L 5 KA 3651/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 4147/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 3651/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auf 135.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit mit Wirkung ab dem Quartal 3/2010 im Hinblick auf den arztindividuellen Fallwert die Zuordnung des Facharztes für Innere Medizin ohne Schwerpunkt Dr. St. F. (im Folgenden: Dr. F) zur Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Versorgungsschwerpunkt Kardiologie und des Facharztes für Innere Medizin ohne Schwerpunkt Dr. R. R. (im Folgenden Dr. R) zur Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Versorgungsschwerpunkt Gastroenterologie.

Die Klägerin ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts Trägerin des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), welches mit Sitz in W. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.

Mit Schreiben vom 30.09.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, mit Wirkung ab dem Quartal 3/2010 Dr. F. der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit dem Versorgungsschwerpunkt Kardiologie und Dr. R. der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit dem Versorgungsschwerpunkt Gastroenterologie zuzuordnen. Zur Begründung verwies die Klägerin darauf, dass beide Ärzte seit längerem nahezu ihre gesamten Leistungen in den genannten Versorgungsschwerpunkten Kardiologie bzw. Gastroenterologie erbringen würden. Der entsprechende Sachverhalt ergebe sich aus den Abrechnungen des MVZ.

Mit Bescheid vom 24.03.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dem Antrag könne auf Honorarverteilungsebene nicht entsprochen werden, da für die beantragten Schwerpunktbezeichnungen bisher keine zulassungsrechtliche Grundlage vorliege und eine entsprechende Umgruppierung in diesem Fall durch den Zulassungsausschuss erfolgen müsse.

Hiergegen erhob die Klägerin am 31.03.2011 Widerspruch und machte zur Begründung geltend, bei der angefochtenen Entscheidung werde verkannt, dass es nach den Beschlüssen des (erweiterten) Bewertungsausschusses (EBewA) nicht nur auf die - über die Zulassungsgremien anerkannte - weiterbildungsrechtliche Schwerpunktbezeichnung ankomme, sondern es insoweit auch ausreichend sei, wenn der Facharzt für Innere Medizin ohne Schwerpunkt überwiegend (d. h. zu mehr als 50%) im entsprechenden Schwerpunkt tätig sei (Anlage 1 zum Beschluss des EBewA vom 27./28.08.2008 unter Teil F Ziff. 4 mit der Begrifflichkeit "[Versorgungs-]Schwerpunkt"). In diesem Sinne habe auch das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 22.02.2012 (- S 83 KA 613/10 -, nv) entschieden. Auch der im betroffenen Zeitraum maßgebliche Honorarverteilungsvertrag (HVV) der Beklagten, Teil B § 3 Nr. 12 Satz 1, verweise nicht nur auf die Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnung, sondern auch auf den Versorgungsbereich, in dem die zeitlich überwiegende Leistungserbringung erfolge.

Widerspruch gegen die Honorarbescheide und Zuweisungen des Regelleistungsvolumens (RLV) für die Quartale 3/2010 bis 1/2015, in denen Dr. R und Dr. F jeweils der Gruppe der Fachärzte für Innere Medizin ohne Schwerpunkt zugeordnet wurde, legte die Klägerin nur hinsichtlich des Honorarbescheids für das Quartal 4/2011 und der RLV-Zuweisung für das Quartal 3/2010 ein. Gegen den insoweit zurückweisenden Widerspruch erhob die Klägerin jedoch keine Klage.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2013 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.03.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, Dr. F. nehme seit 24.03.2010 an dem Selektivvertrag "Kardiologie A." teil. Die im Rahmen dieses Selektivvertrags erbrachten Leistungen würden über den Vertragspartner M.-Verbund und nicht über sie, die Beklagte, vergütet. Diese Leistungen würden daher von ihr, die Beklagten, nicht berücksichtigt. Dr. R. nehme seit 07.12.2010 am Selektivvertrag "Gastroenterologie A." teil. Auch die im Rahmen dieses Selektivvertrags erbrachten Leistungen würden über den Vertragspartner M.-Verbund und nicht über sie, die Beklagte, vergütet, sodass diese Leistungen bei ihrer Prüfung ebenfalls keine Berücksichtigung fänden. In dem für den widerspruchsbefangenen Zeitraum gültigen HVV finde sich die maßgebliche Regelung in Teil B § 3 Nr. 14 HVV. Nach dieser Regelung richte sich das RLV und das Qualifikationsgebundene Zusatzvolumen (QZV) für einen Vertragsarzt, der seine Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausübe, nach dem Versorgungsauftrag, mit dem er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei bzw. auf Antrag des Vertragsarztes nach dem Versorgungsbereich, in dem seine (zeitlich) überwiegende Leistungserbringung der zurückliegenden Quartale gelegen habe. Hierbei sei der zulassungsrechtliche Status des Arztes maßgebend. Die Zuordnung zu einem solchen Schwerpunkt sei an die zulassungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 19 ff. der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) geknüpft. Diese Voraussetzungen seien für die beantragten Schwerpunkte zulassungsrechtlich nicht gegeben. Aus diesem Grund werde die Tätigkeit nicht, wie von Teil B § 3 Nr. 14 HVV verlangt, unter mehreren Schwerpunktbezeichnungen ausgeübt. Dr. F. und Dr. R. führten vielmehr keine Schwerpunktbezeichnung. Daher hätten sie auch nicht die in Teil B § 3 Nr. 14 HVV geregelte Antragsmöglichkeit auf Wechsel des Versorgungsbereichs, auch wenn in diesem Bereich eine überwiegende Leistungserbringung vorgelegen habe. Ergänzend führte die Beklagte aus, dass im Rahmen der ergänzenden Vereinbarung zur Reform des einheitlichen Bewertungsmaßstabs gemäß § 87 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur schwerpunktbezogenen Leistungserbringung für Fachärzte für Innere Medizin zum 01.04.2005 Fachärzte für Innere Medizin ohne Schwerpunkt bis zum 30.06.2006 einen Antrag hätten stellen können, unter bestimmten Bedingungen unbefristet die Genehmigung zur Berechnung von schwerpunktspezifischen Leistungen zu erhalten. Gleichzeitig seien in einem solchen Fall die gleichen arztgruppenbezogenen Abrechnungsbestimmungen wie für Schwerpunktinternisten gültig. Ein solcher Antrag sei von Dr. R. und Dr. F. nicht gestellt worden. Die Begrifflichkeit des ,,(Versorgungs-)Schwerpunktes", welche in der Anlage lb zu Teil B des HVV verwendet werde, beziehe sich allein auf die Fachärzte für Innere Medizin im fachärztlichen Versorgungsbereich, die entweder zulassungsrechtlich mit einem oder mehreren Versorgungsschwerpunkten eingestuft seien oder die auf Honorarverteilungsebene über die o. g. ergänzende Vereinbarung zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) zur schwerpunktbezogenen Leistungserbringung für Fachärzte für Innere Medizin zum 01.04.2005 einen (gegebenenfalls weiteren) Versorgungsschwerpunkt erhalten hätten. In dieser Weise sei auch die Begrifflichkeit im Beschluss des BewA vom 26.03.2010 zu verstehen. Dort sei in der Anlage 2 zum Beschluss Teil F unter Punkt 2 geregelt, dass "die Partner der Gesamtverträge Modifikationen (z. B. Differenzierungen oder Zusammenfassungen) von relevanten Arztgruppen vereinbaren können, insbesondere bei Arztgruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten der Leistungserbringung (zum Beispiel für Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie mit und ohne Erbringung von Blutreinigungsverfahren)". Hier beziehe sich die Begrifflichkeit des "(Versorgungs-)Schwerpunktes" allein darauf, dass die Fachärzte für Innere Medizin im fachärztlichen Versorgungsbereich zulassungsrechtlich mit einem oder mehreren Versorgungsschwerpunkten eingestuft sein könnten. Nach der Präambel zu Kapitel 13 des EBM könnten Fachärzte für Innere Medizin ohne Schwerpunkt im Kapitel 13 neben den Gebührenordnungspositionen (GOP) des Abschnitts 13.2.1 die GOP 13250 EBM sowie zusätzlich die GOP 13400, 13402, 13421 bis 13423, 13435, 13552 EBM berechnen. Die Leistungen der schwerpunktorientierten internistischen Versorgung, u. a. nach Kapitel 13.3.3 für den Schwerpunkt Gastroenterologie und Kapitel 13.3.5 für den Schwerpunkt Kardiologie, könnten dagegen grundsätzlich nur von Fachärzten für Innere Medizin mit dem entsprechenden Schwerpunkt berechnet werden. Soweit die Klägerin auf die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin (S 83 KA 6131/10) verwiesen habe, entfalte nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) die Rechtsprechung der Sozialgerichte und Landessozialgerichte nur gegenüber derjenigen Kassenärztlichen Vereinigung Rechts- bzw. Bindungswirkung, für die das jeweilige Sozialgericht bzw. Landessozialgericht zuständig sei bzw. für die am jeweiligen Verfahren beteiligte Kassenärztliche Vereinigung. Eine Übertragung der Entscheidung des Sozialgericht Berlin sei daher auf den vorliegenden Sachverhalt nicht möglich.

Hiergegen erhob die Klägerin am 25.07.2013 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung verwies sie auf ihre Ausführungen im zwischen den Beteiligten anhängigen Verfahren S 5 KA 1526/12 (fortgeführt unter S 5 KA 6276/13). In diesem führte die Klägerin aus, die Beklagte verkenne, dass nach den Beschlüssen des EBewA es nicht nur auf die - über die Zulassungsgremien anerkannte - weiterbildungsrechtliche Schwerpunktbezeichnung ankomme, sondern es insoweit auch ausreichend sei, wenn der Facharzt für Innere Medizin ohne Schwerpunkt überwiegend (d. h. zu mehr als 50%) im entsprechenden Schwerpunkt tätig sei (vgl. Anlage 1 zum Beschluss des EBewA vom 27./28.08.2008 unter Teil F Nr. 4 mit der Begrifflichkeit [Versorgungs-]Schwerpunkt). Die Klägerin nahm weiterhin auf die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin Bezug und machte geltend, auch der HVV der Beklagten verweise nicht nur auf die Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnung, sondern auch auf den Versorgungsbereich, in dem die zeitlich überwiegende Leistungserbringung erfolge.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen.

Mit Urteil vom 29.07.2015 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 24.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2013 zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Streitgegenstand sei vorliegend die Zuordnung von Dr. F. zur Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Versorgungsschwerpunkt Kardiologie und Dr. R. zur Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Versorgungsschwerpunkt Gastroenterologie in Bezug auf die für das RLV relevante Arztgruppe (Anlage 2 zum Beschluss des BewA in seiner 218. Sitzung vom 26.03.2010, Teil F, Abschnitt I; Anlage lb zu Teil B des zwischen der Beklagten und den Landesverbänden der Krankenkassen geschlossenen Honorarverteilungs- und Vergütungsvertrags für die Zeit ab 01.07.2010 - HVV). Gemäß § 9 Nr. 1 HVV erhalte jeder Arzt einer Arztgruppe gemäß Teil B Anlage lb ein arztgruppenspezifisches RLV. Die Höhe des RLV eines Vertragsarztes ergebe sich für die in dieser Anlage benannten Arztgruppen aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes (FWAG) gemäß Anlage 7 des Beschlusses des BewA vom 26.03.2010 und der kurativ-ambulanten Fallzahlen gemäß § 8 HVV im entsprechenden Vorjahresquartal. In der Anlage lb zu Teil B HVV seien die RLV-relevanten Arztgruppen im Einzelnen aufgelistet. Unter Anwendung dieser Regelung habe die Beklagte Dr. F. und Dr. R. der Fachgruppe der Fachärzte für Innere Medizin ohne Schwerpunkt, fachärztlicher Versorgungsbereich zugeordnet. Zutreffend mache die Klägerin allerdings geltend, dass die Anlage lb zu Teil B HVV aber außerdem eine gesonderte Gruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit (Versorgungs-)Schwerpunkt Kardiologie bzw. der Fachärzte für Innere Medizin mit (Versorgungs-)Schwerpunkt Gastroentereologie vorsehe. Dieser Wortlaut entspreche den Formulierungen in der Anlage 2 Nr. 4 zum Beschluss des EBewA vom 26.03.2010. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne der Wortlaut "(Versorgungs-) Schwerpunkt" Kardiologie bzw. Gastroentereologie nicht einengend dahingehend ausgelegt werden, dass mit diesem Begriff nur diejenigen Fachärzte für Innere Medizin im fachärztlichen Bereich, die entweder zulassungsrechtlich mit einem oder mehreren Versorgungsschwerpunkten eingestuft seien oder auf Honorarverteilungsebene über ergänzende Vereinbarungen zum EBM zur schwerpunktbezogenen Leistungserbringung einen Versorgungsschwerpunkt erhalten hätten, erfasst werden. Soweit sich die Beteiligten auf die Regelung in Teil B § 3 Nr. 14 HVV bezogen hätten, sei diese für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig. Die Regelung setze nach ihrem Wortlaut voraus, dass ein Vertragsarzt seine Tätigkeit unter mehreren Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen ausübe. Dies sei weder bei Dr. F. noch bei Dr. R. der Fall. Nachdem der HVV der Beklagten weitere Regelungen zu der Frage des (Versorgungs-)Schwerpunkts nicht enthalte, sei daher maßgebend, wie dieser Begriff seinem Wortlaut nach zu verstehen sei. Die Kammer schließe sich diesbezüglich der Auffassung des Sozialgericht Berlin (Urteil vom 22.02.2012, - S 83 KA 613/10 -, nv) und dem daraufhin im Berufungsverfahren ergangenen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 25.03.2015 (L 7 KA 20/12, in juris) an. Die Kammer sei zur Überzeugung gelangt, dass der Arztgruppe "Fachärzte für Innere Medizin mit (Versorgungs-)Schwerpunkt Kardiologie" bzw. der Arztgruppe "Fachärzte für Innere Medizin mit (Versorgungs-)Schwerpunkt Gastroentereologie" im Sinne der Anlage lb zu Teil B HVV nicht nur Fachärzte für Innere Medizin zuzuordnen seien, die berechtigt seien, die entsprechende Schwerpunktbezeichnung nach dem ärztlichen Weiterbildungsrecht auf Landesebene zu führen bzw. die auf Honorarverteilungsebene über eine ergänzende Vereinbarung zum EBM zur schwerpunktbezogenen Leistungserbringung für Fachärzte für Innere Medizin zum 01.04.2005 einen Versorgungsschwerpunkt erhalten hätten. Durch das Hinzufügen des Wortteils "(Versorgungs-)" im Beschluss des BewA vom 26.03.2010 (wie bereits in demjenigen vom 27./28.08.2008), Beschluss Teil F Anlage 1 Nr. 4, werde vielmehr deutlich, dass damit auch Fachärzte für Innere Medizin, die nicht über einen Schwerpunkt im weiterbildungsrechtlichen Sinne verfügten, aber einen Versorgungsschwerpunkt im jeweiligen Bereich hätten, der entsprechenden Fachgruppe zugeordnet werden könnten. Die Kammer vermöge auch keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der BewA den Begriff "(Versorgungs-) Schwerpunkt" ausschließlich auf diejenigen Fachärzte habe erstrecken wollen, die nach der von der Beklagten in Bezug genommenen ergänzenden Vereinbarung eine Genehmigung zur Berechnung schwerpunktspezifischer Leistungen erhalten hätten. Denn nach den Ausführungen im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.03.2015 (L 7 KA 20/12, in juris) hätten die im dortigen Verfahren beigeladenen Träger des BewA sich dahingehend geäußert, dass der Bewertungsausschuss mit der Verwendung des Begriffs "(Versorgungs-)Schwerpunkt" habe ermöglichen wollen, dass Ärzte mit der Fachgebietsbezeichnung "Innere Medizin ohne Schwerpunkt, die dem fachärztlichen Versorgungsbereich angehören", Ärzten der Arztgruppe "Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie" - dieser Schwerpunkt sei im dortigen Verfahren streitig gewesen - unter bestimmten Voraussetzungen gleichgestellt werden könnten. Zur Umsetzung dieser Möglichkeit bedürfe es aber weiterer Vorgaben von Kriterien für die Zuordnung der Ärzte einer Arztgruppe mit Versorgungsschwerpunkt; insoweit sei den Partnern der Gesamtverträge ein Gestaltungsspielraum eingeräumt. In der Anlage lb zu Teil B HVV hätten die Partner der Gesamtverträge die streitigen Arztgruppenbezeichnungen wörtlich aus dem o.g. Beschluss des BewA übernommen. Insoweit habe das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 25.03.2015 (L 7 KA 20/12) zutreffend ausgeführt, dass die Partner der Gesamtverträge im Hinblick auf die wörtliche Übernahme der Arztgruppenbezeichnungen auch nähere Bestimmungen zu den Voraussetzungen eines Versorgungsschwerpunkts im Sinne dieser Regelungen hätten treffen müssen. Dabei komme den Gesamtvertragspartnern - wie das LSG Berlin-Brandenburg zutreffend dargelegt habe - ein Gestaltungsspielraum zu, der von ihnen zunächst auszufüllen sei. Wie das LSG Berlin-Brandenburg sei auch die Kammer der Auffassung, dass der BewA die Erweiterung der Arztgruppen den Gesamtvertragspartnern nur ermöglichen, sie aber nicht hierzu verpflichten wolle. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass in Anlage 2 zu Teil F des o.g. Beschlusses des BewA unter Nr. 2 vorgesehen sei, dass die Partner der Gesamtverträge Modifikationen (z.B. Differenzierungen oder Zusammenfassungen) von relevanten Arztgruppen vereinbaren könnten. Damit stünde es den Partnern der Gesamtverträge auch frei, von einer Erweiterung ganz abzusehen, so dass im Ergebnis nur Fachärzte mit der jeweiligen berufsrechtlichen Schwerpunktqualifikation der entsprechenden Arztgruppe angehören würden. Eine solche Entscheidung müssten die Gesamtvertragspartner allerdings innerhalb des Honorarverteilungsvertrages hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen. So lange sie lediglich den Begriff "(Versorgungs-)Schwerpunkt" aus dem Beschluss des BewA übernähmen, seien sie auch zu einer Definition des Versorgungsschwerpunkts verpflichtet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Die Beklagte sei daher antragsgemäß zur Neubescheidung über den Widerspruch der Klägerin (nach Schaffung einer Regelung durch die Gesamtvertragspartner) zu verpflichten.

Das Urteil wurde der Beklagten am 13.08.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 28.08.2015 erhobene Berufung der Beklagten zum LSG Baden-Württemberg. Das BSG habe zwar mehrfach klargestellt, dass im Vertragsarztrecht Vorfragen, die Auswirkungen für mehrere Quartale hätten, in einem eigenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren - losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheides - geklärt werden könnten. Um eine solche zulässige Vorfrage handele es sich auch bei der in Streit stehenden Frage, ob die Zuordnung der o.g. Ärzte zu einer anderen RLV-Gruppe erfolgen könne. Für die Klärung der Vorfrage sei nach der BSG-Rechtsprechung aber nur und solange Raum, als die den betroffenen Zeitraum betreffenden Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig geworden seien. Anderenfalls bestehe an der Klärung der Vorfrage zum Honorar kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Im vorliegenden Fall seien alle Honorarbescheide und RLV-Zuweisungsbescheide der Klägerin im Zeitraum der Quartale 3/10 bis 2/12 bestandskräftig geworden. Die Klägerin habe nur gegen den Honorarbescheid 4/2011 und die RLV-Zuweisung 3/2010 Widerspruch eingelegt, gegen die zurückweisenden Widerspruchbescheide dann aber keine Klage erhoben. Ab 3/2012 sei ihr (der Beklagten) auf Grundlage der Gesetzesänderung in § 87 b SGB V erlassener neuer Honorarverteilungsmaßstab (HVM) in Kraft getreten. Weitere materiell-rechtliche Ausführungen wie im Parallelverfahren L 5 KA 3652/15 erübrigten sich hier nach alledem. Soweit die Klägerin die Klage hilfsweise als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterführen wolle, fehle ihr das erforderliche Feststellungsinteresse. Seit dem 1. Quartal 2016 habe sie ihren HVM präzisiert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.07.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise: festzustellen, dass der Bescheid vom 24.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.06.2013 rechtswidrig war und die Beklage verpflichtet gewesen ist, ab dem Quartal 3/2010 Dr. F. der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit dem Versorgungsschwerpunkt Kardiologie und Dr. R. der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit dem Versorgungsschwerpunkt Gastroenterologie zuzuordnen.

Richtig sei, dass die die Festlegung arzt- und praxisbezogener RLV vorschreibende Bestimmung des § 87b SGB V zu¬gunsten einer insoweit offeneren Regelung zur Honorarverteilung abge¬löst worden sei. Die Ablösung sei dabei zum 01.01.2012 (Art. 1 des Geset¬zes vom 22.12.2011, BGBl. I S. 2983 [mit dann übergangsrechtlicher Fortgeltung bisheriger Bestimmungen zur Zuweisung von RLV; vgl. § 87b Abs. 1 Satz 3 SGB V in der vorstehend genannten Fassung]) erfolgt. Die Be¬stimmung des § 87b SGB V sei in der Folge mit Wirkung ab dem 23.07.2015 nochmals modifiziert worden (vgl. Art. 1 des Gesetzes vom 16.07.2015, BGBl. I S. 1211). Auf die Regelung der Honorarverteilung durch die Beklagte habe diese Gesetzesänderung jedoch keinen Einfluss gehabt. Wie die für die Beklagte maßgeblichen HVVs ab dem 01.01.2009 sähen auch sämtliche HVM der Beklagten seit dem 01.07.2012 - bis heute - im Rahmen ihrer Anlage 1a die Erfassung von Fachärzten für Innere Medizin unter einem "(Versorgungs-)"Schwerpunkt vor (vgl. dazu beispielhaft die als Anlage beigefügten Anlagen 1 und 1a zum ab dem 01.07.2012 gültigen HVM der Beklagten sowie zum für das 1. Quartal 2016 maßgeblichen HVM der Beklagten). Auch die Regelungsbestimmungen zur RLV- und QZV-Systematik seien im Verhältnis HVV/HVM der Beklagten unverändert geblieben. Von daher könne nicht erkannt werden, dass es vorliegend in zeitlicher Hinsicht auf die Bestandskraft von RLV-Zuweisungsbescheiden bzw. Honorarbescheiden bis einschließlich nur des Quartals 2/2012 ankomme. Nicht bestandskräftig seien die RLV-Zuweisungsinformation sowie der Honorarbescheid für das Quartal 2/2015 und später. Für den Fall, dass abweichend von den vorstehenden Ausführungen sich durch die gesetzliche Umgestaltung des § 87b SGB V der vorstehende Rechtsstreit erledigt haben sollte, werde die Klage hilfsweise als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt, da wegen der identischen Ausgestal¬tung der Honorarverteilungsmaßstäbe der Beklagten ab dem Quartal 3/2012 bis heute in Bezug auf die Problematik des "(Versorgungs-)"Schwerpunktes ein entsprechendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse ihrerseits gegeben sei. Inhaltlich werde auf die Ausführungen im Verfahren - L 5 KA 3652/15 - Be¬zug genommen. Dass mit der gesetzlichen Neugestaltung des § 87b SGB V die Vorgaben aus dem Beschluss des BewA vom 26 03.2010 in Wegfall geraten seien, ändere an der rechtlichen Be¬wertung nichts. Mit der Aufnahme des Zusatzes "(Versorgungs-)"Schwerpunkt in die Anlage 1a ihres jeweiligen HVM hätte die Beklagte - wie im sozialgerichtlichen Urteil näher dargelegt - auch Regelungen zu den Voraussetzungen eines Versorgungsschwerpunktes aufnehmen müssen.

Mit Schreiben vom 08.07.2016 und 22.07.2016 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mitgeteilt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführten Verwaltungsakten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei den vorliegend streitigen Honorarforderungen unzweifelhaft überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.

Die Berufung ist auch begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin, Dr. F. ab dem Quartal 3/2010 der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit dem Versorgungsschwerpunkt Kardiologie und Dr. R. der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit dem Versorgungsschwerpunkt Gastroenterologie zuzuordnen. Die Beklagte hat dies durch Bescheid vom 24.03.2011 - in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2013 - abgelehnt.

Das BSG hat es bereits wiederholt als zulässig erachtet, dass im Vertragsarztrecht Vorfragen, die Auswirkungen für mehrere Quartale haben, in einem eigenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren - losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheids - geklärt werden (vgl BSG, Urteil vom 20.01.1999, - B 6 KA 9/98 R -; BSG, Urteil vom 24.09.2003, - B 6 KA 37/02 R -; BSG, Urteil vom 22.03.2006, - B 6 KA 80/04 R -, alle in juris). Dafür ist allerdings nur so lange Raum - und dementsprechend besteht insoweit auch ein Rechtsschutzbedürfnis -, als die den betroffenen Zeitraum betreffenden Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Diese Voraussetzung ist hier für die Quartale 3/2010 bis 1/2015 nicht erfüllt. Die Beteiligten haben nach zunächst unklarem Vorbringen übereinstimmend mitgeteilt, dass die Honorarbescheide für die Quartale 3/2010 bis 1/2015 bestandskräftig geworden sind.

Gleichzeitig geht die Rechtskraft der streitgegenständlichen Bescheide nicht über diesen Zeitraum hinaus. Denn Rechtskraft, Bestandskraft und sonstige Bindungswirkung sind auf eine gleichbleibende Sach- und Rechtslage bezogen (vgl hierzu z.B. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18.09.2001, - 1 C 7/01 -, in juris mwN und BSG, Urteil vom 27.06.2007,- B 6 KA 27/06 R -, in juris; vgl auch BSG, Urteil vom 11.07.2000, - B 1 KR 14/99 R -, in juris). Die die Festlegung arzt- und praxisbezogener RLV vorschreibende Bestimmung des § 87b SGB V wurde zugunsten einer insoweit offeneren Regelung zur Honorarverteilung bereits zum 01.01.2012 (Art. 1 des Gesetzes vom 22.12.2011, BGBl. I S. 2983 [mit dann übergangsrechtlicher Fortgeltung bisheriger Bestimmungen zur Zuweisung von RLV; vgl. § 87b Abs. 1 Satz 3 SGB V in der vorstehend genannten Fassung]) abgelöst. Die Bestimmung des § 87b SGB V ist in der Folge mit Wirkung ab dem 23.07.2015 nochmals modifiziert worden (vgl. Art. 1 des Gesetzes vom 16.07.2015, BGBl. I S. 1211). Dementsprechend trat mit Wirkung ab 3/2012 auch der neue HVM der Beklagten in Kraft. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Regelung in Anlage 1a des HVM der früheren Regelung entsprach. Mit der gesetzlichen Neugestaltung des § 87b SGB V sind die Vorgaben aus dem Beschluss des BewA vom 26.03.2010 jedoch auch nach den Ausführungen der Klägerin in Wegfall geraten. Weiter hatte der Senat zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 30.09.2010 nur mit Blick auf den aktuell im Jahr 2010 geltenden HVV einen Antrag gestellt hat. Im September 2010 war noch völlig offen, ob in den Folgeverträgen weitere Regelungen enthalten sein werden und wie sich weitere HVM bzw. Honorarverteilungsvereinbarungen auf das Honorar der Klägerin auswirken werden. Bezüglich der nachfolgenden Vereinbarungen hätte daher jeweils ein neuer Antrag gestellt werden müssen. Die Beklagte hat auch nur auf der Grundlage des HVV 2010 und damit begrenzt entschieden. Nur dies war Gegenstand des Verwaltungsverfahrens (Urteil des erkennenden Senats vom 05.10.2016, - L 5 KA 1918/14 -, nv).

Fehlt damit das Rechtsschutzbedürfnis für den Hauptantrag, so konnte die Klägerin auch mit ihrem Hilfsantrag nicht durchdringen, denn insoweit fehlt der Klägerin auch das Rechtsschutzbedürfnis für die beantragte Fortsetzungsfeststellungsklage. Soweit die Klägerin auf noch laufende Widerspruchsverfahren ab dem Quartal 2/2015 verweist, wird übersehen, dass diesen nach den obigen Ausführungen eine veränderte Sach- und Rechtslage zu Grunde liegt. Eine Folgewirkung ergibt sich daher für die Quartale 2/2015 aus dem Zeitraum 3/2010 bis 2/2012 unmittelbar nicht. Ab dem 1. Quartal 2016 fehlt es mit Blick auf die insoweit erfolgte Neuregelung des HVM auch an der Wiederholungsgefahr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat setzt mit Blick auf das Begehren der Klägerin einen Streitwert von 135.000,00 EUR an (Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR/Quartal für den Zeitraum 3/2010 bis 1/2017).
Rechtskraft
Aus
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