungen geltend gemacht. Nach den Ausführungen im Entlassungsbericht bestanden Schmerzen im Schulter-/Nackenbereich mit begleitendem Taubheitsgefühl und Kribbeln im Nacken und Schulter rechts, lumbale Schmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein bis zum Knie, Kribbelparästhesien Unterschenkel und Fuß sowie Schmerzen in den Knien links mehr als rechts. Für den Alltag gab der Kläger zunehmende Beschwerden bei Drehbewegungen an, Bücken, Schuhe anziehen und binden seien erschwert. Auch insoweit ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen nicht mehr zumutbar gewesen wären.

Ab dem 07.08.2012, dem Tag der stationären Aufnahme wegen der operativen Entfernung einer Zyste am Zungengrund, bestand kein Anspruch auf Krg, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Anspruch auf Krg krankenversichert war. Die durch den Alg-Bezug begründete Mitgliedschaft hat nur bis zum 12.06.2012 bestanden (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V), danach ist kein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg ersichtlich. Der Kläger war ab dem 13.06.2012 über die bestehende Versicherung der Ehefrau familienversichert (§ 10 SGB V), was die Gewährung von Krg nicht mit einschließt (§ 44 Abs 2 SGB V).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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