L 3 AL 1/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 1 AL 265/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 1/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Beschäftigung als Filmgeschäftsführerin handelt es sich um eine Tätigkeit, die eine abgeschlossene
Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordert und damit der Qualifikationsgruppe 3 zuzuordnen ist.
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldes nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III). Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung durch das Sozialgericht, der Klägerin höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsstufe 2 in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Die am 3. Oktober 1960 geborene Klägerin beendete im Jahr 1977 ihre Schulausbildung mit dem Abschluss der zehnklassigen allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule und absolvierte im Anschluss daran eine Berufsausbildung zur Bibliotheksfacharbeiterin bei der Universitätsbibliothek A ... Hieran schloss sie bis 1981 das Fachschulstudium Sprachmittler an der Universität A ... an. In der Folge war sie von 1981 bis 1984 als Reisekauffrau in einem Reisebüro, von 1984 bis 1987 als Sachbearbeiterin in einer Kfz-Zulassungsstelle und von 1987 bis 1990 im Personalwesen des Stadtbezirks Nord der Stadt A ... beschäftigt. Von 1990 bis 1991 war sie Sachbearbeiterin Personalwesen beim Haushaltsgeräteservice A ... und von 1992 bis 2000 als kaufmännische Angestellte bei verschiedenen Firmen angestellt. Von 2000 bis 2003 absolvierte sie eine Umschulung zur Kauffrau für audio-visuelle Medien (Fachrichtung Kino- und Fernsehproduktionen). Von 2003 bis 2004 arbeitete sie als Kauffrau für audio-visuelle Medien bei der Firma S ... Media GmbH in Y ... Ab 2004 war sie als freiberufliche Kauffrau für audiovisuelle Medien im Rahmen von Filmgeschäftsführungen für verschiedene Filmproduktionsunternehmen im Bereich Dokumentar- und Spielfilmproduktionen tätig. Daneben nahm sie Aufträge im Rahmen von Bürodienstleistungen für verschiedene Firmen an und war als freischaffende Buchautorin für einen Verlag tätig. Aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit begründete die Klägerin gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 2 SGB III ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag und entrichtete in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 die hierfür geforderten Beiträge.

Die Klägerin meldete sich am 1. März 2013 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Am 14. März 2013 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel der Vermittlung "Aufnahme einer Tätigkeit als Kauffrau – audiovisuelle Medien durch regionale Stellensuche". Die Klägerin verpflichtete sich unter anderem, sich bis zum 15. Mai 2013 auf mindestens sechs sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen als Kauffrau für audiovisuelle Medien und Filmgeschäftsführung zu bewerben.

Mit Bescheid vom 28. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. April 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin (geschieden; Lohnsteuerklasse I; keine zu berücksichtigende Kinder) Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 1. März 2013 in Höhe von täglich 25,04 EUR für 450 Tage. Das Bemessungsentgelt in Höhe von 60,67 EUR berechnete sie dabei nach einem fiktiven Arbeitsentgelt, da in den letzten zwei Jahren vor dem 1. März 2013 ein Anspruch auf Arbeitsentgelt nur an weniger als 150 Tage bestanden habe. Das Arbeitslosengeld sei nach der Qualifikationsgruppe 3 zu bemessen, da sich die Vermittlungsbemühungen auf die Vermittlung in eine Tätigkeit als Kauffrau für audio-visuelle Medien zu erstrecken hätten, wofür eine Ausbildung erforderlich sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 12. April 2013 Widerspruch ein und verwies auf ihre Tätigkeit als Filmgeschäftsführerin. Die Tätigkeit als Geschäftsführerin für Filmproduktionen erfülle den Anspruch an einen Fachhochschulabschluss und sei zumindest in die Qualifikationsstufe 2 einzustufen.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2013 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 13. Juni 2013 wegen dem Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall auf.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 1. August 2013 Klage erhoben und ihr Rechtsbegehren mit dem Ziel der Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe weiterverfolgt.

Im Verlauf des erstinstanzlichen Klageverfahrens bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 15. Oktober 2013 für die Restanspruchsdauer von 348 Tagen. Wegen erneuter Arbeitsaufnahme am 4. Dezember 2013 hob die Beklagte die Bewilligung schließlich mit Bescheid vom 4. Dezember 2013 erneut auf.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 2. Dezember 2013 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 28. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2013 ein höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsstufe 2 in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Auf Grund ihrer langjährigen beruflichen Tätigkeit als Filmgeschäftsführerin sei die Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten der Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen, da sich die Bemühungen der Klägerin auch auf die Bewerbung als Filmgeschäftsführerin erstreckten. Als solche sei sie höher qualifiziert als eine Kauffrau für audiovisuelle Medien. Zwar gebe es keine klassische Ausbildung zum Filmgeschäftsführer. Am nächsten komme die Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien. Diese oder ein betriebswirtschaftliches Studium qualifiziere lediglich zum Einstieg über den Weg eines Praktikums. Als nächster Schritt solle Erfahrung als Assistenz der Filmgeschäftsführung gesammelt werden, bevor man nach weiterer Qualifizierung im Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbereich zum qualifizierten Filmgeschäftsführer werde. Die Klägerin sei als Set-Praktikantin, Produktionssekretärin und Filmgeschäftsführungsassistentin tätig gewesen, bevor sie, als Selbständige, die Filmgeschäftsführung für mehrere Filme übernommen habe. Die Tätigkeit einer Filmgeschäftsführerin (ohne Studium) setze zusätzlich zur kaufmännischen Ausbildung eine Weiterqualifizierung im Beruf voraus, sei jedoch unterhalb eines Hochschulstudiums, und damit in der Qualifikationsgruppe 2, einzustufen. Kämen mehrere Beschäftigungen in Betracht, sei die der höchsten Qualifikationsstufe zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 13. Dezember 2013 zugestellte Urteil am 9. Januar 2014 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Klägerin nur in die Qualifikationsgruppe 3 einzustufen, da sie einen Abschluss als Bibliotheksfacharbeiterin sowie Kauffrau für audio-visuelle Medien und damit eine schulische Ausbildung besitze. Filmgeschäftsführer sei kein Beruf, für den es eine geregelte oder spezielle Ausbildung oder verbindliche Unterrichts- und/oder Ausbildungs- und Prüfungsrichtlinien gebe. Als Filmgeschäftsführung werde vielmehr die Stelle bezeichnet, die die finanzielle und buchhalterische Überwachung und Abwicklung von Film- und Fernsehproduktionen übernehme. Hierfür benötige man kaufmännisches, betriebswirtschaftliches und steuerrechtliches Grundwissen. Die notwendigen Erfahrungen stammten idealerweise aus einer kaufmännischen Ausbildung mit Schwerpunkt Lohn- und Gehaltsabrechnung oder würden von anderen früheren Ausbildungen oder Studien mitgenommen oder direkt am Set gelernt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei für die Einstufung maßgebend, dass das für die Tätigkeit eines Filmgeschäftsführers erforderliche Wissen auch bei Personen mit einer abgeschlossenen Ausbildung vorliege und der Zugang zur angestrebten Tätigkeit als formale Voraussetzung gerade keine höherwertige Qualifikation im Sinne von § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III erfordere. Die Klägerin sei auch nicht deshalb in die Qualifikationsgruppe 2 einzuordnen, weil sie in ihrer bisherigen Berufstätigkeit Einkommen erzielt habe, das deutlich über dem fiktiven Bemessungsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 3 gelegen habe. Denn das bislang erzielte oder künftig konkret erzielbare Arbeitsentgelt sei für die Einstufung unerheblich.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2017 weitere Angaben gemacht, unter anderem erläutert, welche Qualifikationen sie über die einer Buchhalterin hinaus benötige, um die Aufgaben einer Filmgeschäftsführerin erledigen zu können. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die aus ihrer Sicht zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft.

Gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet die Berufung an das Landessozialgericht gegen die Urteile der Sozialgerichte statt, soweit sich aus den Vorschriften des Ersten Unterabschnitts zum Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des Sozialgerichtsgesetzes (§§ 143 bis 159 SGG) nichts anderes ergibt. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebende Wert des Beschwerdegegenstands ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Juni 2012 – L 3 AS 148/10 NZB – juris Rdnr. 3; Sächs. LSG, Urteil vom 14. März 2013 – L 3 AS 528/12NZS 2013, 480 = juris, jeweils Leitsatz 2; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], § 144 Rdnr. 14, m. w. N.; Udsching, in: Krasney/Udsching, Handbuch des Sozialgerichtlichen Verfahrens [6. Aufl., 2011], Kapitel VII Rdnr. 67). Maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung ist dabei die Einlegung der Berufung (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – L 3 AS 939/14 B PKH – juris Rdnr. 9, m. w. N.; Leitherer, a. a. O., § 144 Rdnr. 19).

Vorliegend wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Sozialgerichts, durch welches sie verurteilt wurde, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 28. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2013 ein höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsstufe 2 in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Ausgehend von einer Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet von 27.300,00 EUR im Jahr 2013 (vgl. § 2 Abs. 2 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2013 [Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2013] vom 26. November 2012 [BGBl. I S. 2361]) ergibt sich für die Qualifikationsgruppe 2 (1/360) ein Bemessungsentgelt von täglich 75,83 EUR. Nach Abzug der Sozialversicherungspauschale (21 %) von 15,92 EUR, der Lohnsteuer von 9,17 EUR (vgl. https://www.bmf-steuerrechner.de/Bl2013/Ist2013.jsp) und einem Solidaritätszuschlag von 0,50 EUR ergibt sich ein tägliches Leistungsentgelt von 50,24 EUR (vgl. § 152 Abs. 2 Nr. 2 SGB III). Hieraus errechnet sich bei 60 % des Leistungsentgelts (vgl. § 149 Nr. 2 SGB III) ein täglicher Leistungssatz von 30,14 EUR. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Leistungen in Höhe von täglich 25,04 EUR. Das Sozialgericht hat der Klägerin damit ein höheres Arbeitslosengeld von täglich 5,05 EUR zugesprochen.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 28. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheide vom 16. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2013, mit dem der Klägerin für die Dauer von 450 Tage Arbeitslosengeld bewilligt wurde. Da die Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen des Endes der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall mit Bescheid vom 20. Juni 2013 für die Zeit ab dem 13. Juni 2013 aufgehoben wurde, stand bei Erhebung der Klage am 1. August 2013 lediglich ein höheres Arbeitslosengeld für 102 Tagen, mithin ein Betrag in Höhe von 515,10 EUR im Streit.

Die Beklagte ist jedoch zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung am 9. Januar 2014 in Höhe eines weiteren Betrages von 252,50 EUR (50 Tage x 5,05 EUR/Tag) beschwert, da sie der Klägerin mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 bis zur Aufhebung durch den Bescheid vom 4. Dezember 2013 für die Zeit vom 15. Oktober 2013 bis zum 3. Dezember 2013 für weitere 50 Tage Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 25,04 EUR bewilligte. Bei Beteiligten, die nicht durch einen Antrag auf die Entscheidung des Gerichts Einfluss nehmen können oder müssen, wie hier die Beklagte, kommt es auf die materielle Beschwer an, das heißt auf die negativen Auswirkungen des Urteilsspruchs auf ihre Rechtsposition (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. November 2005 – B 11a/11 AL 57/04 R – SozR 4-1500 § 96 Nr. 4 = SozR 4-4300 § 130 Nr. 2 = juris Rdnr. 14). Durch den Urteilsspruch des Sozialgerichts wird die Beklagte verpflichtet, unter Abänderung der genannten Bescheide ein höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsstufe 2 in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Der Urteilsspruch hat damit nicht nur zur Folge, dass die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 12. Juni 2013 (102 Tage), sondern darüber hinaus unter Abänderung des Bescheides vom 17. Oktober 2013 auch für die Zeit vom 15. Oktober 2013 bis zum 3. Dezember 2013 (50 Tage) die höheren Leistungen auf der Grundlage der erstinstanzlichen Entscheidung zu gewähren hat. Die Verpflichtung zur Zahlung eines fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsstufe 2 wirkt sich auf den nach § 136 SGB III entstandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld aus. Das hierdurch entstandene Stammrecht bleibt bestehen, bis die dadurch begründete Anspruchsberechtigung verbraucht oder erloschen ist (vgl. Vagolio, in: Hauck/Noftz, SGB III [Stand: 09/15], § 147 SGB III Rdnr. 37). Die Beklagte ist damit auch insoweit beschwert. Im Fall der Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung hätte die Beklagte die Entscheidung des Sozialgerichts nur in der Weise ausführen können, dass sie unter Abänderung des Bescheides vom 17. Oktober 2013 auch für die Dauer der Weiterbewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 15. Oktober 2013 bis zum 3. Dezember 2013 der Klägerin höheres Arbeitslosengeld auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 2 hätte zahlen müssen (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. November 2005, a. a. O ..., juris Rdnr. 14). Damit beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung insgesamt 767,60 EUR (152 Tage x 5,05 EUR) und überschreitet die für die Berufung notwendige Beschwer von 750,00 EUR.

II. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Beklagte hat zu Recht bei der Bemessung des Arbeitslosengelds ein fiktives Arbeitsentgelt nach § 152 Abs. 2 Nr. 3 SGB III (Qualifikationsgruppe 3) zugrunde gelegt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Klägerin keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld auf der Grundlage von § 152 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (Qualifikationsgruppe 2).

1. Nach § 149 Nr. 2 SGB III beträgt das Arbeitslosengeld nach dem allgemeinen Leistungssatz 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Vorliegend war nach § 152 Abs. 1 SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zulegen, da ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden konnte.

Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (vgl. § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird nach § 150 Abs. 3 Nr. 1 SGB III auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält. Er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.

Innerhalb des dergestalt erweiterten Bemessungsrahmens können nur versicherungspflichtige Beschäftigungen berücksichtigt werden. Ein Arbeitsentgelt für die Klägerin kann nicht festgestellt werden, da sie in dieser Zeit keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachging. Der grundsätzliche Anspruch auf Arbeitslosengeld resultiert im Fall der Klägerin daraus, dass sie als Selbständige gemäß § 28a SGB III ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag begründet und die hierfür geforderten Beiträge entrichtet hatte.

2. Demgemäß ist hier eine fiktive Bemessung im Sinne von § 152 Abs. 1 SGB III vorzunehmen.

Nach § 152 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts die oder der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist nach § 152 Abs. 2 Satz 2 SGB III zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die 1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße, 2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße, 3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße, 4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es dann, wenn für die Bemessung des Arbeitslosengelds ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, für die Zuordnung zur jeweiligen Qualifikationsgruppe in erster Linie darauf an, ob der Arbeitslose über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen Berufsabschluss verfügt (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 – B 11 AL 42/08 RBSGE 105, 94 = SozR 4-4300 § 132 Nr. 4, juris Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 18. Mai 2010 – B 7 AL 49/08 R – SozR 4-4300 § 122 = juris Rdnr 18; BSG, Urteil vom 4. Juli 2012 – B 11 AL 21/11 R – SozR 4-4300 § 132 Nr. 8 = juris Rdnr. 17; Sächs. LSG, Urteil vom 7. November 2013 – L 3 AL 27/11 – juris Rdnr. 36; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Februar 2012 – L 9 AL 12/11 = jJuris Rdnr 57; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III [Stand: 09/15], § 152 Rdnr. 34; Eppelein, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III [2014], § 152 Rdnr. 10).

Vorliegend haben sich Vermittlungsbemühungen, wie sich aus der von den Beteiligten am 14. März 2013 getroffenen Eingliederungsvereinbarung ergibt, auf eine Tätigkeit als Kauffrau für audio-visuelle Medien in Bezug auf eine Vermittlung für eine Tätigkeit im Medienbereich sowie als Filmgeschäftsführerin erstreckt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Zuordnung in eine der vier Qualifikationsgruppen allein nach der Beschäftigung als Kauffrau für audio-visuelle Medien oder als Filmgeschäftsführerin zu erfolgen hat. Beide im Medienbereich angesiedelte Tätigkeiten führen zu einer Einstufung der Klägerin in die Qualifikationsgruppe 3.

Bei der Beschäftigung als Kauffrau für audio-visuelle Medien handelt es sich um eine Tätigkeit, die eine abgeschlossen Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordert und damit der Qualifikationsgruppe 3 zuzuordnen ist. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts führt aber auch die Beschäftigung als Filmgeschäftsführerin nicht zu einer Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe. Unerheblich ist es hierbei, dass die Tätigkeit als Filmgeschäftsführerin, wie die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen habe, weit überwiegend im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erfolgt, was praktisch bereits einer Vermittlung in eine entsprechende abhängige Beschäftigung entgegenstünde.

Nach den Angaben auf der Internetseite BERUFENet der Bundesagentur für Arbeit (https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index?path=null) finden sich zum Beruf "Filmgeschäftsführer/in" unter der Rubrik "Kurzbeschreibung" verwalten Filmgeschäftsführer/innen in der Film- und Fernsehwirtschaft das Budget einer Produktion. Sie erledigen die Kostenrechnung sowie die gesamte Finanz- und Lohnbuchhaltung und kontrollieren die Einhaltung des geplanten Kostenrahmens. Sie finden Beschäftigung in Produktionsunternehmen der Film- und Fernsehwirtschaft. Nach den Angaben unter der Rubrik "Zugangsvoraussetzungen" ist Voraussetzung in der Regel eine kaufmännische Aus- und Weiterbildung in der Filmwirtschaft beziehungsweise ein entsprechendes Studium. Mögliche Zugangsberufe/-studienfächer sind Film- und Fernsehwirt/in (sonstige Ausbildung), Producer/in und Produktionsleiter/in - Film und Fernsehen (andere Weiterbildung) sowie Film-, Fernsehproduktion (grundständig), Medienwirtschaft, -management (grundständig) und Medienwirtschaft, -management (weiterführend) (Studienfach).

Ein Filmgeschäftsführer wird somit kaufmännisch in der Film- und Fernsehwirtschaft tätig. Zwar kann bei der Vermittlung in eine Beschäftigung als Filmgeschäftsführer ein Zugangsstudium von Vorteil sein, jedoch ist dies nicht Zugangsvoraussetzung. Die Tätigkeit kann auch, wie im Fall der Klägerin, allein mit einem kaufmännischen Ausbildungsberuf in der Film- und Medienwirtschaft ausgeübt werden kann. Wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Prüfungszeugnis ergibt, verfügt sie seit dem 31. Januar 2003 über einen kaufmännischen Abschluss als Kauffrau für audio-visuelle Medien. Hierbei handelt es sich um einen dreijährigen anerkannten Ausbildungsberuf in der Medienbranche (vgl. Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien/zur Kauffrau für audiovisuelle Medien vom 15. Mai 1998 [BGBl. I S. 1030]), für dessen Zugang zur Ausbildung zu rechtlich keine bestimmte Vorbildung vorgeschrieben ist. Allerdings stellen die Betriebe überwiegend Ausbildungsanfänger/innen mit Hochschulreife ein (vgl. BERUFENET, Beruf "Kaufmann/-frau - audiovisuelle Medien", Rubriken "Kurzbeschreibung" und "Zugangsvoraussetzungen").

Für die Tätigkeit als Filmgeschäftsführerin sind damit über eine kaufmännische Ausbildung in der Filmwirtschaft hinausgehende berufliche Qualifikationen nicht erforderlich. Die Tätigkeit eines Filmgeschäftsführers fällt in den Bereich, den eine Kauffrau für audiovisuelle Medien ausüben kann. Ein Fachschulabschluss, der Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder ein Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung, welche alternative Voraussetzungen für eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 ist, wird nicht gefordert. Auch der Umstand, dass berufliche Erfahrungen in Form von Praktika oder als Assistenz der Filmgeschäftsführung, wie sie die Klägerin als Set-Praktikantin, Produktionssekretärin und Filmgeschäftsführungsassistentin gesammelt hat, in der Praxis von Vorteil sind, um als Selbständige die Filmgeschäftsführung für Filme zu übernehmen, rechtfertigt die Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe nicht. Insoweit verbleibt es bei der Einstufung der Klägerin in die Qualifikationsgruppe 3.

Die Beklagte auch das Bemessungsentgelt in Höhe von 60,67 Euro zutreffend errechnet. Ausgehend von der Qualifikationsgruppe 3 ist gemäß § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt von 1/450 der Bezugsgröße für 2013 von jährlich 27.300,00 EUR (vgl. § 2 Abs. 2 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2013 zugrunde zu legen, woraus sich ein fiktives Arbeitsentgelt in Höhe von täglich 60,67 EUR ergibt, von welchem das Bemessungsentgelt unter Heranziehung der persönlichen Merkmale des Klägers (Lohnsteuerklasse I; keine zu berücksichtigende Kinder) zu bestimmen ist.

Die Beklagte hat auch zu Recht die maßgebende Bezugsgröße "Ost" herangezogen. Das fiktive Arbeitsentgelt wird ausgehend von den Verhältnissen bestimmt, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 11 AL 13/10 R – SozR 4-4300 § 132 Nr. 6 = juris Rdnr. 23). Vorliegend haben sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten hinsichtlich der in A ... wohnenden und in der Vergangenheit nur dort berufstätigen Klägerin allein auf den Tagespendlerbereich beschränkt (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 7. November 2013 – L 3 AL 27/11 – juris Rdnr. 37).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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