Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 1490/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2682/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15.05.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); die Klägerin begehrt höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 30.09.2013.
Die geborene Klägerin bezieht seit dem Jahr 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld [Alg] II). Sie ist ausgebildete Masseurin und hat eine Ausbildung zur Physiotherapeutin begonnen, jedoch nicht abgeschlossen; sie wohnt alleine in einer 77,94 m² großen Drei-Zimmer-Wohnung. Für diese waren im streitigen Zeitraum monatlich 464,90 Euro Miete (424,00 EUR Grundmiete und 40,90 EUR Miete für den Tiefgaragenstellplatz), Vorauszahlungen in Höhe von 192,00 EUR (64,00 EUR für die kalten Nebenkosten und 128,00 EUR für die Heiz- und Warmwasserkosten), sowie 8,50 EUR für die Müllgebühren zu leisten.
Die Klägerin hatte bereit in der Vergangenheit die Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung geltend gemacht und – u. a. mit diesem Begehren – Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.03.2011 (Bewilligungszeitraum vom 01.04.2011 bis 30.09.2011; Bewilligungsbescheid geändert durch Bescheide vom 26.03.2011 und vom 22.06.2011) erhoben. Der Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 07.06.2011 zurückgewiesen worden; das Sozialgericht Konstanz (SG) hatte die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 27.10.2011 (S 11 AS 1908/11) abgewiesen. Das nachfolgende Berufungsverfahren beim Landessozialgericht blieb für die Klägerin ebenfalls erfolglos (Urteil vom 18.01.2013 – L 12 AS 5327/11). Mit der Berufung hatte die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung allerdings nicht weiterverfolgt.
Mit ihrem Weiterbewilligungsantrag vom 26.02.2013, beim Beklagten eingegangen am 01.03.2013, machte die Klägerin erneut die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung geltend. Wegen Nahrungsmittelunverträglichkeiten entstünden ihr zusätzliche Kosten in Höhe von 320,00 EUR monatlich. Ihre Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) bezifferte die Klägerin auf insgesamt 656,90 EUR (464,90 EUR Grundmiete mit Stellplatz und 192,00 EUR Nebenkosten). Mit Bescheid vom 08.03.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 in Höhe von 971,50 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte er als Regelbedarf 382,00 EUR und als Bedarf für Unterkunft und Heizung 589,50 EUR (Kaltmiete: 389,00 EUR; Nebenkosten insgesamt: 192,00 EUR; Müllgebühren: 8,50 EUR). Einen Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung brachte er nicht in Ansatz.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25.03.2014 Widerspruch. Sie trug vor, der Beklagte habe die Garagenmiete in Höhe von 40,90 EUR zu Unrecht nicht berücksichtigt. Der Mietvertrag über den Tiefgaragenstellplatz sei nur zusammen mit dem Wohnraummietvertrag kündbar. Auch die Kürzung der Kaltmiete sei angesichts der Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz nicht gerechtfertigt. Letztlich habe der Beklagte zu Unrecht keinen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung berücksichtigt. Durch ärztliche Bescheinigungen werde bestätigt, dass sie eine konservierungsmittel- und farbstofffreie Diät in Verbindung mit einer biologischen Mischkost benötige und dies Mehraufwendungen in Höhe von monatlich 320,00 EUR verursache. Es sei deshalb eine Krankenkostenzulage in Höhe von mindestens 20 Prozent des Regelsatzes gerechtfertigt, also mindestens 76,40 EUR monatlich. Zum Beleg für ihren Vortrag legte die Klägerin u. a. ärztliche Bescheinigungen der Hautärztin Dr. H. vom 28.01.2009 und der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 22.04.2013 vor. Letztere führte in ihrer Bescheinigung aus, die Klägerin sei im Jahr 2007 an einer Neurodermitis atopica erkrankt. Durch strenge Diät, d. h. konservierungsfreie und farbstofffreie Nahrungsmittel sowie biologische Mischkost habe seit 2010 Symptomfreiheit erzielt werden können. Der Mehraufwand für die entsprechende Diät betrage ca. 320,00 EUR im Monat. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und verwies zur Begründung u. a. auf die Urteile des SG vom 27.10.2011 (S 11 AS 1908/11) und des LSG vom 18.01.2013 (L 12 AS 5327/11).
Am 14.06.2013 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse festgestellt werden, welches medizinisch begründete Ernährungsbedürfnis in ihrem Fall bestehe und in welchem Umfang hierdurch höhere Kosten entstünden. Das SG hat mit Beschluss vom 25.09.2013 das Verfahren abgetrennt, soweit die Klägerin höhere KdU begehrt hat (nun S 11 AS 2435/13) und anschließend eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. H. eingeholt. Diese hat ausgesagt, sie behandele die Klägerin seit 1996 wegen internistischer Erkrankungen, hautärztliche Probleme würden vom Hautarzt betreut. Die Diagnose einer Neurodermitis sei von der Hautärztin Dr. H. gestellt worden; diese praktiziere jedoch seit April 2011 nicht mehr. Deshalb habe sie im April 2013 die Bescheinigung über die Erforderlichkeit der Diät ausgestellt. Den Mehraufwand im Einzelnen zu überprüfen, sei ihr nicht möglich; Belege lägen ihr nicht vor. Auf Anfrage des SG hat die Klägerin in der Folge Lebensmittelquittungen aus den Monaten April bis September 2013 vorgelegt. Wegen des Inhalts dieser Quittungen im Einzelnen wird auf Bl. 26 bis 52 der beigezogenen Klageakte des SG Bezug genommen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat vorgetragen, aus den vorgelegten Kassenbons ergebe sich, dass die Klägerin sich von normalen Lebensmitteln ernähre. Dies bedinge keinen ernährungsbedingten Mehrbedarf. Die Klägerin kaufe allerdings größtenteils in teuren Läden und ausschließlich Bioprodukte. Solche würden bei Discountern deutlich günstiger angeboten. Mit Urteil vom 15.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen; die Klägerin habe keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung und könne deshalb höhere Leistungen nicht beanspruchen. Im Fall der Klägerin sei schon nicht nachgewiesen, dass eine Erkrankung vorliege, die eine besondere Ernährungsweise erforderlich mache. Im Übrigen zeigten die vorgelegten Quittungen/Kassenbons, dass das Einkaufsverhalten der Klägerin nicht krankheitsbedingt zu höheren Ausgaben führe. Ursächlich sei vielmehr die Auswahl der Lebensmittelgeschäfte sowie die eingekauften Marken und Mengen.
Gegen das ihr am 22.05.2014 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 18.06.2014 schriftlich beim SG Berufung eingelegt. In ihrem Fall sei eine kostenaufwändige Ernährung erforderlich; diese verursache Kosten in Höhe von 320,00 EUR monatlich.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15.05.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 08.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2013 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 320,00 EUR monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die mit der Berufung angegriffene Entscheidung des SG für zutreffend.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in der hier noch anzuwendenden bis 31.03.2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt wurde. Die Berufung ist jedoch nicht begründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Bescheid vom 08.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2013, mit dem der Beklagte der Klägerin Alg II in Höhe von 971,50 EUR monatlich für den Bewilligungsabschnitt vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 gewährt hat. Nachdem das SG das Klageverfahren mit Beschluss vom 25.09.2013 abgetrennt hat, soweit die Klägerin höhere KdU begehrt hat (neues Az. des SG: S 11 AS 2435/13) und die Klägerin im Berufungsverfahren ausdrücklich nur die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung geltend macht, hat der Senat nur zu prüfen, ob die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beanspruchen kann. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung kann dabei allerdings allein nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Mit Ausnahme der hier nicht mehr streitgegenständlichen KdU lassen sich die Regelungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 49/10 R -, SozR 4-4200 § 21 Nr. 10 m.w.N.). Deshalb hat der Senat auch darüber zu entscheiden, ob der Beklagte der Klägerin die Regelleistung in zutreffender Höhe bewilligt hat.
Der Bescheid vom 08.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2013 ist sowohl hinsichtlich der verfügten Regelleistung als auch hinsichtlich der unterbliebenen Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung (in Höhe von 320,00 EUR) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013.
Den Regelbedarf hat der Beklagte für den streitigen Bewilligungsabschnitt zutreffend auf 382,00 EUR monatlich festgesetzt; dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 ergibt sich auch nicht durch die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Ein solcher Mehrbedarf besteht bei der Klägerin nicht.
Nach § 21 Abs. 5 SGB II in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwändiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Voraussetzung ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist. Ein solches besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis führt zu einem Anspruch auf einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (BSG a.a.O. m.w.N.).
Die Konkretisierung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II muss im Zusammenhang mit § 20 SGB II erfolgen, der die Regelleistung in Form einer pauschalierten Leistung vorsieht. Denn § 20 SGB II umfasst die für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wesentlichen und üblichen Bedarfslagen und Bedürfnisse des täglichen Lebens, wie sich aus der nicht abschließenden Aufzählung in seinem Abs. 1 - "insbesondere" Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, einen Teil der Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens - ergibt. Grundlage für die Ermittlung der regelbedarfsrelevanten Anteile der einzelnen Bedarfsabteilungen und damit der Höhe des Regelbedarfs insgesamt sind die statistisch ermittelten Ausgaben und das Verbrauchsverhalten von Haushalten in unteren Einkommensgruppen auf der Datengrundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Die typisierend anerkannten Bedarfe gelten mit den im Gesetz vorgesehenen Pauschalen als befriedigt. Die Typisierung von existenzsichernden Bedarfen sowie deren Deckung durch einen pauschalen Festbetrag ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungskonform bestätigt worden (vgl. BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, RdNr 205).
Der notwendige Bedarf für Ernährung ist als ein Teil dieses Regelbedarfs typisierend zuerkannt worden, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ausgegangen wurde. Damit gilt im Ergebnis eine Vollkosternährung als vom Regelbedarf gedeckt, weil es sich hierbei um eine ausgewogene Ernährungsweise handelt, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt (BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 17 m.w.N. u.a. zur Rspr. des BVerfG und zu den Mehrbedarfsempfehlungen 2008).
Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist kostenaufwändiger im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt wird (BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R -, SozR 4-4200 § 21 Nr. 17 Rn. 19 m.w.N.). Voraussetzung für diesen Mehrbedarf ist ein medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis (BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 48/12 R -, SozR 4-4200 § 21 Nr. 15 Rn. 12). Ein solches liegt vor, wenn mit der Regelernährung bestimmte Inhaltsstoffe nicht vermieden werden können, sodass aus physiologischen Gründen ein objektiver Bedarf an einer besonderen Ernährung bedingt ist, die auf einer spezifischen Ernährungsempfehlung beruht (BSG, Urteil vom 14.02.2013, a.a.O., Rn. 15; BSG, Urteil vom 20.02.2014, a.a.O., Rn. 19, 29). Das objektive Erfordernis einer besonderen Kostform aus physiologischen Gründen ist zu unterscheiden von einem bestimmten Ernährungsverhalten oder einem Umgang mit Lebensmitteln, dem keine spezifische, physiologisch bestimmte Kostform zugrunde liegt (BSG, Urteil vom 20.01.2016 – B 14 AS 8/15 R –, SozR 4-4200 § 21 Nr. 25).
Nach diesen Grundsätzen besteht im Fall der Klägerin kein objektiver Bedarf an einer bestimmten Ernährung. Bei der Klägerin lassen sich keine Nahrungsmittelunverträglichkeiten feststellen, die dazu führen, dass es bei dem Konsum bestimmter Lebensmittel zu negativen organischen Folgewirkungen kommt. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, besteht bei der Klägerin vielmehr ein besonderes Ernährungsverhalten, bei dem sie zum Teil hochpreisige Nahrungsmittel verwendet, zudem fast ausschließlich Bioprodukte, die sie in teuren Lebensmittelläden kauft. Die Mehrausgaben der Klägerin für Lebensmittel ergeben sich somit nicht aus einem objektiven Erfordernis an einer bestimmten Ernährung, sondern allein aus ihrem Kaufverhalten und ihrem Umgang mit Lebensmitteln.
Der Senat vermag sich bereits nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin in der streitigen Zeit tatsächlich unter Neurodermitis gelitten hat. Denn die vom SG befragte Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. hat zwar über eine entsprechende, von der seit 2011 nicht mehr praktizierenden Hautärztin Dr. H. erhobene Diagnose berichtet; in ihrer von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung vom 22.04.2013 hat sie jedoch ausgeführt, bei der Klägerin bestehe bereits seit 2010 Symptomfreiheit. Eine hautärztliche Behandlung findet ausweislich der Angaben der Klägerin gegenüber dem SG bereits seit März 2010 nicht mehr statt. Letztlich braucht der Senat über das Vorliegen eines entsprechenden Krankheitsbildes hier aber nicht zu entscheiden, denn es steht jedenfalls fest, dass bei der Klägern, selbst wenn die Diagnose einer Neurodermitis (noch) erhoben werden kann, durch diese Erkrankung oder durch andere medizinische Gründe das Erfordernis einer kostenaufwändigen Ernährung jedenfalls in dem hier streitigen Zeitraum nicht verursacht worden ist. Besteht bei einem Krankheitsbild – wie hier – seit langer Zeit Symptomfreiheit, spricht bereits dieser Befund gegen das Erfordernis einer bestimmten an das Krankheitsbild angepassten Ernährung. Etwas Anderes könnte allenfalls gelten, wenn die Symtomfreiheit allein durch eine bestimmte (kostenaufwändigere) Ernährung erreicht worden wäre und erreicht werden könnte. Dies ist hier, wie der Beklagte und das SG aus der Auswertung der von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Einkaufsbelege schlüssig und auch für den Senat nachvollziehbar geschlussfolgert haben, aber nicht der Fall; denn die Klägerin vermeidet nicht bestimmte Inhaltsstoffe, sondern kauft nur größtenteils in teuren Läden und ausschließlich Bioprodukte teurer Marken. Der Senat nimmt insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung des SG Bezug. Damit steht fest, dass ein objektives Erfordernis einer besonderen Kostform aus physiologischen Gründen bei der Klägerin nicht besteht. In ihrem Fall werden höhere Kosten allein durch ein bestimmtes Ernährungsverhalten, dem eine spezifische, physiologisch bestimmte Kostform nicht zugrunde liegt, verursacht. Im Übrigen erfordert eine Erkrankung mit Neurodermitis nach den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (Seite 8; Stand Dezember 2014) lediglich eine Ernährung mit Vollkost, die über den Regelsatz gedeckt werden kann (so zu einer älteren Fassung der Empfehlungen bereits Urteil des erkennenden Senats vom 26.03.2010 – L 12 AS 4668/08 –, juris).
Die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens vorgelegte Bescheinigung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 22.04.2013 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dr. H. hat in dieser Bescheinigung zwar ausgeführt, die Klägerin leide seit 2007 an einer Neurodermitis atopica. Durch strenge Diät, d. h. konservierungsfreie und farbstofffreie Nahrungsmittel sowie biologische Mischkost habe seit 2010 Symptomfreiheit erzielt werden können. Der Mehraufwand für die entsprechende Diät betrage ca. 320,00 EUR im Monat. Diese Angaben erweisen sich vor dem Hintergrund der Aussage von Dr. H. gegenüber dem SG jedoch als reine Gefälligkeitsbescheinigung. Gegenüber dem SG hat Dr. H. in ihrer Aussage vom 25.11.2013 nämlich eingeräumt, die Klägerin ausschließlich wegen internistischer Erkrankungen behandelt zu haben. Die Diagnose einer Neurodermitis sei von Dr. H., die nicht mehr praktiziere, gestellt worden. Diese habe auch entsprechende Diätbescheinigungen ausgestellt. Den Mehraufwand im Einzelnen zu überprüfen, sei ihr nicht möglich; entsprechende Belege lägen ihr nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); die Klägerin begehrt höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 30.09.2013.
Die geborene Klägerin bezieht seit dem Jahr 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld [Alg] II). Sie ist ausgebildete Masseurin und hat eine Ausbildung zur Physiotherapeutin begonnen, jedoch nicht abgeschlossen; sie wohnt alleine in einer 77,94 m² großen Drei-Zimmer-Wohnung. Für diese waren im streitigen Zeitraum monatlich 464,90 Euro Miete (424,00 EUR Grundmiete und 40,90 EUR Miete für den Tiefgaragenstellplatz), Vorauszahlungen in Höhe von 192,00 EUR (64,00 EUR für die kalten Nebenkosten und 128,00 EUR für die Heiz- und Warmwasserkosten), sowie 8,50 EUR für die Müllgebühren zu leisten.
Die Klägerin hatte bereit in der Vergangenheit die Gewährung höherer Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung geltend gemacht und – u. a. mit diesem Begehren – Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.03.2011 (Bewilligungszeitraum vom 01.04.2011 bis 30.09.2011; Bewilligungsbescheid geändert durch Bescheide vom 26.03.2011 und vom 22.06.2011) erhoben. Der Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 07.06.2011 zurückgewiesen worden; das Sozialgericht Konstanz (SG) hatte die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 27.10.2011 (S 11 AS 1908/11) abgewiesen. Das nachfolgende Berufungsverfahren beim Landessozialgericht blieb für die Klägerin ebenfalls erfolglos (Urteil vom 18.01.2013 – L 12 AS 5327/11). Mit der Berufung hatte die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung allerdings nicht weiterverfolgt.
Mit ihrem Weiterbewilligungsantrag vom 26.02.2013, beim Beklagten eingegangen am 01.03.2013, machte die Klägerin erneut die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung geltend. Wegen Nahrungsmittelunverträglichkeiten entstünden ihr zusätzliche Kosten in Höhe von 320,00 EUR monatlich. Ihre Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) bezifferte die Klägerin auf insgesamt 656,90 EUR (464,90 EUR Grundmiete mit Stellplatz und 192,00 EUR Nebenkosten). Mit Bescheid vom 08.03.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 in Höhe von 971,50 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte er als Regelbedarf 382,00 EUR und als Bedarf für Unterkunft und Heizung 589,50 EUR (Kaltmiete: 389,00 EUR; Nebenkosten insgesamt: 192,00 EUR; Müllgebühren: 8,50 EUR). Einen Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung brachte er nicht in Ansatz.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25.03.2014 Widerspruch. Sie trug vor, der Beklagte habe die Garagenmiete in Höhe von 40,90 EUR zu Unrecht nicht berücksichtigt. Der Mietvertrag über den Tiefgaragenstellplatz sei nur zusammen mit dem Wohnraummietvertrag kündbar. Auch die Kürzung der Kaltmiete sei angesichts der Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz nicht gerechtfertigt. Letztlich habe der Beklagte zu Unrecht keinen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung berücksichtigt. Durch ärztliche Bescheinigungen werde bestätigt, dass sie eine konservierungsmittel- und farbstofffreie Diät in Verbindung mit einer biologischen Mischkost benötige und dies Mehraufwendungen in Höhe von monatlich 320,00 EUR verursache. Es sei deshalb eine Krankenkostenzulage in Höhe von mindestens 20 Prozent des Regelsatzes gerechtfertigt, also mindestens 76,40 EUR monatlich. Zum Beleg für ihren Vortrag legte die Klägerin u. a. ärztliche Bescheinigungen der Hautärztin Dr. H. vom 28.01.2009 und der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 22.04.2013 vor. Letztere führte in ihrer Bescheinigung aus, die Klägerin sei im Jahr 2007 an einer Neurodermitis atopica erkrankt. Durch strenge Diät, d. h. konservierungsfreie und farbstofffreie Nahrungsmittel sowie biologische Mischkost habe seit 2010 Symptomfreiheit erzielt werden können. Der Mehraufwand für die entsprechende Diät betrage ca. 320,00 EUR im Monat. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und verwies zur Begründung u. a. auf die Urteile des SG vom 27.10.2011 (S 11 AS 1908/11) und des LSG vom 18.01.2013 (L 12 AS 5327/11).
Am 14.06.2013 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse festgestellt werden, welches medizinisch begründete Ernährungsbedürfnis in ihrem Fall bestehe und in welchem Umfang hierdurch höhere Kosten entstünden. Das SG hat mit Beschluss vom 25.09.2013 das Verfahren abgetrennt, soweit die Klägerin höhere KdU begehrt hat (nun S 11 AS 2435/13) und anschließend eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. H. eingeholt. Diese hat ausgesagt, sie behandele die Klägerin seit 1996 wegen internistischer Erkrankungen, hautärztliche Probleme würden vom Hautarzt betreut. Die Diagnose einer Neurodermitis sei von der Hautärztin Dr. H. gestellt worden; diese praktiziere jedoch seit April 2011 nicht mehr. Deshalb habe sie im April 2013 die Bescheinigung über die Erforderlichkeit der Diät ausgestellt. Den Mehraufwand im Einzelnen zu überprüfen, sei ihr nicht möglich; Belege lägen ihr nicht vor. Auf Anfrage des SG hat die Klägerin in der Folge Lebensmittelquittungen aus den Monaten April bis September 2013 vorgelegt. Wegen des Inhalts dieser Quittungen im Einzelnen wird auf Bl. 26 bis 52 der beigezogenen Klageakte des SG Bezug genommen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat vorgetragen, aus den vorgelegten Kassenbons ergebe sich, dass die Klägerin sich von normalen Lebensmitteln ernähre. Dies bedinge keinen ernährungsbedingten Mehrbedarf. Die Klägerin kaufe allerdings größtenteils in teuren Läden und ausschließlich Bioprodukte. Solche würden bei Discountern deutlich günstiger angeboten. Mit Urteil vom 15.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen; die Klägerin habe keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung und könne deshalb höhere Leistungen nicht beanspruchen. Im Fall der Klägerin sei schon nicht nachgewiesen, dass eine Erkrankung vorliege, die eine besondere Ernährungsweise erforderlich mache. Im Übrigen zeigten die vorgelegten Quittungen/Kassenbons, dass das Einkaufsverhalten der Klägerin nicht krankheitsbedingt zu höheren Ausgaben führe. Ursächlich sei vielmehr die Auswahl der Lebensmittelgeschäfte sowie die eingekauften Marken und Mengen.
Gegen das ihr am 22.05.2014 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 18.06.2014 schriftlich beim SG Berufung eingelegt. In ihrem Fall sei eine kostenaufwändige Ernährung erforderlich; diese verursache Kosten in Höhe von 320,00 EUR monatlich.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15.05.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 08.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2013 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 320,00 EUR monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die mit der Berufung angegriffene Entscheidung des SG für zutreffend.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in der hier noch anzuwendenden bis 31.03.2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt wurde. Die Berufung ist jedoch nicht begründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Bescheid vom 08.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2013, mit dem der Beklagte der Klägerin Alg II in Höhe von 971,50 EUR monatlich für den Bewilligungsabschnitt vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 gewährt hat. Nachdem das SG das Klageverfahren mit Beschluss vom 25.09.2013 abgetrennt hat, soweit die Klägerin höhere KdU begehrt hat (neues Az. des SG: S 11 AS 2435/13) und die Klägerin im Berufungsverfahren ausdrücklich nur die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung geltend macht, hat der Senat nur zu prüfen, ob die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beanspruchen kann. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung kann dabei allerdings allein nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Mit Ausnahme der hier nicht mehr streitgegenständlichen KdU lassen sich die Regelungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (BSG, Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 49/10 R -, SozR 4-4200 § 21 Nr. 10 m.w.N.). Deshalb hat der Senat auch darüber zu entscheiden, ob der Beklagte der Klägerin die Regelleistung in zutreffender Höhe bewilligt hat.
Der Bescheid vom 08.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2013 ist sowohl hinsichtlich der verfügten Regelleistung als auch hinsichtlich der unterbliebenen Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung (in Höhe von 320,00 EUR) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013.
Den Regelbedarf hat der Beklagte für den streitigen Bewilligungsabschnitt zutreffend auf 382,00 EUR monatlich festgesetzt; dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 ergibt sich auch nicht durch die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Ein solcher Mehrbedarf besteht bei der Klägerin nicht.
Nach § 21 Abs. 5 SGB II in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwändiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Voraussetzung ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist. Ein solches besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis führt zu einem Anspruch auf einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (BSG a.a.O. m.w.N.).
Die Konkretisierung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II muss im Zusammenhang mit § 20 SGB II erfolgen, der die Regelleistung in Form einer pauschalierten Leistung vorsieht. Denn § 20 SGB II umfasst die für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wesentlichen und üblichen Bedarfslagen und Bedürfnisse des täglichen Lebens, wie sich aus der nicht abschließenden Aufzählung in seinem Abs. 1 - "insbesondere" Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, einen Teil der Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens - ergibt. Grundlage für die Ermittlung der regelbedarfsrelevanten Anteile der einzelnen Bedarfsabteilungen und damit der Höhe des Regelbedarfs insgesamt sind die statistisch ermittelten Ausgaben und das Verbrauchsverhalten von Haushalten in unteren Einkommensgruppen auf der Datengrundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Die typisierend anerkannten Bedarfe gelten mit den im Gesetz vorgesehenen Pauschalen als befriedigt. Die Typisierung von existenzsichernden Bedarfen sowie deren Deckung durch einen pauschalen Festbetrag ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungskonform bestätigt worden (vgl. BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, RdNr 205).
Der notwendige Bedarf für Ernährung ist als ein Teil dieses Regelbedarfs typisierend zuerkannt worden, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ausgegangen wurde. Damit gilt im Ergebnis eine Vollkosternährung als vom Regelbedarf gedeckt, weil es sich hierbei um eine ausgewogene Ernährungsweise handelt, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt (BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 17 m.w.N. u.a. zur Rspr. des BVerfG und zu den Mehrbedarfsempfehlungen 2008).
Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist kostenaufwändiger im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt wird (BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R -, SozR 4-4200 § 21 Nr. 17 Rn. 19 m.w.N.). Voraussetzung für diesen Mehrbedarf ist ein medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis (BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 14 AS 48/12 R -, SozR 4-4200 § 21 Nr. 15 Rn. 12). Ein solches liegt vor, wenn mit der Regelernährung bestimmte Inhaltsstoffe nicht vermieden werden können, sodass aus physiologischen Gründen ein objektiver Bedarf an einer besonderen Ernährung bedingt ist, die auf einer spezifischen Ernährungsempfehlung beruht (BSG, Urteil vom 14.02.2013, a.a.O., Rn. 15; BSG, Urteil vom 20.02.2014, a.a.O., Rn. 19, 29). Das objektive Erfordernis einer besonderen Kostform aus physiologischen Gründen ist zu unterscheiden von einem bestimmten Ernährungsverhalten oder einem Umgang mit Lebensmitteln, dem keine spezifische, physiologisch bestimmte Kostform zugrunde liegt (BSG, Urteil vom 20.01.2016 – B 14 AS 8/15 R –, SozR 4-4200 § 21 Nr. 25).
Nach diesen Grundsätzen besteht im Fall der Klägerin kein objektiver Bedarf an einer bestimmten Ernährung. Bei der Klägerin lassen sich keine Nahrungsmittelunverträglichkeiten feststellen, die dazu führen, dass es bei dem Konsum bestimmter Lebensmittel zu negativen organischen Folgewirkungen kommt. Wie das SG zutreffend festgestellt hat, besteht bei der Klägerin vielmehr ein besonderes Ernährungsverhalten, bei dem sie zum Teil hochpreisige Nahrungsmittel verwendet, zudem fast ausschließlich Bioprodukte, die sie in teuren Lebensmittelläden kauft. Die Mehrausgaben der Klägerin für Lebensmittel ergeben sich somit nicht aus einem objektiven Erfordernis an einer bestimmten Ernährung, sondern allein aus ihrem Kaufverhalten und ihrem Umgang mit Lebensmitteln.
Der Senat vermag sich bereits nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin in der streitigen Zeit tatsächlich unter Neurodermitis gelitten hat. Denn die vom SG befragte Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. hat zwar über eine entsprechende, von der seit 2011 nicht mehr praktizierenden Hautärztin Dr. H. erhobene Diagnose berichtet; in ihrer von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung vom 22.04.2013 hat sie jedoch ausgeführt, bei der Klägerin bestehe bereits seit 2010 Symptomfreiheit. Eine hautärztliche Behandlung findet ausweislich der Angaben der Klägerin gegenüber dem SG bereits seit März 2010 nicht mehr statt. Letztlich braucht der Senat über das Vorliegen eines entsprechenden Krankheitsbildes hier aber nicht zu entscheiden, denn es steht jedenfalls fest, dass bei der Klägern, selbst wenn die Diagnose einer Neurodermitis (noch) erhoben werden kann, durch diese Erkrankung oder durch andere medizinische Gründe das Erfordernis einer kostenaufwändigen Ernährung jedenfalls in dem hier streitigen Zeitraum nicht verursacht worden ist. Besteht bei einem Krankheitsbild – wie hier – seit langer Zeit Symptomfreiheit, spricht bereits dieser Befund gegen das Erfordernis einer bestimmten an das Krankheitsbild angepassten Ernährung. Etwas Anderes könnte allenfalls gelten, wenn die Symtomfreiheit allein durch eine bestimmte (kostenaufwändigere) Ernährung erreicht worden wäre und erreicht werden könnte. Dies ist hier, wie der Beklagte und das SG aus der Auswertung der von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Einkaufsbelege schlüssig und auch für den Senat nachvollziehbar geschlussfolgert haben, aber nicht der Fall; denn die Klägerin vermeidet nicht bestimmte Inhaltsstoffe, sondern kauft nur größtenteils in teuren Läden und ausschließlich Bioprodukte teurer Marken. Der Senat nimmt insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung des SG Bezug. Damit steht fest, dass ein objektives Erfordernis einer besonderen Kostform aus physiologischen Gründen bei der Klägerin nicht besteht. In ihrem Fall werden höhere Kosten allein durch ein bestimmtes Ernährungsverhalten, dem eine spezifische, physiologisch bestimmte Kostform nicht zugrunde liegt, verursacht. Im Übrigen erfordert eine Erkrankung mit Neurodermitis nach den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (Seite 8; Stand Dezember 2014) lediglich eine Ernährung mit Vollkost, die über den Regelsatz gedeckt werden kann (so zu einer älteren Fassung der Empfehlungen bereits Urteil des erkennenden Senats vom 26.03.2010 – L 12 AS 4668/08 –, juris).
Die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens vorgelegte Bescheinigung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 22.04.2013 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dr. H. hat in dieser Bescheinigung zwar ausgeführt, die Klägerin leide seit 2007 an einer Neurodermitis atopica. Durch strenge Diät, d. h. konservierungsfreie und farbstofffreie Nahrungsmittel sowie biologische Mischkost habe seit 2010 Symptomfreiheit erzielt werden können. Der Mehraufwand für die entsprechende Diät betrage ca. 320,00 EUR im Monat. Diese Angaben erweisen sich vor dem Hintergrund der Aussage von Dr. H. gegenüber dem SG jedoch als reine Gefälligkeitsbescheinigung. Gegenüber dem SG hat Dr. H. in ihrer Aussage vom 25.11.2013 nämlich eingeräumt, die Klägerin ausschließlich wegen internistischer Erkrankungen behandelt zu haben. Die Diagnose einer Neurodermitis sei von Dr. H., die nicht mehr praktiziere, gestellt worden. Diese habe auch entsprechende Diätbescheinigungen ausgestellt. Den Mehraufwand im Einzelnen zu überprüfen, sei ihr nicht möglich; entsprechende Belege lägen ihr nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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