L 11 KR 1690/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 243/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1690/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 29.03.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Krankengeld.

Die 1985 geborene Antragstellerin war ab November 2015 arbeitslos gemeldet; sie hatte sich im Umfang von drei Stunden täglich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt. Der Anspruch der Antragstellerin auf Arbeitslosengeld war mit Ablauf des 06.08.2016 erschöpft.

Ab 06.07.2016 war die Antragstellerin arbeitsunfähig krank geschrieben. Sie bezog nach Ende des Arbeitslosengeldbezugs ab 07.08.2016 von der Antragsgegnerin Krankengeld. Zuletzt bescheinigte die Hausärztin der Antragstellerin Dr. F.-R. am 09.12.2016 das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 30.12.2016 unter Angabe der Diagnosen T8.0, M54.99, J06.9 (Fraktur der Wirbelsäule, Rückenschmerzen, akute Infektion der oberen Atemwege).

Die Antragsgegnerin veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Mit Gutachten vom 06.12.2016 aufgrund ambulanter Untersuchung der Antragstellerin führte Dr. S.-R. aus, es bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom der Wirbelsäule mit somatischen und psychischen Faktoren nach Verkehrsunfall 2003 mit LWK-1-Fraktur und anschließender basaler Spondylodese Th12 – L2 sowie ein Zn nephrotischen Syndrom bei Minimal Change Nephritis ED 2013. Die Symptomatik sei konstant. Für körperlich leichte Tätigkeiten bestehe ein vollschichtiges Leistungsbild ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständige Rotationsbewegungen des Rumpfes, ohne häufiges Bücken und ohne Nässe, Kälte, Zugluft und starke Temperaturschwankungen.

Mit Bescheid vom 12.12.2016 beendete die Antragsgegnerin die Zahlung von Krankengeld mit dem 12.12.2016. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und legte ein Attest von Dr. F.-R. vor, wonach die Antragstellerin wegen ihrer Schwangerschaft keine Schmerzmittel einnehmen könne. Dieses seien jedoch zur Ausübung einer Berufstätigkeit wegen der Rückenschmerzen erforderlich.

Die Antragsgegnerin befasste erneut den MDK. Mit Gutachten vom 12.01.2017 nach nochmaliger Untersuchung der Antragstellerin bestätigte Dr. K. den 12.12.2016 als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Im Vordergrund stehe das seit fast 14 Jahren unveränderte chronische Schmerzsyndrom mit Schwerpunkt eines dumpfen Dauerschmerzes im Bereich des thorakolumbalen Übergangs. Neben einem paravertebralen tieflumbalen Schmerz rechts sei im Rahmen der Schwangerschaft ein linksseitiger Schmerz erstmals dazugekommen. Auffällig sei die fast fehlende Modulierbarkeit der Schmerzen, nur leicht vorübergehende Besserung durch Wärme und eher passive Behandlungsverfahren sowie Diskrepanzen zwischen subjektiver Beschwerdewiedergabe und Eindrücken im Rahmen der Anamnese und der körperlichen Untersuchungssituation. Für täglich 3-stündige Tätigkeiten, für welche die Antragstellerin sich zur Verfügung gestellt habe, bestehe eine ausreichende Leistungsfähigkeit. Zusätzlich zu den bereits benannten qualitativen Einschränkungen sollten aufgrund der Schwangerschaft auch keine Nachtschichten zugemutet werden.

Am 20.01.2017 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Krankengeld geltend gemacht. Sie sei seit einem schweren Autounfall 2003 auf die tägliche Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen. Aktuell könne sie wegen der Schwangerschaft keine Schmerzmittel einnehmen. Ihr Alltag sei nur schwer zu bewältigen. Ergänzend hat sie eine Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie W. vom 25.01.2017 vorgelegt, wonach bei unveränderten Beschwerden eine zunehmende Belastungssituation der Antragstellerin bestehe, die nun schwanger sei, keine Schmerzmedikation einnehmen könne und sich überfordert fühle. Nach seiner Ansicht sei sie aus körperlicher wie auch psychischer Sicht nicht arbeitsfähig.

Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2017 zurück. Dieser wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 20.03.2017 zugestellt.

Mit Beschluss vom 29.03.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Der nach § 86b Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Zwar bestätigten die behandelnden Ärzte, dass wegen der Schwangerschaft derzeit keine Schmerzmedikation eingenommen werden könne. Nachvollziehbare, auf konkrete Befunde gestützte Feststellungen, warum auch unter Beachtung der vom MDK genannten Einschränkungen körperlich leichte Tätigkeiten selbst im Umfang von drei Stunden arbeitstäglich nicht mehr möglich sein sollten, ließen sich den vorgelegten ärztlichen Berichten nicht entnehmen. Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit eines arbeitslosen Versicherten seien alle Beschäftigungen, für die er sich der Arbeitsverwaltung zum Zwecke der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe. Dies seien drei Stunden täglich. Für eine derartige Tätigkeit sei das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht glaubhaft gemacht.

Mit Schreiben vom 13.04.2017, eingegangen beim SG am 18.04.2017 und von dort dem Senat vorgelegt am 28.04.2017, hat die Antragstellerin gegen den Beschluss vom 29.03.2017 Beschwerde eingelegt. Die Frage der Vermittelbarkeit bei der Agentur für Arbeit (drei Stunden) habe sich auf die Zeit vor der Arbeitsunfähigkeit bezogen. Nach Einreichung der Arbeitsunfähigkeit sei das Arbeitsamt für sie nicht mehr zuständig, sie sei nicht mehr vermittelbar gewesen. Seit 06.08.2016 werde sie gar nicht mehr beim Arbeitsamt geführt. Aufgrund dessen verstehe sie die Ausführungen nicht. Aktuell seien die Rückenschmerzen sehr stark; der voraussichtliche Entbindungstermin sei der 21.06.2017. Ergänzend hat die Antragstellerin weitere ärztliche Berichte aus den Jahren 2016 und 2015 vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig geworden, weil es inzwischen am Rechtsschutzbedürfnis für ein Tätigwerden des Gerichts fehlt.

Nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 02.05.2005, 1 BvR 569/05, juris).

Die Beschwerde ist unzulässig, weil es insoweit am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis für ein Tätigwerden des Gerichts fehlt. Die Gewährung von Krankengeld ist von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2017 abgelehnt worden. Dieser Bescheid ist inzwischen bestandskräftig geworden, denn die Antragstellerin hat gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Widerspruchsbescheid nicht fristgerecht Klage erhoben. Der Widerspruchsbescheid ist der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 20.03.2017 zugestellt worden. Die einmonatige Klagefrist endete daher am Donnerstag, 20.04.2017. Laut telefonischer Auskunft des SG vom 11.05.2017 ist dort bis zu diesem Tag keine Klage der Antragstellerin eingegangen, so dass nach Ablauf der Klagefrist die Ablehnung von Krankengeld durch die Antragsgegnerin bestandskräftig geworden ist. Auch in der Beschwerdeschrift der Antragstellerin vom 13.04.2017 kann selbst bei großzügigster Auslegung keine Klageschrift gesehen werden. Das Schreiben vom 13.04.2017 befasst sich allein mit dem Beschluss des SG vom 29.03.2017 und erwähnt den zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheid nicht einmal.

Die Bestandskraft des Verwaltungsakts steht einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entgegen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 86b Rdnr 26d). Ausgehend vom Streitgegenstand eines Anordnungsverfahrens, im Eilverfahren zu prüfen, inwieweit der Antragstellerin für eine Zwischenzeit bis zur Hauptsacheentscheidung eine bestimmte Rechtsposition zusteht, ist einstweiliger Rechtsschutz bei einer bindenden Hauptsacheentscheidung unzulässig. Es gibt dann keine Rechtsposition, die bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gesichert werden könnte (Bayerisches LSG 23.09.2010, L 7 AS 651/10 B ER, juris).

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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