Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 R 6534/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 75/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2015 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Folgen des Wechsels des Klägers von der freiwilligen Krankenversicherung zur Krankenversicherung der Rentner, jeweils mit korrespondierender Pflegeversicherung.
Der 1936 in Lettland geborene Kläger lebt seit 1972 in Deutschland. Von September 1975 an war er als selbständiger Taxifahrer tätig. Im Dezember 2001 wurde er berentet. Antragsgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger, der seine selbständige Tätigkeit fortführte, einen Beitragszuschuss zu dessen freiwilliger Krankenversicherung und Pflegeversicherung bei der AOK. Mit Bescheid vom 16. April 2002 bewilligte sie dem Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 2001 eine Altersrente für langjährig Versicherte einschließlich eines Beitragszuschusses zu dessen freiwilliger Krankenversicherung mit Pflegeversicherung.
Nachdem die Beklagte Anfang 2010 erfahren hatte, dass der Kläger seit dem 1. April 2002 in der Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung pflichtversichert war, berechnete sie mit Bescheid vom 18. Januar 2010 die Rente neu: Unter Wegfall des Beitragszuschusses verringerte sie mit Wirkung ab dem 1. März 2010 den monatlichen Zahlbetrag der Rente um den von dem Kläger zu tragenden Beitrag zu dessen Versicherungen. Daneben erklärte die Beklagte, sie werde die seit dem 1. Januar 2006 aufgelaufenen Beiträge zu den Versicherungen rückwirkend einbehalten, und machte insoweit einen als "Überzahlung" bezeichneten Betrag von 4.675,01 EUR geltend. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses für die Versicherungen mit Wirkung ab 1. April 2002 auf. Zur Begründung führte sie aus, dass mit Beginn der Versicherungspflicht die Voraussetzung für den Beitragszuschuss entfallen seien. Dies habe der Kläger gewusst bzw. wissen müssen. Ferner verfügte sie, dass die für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 31. Juli 2010 erbrachten Leistungen in Höhe von 6.913,77 EUR von dem Kläger zu erstatten sind. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 18. Januar 2010 und vom 21. Juli 2010 mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2011 zurück.
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger neben der Aufhebung der Entscheidungen der Beklagten deren Verurteilung begehrt, die noch ausstehenden Zuschüsse zu seiner freiwilligen Krankenversicherung zu leisten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung der Bescheide vom 18. Januar 2010 und vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011. Soweit er sich gegen die Einbehaltung laufender Beitragsanteile zu der Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung ab 1. März 2010 wende, könne die Klage keinen Erfolg haben. Vorliegend sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 16. April 2002 über die Bewilligung des Zuschusses zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung vorgelegen hätten, eingetreten, da die AOK den Kläger zum 1. April 2002 der Pflichtmitgliedschaft unterworfen habe. Damit habe die Beklagte ihren Aufhebungsbescheid vom 18. Januar 2010 zu Recht auf § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) gestützt. Denn ein Fall nachträglicher Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift liege auch dann vor, wenn die Änderung eine rückwirkende Änderung auf den Zeitpunkt des Erlasses oder davor bewirke. So liege der Fall hier, denn die AOK habe am 10. Mai 2002 die Pflichtversicherung des Klägers rückwirkend zum 1. April 2002 verfügt.
Die Klage habe auch insoweit keinen Erfolg, als die Beklagte den Bescheid vom 16. April 2002 über die Bewilligung der Zuschüsse zu den Versicherungen des Klägers nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X rückwirkend zum 1. April 2002 aufgehoben habe und die Erstattung der überzahlten Beitragszuschüsse verlange. Denn der Kläger sei seiner ihn nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) treffenden Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Sozialleistung erheblich seien, unverzüglich mitzuteilen, nicht nachgekommen. Soweit er sich darauf berufe, keine Kenntnis von der Änderung gehabt zu haben, sei ihm nicht zu folgen. Aus den von ihm eingereichten Unterlagen ergebe sich kein Beleg für diese Behauptung. Der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten auch grob fahrlässig verletzt. Angesichts seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, die sich nicht nur aus seiner selbständigen Tätigkeit, sondern auch aus den zahlreichen – auch gerichtlichen – Auseinandersetzungen mit der Beklagten ergebe, sei davon auszugehen, dass er über das entsprechende Einsichtsvermögen in sein Handeln verfügte. Er habe deshalb die überzahlten Zuschüsse zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung nach § 50 SGB X zu erstatten.
Es sei schließlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2010 für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 28. Februar 2010 rückständige Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung nacherhoben habe. Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) seien Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 SGB V zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu zahlen. Sei dies unterblieben, seien die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. § 255 Abs. 2 SGB V enthalte dabei weder einen Ermessensspielraum noch einen wie immer gearteten Vertrauensschutz.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er teilt mit, seine selbständige Tätigkeit als Taxifahrer am 13. August 2012 eingestellt zu haben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2015 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 18. Januar 2010 und vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die noch ausstehenden Beitragszuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum bis zum 13. August 2012 an ihn zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsverfahren umfasst folgende Streitgegenstände:
1. die rückwirkende Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers mit Wirkung ab 1. April 2002 durch Bescheid vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, 2. die Feststellung des zu erstattenden Betrags in Höhe von 6.913,77 EUR hinsichtlich der für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 31. Juli 2010 erbrachten Beitragszuschüsse zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers durch Bescheid vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, 3. die Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers mit Wirkung ab 1. März 2010 durch Bescheid vom 18. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, 4. die Mitteilung im Bescheid vom 18. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, dass ab 1. März 1010 der monatlichen Zahlbetrag der Rente um den von dem Kläger zu tragenden Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung verringert wird, 5. die Mitteilung im Bescheid vom 18. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, dass die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 28. Februar 2010 aufgelaufenen Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung in Höhe von 4.675,01 EUR rückwirkend erhoben werden, 6. die Verurteilung der Beklagten, die noch ausstehenden Beitragszuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum bis zum 13. August 2012 an den Kläger zu leisten.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nur hinsichtlich der Nrn. 1) und 2) begründet.
1. Der Bescheid vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte den Bescheid vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers mit Wirkung ab 1. April 2002 rückwirkend aufhob. Zwar trat eine wesentliche Änderung Im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ein, da die freiwillige Versicherung des Klägers nach der Mitteilung der AOK zum 31. März 2002 endete und am 1. April 2002 die Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung begründet wurde. Eine rückwirkende Aufhebung ist jedoch nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zulässig. Die vorliegend allein in Betracht zu ziehenden Tatbestände der Nr. 2 und der Nr. 4 sind nicht erfüllt: Weder ist der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen (Nr. 2), noch wusste er oder wusste deshalb nicht, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4). Die in beiden Tatbeständen geforderte subjektive Vorwerfbarkeit muss zu dem Zeitpunkt vorliegen, in welchem die rückwirkend verfügte Aufhebung ihre innere Wirksamkeit entfaltete. Dies war vorliegend der 1. April 2002. Bezogen auf diesen Tag kann dem Kläger weder vorsätzliches oder grob fahrlässiges Unterlassens einer Mitteilungspflicht noch das Wissen oder das sorgfaltswidrige Nichtwissen des Eintritts der Versicherungspflicht vorgeworfen werden. Denn die AOK nahm die Umstellung in die Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung erst im Mai 2002, also rückwirkend, vor.
2. Die im Bescheid vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X getroffene Feststellung des Erstattungsbetrags in Höhe von 6.913,77 EUR ist damit rechtswidrig, da die von der Beklagten für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 31. Juli 2010 erbrachten Beitragszuschüsse zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers nicht rechtsgrundlos erfolgten.
Im Übrigen hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.
3. Die Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses zu der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers mit Wirkung ab 1. März 2010 ist rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nachdem die Beklagte durch Bescheid vom 16. April 2002, einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dem Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 2001 einen Beitragszuschuss zu dessen freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung bewilligt hatte, trat – wie dargelegt – durch die Beendigung der freiwilligen Versicherung des Klägers eine wesentliche Änderung ein. Der Hinweis des Klägers auf § 5 Abs. 5 SGB V, wonach derjenige, welcher hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist, nicht versicherungspflichtig ist, geht fehl, da seine monatliche Rente die Höhe der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit weit überwog. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 18. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 – den Vorgaben des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X entsprechend – die Bewilligung des Beitragszuschusses erst zum 1. März 2010, und damit mit Wirkung für die Zukunft, aufgehoben.
4. Die Ankündigung der Beklagten im Bescheid vom 18. Januar 2010, dass ab 1. März 1010 der monatlichen Zahlbetrag der Rente um den von dem Kläger zu tragenden Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung verringert wird, ist nicht zu beanstanden. Denn diese Beiträge sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten.
5. Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt die Mitteilung der Beklagten im Bescheid vom 18. Januar 2010, dass die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 28. Februar 2010 aufgelaufenen Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung in Höhe von 4.675,01 EUR rückwirkend erhoben werden. Dies folgt aus § 255 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB V, der für den Fall, dass – wie hier – bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben ist, vorsieht, dass die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten sind.
6. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Leistung der noch ausstehenden Beitragszuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum bis zum 13. August 2012. Denn die Beklagte hatte – wie dargelegt – den Bewilligungsbescheid vom 16. April 2002 zu Recht durch den Bescheid vom 18. Januar 2010 mit Wirkung ab 1. März 2010 aufgehoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Folgen des Wechsels des Klägers von der freiwilligen Krankenversicherung zur Krankenversicherung der Rentner, jeweils mit korrespondierender Pflegeversicherung.
Der 1936 in Lettland geborene Kläger lebt seit 1972 in Deutschland. Von September 1975 an war er als selbständiger Taxifahrer tätig. Im Dezember 2001 wurde er berentet. Antragsgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger, der seine selbständige Tätigkeit fortführte, einen Beitragszuschuss zu dessen freiwilliger Krankenversicherung und Pflegeversicherung bei der AOK. Mit Bescheid vom 16. April 2002 bewilligte sie dem Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 2001 eine Altersrente für langjährig Versicherte einschließlich eines Beitragszuschusses zu dessen freiwilliger Krankenversicherung mit Pflegeversicherung.
Nachdem die Beklagte Anfang 2010 erfahren hatte, dass der Kläger seit dem 1. April 2002 in der Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung pflichtversichert war, berechnete sie mit Bescheid vom 18. Januar 2010 die Rente neu: Unter Wegfall des Beitragszuschusses verringerte sie mit Wirkung ab dem 1. März 2010 den monatlichen Zahlbetrag der Rente um den von dem Kläger zu tragenden Beitrag zu dessen Versicherungen. Daneben erklärte die Beklagte, sie werde die seit dem 1. Januar 2006 aufgelaufenen Beiträge zu den Versicherungen rückwirkend einbehalten, und machte insoweit einen als "Überzahlung" bezeichneten Betrag von 4.675,01 EUR geltend. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses für die Versicherungen mit Wirkung ab 1. April 2002 auf. Zur Begründung führte sie aus, dass mit Beginn der Versicherungspflicht die Voraussetzung für den Beitragszuschuss entfallen seien. Dies habe der Kläger gewusst bzw. wissen müssen. Ferner verfügte sie, dass die für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 31. Juli 2010 erbrachten Leistungen in Höhe von 6.913,77 EUR von dem Kläger zu erstatten sind. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 18. Januar 2010 und vom 21. Juli 2010 mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2011 zurück.
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger neben der Aufhebung der Entscheidungen der Beklagten deren Verurteilung begehrt, die noch ausstehenden Zuschüsse zu seiner freiwilligen Krankenversicherung zu leisten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung der Bescheide vom 18. Januar 2010 und vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011. Soweit er sich gegen die Einbehaltung laufender Beitragsanteile zu der Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung ab 1. März 2010 wende, könne die Klage keinen Erfolg haben. Vorliegend sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 16. April 2002 über die Bewilligung des Zuschusses zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung vorgelegen hätten, eingetreten, da die AOK den Kläger zum 1. April 2002 der Pflichtmitgliedschaft unterworfen habe. Damit habe die Beklagte ihren Aufhebungsbescheid vom 18. Januar 2010 zu Recht auf § 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) gestützt. Denn ein Fall nachträglicher Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift liege auch dann vor, wenn die Änderung eine rückwirkende Änderung auf den Zeitpunkt des Erlasses oder davor bewirke. So liege der Fall hier, denn die AOK habe am 10. Mai 2002 die Pflichtversicherung des Klägers rückwirkend zum 1. April 2002 verfügt.
Die Klage habe auch insoweit keinen Erfolg, als die Beklagte den Bescheid vom 16. April 2002 über die Bewilligung der Zuschüsse zu den Versicherungen des Klägers nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X rückwirkend zum 1. April 2002 aufgehoben habe und die Erstattung der überzahlten Beitragszuschüsse verlange. Denn der Kläger sei seiner ihn nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) treffenden Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Sozialleistung erheblich seien, unverzüglich mitzuteilen, nicht nachgekommen. Soweit er sich darauf berufe, keine Kenntnis von der Änderung gehabt zu haben, sei ihm nicht zu folgen. Aus den von ihm eingereichten Unterlagen ergebe sich kein Beleg für diese Behauptung. Der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten auch grob fahrlässig verletzt. Angesichts seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, die sich nicht nur aus seiner selbständigen Tätigkeit, sondern auch aus den zahlreichen – auch gerichtlichen – Auseinandersetzungen mit der Beklagten ergebe, sei davon auszugehen, dass er über das entsprechende Einsichtsvermögen in sein Handeln verfügte. Er habe deshalb die überzahlten Zuschüsse zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung nach § 50 SGB X zu erstatten.
Es sei schließlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2010 für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 28. Februar 2010 rückständige Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung nacherhoben habe. Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) seien Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 SGB V zu tragen haben, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu zahlen. Sei dies unterblieben, seien die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. § 255 Abs. 2 SGB V enthalte dabei weder einen Ermessensspielraum noch einen wie immer gearteten Vertrauensschutz.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er teilt mit, seine selbständige Tätigkeit als Taxifahrer am 13. August 2012 eingestellt zu haben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2015 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 18. Januar 2010 und vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die noch ausstehenden Beitragszuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum bis zum 13. August 2012 an ihn zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsverfahren umfasst folgende Streitgegenstände:
1. die rückwirkende Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers mit Wirkung ab 1. April 2002 durch Bescheid vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, 2. die Feststellung des zu erstattenden Betrags in Höhe von 6.913,77 EUR hinsichtlich der für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 31. Juli 2010 erbrachten Beitragszuschüsse zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers durch Bescheid vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, 3. die Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers mit Wirkung ab 1. März 2010 durch Bescheid vom 18. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, 4. die Mitteilung im Bescheid vom 18. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, dass ab 1. März 1010 der monatlichen Zahlbetrag der Rente um den von dem Kläger zu tragenden Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung verringert wird, 5. die Mitteilung im Bescheid vom 18. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011, dass die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 28. Februar 2010 aufgelaufenen Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung in Höhe von 4.675,01 EUR rückwirkend erhoben werden, 6. die Verurteilung der Beklagten, die noch ausstehenden Beitragszuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum bis zum 13. August 2012 an den Kläger zu leisten.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nur hinsichtlich der Nrn. 1) und 2) begründet.
1. Der Bescheid vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte den Bescheid vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers mit Wirkung ab 1. April 2002 rückwirkend aufhob. Zwar trat eine wesentliche Änderung Im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ein, da die freiwillige Versicherung des Klägers nach der Mitteilung der AOK zum 31. März 2002 endete und am 1. April 2002 die Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung begründet wurde. Eine rückwirkende Aufhebung ist jedoch nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zulässig. Die vorliegend allein in Betracht zu ziehenden Tatbestände der Nr. 2 und der Nr. 4 sind nicht erfüllt: Weder ist der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen (Nr. 2), noch wusste er oder wusste deshalb nicht, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4). Die in beiden Tatbeständen geforderte subjektive Vorwerfbarkeit muss zu dem Zeitpunkt vorliegen, in welchem die rückwirkend verfügte Aufhebung ihre innere Wirksamkeit entfaltete. Dies war vorliegend der 1. April 2002. Bezogen auf diesen Tag kann dem Kläger weder vorsätzliches oder grob fahrlässiges Unterlassens einer Mitteilungspflicht noch das Wissen oder das sorgfaltswidrige Nichtwissen des Eintritts der Versicherungspflicht vorgeworfen werden. Denn die AOK nahm die Umstellung in die Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung erst im Mai 2002, also rückwirkend, vor.
2. Die im Bescheid vom 21. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X getroffene Feststellung des Erstattungsbetrags in Höhe von 6.913,77 EUR ist damit rechtswidrig, da die von der Beklagten für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 31. Juli 2010 erbrachten Beitragszuschüsse zu der freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung des Klägers nicht rechtsgrundlos erfolgten.
Im Übrigen hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.
3. Die Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2002 hinsichtlich der Bewilligung des Beitragszuschusses zu der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers mit Wirkung ab 1. März 2010 ist rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nachdem die Beklagte durch Bescheid vom 16. April 2002, einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dem Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 2001 einen Beitragszuschuss zu dessen freiwilligen Krankenversicherung mit Pflegeversicherung bewilligt hatte, trat – wie dargelegt – durch die Beendigung der freiwilligen Versicherung des Klägers eine wesentliche Änderung ein. Der Hinweis des Klägers auf § 5 Abs. 5 SGB V, wonach derjenige, welcher hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist, nicht versicherungspflichtig ist, geht fehl, da seine monatliche Rente die Höhe der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit weit überwog. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 18. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 – den Vorgaben des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X entsprechend – die Bewilligung des Beitragszuschusses erst zum 1. März 2010, und damit mit Wirkung für die Zukunft, aufgehoben.
4. Die Ankündigung der Beklagten im Bescheid vom 18. Januar 2010, dass ab 1. März 1010 der monatlichen Zahlbetrag der Rente um den von dem Kläger zu tragenden Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung verringert wird, ist nicht zu beanstanden. Denn diese Beiträge sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten.
5. Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt die Mitteilung der Beklagten im Bescheid vom 18. Januar 2010, dass die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 28. Februar 2010 aufgelaufenen Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner mit Pflegeversicherung in Höhe von 4.675,01 EUR rückwirkend erhoben werden. Dies folgt aus § 255 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB V, der für den Fall, dass – wie hier – bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben ist, vorsieht, dass die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten sind.
6. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Leistung der noch ausstehenden Beitragszuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum bis zum 13. August 2012. Denn die Beklagte hatte – wie dargelegt – den Bewilligungsbescheid vom 16. April 2002 zu Recht durch den Bescheid vom 18. Januar 2010 mit Wirkung ab 1. März 2010 aufgehoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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