Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 568/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4539/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. November 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme von Mietkosten während seiner Inhaftierung.
Der Kläger ist seit dem 17. April 2015 in verschiedenen Justizvollzugsanstalten inhaftiert. Er beantragte am 12. Mai 2015 bei dem Beklagten als Träger der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) die Übernahme von Mietkosten während seiner Untersuchungshaft. Er bat, die Mietkosten für seine Wohnung in M. nach den gesetzlichen Bestimmungen für die Dauer der Untersuchungshaft zu übernehmen, um eine drohende Wohnungslosigkeit bei Entlassung zu vermeiden. Er verfüge aufgrund der Haft derzeit nicht über ausreichend finanzielle Mittel, um die Miete aus eigener Kraft aufzubringen. Die Miete belaufe sich inklusive Stromkosten auf monatlich 480 Euro. Am 10. Juni 2015 beantragte der Kläger zudem die Gewährung von "Taschengeld".
In der Folgezeit bat der Beklagte den Kläger um ergänzende Informationen und Vorlage verschiedener Unterlagen (Schreiben vom 11. November und 7. Dezember 2015), die der Kläger nur teilweise vorlegte.
Am 12. Februar 2016 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Untätigkeitsklage erhoben. Er sei aufgrund seiner Inhaftierung derzeit nicht in der Lage, alle angeforderten Unterlagen vorzulegen.
Mit Bescheid vom 11. März 2016 hat der Beklagte die Anträge des Klägers vom 12. Mai und 10. Juni 2015 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, nach der hiergegen Widerspruch erhoben werden könne.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klage sei als Verpflichtungsklage unzulässig, weil ein Vorverfahren weder anhängig noch durchgeführt worden sei. Als Untätigkeitsklage sei die Klage unbegründet. Die Verzögerung sei auch vom Kläger selbst zu vertreten. Durch Erlass des Bescheides vom 11. März 2016 habe er inzwischen über die Anträge des Klägers entschieden. Dadurch habe sich der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt.
Auf die Anfrage des SG vom 29. März 2016 und Erinnerung vom 28. Juni 2016, ob er die Untätigkeitsklage für erledigt erkläre, hat der Kläger nicht reagiert.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2016 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Werde, wie hier, nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 88 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über einen Antrag entschieden, sei die Untätigkeitsklage erledigt. Alternativ könne die Klage in eine Anfechtungs- und Leistungsklage geändert werden. Werde die Klage jedoch wie im vorliegenden Fall weder für erledigt erklärt noch eine Klageänderung vorgenommen, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis.
Gegen den ihm am 30. November 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. Dezember 2016 sinngemäß Berufung eingelegt. Im Gerichtsbescheid des SG fehlten Tatbestand und Begründung. Es solle dahinstehen, ob das SG gemäß § 139 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf eine Klageänderung hätte hinzuwirken gehabt oder die Anträge als Anfechtungs- und Leistungsklage zu behandeln gehabt hätte. Er erhebe hiermit Anfechtungs- und Leistungsklage. Der Bescheid vom 11. März 2016 sei auch ohne ausdrückliche Klageänderung Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens geworden. Es seien bis zum 31. Dezember 2015 Mietschulden aufgelaufen, die zu erstatten seien. Der Bescheid sei auch klar rechtswidrig. Seine Wohnung sei erst zum 31. Dezember 2015 geräumt worden, so dass ein Mietrückstand von sechs Monaten entstanden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. November 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. März 2016 zu verurteilen, ihm die Kosten seiner Unterkunft in M. während der Dauer seiner Inhaftierung zu erstatten und ihm Taschengeld zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Die Berufung sei unzulässig und unbegründet. Die Untätigkeitsklage habe sich nach Erlass des Bescheides vom 11. März 2016 erledigt. Eine Klageänderung dürfte nicht mehr möglich sein, da diese eine zulässige Berufung voraussetzen würde.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Klägers und trotz dessen Verlegungsantrag entscheiden, nachdem der Kläger in der Ladung, die ihm ausweislich der zur Akte gelangten Postzustellungsurkunde am 23. März 2017 zugestellt worden ist, hierauf hingewiesen worden ist (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG), der Kläger keinen nachvollziehbaren Grund für seinen Verlegungsantrag angegeben und der Vorsitzende des Senats dem Kläger mit Schreiben vom 4. April 2017 mitgeteilt hat, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung aufrechterhalten bleibt.
Die derzeitige Inhaftierung des Klägers als solche stellt im Übrigen keinen Verlegungsgrund dar (vgl. Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 7 SO 4541/15 – n.v.; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2015 – L 8 U 633/15 – juris Rdnr. 49; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2015 – L 8 U 3679/15 – juris Rdnr. 14 – auch zum Folgenden). Der Kläger hat nicht behauptet, dass er Ausgang oder Urlaub aus der Haft (§ 36 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz [StVollzG]) oder eine Ausführung (§ 36 Abs. 2 Satz 1 StVollzG) erfolglos beantragt habe. Es ist Sache des Gefangenen, durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung Sorge zu tragen (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 31. Oktober 2005 – B 7a AL 14/05 B – juris Rdnr. 5; Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 7 SO 4541/15 – n.v.). Erscheint der Gefangene nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung, so wird er – sofern das persönliche Erscheinen nicht angeordnet ist – wie jeder andere Prozessbeteiligte behandelt, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 – 4 RJ 3/83 – juris Rdnr. 12). Auch besteht kein Anspruch auf Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers durch den Vorsitzenden des Senats. Das persönliche Erscheinen des Klägers war vorliegend weder angeordnet worden noch anzuordnen. Denn vorliegend ist eine reine Rechtsfrage streitig, zu der der Kläger bereits zu den tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten vorgetragen hat. Die Rechtsauffassung des Senats war ihm zudem aufgrund des Beschlusses über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe vom 9. Februar 2017 bekannt. Der Kläger hat auch nicht deutlich gemacht, dass eine Anhörung in der mündlichen Verhandlung ihn zu weiterem, neuem Vortrag veranlassen könnte, so dass auch trotz seiner Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt ist. Deshalb musste der Vorsitzende auch die Vorführung aus der Justizvollzugsanstalt nicht anordnen bzw. beim Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt nach § 36 Abs. 2 Satz 2 StVollzG darum ersuchen. Ein solches Ersuchen war auch zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht erforderlich.
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger Leistungen von mehr als 750,00 EUR begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
3. Die Berufung des Klägers ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Nach Erlass des Bescheides vom 11. März 2016 bestand für das ursprüngliche Begehren des Klägers auf Bescheidung seiner Anträge vom 12. Mai und 10. Juni 2015 kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, so dass die Klage unzulässig geworden ist. Der Bescheid vom 11. März 2016 war entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Untätigkeitsklage ersichtlich nicht vor, da es dann bereits an einem verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt fehlt, den ein späterer Verwaltungsakt abändern oder ersetzen könnte.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass derjenige, der zunächst eine Untätigkeitsklage erhebt, in jedem Fall ohne Weiteres eine Klageänderung mit dem Ziel, nun den erlassenen Verwaltungsakt anzugreifen, wünscht. An einer ausdrücklichen oder konkludenten Klageänderungserklärung des Klägers fehlte es aber im erstinstanzlichen Verfahren. Die Anfrage des SG beim Kläger, ob er eine Klageänderung vornehmen wolle, blieb unbeantwortet. Bei dieser Sachlage hätte das SG eine entsprechende Klageänderung auch gar nicht unterstellen dürfen.
Die Klage ist auch nicht begründet, nachdem der Kläger im Berufungsverfahren ausdrücklich eine Klageänderung dahingehend, nun eine Anfechtungs- und Leistungsklage zu erheben, erklärt hat. Denn einer solchen Klageänderung steht entgegen, dass weder der Beklagte eingewilligt hat noch die Änderung sachdienlich ist (vgl. § 99 Abs. 1 SGG; Urteil des Senats vom 17. März 2016 – L 7 R 957/15 – n.v.). Der Beklagte ist der Klageänderung vielmehr entgegengetreten und hält sie für unzulässig. Sachdienlich ist die Klageänderung nicht, weil die Klage auch weiterhin unzulässig wäre, denn gegen den Bescheid vom 11. März 2016 ist bislang entgegen § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG kein Vorverfahren durchgeführt worden. Dabei kann der Senat offen lassen, ob in einer Konstellation, in der die Klage mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig ist, die Klage als unzulässig abzuweisen ist (so etwa SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2011 – S 20 SO 1922/11 – juris Rdnr. 16 ff.; SG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 4. November 2013 – S 1 SO 2637/13 – juris Rdnr. 10 ff.) oder ob das Verfahren bis zur Durchführung des Vorverfahrens auszusetzen ist (so etwa Binder in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl. 2017, § 78 Rdnr. 8 m.w.N.). Denn dies betrifft nur die Konstellation, dass von Anfang an eine Anfechtungsklage erhoben worden und die Klage noch in erster Instanz anhängig ist. Jedenfalls dann aber, wenn ursprünglich eine Untätigkeitsklage erhoben worden und das Verfahren nun bereits in der Berufungsinstanz anhängig ist, lässt sich aus dem Gebot der Prozessökonomie nicht die Pflicht ableiten, eine Klageänderung für sachdienlich zu halten und sodann das Verfahren auszusetzen, zumal dadurch für das Sachbegehren eine Tatsacheninstanz verloren ginge. Das Berufungsgericht müsste dann gleichsam erstinstanzlich über einen Streitgegenstand – nämlich das Sachbegehren – entscheiden, über den das Sozialgericht nicht entschieden hat. Die funktionale Zuständigkeit des Berufungsgerichts darf aber auch durch eine Klageänderung nicht unterlaufen werden (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 20/01 R – juris Rdnr. 28; BSG, Urteil vom 18. März 2015 – B 2 U 8/13 R – juris Rdnr. 14 ff. zur Konstellation einer im Wege der Klageänderung erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Feststellungsklage; Roller in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl. 2017, § 99 Rdnr. 25 m.w.N.). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 11. März 2016, der eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, keinen Widerspruch erhoben hat und diesen auch nicht mehr fristgerecht erheben könnte. Auch deswegen scheidet eine Aussetzung des Verfahrens aus.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme von Mietkosten während seiner Inhaftierung.
Der Kläger ist seit dem 17. April 2015 in verschiedenen Justizvollzugsanstalten inhaftiert. Er beantragte am 12. Mai 2015 bei dem Beklagten als Träger der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) die Übernahme von Mietkosten während seiner Untersuchungshaft. Er bat, die Mietkosten für seine Wohnung in M. nach den gesetzlichen Bestimmungen für die Dauer der Untersuchungshaft zu übernehmen, um eine drohende Wohnungslosigkeit bei Entlassung zu vermeiden. Er verfüge aufgrund der Haft derzeit nicht über ausreichend finanzielle Mittel, um die Miete aus eigener Kraft aufzubringen. Die Miete belaufe sich inklusive Stromkosten auf monatlich 480 Euro. Am 10. Juni 2015 beantragte der Kläger zudem die Gewährung von "Taschengeld".
In der Folgezeit bat der Beklagte den Kläger um ergänzende Informationen und Vorlage verschiedener Unterlagen (Schreiben vom 11. November und 7. Dezember 2015), die der Kläger nur teilweise vorlegte.
Am 12. Februar 2016 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Untätigkeitsklage erhoben. Er sei aufgrund seiner Inhaftierung derzeit nicht in der Lage, alle angeforderten Unterlagen vorzulegen.
Mit Bescheid vom 11. März 2016 hat der Beklagte die Anträge des Klägers vom 12. Mai und 10. Juni 2015 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt. Der Bescheid enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, nach der hiergegen Widerspruch erhoben werden könne.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klage sei als Verpflichtungsklage unzulässig, weil ein Vorverfahren weder anhängig noch durchgeführt worden sei. Als Untätigkeitsklage sei die Klage unbegründet. Die Verzögerung sei auch vom Kläger selbst zu vertreten. Durch Erlass des Bescheides vom 11. März 2016 habe er inzwischen über die Anträge des Klägers entschieden. Dadurch habe sich der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt.
Auf die Anfrage des SG vom 29. März 2016 und Erinnerung vom 28. Juni 2016, ob er die Untätigkeitsklage für erledigt erkläre, hat der Kläger nicht reagiert.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. November 2016 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Werde, wie hier, nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 88 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über einen Antrag entschieden, sei die Untätigkeitsklage erledigt. Alternativ könne die Klage in eine Anfechtungs- und Leistungsklage geändert werden. Werde die Klage jedoch wie im vorliegenden Fall weder für erledigt erklärt noch eine Klageänderung vorgenommen, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis.
Gegen den ihm am 30. November 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. Dezember 2016 sinngemäß Berufung eingelegt. Im Gerichtsbescheid des SG fehlten Tatbestand und Begründung. Es solle dahinstehen, ob das SG gemäß § 139 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf eine Klageänderung hätte hinzuwirken gehabt oder die Anträge als Anfechtungs- und Leistungsklage zu behandeln gehabt hätte. Er erhebe hiermit Anfechtungs- und Leistungsklage. Der Bescheid vom 11. März 2016 sei auch ohne ausdrückliche Klageänderung Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens geworden. Es seien bis zum 31. Dezember 2015 Mietschulden aufgelaufen, die zu erstatten seien. Der Bescheid sei auch klar rechtswidrig. Seine Wohnung sei erst zum 31. Dezember 2015 geräumt worden, so dass ein Mietrückstand von sechs Monaten entstanden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. November 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. März 2016 zu verurteilen, ihm die Kosten seiner Unterkunft in M. während der Dauer seiner Inhaftierung zu erstatten und ihm Taschengeld zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Die Berufung sei unzulässig und unbegründet. Die Untätigkeitsklage habe sich nach Erlass des Bescheides vom 11. März 2016 erledigt. Eine Klageänderung dürfte nicht mehr möglich sein, da diese eine zulässige Berufung voraussetzen würde.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Klägers und trotz dessen Verlegungsantrag entscheiden, nachdem der Kläger in der Ladung, die ihm ausweislich der zur Akte gelangten Postzustellungsurkunde am 23. März 2017 zugestellt worden ist, hierauf hingewiesen worden ist (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG), der Kläger keinen nachvollziehbaren Grund für seinen Verlegungsantrag angegeben und der Vorsitzende des Senats dem Kläger mit Schreiben vom 4. April 2017 mitgeteilt hat, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung aufrechterhalten bleibt.
Die derzeitige Inhaftierung des Klägers als solche stellt im Übrigen keinen Verlegungsgrund dar (vgl. Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 7 SO 4541/15 – n.v.; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2015 – L 8 U 633/15 – juris Rdnr. 49; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2015 – L 8 U 3679/15 – juris Rdnr. 14 – auch zum Folgenden). Der Kläger hat nicht behauptet, dass er Ausgang oder Urlaub aus der Haft (§ 36 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz [StVollzG]) oder eine Ausführung (§ 36 Abs. 2 Satz 1 StVollzG) erfolglos beantragt habe. Es ist Sache des Gefangenen, durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung Sorge zu tragen (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 31. Oktober 2005 – B 7a AL 14/05 B – juris Rdnr. 5; Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 7 SO 4541/15 – n.v.). Erscheint der Gefangene nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung, so wird er – sofern das persönliche Erscheinen nicht angeordnet ist – wie jeder andere Prozessbeteiligte behandelt, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 – 4 RJ 3/83 – juris Rdnr. 12). Auch besteht kein Anspruch auf Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers durch den Vorsitzenden des Senats. Das persönliche Erscheinen des Klägers war vorliegend weder angeordnet worden noch anzuordnen. Denn vorliegend ist eine reine Rechtsfrage streitig, zu der der Kläger bereits zu den tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten vorgetragen hat. Die Rechtsauffassung des Senats war ihm zudem aufgrund des Beschlusses über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe vom 9. Februar 2017 bekannt. Der Kläger hat auch nicht deutlich gemacht, dass eine Anhörung in der mündlichen Verhandlung ihn zu weiterem, neuem Vortrag veranlassen könnte, so dass auch trotz seiner Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt ist. Deshalb musste der Vorsitzende auch die Vorführung aus der Justizvollzugsanstalt nicht anordnen bzw. beim Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt nach § 36 Abs. 2 Satz 2 StVollzG darum ersuchen. Ein solches Ersuchen war auch zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht erforderlich.
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger Leistungen von mehr als 750,00 EUR begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
3. Die Berufung des Klägers ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Nach Erlass des Bescheides vom 11. März 2016 bestand für das ursprüngliche Begehren des Klägers auf Bescheidung seiner Anträge vom 12. Mai und 10. Juni 2015 kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, so dass die Klage unzulässig geworden ist. Der Bescheid vom 11. März 2016 war entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Untätigkeitsklage ersichtlich nicht vor, da es dann bereits an einem verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt fehlt, den ein späterer Verwaltungsakt abändern oder ersetzen könnte.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass derjenige, der zunächst eine Untätigkeitsklage erhebt, in jedem Fall ohne Weiteres eine Klageänderung mit dem Ziel, nun den erlassenen Verwaltungsakt anzugreifen, wünscht. An einer ausdrücklichen oder konkludenten Klageänderungserklärung des Klägers fehlte es aber im erstinstanzlichen Verfahren. Die Anfrage des SG beim Kläger, ob er eine Klageänderung vornehmen wolle, blieb unbeantwortet. Bei dieser Sachlage hätte das SG eine entsprechende Klageänderung auch gar nicht unterstellen dürfen.
Die Klage ist auch nicht begründet, nachdem der Kläger im Berufungsverfahren ausdrücklich eine Klageänderung dahingehend, nun eine Anfechtungs- und Leistungsklage zu erheben, erklärt hat. Denn einer solchen Klageänderung steht entgegen, dass weder der Beklagte eingewilligt hat noch die Änderung sachdienlich ist (vgl. § 99 Abs. 1 SGG; Urteil des Senats vom 17. März 2016 – L 7 R 957/15 – n.v.). Der Beklagte ist der Klageänderung vielmehr entgegengetreten und hält sie für unzulässig. Sachdienlich ist die Klageänderung nicht, weil die Klage auch weiterhin unzulässig wäre, denn gegen den Bescheid vom 11. März 2016 ist bislang entgegen § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG kein Vorverfahren durchgeführt worden. Dabei kann der Senat offen lassen, ob in einer Konstellation, in der die Klage mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig ist, die Klage als unzulässig abzuweisen ist (so etwa SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2011 – S 20 SO 1922/11 – juris Rdnr. 16 ff.; SG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 4. November 2013 – S 1 SO 2637/13 – juris Rdnr. 10 ff.) oder ob das Verfahren bis zur Durchführung des Vorverfahrens auszusetzen ist (so etwa Binder in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl. 2017, § 78 Rdnr. 8 m.w.N.). Denn dies betrifft nur die Konstellation, dass von Anfang an eine Anfechtungsklage erhoben worden und die Klage noch in erster Instanz anhängig ist. Jedenfalls dann aber, wenn ursprünglich eine Untätigkeitsklage erhoben worden und das Verfahren nun bereits in der Berufungsinstanz anhängig ist, lässt sich aus dem Gebot der Prozessökonomie nicht die Pflicht ableiten, eine Klageänderung für sachdienlich zu halten und sodann das Verfahren auszusetzen, zumal dadurch für das Sachbegehren eine Tatsacheninstanz verloren ginge. Das Berufungsgericht müsste dann gleichsam erstinstanzlich über einen Streitgegenstand – nämlich das Sachbegehren – entscheiden, über den das Sozialgericht nicht entschieden hat. Die funktionale Zuständigkeit des Berufungsgerichts darf aber auch durch eine Klageänderung nicht unterlaufen werden (vgl. BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 20/01 R – juris Rdnr. 28; BSG, Urteil vom 18. März 2015 – B 2 U 8/13 R – juris Rdnr. 14 ff. zur Konstellation einer im Wege der Klageänderung erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Feststellungsklage; Roller in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl. 2017, § 99 Rdnr. 25 m.w.N.). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 11. März 2016, der eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, keinen Widerspruch erhoben hat und diesen auch nicht mehr fristgerecht erheben könnte. Auch deswegen scheidet eine Aussetzung des Verfahrens aus.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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