L 1 AS 1972/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 649/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1972/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11.05.2016 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagte über einen Antrag auf Erstattung von Bewerbungskosten verspätet entschieden habe.

Der Kläger steht im laufenden Leistungsbezug des Beklagten.

Am 17.02.2015 händigte der Beklagte dem Kläger einen Antrag auf Erstattung von Bewerbungskosten aus. Ob bereits zu diesem Zeitpunkt ein entsprechender Erstattungsantrag gestellt wurde, ist zwischen den Beteiligten umstritten.

Der Kläger reichte am 21.01.2016 einen Antrag auf Erstattung von Bewerbungskosten beim Beklagten ein, dem insgesamt 28 Bewerbungen in der Zeit vom 18.02.2015 bis 31.12.2015 und eine Bewerbung im Jahr 2016 zu Grunde lagen.

Der Kläger hat am 18.02.2016 beim Sozialgericht Freiburg (SG) eine Untätigkeitsklage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe vor circa drei Wochen einen auf den 17.02.2015 datierenden vollständig ausgefüllten Antrag auf Erstattung von Bewerbungskosten bei dem Beklagten eingereicht. Dieser habe hierüber nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 25.02.2016 hat der Beklagte über den Antrag auf Erstattung von Bewerbungskosten entschieden und dem Kläger eine Erstattung von 130 EUR aus dem Vermittlungsbudget bewilligt. Hierbei hat der Beklagte 26 der 29 geltend gemachten Bewerbungen berücksichtigt und mit jeweils 5 EUR erstattet. Die Übernahme der übrigen beantragten Bewerbungskosten werde abgelehnt, da die Höchstgrenze von 130 EUR für das Kalenderjahr 2015 erreicht worden sei. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2016 zurückgewiesen hat. Eine hiergegen erhobene Klage hat das SG mit rechtkräftigem Urteil vom 15.02.2017 (S 22 AS 1019/16) abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, da es sich bei einem Teil der Bewerbungen um Online-Bewerbungen gehandelt habe, habe dem Kläger nur ein Kostenersatz von 110 EUR zugestanden. Tatsächlich habe der Beklagte aber 130 EUR gewährt.

In seiner Klageerwiderung vom 29.02.2016 zur Untätigkeitsklage hat der Beklagte ausgeführt, dem Kläger sei im Februar 2015 ein Antrag auf Erstattung der von Bewerbungskosten ausgehändigt worden. Diesen habe der Kläger am 21.01.2016 eingereicht. Der Beklagte habe hierüber mit Bescheid vom 25.02.2016 entschieden und einen Betrag von 130 EUR bewilligt. Die Untätigkeitsklage sei von Anfang an unzulässig gewesen. Unabhängig davon mangle es jedenfalls jetzt am Rechtsschutzbedürfnis, da mit Bescheid vom 25.02.2016 über den Antrag entschieden worden sei.

Mit Schreiben vom 10.03.2016 hat der Kläger vorgetragen, er verfolge sein Begehren mittels einer Fortsetzungsfeststellungsklage fort. Der Bescheid vom 25.02.2016 werde insoweit angegriffen, als dieser verspätet erlassen worden sei. Er mache ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen bestehender Wiederholungsgefahr geltend. Er habe bereits am 17.02.2015 die Erstattung von Bewerbungskosten beantragt und am 21.01.2016 diesen Antrag lediglich durch Vorlage entsprechender Bewerbungsnachweise ergänzt.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.05.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig, da kein Feststellungsinteresse bestehe. Die Klage sei auch unbegründet, da der Beklagte den begehrten Verwaltungsakt nicht verspätet erlassen habe. Die Bewerbungen, für die Kostenersatz begehrt werde, seien alle nach dem 17.02.2015 verfasst worden. Es sei daher denknotwendig ausgeschlossen, dass der Antrag bereits am 17.02.2015 vollständig eingereicht worden sei. Der maßgebliche Antrag sei erst am 21.01.2016 gestellt worden. Der Gerichtsbescheid enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, wonach die Berufung zulässig sei.

Gegen den am 19.05.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.05.2016 Berufung eingelegt, mit der er weiterhin die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verspätet über seinen Antrag entschieden hat.

Mit Schreiben vom 07.06.2016 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass der Streitgegenstand vorliegend maximal bei 140 EUR liege (28 Bewerbungen zu je 5 EUR). Die Berufung sei wegen Nichterreichen des Beschwerdewerts nicht zulässig. In der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids liege keine Zulassung der Berufung.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 09.06.2016 die Auffassung vertreten, dass die Berufung zulässig sei, da das SG diese im Gerichtsbescheid zugelassen habe. Es komme im Übrigen nicht auf den Beschwerdewert an, da der mit der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffene Bescheid eine nicht auf eine Geldleistung gerichtete Rechtsfolge enthalte, die der Berufungsbeschränkung nicht unterliege.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Freiburg vom 11.05.2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte über seinen Antrag auf Erstattung von Bewerbungskosten verspätet entschieden hat.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die Berufung wegen Nichterreichen des Beschwerdewerts für unzulässig und erachtet im Übrigen die Entscheidung des SG für zutreffend und hält an seiner bislang vertretenen Auffassung fest.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unzulässig.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist eine Berufung bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750,00 EUR übersteigt. Der Beschwerdewert bestimmt sich danach, was das Sozialgericht einem Rechtmittelführer versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird. Bei einem Feststellungsantrag muss das Gericht den Wert ermitteln (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 144 Rn. 14 und 15b, m.w.N.).

Die zunächst vom Kläger erhobene Untätigkeitsklage war auf Erlass eines Bewilligungsbescheides gerichtet, mit dem über den Antrag des Klägers auf Kostenerstattung für insgesamt 29 Bewerbungen entschieden werden sollte. Der Erstattungsbetrag von 5 EUR je schriftlicher Bewerbung und 2,50 EUR für eine Online Bewerbung ist zwischen den Beteiligten zu keinem Zeitpunkt streitig gewesen und entspricht der zwischen den Beteiligten geschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 17.02.2015, so dass der Streitwert der Untätigkeitsklage sich zunächst bei unterstellten 29 schriftlichen Bewerbungen auf maximal 145 EUR belief (28 Bewerbungen aus dem Jahr 2015 x 5 EUR zzgl. 1 Bewerbung aus dem Jahr 2016 x 5 EUR). Ein Beschwerdegegenstand, dessen Wert den Betrag von 750,00 EUR übersteigt, bestand daher von Anfang an nicht. Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wird von der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auch eine Untätigkeitsklage erfasst, die auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist, der eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung betrifft, die einen Wert von 750 EUR nicht übersteigt (BSG, Beschluss vom 06.10.2011 – B 9 SB 45/11 B –, SozR 4-1500 § 144 Nr. 7; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 05.09.2008 - L 1 KR 13/08 NZB -, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.09.2016 – L 7 AS 1605/16 B –, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2010 - L 12 AL 5449/09 -, Breith 2010, 877, 879 = NZS 2011, 77, 78). Diese sich aus dem Wortlaut des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alt SGG ergebende Auslegung wird auch vom Sinn und Zweck der durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl I 50) eingeführten Regelung gestützt. Danach sollen die Berufungsgerichte von vermögensrechtlichen Streitsachen von geringem Wert (sog Bagatellfälle) entlastet werden (vgl. BSG, Beschluss vom 06.10.2011, a.a.O., mit Verweis auf BT-Drucks 12/1217, S. 52, 71; BT-Drucks 16/7716, S. 21). Bei der vom Kläger mit der Untätigkeitsklage begehrten und zwischenzeitlich erfolgten Erstattung von Bewerbungskosten durch Bescheid vom 25.02.2016 handelt es sich um einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Der Wortlaut der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG enthält zwei Alternativen. Die Vorschrift betrifft einerseits Klagen, die unmittelbar eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung betreffen (z.B. die Anfechtung von Ablehnungsbescheiden über Ansprüche auf Arbeitslosengeld II oder Klagen auf höhere Leistungen) und andererseits Klagen, die einen auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichteten Verwaltungsakt betreffen. Mit der zweiten Alternative sind Bescheide gemeint, deren Regelungswirkung die Geld-, Sach- oder Dienstleistung nicht unmittelbar betrifft, sondern die eine Vorfrage regeln, die ausschließlich für die Bewilligung einer Geld-, Sach- oder Dienstleistung relevant ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.09.2016, a.a.O.). Der mit der Untätigkeitsklage begehrte Bescheid vom 25.02.2016 ist unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet, weil die einzige Regelung die dieser Bescheid trifft gerade im Zusprechen einer Geldleistung in einer bestimmten Höhe (hier 130 EUR) liegt. Eine weitergehende Regelung, d.h. eine nicht nur auf eine Geldleistung gerichtete Rechtsfolge, enthält der Bescheid entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht.

Soweit der Kläger im vorliegenden Klageverfahren nach Erlass des Bescheides vom 25.02.2016 und nunmehr auch mit seiner Berufung nicht mehr unmittelbar eine bestimmte Geldleistung begehrt, sondern vielmehr die Feststellung, der Beklagte habe über seinen Antrag auf Erstattung von Bewerbungskosten verspätet entschieden, schließt dies die Anwendbarkeit der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Nr. 1 Satz1 SGG nicht aus. Entscheidend ist allein, dass die Berufung einen Rechtsstreit von geringem Wert betrifft. Die gewählte Klageart ist hingegen für die Anwendung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedeutungslos (so explizit: BSG, Beschluss vom 06.10.2011, a.a.O.), so dass auch die Umstellung einer Klage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage oder Feststellungsklage, an dem Wert des Beschwerdegegenstandes nichts ändert (vgl. für die Fortsetzungsfeststellungsklage: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.09.2016, a.a.O.). Unabhängig davon, ob die vom Kläger begehrte Feststellung somit grundsätzlich als Fortsetzungsfeststellungsklage oder als allgemeine Feststellungsklage statthaft wäre, liegt kein Beschwerdewert vor der 750 EUR übersteigt. Allein diese Auslegung führt im Übrigen zu dem stimmigen Ergebnis, den Rechtsschutz gegen eine nachträgliche Feststellung einer Untätigkeit nicht intensiver auszugestalten, als den Rechtsschutz gegen die Untätigkeit selbst.

Da das SG die Berufung nicht zugelassen hat, ist eine Berufung nur nach deren Zulassung durch Beschluss des LSG statthaft. In einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung liegt keine Zulassung der Berufung (BSG, Urteil vom 14.12.2006, - B 4 R 19/06 R -, juris, m.w.N.). Eine Zulassung ist jedoch stets erforderlich; eine nach früherem Recht mögliche zulassungsfreie Verfahrens- oder Kausalitätsberufung gibt es nicht mehr (Leitherer, a.a.O., § 144, Rn. 25).

Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die Berufung im Übrigen auch unbegründet ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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