L 5 KA 5378/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KA 5718/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 5378/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.11.2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 70.000,00 EUR endgültig festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Neufestsetzung von Vertragsarzthonorar für die Quartale 2/2005 bis 3/2008.

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin. Er war während der streitigen Zeit (bis 30.09.2008, danach Tätigkeit als angestellter Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum) mit Sitz in T. zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beklagte setzte das Honorar des Klägers für die streitigen Quartale (2/2005 bis 3/2008) jeweils durch Honorarbescheid fest. Mit Schreiben vom 26.07.2006 legte der Kläger gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 Widerspruch ein. Gegen die Honorarbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 und 2/2006 bis 3/2008 ist (unstreitig) Widerspruch nicht eingelegt worden.

Das Bundessozialgericht (BSG) stellte im Urteil vom 17.03.2010 (- B 6 KA 43/08 R -, in juris) (inzident) fest, dass der die Verteilung des Vertragsarzthonorars regelnde Honorarverteilungsvertrag (HVV) ab dem 01.04.2005 für den Bereich der Bezirksdirektion St. der Beklagten insoweit höherrangiges Recht verletzt hat und unwirksam gewesen ist, als er entgegen den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V, in der seinerzeit geltenden Fassung, a.F.) weder arztgruppenspezifische Grenzwerte noch feste Punktwerte vorgesehen hat. Der HVV für den Bereich der Bezirksdirektionen K., F. und R. der Beklagten hat ab dem 01.04.2005 - ebenso ab dem 01.01.2008 der für den Zuständigkeitsbereich der Beklagten (einheitlich) geltende HVV - arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen, jedoch keine festen Punktwerte vorgesehen. Die Partner des HVV haben die genannten HVV deswegen nachträglich geändert und vereinbart, dass die jeweiligen - unverändert beibehaltenen - arztgruppenspezifischen Auszahlungspunktwerte für die Quartale 2/2005 bis 4/2008 als feste Punktwerte gelten sollen.

Mit Schreiben vom 19.12.2011 bot die Beklagte dem Kläger (wie allen anderen Vertragsärzten) den Abschluss eines Vergleichsvertrags an. Sie erklärte sich bereit, für die Quartale 2/2005 bis 4/2008 (sofern die zu diesen Quartalen ergangenen Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig geworden sind) eine Nachvergütung auf der Grundlage einer Erhöhung des zur Auszahlung gelangten arztgruppenspezifischen Punktwerts um 0,1 Cent vorzunehmen. Dem Kläger (der nur gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 Widerspruch eingelegt hat) wurde eine Nachvergütung i.H.v. 730,00 EUR angeboten.

Mit Schreiben vom 18.01.2012 lehnte der Kläger das Vergleichsangebot ab. Er wende sich dagegen, dass die Beklagte das Vergleichsangebot nur auf noch nicht bestandskräftig abgerechnete Quartale erstrecke. Die Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 4/2008 müssten in das Vergleichsangebot einbezogen werden. Im noch anhängigen Widerspruchsverfahren gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 werde die Neufestsetzung des Honorars für das Quartal 1/2006 und auch für die (Folge-)Quartale bis zum Quartal 4/2008 begehrt; hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist hinsichtlich der Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 4/2008 beantragt. Dass er auch gegen diese Honorarbescheide hätte Widerspruch einlegen müssen, habe er erst mit dem Schreiben der Beklagten vom 19.12.2011 erfahren.

Mit Bescheid vom 02.02.2012 lehnte die Beklagte die im Schreiben des Klägers vom 18.01.2012 gestellten Anträge ab. Zur Begründung führte sie aus, gegen die Honorarbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 und 2/2006 bis 3/2008 habe der Kläger Widerspruch nicht eingelegt; diese Honorarbescheide seien daher bestandskräftig geworden (§ 77 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Im Quartal 4/2008 sei der Kläger nicht mehr zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen gewesen. Die Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 3/2008 seien nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 geworden. Die gegenteilige (ältere) Rechtsprechung (zu § 96 SGG) habe das BSG aufgegeben (Urteil vom 20.03.1996, - 6 RKa 51/95 -, in juris). Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor. Der Kläger habe die Frist für die Einlegung des Widerspruchs gegen die Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 3/2008 nicht ohne Verschulden versäumt; ggf. hätte er gegen die genannten Honorarbescheide vorsorglich zur Fristwahrung Widerspruch einlegen können. Die Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 3/2008 würden nicht gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - nach Ermessen - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide nicht auf Rechtsanwendungsfehlern im Einzelfall, sondern auf der Ungültigkeit des HVV beruhe. Deswegen seien alle für die genannten Quartale ergangenen Honorarbescheide (aller Vertragsärzte) rechtswidrig. Die Verhandlungen mit den Krankenkassen zur Finanzierung der Auswirkungen des BSG-Urteils vom 17.03.2010 (a.a.O.) hätten nur die noch nicht bestandskräftigen Honorarbescheide zum Gegenstand gehabt. Für die Nachvergütung auch der bestandskräftig abgerechneten Quartale würden die von den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Gelder bei Weitem nicht ausreichen. Außerdem trage sie, die Beklagte, einen erheblichen Teil der Nachvergütungskosten selbst und sie müsse hierfür auf Rückstellungen zugreifen. Diese stünden nur in begrenztem Umfang zur Verfügung, weshalb zusätzlich auf die laufende Gesamtvergütung zugegriffen werden müsste mit entsprechenden Auswirkungen auf die Honorare auch von Ärzten, die seinerzeit noch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen hätten. Es sei - so das BSG im Urteil vom 18.03.1998 (- B 6 KA 16/97 R -, in juris) - nicht zu beanstanden, wenn sie bei Entscheidungen der in Rede stehenden Art die finanziellen Auswirkungen für die Gesamtheit ihrer Mitglieder berücksichtige und als ausschlaggebend einstufe, insbesondere, wenn Zahlungen aus der laufenden Gesamtvergütung erbracht werden müssten. Sie dürfe die Finanzierbarkeit der Praxen und die Versorgung der Versicherten berücksichtigen.

Am 29.02.2012 legte der Kläger Widerspruch ein. Die Beklagte hätte das Honorar für das Quartal 1/2006 neu festsetzen müssen. Die Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 3/2008 seien Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 geworden; das Urteil des BSG vom 20.03.1996 (a.a.O.) sei nicht einschlägig, da sich der Sachverhalt (insgesamt) nicht geändert habe. Man habe ihm seinerzeit mitgeteilt, die Entscheidung über den Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 werde im Hinblick auf ein Musterverfahren zurückgestellt. Es wäre deshalb eine reine "Förmelei" gewesen, auch gegen die Honorarbescheide für die Folgequartale Widerspruch einzulegen. Zumindest müsse ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist gewährt werden. Im Hinblick auf die Regelung des § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Auswirkungen auf die Honorierung der anderen Ärzte seien nicht von Belang. Die Beklagte hätte entsprechende Rückstellungen bilden müssen; sie möge die Kosten hierfür über eine "Umlage" aufbringen. Auch das Honorar für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 müsse neu festgesetzt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, im Bescheid vom 02.02.2012 sei über den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 nicht entschieden worden. Die Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 3/2008 seien nach Maßgabe der (neueren) Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.03.1996, a.a.O.) nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 geworden; davon abgesehen habe ihnen auch nicht stets der gleiche HVV zugrunde gelegen. Der Kläger hätte fristwahrend Widerspruch auch gegen die Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 3/2008 einlegen können und müssen; der Hinweis auf ein anhängiges Musterverfahren ändere daran nichts (vgl. auch BSG, Urteil vom 22.06.2005, - B 6 KA 21/04 R -, in juris). Bei der Ausübung des in § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X eröffneten Ermessens dürfe sie die finanziellen Auswirkungen einer Entscheidung auf die Gesamtheit ihrer Mitglieder (auch ausschlaggebend) berücksichtigen; die Gesamtvergütung für ein bestimmtes Quartal müsse möglichst ungeschmälert für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 22.06.2005, a.a.O.). Prophylaktische Rückstellungen für die Zahlung von Nachvergütungen an Vertragsärzte, die seinerzeit Widerspruch gegen ergangene Honorarbescheide nicht eingelegt hätten, habe sie nicht bilden müssen. Das BSG habe im Urteil vom 17.03.2010 (a.a.O.) auch nur das Fehlen fester Punktwerte, nicht jedoch die Höhe des Punktwerts bemängelt, so dass auch bei einer Neubescheidung höheres Honorar nicht hätte festgesetzt werden müssen.

Am 18.10.2012 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er wiederholte sein bisheriges Vorbringen. Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheids für das Quartal 1/2006 müssten die Honorarbescheide für die Folgequartale nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X aufgehoben werden; Ermessen sei nicht eröffnet. Hinsichtlich einer Aufhebung der Honorarbescheide für die Zukunft (nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X) sei der Zeitpunkt des Ergehens des BSG-Urteils vom 17.03.2010 (a.a.O.) maßgeblich. Er habe davon ausgehen dürfen, dass der Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 auch für die Folgequartale gelte.

Die Beklagte trat der Klage entgegen; sie bezog sich im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 zurück. Im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 17.03.2010 (a.a.O.) hätten die Vertragspartner des HVV die jeweiligen arztgruppenspezifischen Auszahlungspunktwerte für die Quartale 2/2005 bis 4/2008 durch entsprechende Vereinbarungen nachträglich als feste Punktwerte festgelegt. Das stehe mit der Rechtsprechung des BSG in Einklang. Die HVV seien nunmehr rechtmäßig.

Der Kläger machte geltend, für das Quartal 1/2006 müsse (gleichwohl) ein neuer Honorarbescheid - und sei es mit dem gleichen Inhalt wie der ursprüngliche Honorarbescheid - erlassen werden.

Die Beklagte trug hierzu vor, über den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 sei durch Widerspruchsbescheid vom 04.07.2013 nach Maßgabe der neuen Rechtslage auf Grund der Änderung der HVV entschieden worden; der (zusätzliche) Neuerlass eines Honorarbescheids sei nicht notwendig.

Mit Urteil vom 19.11.2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, hinsichtlich der Honorarbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 und 2/2006 bis 3/2008 sei die Klage unzulässig. Die genannten Honorarbescheide seien mangels Widerspruchseinlegung bestandskräftig und unanfechtbar geworden. Die Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 3/2008 seien nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 geworden. Das folge aus der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.03.1996, a.a.O.). Der Kläger sei nicht ohne Verschulden daran gehindert gewesen, gegen die Honorarbescheide für die Quartale 2/2006 bis 3/2008 Widerspruch einzulegen. Hinsichtlich des Honorarbescheids für das Quartal 1/2006 sei die Klage unbegründet. Der Bescheid entspreche den Regelungen der geänderten HVV. Mit der Festlegung der arztgruppenspezifischen Auszahlungspunktwerte für die Quartale 2/2005 bis 4/2008 als feste Punktwerte sei der den HVV ursprünglich anhaftende Rechtsfehler beseitigt worden. Das Erfordernis fester Punktwerte (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V a.F.) habe nur Kalkulationssicherheit gewährleisten, jedoch kein Honorar in bestimmter Höhe garantieren sollen. Die Höhe der Punktwerte sei nicht geändert worden; rechtliche Bedenken bestünden dagegen nicht.

Gegen das ihm am 05.12.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.12.2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen. Das Urteil des BSG vom 20.03.1996 (a.a.O.) sei nicht einschlägig. Die Beklagte müsse alle Honorare für die Quartale ab 2/2005 unabhängig davon, ob gegen die seinerzeit ergangenen Honorarbescheide Widerspruch eingelegt worden sei, neu festsetzen. Die rechtswidrigen Honorarbescheide müssten durch rechtmäßige Honorarbescheide ersetzt werden, da der Mangel der HVV rückwirkend beseitigt worden sei; die Regelungen des § 44 SGB X seien nicht anwendbar. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass er (im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 20.03.1996, a.a.O.) seinen Klageantrag geändert und beantragt habe, über die Festsetzung des Honorars für die Quartale ab dem Quartal 2/2005 auf der Grundlage des geänderten HVV neu zu entscheiden. Er begehre nicht die vollständige Überprüfung seiner Abrechnungen, sondern nur den "Austausch" der Rechtsgrundlage. Die Beklagte hätte die Honorare von Amts wegen neu festsetzen müssen ohne Rücksicht darauf, ob die Honorarbescheide angefochten worden seien oder nicht. Niemand habe den Ausgang der seinerzeit anhängigen Rechtsbehelfsverfahren voraussehen können. Die Beklagte habe kein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand der (bestandskräftigen) rechtswidrigen Honorarbescheide. Die Fehler der alten HVV seien gravierend und die darauf beruhenden Honorarausfälle beachtlich. Hinsichtlich der bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide hätte man auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist gewähren müssen. Bei Anwendung der geänderten HVV hätte er höheres Honorar erhalten müssen. Die neuen HVV enthielten leistungsabhängig unterschiedliche Punktwerte; andernfalls hätte die Beklagte auch kein Vergleichsangebot unterbreitet. Die Erklärung der Punktwerte in den alten HVV zu festen Punktwerten genüge den Anforderungen im Urteil des BSG vom 17.03.2010 (a.a.O.) nicht. Ihm gehe es nicht um ein materielles Ergebnis, sondern um die Neuberechnung der Honorare auf der Grundlage der neuen HVV. Nach Ergehen neuer Honorarbescheide könne er prüfen, ob er dagegen Rechtsbehelfe einlegen wolle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.11.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2012 sowie des Honorarbescheids für das Quartal 1/2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.07.2013 zu verurteilen, seine Abrechnungen für die Quartale 2/2005 bis 3/2008 auf der Grundlage der

"Vereinbarung über die Änderung der Honorarverteilungsverträge betreffend den Zeitraum Quartal 2/2005 bis einschließlich 4/2006 für den Bereich der Bezirksdirektionen Freiburg, Karlsruhe und Reutlingen sowie den Zeitraum Quartal 1/2008 bis 4/2008 für Baden-Württemberg gesamt"

erneut zu bescheiden,

hilfsweise,

ihm hinsichtlich der Honorarbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 sowie 2/2006 bis 3/2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die HVV "alt" seien nicht durch HVV "neu" ersetzt worden, vielmehr hätten die Vertragspartner die HVV "alt" geändert und den Maßgaben des BSG (im Urteil vom 17.03.2010, a.a.O.) angepasst. Die Regelung in § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X sei nicht einschlägig, da Honorarbescheide keine Wirkung für die Zukunft hätten und deshalb auch nicht mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden könnten. Der Kläger sei nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, gegen alle (streitigen) Honorarbescheide Widerspruch einzulegen. Sie habe für das Quartal 1/2006 keinen neuen Honorarbescheid als Ausgangsbescheid erlassen müssen.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung, was vorliegend beabsichtigt sei, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die gemäß §§ 143, 144, SGG (auch in Ansehung des Beschwerdewerts des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR) statthafte und auch sonst gemäß § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:

Soweit sich die Klage auf Neufestsetzung des Honorars bzw. Neubescheidung der Honoraransprüche/-abrechnungen des Klägers für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 und 2/2006 bis 3/2008 richtet, ist sie nicht zulässig. Der Kläger hat gegen die für diese Quartale ergangenen Honorarbescheide unstreitig Widerspruch nicht eingelegt. Die Honorarbescheide sind daher bestandskräftig und unanfechtbar geworden (§ 77 SGG). Die gerichtliche Überprüfung des dem Kläger für diese Quartale zustehenden Honorars ist nicht mehr zulässig (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 15.08.2012, - B 6 KA 38/11 R -, in juris). Die genannten Honorarbescheide sind auch nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 geworden. Die Regelung des § 86 SGG, wonach ein neuer Verwaltungsakt, der den mit dem Widerspruch angefochtenen Verwaltungsakt während des Vorverfahrens abändert, Gegenstand des Vorverfahrens wird, ist auf Honorarbescheide für Folgequartale nicht anwendbar. Das folgt aus der (den Beteiligten bekannten) Rechtsprechung des BSG. Danach findet die (der Sache nach der Regelung in § 86 SGG entsprechende) Vorschrift des § 96 Abs. 1 SGG, wonach ein nach Klageerhebung (und nach Erlass des Widerspruchsbescheids) ergehender neuer Verwaltungsakt, der den mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt abändert (oder ersetzt), Gegenstand des Klageverfahrens wird, keine Anwendung, wenn während eines laufenden Honorarstreitverfahrens weitere Bescheide ergehen, die den Honoraranspruch des Vertragsarztes für weitere Abrechnungsquartale regeln (BSG, Urteil vom 20.03.1996, - 6 RKa 51/95 -, in juris (Leitsatz); auch Urteil vom 13.11.1996, - 6 RKa 15/96 -, in juris Rdnr. 12; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 96 Rdnr. 9b). Das gilt auch dann, wenn, wie hier, (nur) die Rechtsgrundlage der Honorarbescheide im HVV durch Vereinbarung der Vertragspartner des HVV nachträglich geändert worden ist; die Bedeutung der Bestandskraft von Honorarbescheiden hat das BSG in seiner neueren Rechtsprechung klar hervorgehoben und bekräftigt (BSG, Urteil vom 15.08.2012, - B 6 KA 38/11 R -, in juris). Honorarbescheide für Folgequartale können grundsätzlich nur im Wege der Klageänderung nach Maßgabe des § 99 SGG zum Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits gemacht werden, dies freilich nur dann, wenn die Rechtsbehelfsfristen eingehalten sind, die Honorarbescheide für die Folgequartale also noch nicht bestandskräftig (unanfechtbar) geworden sind. Das Institut der Klageänderung dient nicht dazu, bereits bestandskräftige Verwaltungsentscheidungen einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen (BSG, Urteil vom 20.03.1996, a.a.O. Rdnr. 22; Urteil vom 13.11.1996, a.a.O. Rdnr. 12). Im Hinblick darauf hätte der Kläger gegen die Honorarbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 und 2/2006 bis 3/2008 zur Vermeidung der Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) - vorsorglich - fristgerecht Widerspruch einlegen müssen. Daran ist er nicht ohne Verschulden gehindert gewesen. Der Hinweis der Beklagten auf die Anhängigkeit eines Musterverfahrens ist unerheblich. Wegen des Musterverfahrens ist nur die Entscheidung über den Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 zurückgestellt, nicht aber zum Ausdruck gebracht worden, die Einlegung von Widersprüchen gegen Honorarbescheide für Folgequartale sei entbehrlich. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Widerspruch gegen die Honorarbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 und 2/2006 bis 3/2008 kommt daher nicht in Betracht. Auf verfahrensrechtliche Voraussetzungen, insbesondere die Wahrung der Wiedereinsetzungsfrist (§§ 84 Abs. 2 Satz 3, 67 Abs. 2 und 3 SGG), kommt es nicht mehr an.

Die Beklagte hat es auch zu Recht abgelehnt, die Honorarbescheide für die Quartale 2/2005 bis 4/2005 und 2/2006 bis 3/2008 nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 SGB X zurückzunehmen. Die Rücknahme der Honorarbescheide mit Wirkung für die Zukunft (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X) kommt nicht in Betracht, weil solche Rechtswirkungen der Honorarbescheide nicht in Rede stehen. Zurückgenommen werden soll jeweils die Festsetzung des Vertragsarzthonorars des Klägers im bei Ergehen der Honorarbescheide abgelaufenen Abrechnungsquartal. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X) hat die Beklagte rechtsfehlerfrei abgelehnt. Hierfür wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 19.09.2012 Bezug genommen (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG). Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie darf insbesondere etwaige Auswirkungen von Rücknahmeentscheidungen auf die Verteilung der (aktuellen) Gesamtvergütung maßgeblich berücksichtigen (dazu: BSG, Urteil vom 17.09.2008, - B 6 KA 28/07 R -, in juris Rdnr. 43; Urteil vom 22.06.2005, - B 6 KA 21/04 R -, in juris).

Hinsichtlich des Honorarbescheids für das Quartal 1/2006 ist die Klage zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat über den Widerspruch des Klägers gegen diesen Honorarbescheid mit dem (während des Klageverfahrens ergangenen und Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen) Widerspruchsbescheid vom 04.07.2013 entschieden. Sie hat es zu Recht abgelehnt, das Honorar des Klägers für das Quartal 1/2006 neu (und höher) festzusetzen. Die Vertragspartner des für das Quartal 1/2006 maßgeblichen HVV haben den im HVV vereinbarten Auszahlungspunktwert durch nachträglich abgeschlossene Änderungsvereinbarung (unstreitig) als festen Punktwert festgelegt, die Höhe des Punktwerts aber unverändert gelassen. Sie haben damit die Maßgaben des Urteils des BSG vom 17.03.2010 (a.a.O.) erfüllt. Das BSG hat nicht höhere Punktwerte, sondern die Vereinbarung fester Punktwerte gefordert; dem sind die Vertragspartner des HVV (im Nachhinein) nachgekommen. Rechtliche Bedenken dagegen hat der Senat nicht. Der Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 beruht (nunmehr) auf einer gültigen Rechtsgrundlage im maßgeblichen HVV und setzt das Honorar des Klägers (bei unverändert gebliebenem Punktwert) auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei fest. Einen neuen, das Honorar in unveränderter Höhe festsetzenden Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 - als neuen Ausgangsbescheid für ein weiteres Rechtsbehelfsverfahren - muss die Beklagte nicht erlassen. Sie hat über den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid für das Quartal 1/2006 entscheiden müssen, was mit dem Widerspruchsbescheid vom 04.07.2013 geschehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat setzt für jedes streitige Quartal den Auffangwert (5.000 EUR) an. Der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG als gesetzlich festgelegter (fixer) Wert wird auch bei auf Neubescheidung gerichteten Klagen nicht vermindert (Senatsurteil vom 01.02.2017, - L 5 KA 3426/14 -, nicht veröffentlich; vgl. zu Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch etwa Senatsbeschluss vom 07.12.2012, - L 5 R 4080/12 ER-B -, nicht veröffentlicht). Der Streitwert ist daher auf 70.000 EUR (14 Quartale x 5.000 EUR) festzusetzen. Die Streitwertfestsetzung im Urteil des SG wird entsprechend abgeändert (§ 63 Abs. 3) GKG.
Rechtskraft
Aus
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