L 7 AS 2262/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 1327/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2262/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. April 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Kostenerstattungsanspruch für die soziale Betreuung in einem Frauenhaus in der Zeit vom 22. Oktober bis 2. Dezember 2008.

Die 1976 geborene E. J. (i.F.: E.J.), deutsche Staatsangehörige bosnischer Herkunft, sowie ihre 2001 und 2002 geborenen Kinder E. und J. lebten bis 18. Oktober 2008 in der Gemeinde R. (M.-K.-Kreis; i.F.: M.-K.-Kreis). Wegen Bedrohungen und Gewalttaten des Ehemannes flüchtete E.J. mit ihren Kindern am 18. Oktober 2008 zunächst in ein Frauenhaus in H., von wo sie aus Furcht vor den Nachstellungen des Ehemanns am 20. Oktober 2010 in ein Frauenhaus in F. a. M. wechselten. Am 22. Oktober 2008 wurden sie schließlich in das im Gebiet des klagenden Landkreises gelegene, vom Frauenhaus Z. e.V. (i.F.: Trägerverein) getragene Frauenhaus in B. aufgenommen. Dort hielten sie sich bis zum 2. Dezember 2008 auf; danach kehrten sie nach R. zurück. Die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Z. hatte ihnen mit Bescheid vom 27. Oktober 2008 für die Zeit vom 22. Oktober 2008 bis 31. Januar 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - (Regelleistung, Sozialgeld, Mehrbedarf für Alleinerziehende) bewilligt.

Die Aufwendungen für E.J. und ihre Kinder in der Zeit vom 22. Oktober bis 2. Dezember 2008 in Höhe von insgesamt 3.192,00 Euro (vgl. Abrechnung vom 31. Oktober 2008 (760,00 Euro), Abrechnung vom 3. Dezember 2008 (2.432,00 Euro)) stellte der Trägerverein des Frauenhauses als "Kosten für Unterbringung" dem Kläger in Rechnung, welcher den Gesamtbetrag am 13. Januar 2009 beglich. Ein Bewilligungsbescheid hinsichtlich der Kosten für die Unterkunft und der Betreuungskosten wurde an E.J. und ihre Kinder weder durch den Kläger noch die ARGE Z. erlassen.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 meldete der Kläger beim M.-K.-Kreis einen Kostenerstattungsanspruch für die Zeit des Frauenhausaufenthaltes der E.J. vom 22. Oktober bis 3. Dezember 2008 unter Verweis auf § 36a SGB II an. Im Schreiben vom 20. März 2009 bezifferte er die Kosten für die Unterkunft auf insgesamt 882,00 Euro und für die psychosoziale Betreuung auf insgesamt 2.310,00 Euro. Der M.-K.-Kreis erstattete dem Kläger im Juni 2009 die geltend gemachten Kosten für die Unterkunft von 882,00Euro, lehnte jedoch mit einem auf den 18. Februar 2009 datierten Schreiben die Erstattung der Betreuungskosten ab. Kommunale Eingliederungsleistungen könnten nur erwerbsfähigen Personen gewährt werden, sodass eine Erstattung für die minderjährigen Kinder der E.J. von vornherein ausscheide. Indessen scheide auch eine Erstattung der Betreuungskosten für E.J. aus, weil es an der rechtmäßigen Bewilligung mangele. Gemäß den mit Schreiben vom 20. März 2009 eingereichten Unterlagen sei davon auszugehen, dass das Frauenhaus selbst über die Erbringung der psychosozialen Betreuung entscheide; hoheitliche Befugnisse könnten jedoch nicht auf private Dritte übertragen werden und wegen des Interessenkonflikts schon gar nicht auf einen Leistungserbringer. Weitere Bemühungen des Klägers um Kostenerstattung scheiterten. Am 3. Mai 2012 lehnte der Beklagte, der vom M.-K.-Kreis als optierendem kommunalem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit Wirkung vom 1. Januar 2010 als besondere Einrichtung zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB II in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet worden war, eine Erstattung der Betreuungskosten endgültig ab.

Am 10. Mai 2012 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage auf Erstattung von weiteren 2.310,00 Euro erhoben. Zur Begründung hat der Kläger geltend gemacht, die Annahme des Beklagten, dass er hoheitliche Befugnisse an Dritte übertragen habe, treffe nicht zu. Er habe mit dem Frauenhaus in B. vereinbart, dass von dort entschieden werde, ob und inwieweit eine Notlage vorliege, die eine Unterbringung in einer Frauenschutzeinrichtung rechtfertige. Damit entscheide das Frauenhaus nicht über die Gewährung von Leistungen; das Frauenhaus prüfe vielmehr bei der Aufnahme nur, ob die Voraussetzungen für eine Frauenhausunterbringung gegeben seien, während die Entscheidung über die Leistungsgewährung beim Kreissozialamt bleibe, das "selbstverständlich" prüfe, ob die Voraussetzungen für die Gewährung psychosozialer Leistungen gegeben seien. Im Übrigen habe er - der Kläger - die Aufgaben des kommunalen Trägers nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 SGB II nicht auf den Träger nach § 44b SGB II übertragen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Kosten nach § 36a SGB II seien nur bei rechtmäßiger Erbringung unter Anwendung der Vorschriften des SGB II erstattungsfähig; die Beweislast hierfür trage der Kläger. Die gesetzlichen Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt; es sei bereits nicht erkennbar, dass durch den Leistungsträger eine Entscheidung getroffen worden sei; vielmehr entscheide der Betreiber des Frauenhauses selbst über die Erbringung psychosozialer Leistungen. Deshalb fehle es an der erforderlichen Einzelfallprüfung und Ermessensentscheidung. Die Einzelfallprüfung könne durch abstrakte Überlegungen nicht ersetzt werden; es könne nicht unterstellt werden, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 2 SGB II a.F., namentlich die Nichterreichbarkeit einer beruflichen Eingliederung ohne psychosoziale Betreuung, in jedem Fall einer Frauenhausaufnahme vorliegen würden. Ungeachtet dessen dürfte es auch an der Aktivlegitimation des Klägers fehlen.

Mit Urteil vom 7. April 2014 hat das SG die Klage abgewiesen; es hat die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, sowohl der klagende Landkreis als auch der Beklagte seien prozessführungsbefugt. Bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II handele es sich um ein Recht der Kommune, das mit ihrer Trägerschaft für die Leistungen korrespondiere, für die Erstattung verlangt werden könne. Lediglich soweit der kommunale Träger die Wahrnehmungszuständigkeit für die Erbringung von Leistungen gemäß § 44b Abs. 3 SGB II (in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) übertragen habe, gehöre zur Wahrnehmung dieser Aufgaben auch die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen gegenüber anderen Trägern. Das sei nach dem Vorbringen des Klägers hinsichtlich der Erbringung der kommunalen Leistungen jedoch nicht geschehen, sodass es bei der Prozessführungsbefugnis des kommunalen Trägers verbleibe. Bei dem Beklagten stelle sich die Frage nicht, weil es sich um die Einrichtung eines kommunalen Trägers (§ 6a SGB II) handele. Der Sache nach sei ein Kostenerstattungsanspruch indes nicht gegeben. Im Gegensatz zu § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II und den Regelungen im Sozialhilferecht (§ 106 Abs. 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII)) fehle in § 36a SGB II zwar der Passus, wonach nur tatsächlich "erbrachte" bzw. "aufgewendete" Kosten zu erstatten seien. Allerdings sei auch hier davon auszugehen, dass unter die Erstattungspflicht nur diejenigen Kosten fielen, die beim kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses tatsächlich auf Grund der Zufluchtnahme entstanden und rechtmäßig erbracht worden seien. Hinzukomme, dass die Leistungsträger untereinander zur engen Zusammenarbeit verpflichtet seien; dazu gehöre auch, den potentiell erstattungspflichtigen Träger in den Stand zu setzen, die Leistungsbewilligung, für die Erstattung begehrt werde, im Kern nachprüfbar zu machen. Vorliegend könne schon nicht nachvollzogen werden, welche Leistungen in welcher Höhe gegenüber E.J. und ihren Kindern auf der Grundlage der Bestimmungen des SGB II erbracht worden seien. Das beruhe darauf, dass die Kosten für eine psychosoziale Eingliederung der E.J. und deren Kindern gegenüber nicht ausdrücklich bewilligt worden seien; die Leistungserbringung allein durch die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses könne eine rechtmäßige Verwaltungsentscheidung der Behörde nicht ersetzen. Der klagende Landkreis zahle auf Grund einer Rechnung des Frauenhauses, ohne eine Einzelfallentscheidung gegenüber den betroffenen Frauen und ihren Kindern zu treffen. Ob psychosoziale Eingliederungsmaßnahmen nach § 16 Abs. 2 SGB II a.F. oder nach dem SGB XII bzw. überhaupt erbracht worden seien, sei allein auf Grund der Rechnungen des Frauenhauses nicht nachgewiesen, da lediglich pauschal der Aufenthalt abgerechnet werde. Von vornherein nach § 36a SGB II nicht ersetzbar seien Kosten für psychosoziale Betreuung dann, wenn sie nicht nach dem SGB II, sondern dem SGB XII erbracht worden seien. Dass die Betreuungsleistungen im Frauenhaus als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67, 68 SGB XII erbracht worden seien, könne vorliegend jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.

Gegen dieses dem Kläger am 22. April 2014 zugestellte Urteil richtet sich seine am 20. Mai 2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Zur Begründung hat er vorgebracht, eine ordnungsgemäße Leistungsbewilligung sei erfolgt; eine formelle Bescheiderteilung sei insoweit nicht notwendig. Auf Grund der Antragsunterlagen entscheide das Kreissozialamt, ob eine Frauenhausaufnahme erforderlich sei; die abschließende Kostenübernahme erfolge durch die Bezahlung der in Rechnung gestellten Kosten. Nach seiner Auffassung sei es "absurd", die Notwendigkeit einer psychosozialen Betreuung bei Aufnahmen von Frauen und Kindern in eine Frauenschutzeinrichtung in Frage zu stellen. Im Frauenhaus des Z.es sei "auf jeden Fall" gewährleistet, dass eine Aufnahme von Schutzsuchenden nur erfolge, wenn die notwendigen Voraussetzungen gegeben seien. Die Verweigerung der Kostenerstattung durch den Beklagten sei "absolut nicht verständlich", nachdem die entstandenen Kosten der Unterkunft erstattet und die Kosten nur gesplittet worden seien, um dem erstattungspflichtigen Träger eine Abrechnung gegenüber dem Bund zu ermöglichen. Der Kläger hat den "Öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X über die Gründung und Ausgestaltung einer öffentlich-rechtlichen Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)" vom 24. Mai 2005, die "Gründungsbegleitende Vereinbarung zur Bildung und Ausgestaltung einer gemeinsamen Einrichtung gemäß § 44b des Zweiten Sozialgesetzbuchs (SGB II)" vom 13. Dezember 2010, das "Protokoll der 17. Trägerversammlung des Jobcenters Z. am 18.07.2016", das "Protokoll der 18. Trägerversammlung des Jobcenters Z. am 22.11.2016" sowie einen Aktenvermerk vom 7. Juni 2005 ("Die Kosten der Unterkunft im Frauenhaus ab 01.01.2005") vorgelegt. Hierzu hat er vorgetragen, dass die aus dem Aktenvermerk ersichtlichen unterschiedlichen Vergütungssätze für Bewohnerinnen und Kinder aus dem Z. sowie Bewohnerinnen und Kinder von außerhalb des Z. daraus resultierten, dass er zur Finanzierung des Frauenhauses einen jährlichen Pauschalzuschuss von 55.000,00 Euro gewähre.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. April 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm die Kosten für die psychosoziale Betreuung von E., E. und J. J. im Frauenhaus des Frauenhaus Z. e.V. in der Zeit vom 22. Oktober 2008 bis 2. Dezember 2008 in Höhe von 2.310,00 Euro zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein Bescheid liege nicht vor, Ermessenserwägungen seien "weit und breit" nicht erkennbar.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte des Klägers, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere auf Grund der den Senat bindenden Zulassung durch das SG (vgl. § 144 Abs. 3 SGG) statthaft. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

1. Zutreffend verfolgt der Kläger sein Kostenerstattungsbegehren im Wege der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 36a Nr. 1 (Rdnr. 11); BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnr. 12)). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere sind sowohl der Kläger als auch der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit prozessführungsbefugt.

Die Prozessführungsbefugnis - zu unterscheiden von der Beteiligtenfähigkeit nach § 70 SGG - ist die Berechtigung, einen Prozess als richtige Partei im eigenen Namen zu führen, also als richtiger Kläger zu klagen (aktive Prozessführungsbefugnis) oder als richtiger Beklagter verklagt zu werden (passive Prozessführungsbefugnis; siehe nur BSG SozR 4-4200 § 36a Nr. 1 (Rdnr. 12); BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnr. 13), beide m.w.N.). In der Regel fällt sie mit der Aktiv- bzw. Passivlegitimation in der Sache zusammen, es sei denn, Rechte eines Dritten können in zulässiger Prozessstandschaft verfolgt werden (im Einzelnen Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Auflage 2017, § 54 Rdnrn. 11 ff.; B. Schmidt, a.a.O., § 69 Rdnrn. 4 f.).

Bei dem hier streitigen Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II handelt es sich im Ausgangspunkt um ein Recht der Kommune, das mit ihrer Trägerschaft für die Leistungen korrespondiert, für die Erstattung verlangt werden kann. Lediglich soweit der kommunale Träger die Wahrnehmungszuständigkeit für die Erbringung von Leistungen gemäß § 44b Abs. 3 SGB II (in der hier anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende - Fortentwicklungsgesetz - vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706)) übertragen hat, gehört zur Wahrnehmung dieser Aufgaben auch die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen gegenüber anderen Trägern (vgl. BSG SozR 4-4200 § 36a Nr. 1 (Rdnr. 13)). Eine Aufgabenübertragung an die ARGE Z. ist indessen hinsichtlich der Erbringung der Leistungen nach § 16 Abs. 2 SGB II (in der hier maßgeblichen bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024); i.F.: a.F.; vgl. jetzt: § 16a Abs. 1 Nr. 3 SGB II) in der streitbefangenen Zeit - rechtlich zulässig - nicht erfolgt (vgl. dazu auch BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnr. 14)). In dem zwischen dem klagenden Landkreis und der Agentur für Arbeit B. am 24. Mai 2005 geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Gründung und Ausgestaltung einer öffentlich-rechtlichen Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44b SGB II haben die Vertragsparteien in § 3 Abs. 4 vereinbart, dass "die Aufgaben nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB II (Beratungs- und Betreuungsleistungen)" unmittelbar vom Landkreis oder durch einen von ihm beauftragten Dritten erbracht werden. Erst seit der mit Wirkung vom 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 44b SGB II (vgl. das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl. I S. 1112)) besteht eine umfassende Aufgabenzuständigkeit der Jobcenter als den (nunmehr) gemeinsamen Einrichtungen der Träger nach § 6 Abs. 1 SGB II (vgl. BSG SozR 4-4200 § 36a Nr. 1 (Rdnr. 13); ferner Senatsurteil vom 7. Juli 2016 - L 7 AS 2261/14 - (juris Rdnr. 21)). Dieser Rechtsänderung hat die zwischen dem klagenden Landkreis und der Agentur für Arbeit B. geschlossene gründungsbegleitende Vereinbarung zur Bildung und Ausgestaltung einer gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II vom 13. Dezember 2010 hinsichtlich der Aufgabenwahrnehmung ab dem 1. Januar 2011 Rechnung getragen; hiervon unberührt geblieben ist die Aufgabenzuständigkeit des klagenden Landkreises für die Erbringung der Leistungen nach § 16 Abs. 2 SGB II a.F. bis zum 31. Dezember 2010. Er ist deshalb für die Geltendmachung des vorliegend erhobenen Kostenerstattungsanspruchs prozessführungsbefugt (vgl. nochmals BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnr. 14)). Die Prozessführungsbefugnis des Beklagten ergibt sich daraus, dass er vom M.-K.-Kreis, einem seit 1. Januar 2005 zugelassenen kommunalen Träger (§ 6a SGB II), mit Wirkung vom 1. Januar 2010 als eine besondere Einrichtung nach § 6a Abs. 5 SGB II in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts geschaffen worden ist (vgl. § 2b des Hess. OFFENSIV-Gesetzes in der Fassung vom 14. Dezember 2006 (GVBI. I S. 666); jetzt: § 2c des Gesetzes in der Fassung vom 23. Juli 2015 (GVBl. I S. 318)) und ab dieser Zeit als Funktionsnachfolger an die Stelle des M.-K.-Kreises getreten ist.

2. Der Sache nach vermag der Kläger mit seinem hier allein noch umstrittenen Begehren auf Erstattung der Kosten für psychosoziale Betreuung indessen nicht durchzudringen.

a) Als allein maßgebliche Rechtsgrundlage für den vom Kläger erhobenen Kostenerstattungsanspruch heranzuziehen ist die Bestimmung des § 36a SGB II (in der hier anzuwendenden Fassung des Fortentwicklungsgesetzes), die eine gegenüber den §§ 102 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) spezialgesetzliche Kostenerstattungsregelung ist (BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnr. 16); BSG SozR 4-4200 § 36a Nr. 1 (Rdnr. 15)). Nach § 36a SGB II ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten, wenn eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht sucht.

Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach ist ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit der kommunalen Träger durch eine Flucht der leistungsberechtigten Frau (und ggf. ihrer Kinder) vom bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort in ein Frauenhaus, wobei es unerheblich ist, ob die Zuflucht suchende Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts in das Frauenhaus gewechselt ist oder unmittelbar zuvor wegen einer andauernden Bedrohungssituation bereits ein anderes Frauenhaus aufgesucht hatte (vgl. BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnrn. 19, 22)). Erstattungsberechtigt ist der kommunale Träger, in dessen Zuständigkeitsbereich im Sinne des § 36 SGB II sich das Frauenhaus befindet (aufnehmende Kommune), erstattungsverpflichtet der kommunale Träger am Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb des Frauenhauses (Herkunftskommune). Die vorstehenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 36a SGB II waren hier gegeben. E.J. war mit ihren beiden minderjährigen Kindern am 18. Oktober 2008 auf ihrer zukunftsoffenen Flucht vor ihrem Ehemann unter Aufgabe der Ehewohnung in R. zunächst in Frauenhäusern in H. und in F. a. M. unterkommen, bevor sie hieran nahtlos anschließend am 22. Oktober 2008 in das Frauenhaus in B. wechselte. Der Kläger war mithin dem Grunde nach zur Kostenerstattung berechtigt.

b) Dennoch besteht vorliegend eine Kostenerstattungsverpflichtung des Beklagten für die hier allein streitigen Betreuungskosten in Höhe von 2.310,00 Euro nicht. Zwar umfasst die Erstattungspflicht nach § 36a SGB II grundsätzlich auch die Leistungen der psychosozialen Betreuung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. (vgl. BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnrn. 24 ff.)). Indessen müssen die Leistungen, für die von dem kommunalen Träger Kostenerstattung verlangt wird, nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II an die leistungsberechtigte Frau und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus rechtmäßig erbracht worden sein (BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnr. 23); BSG SozR 4-4200 § 36a Nr. 1 (Rdnr. 13); vgl. zur Rechtmäßigkeitskontrolle auch BSG SozR 4-5910 § 111 Nr. 1 (Rdnr. 15)). Mit Blick auf psychosoziale Beratungs- und Betreuungsleistungen ist der in § 3 Abs. 1 Satz 1 SGB II normierte Eingliederungsgedanke zu beachten. In Abgrenzung zu den Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67, 68 SGB XII sind die Beratungs- und Betreuungsleistungen nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. der Eingliederung der Leistungsberechtigten in das Erwerbsleben zu dienen bestimmt; sie müssen im Einzelfall erforderlich sein (BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnrn. 26 f., 29 f.)). Hieran knüpft auch die Zielsetzung der Bestimmung des § 36a SGB II an. Diese hat zwar den Sinn und Zweck, einer einseitigen Kostenbelastung derjenigen Kommunen entgegenzuwirken, die Frauenhäuser unterhalten (vgl. Bundestags-Drucksache 15/5607, S. 6 (zu § 36a - neu -)). Eine umfassende Regelung zur Finanzierung von Frauenhäusern ist damit allerdings nicht verbunden (BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnr. 30)). Erstattungsfähig sind demnach überhaupt nur solche Aufwendungen, die einzelnen Personen zugeordnet werden können (Schoch in LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 36a Rdnr. 4; ferner zu § 111 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) schon Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. November 2008 - 12 A 2974/06 - (juris); W. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 110 Rdnr. 6).

aa) Hinsichtlich eines auf psychosoziale Betreuungsleistungen gestützten Kostenerstattungsanspruchs ergibt sich mithin aus dem Vorstehenden, dass von Seiten des Trägers der Leistungen in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob - neben der Schutzgewährung durch Vorhaltung von Unterkunft und Verpflegung - eine psychosoziale Betreuung nach § 16 Abs. 2 SGB II a.F. erforderlich ist (vgl. BSGE 111, 72 = SozR 4-4200 § 36a Nr. 2 (jeweils Rdnr. 27)). Dass eine solche individuelle Prüfung seitens des Klägers mit Bezug auf E.J. (und ihre Kinder) stattgefunden hat mit nachfolgender Bewilligungsentscheidung, lässt sich indes weder der Verwaltungsakte noch dem Vorbringen des Klägers im Gerichtsverfahren entnehmen (vgl. etwa Schriftsätze vom 11. Juli 2012, 13. September 2014 und 4. März 2015). Der Kläger hat lediglich pauschal behauptet, dass eine "ordnungsgemäße Leistungsbewilligung" vorgelegen habe; er hat indessen selbst eingeräumt, dass es eine "formelle Bescheiderteilung" nicht erfolgt sei. Insoweit hat er vorgetragen, er habe mit dem Frauenhaus in B. "vereinbart", dass bei einer Aufnahme in das Frauenhaus von dort entschieden werde, ob und inwieweit eine Notlage vorliege, die eine Unterbringung in einer Frauenschutzeinrichtung rechtfertige. Damit entscheide das Frauenhaus nicht über die Gewährung von Leistungen; das Frauenhaus prüfe vielmehr bei der Aufnahme nur, ob die Voraussetzungen für eine Frauenhausunterbringung gegeben seien, während die Entscheidung über die Leistungsgewährung beim Kreissozialamt bleibe, das "selbstverständlich" prüfe, ob die Voraussetzungen für die Gewährung psychosozialer Leistungen gegeben seien. Dass Letzteres geschehen ist, wird durch den Akteninhalt allerdings nicht bestätigt. Aus der vorgelegten Verwaltungsakte ist lediglich ersichtlich, dass am 23. Oktober 2008 bei dem Kläger ein Antrag der E.J. für sich und ihre Kinder auf "Übernahme der Kosten für das Frauenhaus B." eingegangen ist, dem die Bescheinigung der Polizeistation H. II vom 18. Oktober 2008 über eine Strafanzeige wegen Körperverletzung, der entsprechende Strafantrag vom 18. Oktober 2008 sowie eine Erklärung der E.J. zu den Gründen für die Notwendigkeit einer Aufnahme in das Frauenhaus B. angeschlossen waren. Als einzige Reaktion des Klägers hierauf findet sich in der Akte lediglich dessen Schreiben vom 7. November 2008 an E.J., in dem er noch den "Bescheid über Arbeitslosengeld II" anforderte. Eine Bewilligung von Kosten für eine psychosoziale Betreuung der E.J. (und deren Kinder) ist nirgends erkennbar; dass eine Einzelfallregelung im Sinne eines Verwaltungsakts nach § 31 Satz 1 SGB X erfolgt sein soll, ergibt sich aus der Verwaltungsakte nicht. Nicht einmal eine Kostenzusage an das Frauenhaus oder jedenfalls ein Aktenvermerk hierüber liegt in der Akte vor. Die Rechnungen des Trägervereins des Frauenhauses vom 31. Oktober und 3. Dezember 2008 wurden seitens des Klägers im Januar 2009 ohne jegliche (aktenkundige) Rückfrage bezahlt. Damit kann auch nicht nachvollzogen werden, ob der Kläger die Gewährung von Eingliederungsmaßnahmen nach § 16 Abs. 2 SGB II a.F. oder von Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67, 68 SGB XII), die jedoch nicht über § 36a SGB II erstattungsfähig sind, oder überhaupt die Erbringung von Betreuungsleistungen, ggf. in welchem Umfang, geprüft hat. Die Rechnungen des Frauenhauses vom 31. Oktober und 13. Januar 2009 vermögen, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, die dem Kläger als Leistungsträger obliegende eigenständige Prüfung, ob psychosoziale Betreuungsleistungen im Fall der E.J. und ihrer Kinder erforderlich waren, nicht zu ersetzen. Die Vorgehensweise des Klägers erweckt vielmehr, wie der Beklagte zu Recht angemerkt hat, den Eindruck, dass die Entscheidung über die Erbringung solcher Leistungen bei E.J. (und ihren Kindern) allein dem Trägerverein des Frauenhauses und dessen Mitarbeiterinnen überlassen worden war. Das war aber schon nach der früheren Rechtslage unter der Geltung des BSHG nicht zulässig (vgl. nur ZSpr., Entsch. vom 28. September 1989 - B 106/88 - SsE IV K 15/492 j). Im Übrigen ist selbst den vorstehend genannten Rechnungen des Frauenhauses nicht zu entnehmen, ob eine psychosoziale Betreuung überhaupt stattgefunden hat, denn dort sind lediglich pauschal die "Kosten für Unterbringung im Frauenhaus" pro Frau und Tag sowie pro Kind und Tag ohne Aufgliederung nach Unterkunfts- und Betreuungskosten abgerechnet worden.

Vorliegend ist mithin nicht erkennbar, dass der Kläger die nach § 16 Abs. 2 SGB II a.F. erforderliche Einzelfallprüfung getätigt hat. Der Akteninhalt offenbart ferner erst recht nicht, dass der Kläger mit Blick auf eine psychosoziale Betreuung der E.J. (und ihrer Kinder) entsprechende Leistungen bewilligt habe. Dass der Kläger eine solche Verfahrenshandhabung im Übrigen später selbst nicht mehr für rechtmäßig erachtet hat, wird durch seine Vorgehensweise in der beim Senat ebenfalls anhängig gewesenen Streitsache (L 7 AS 2261/14) bestätigt, wo er jedenfalls unter Bezugnahme auf Einzelnormen des SGB II (u.a. auf § 16a) durch einen Bescheid "entstehende Unterbringungskosten im Frauenhaus B. im Rahmen der Vorschriften des SGB II" (allerdings ohne Bezifferung der Leistungsbeträge) bewilligt hatte.

bb) Vorliegend kommt hinzu, dass die streitige Erstattungsforderung für psychosoziale Betreuung auch der Höhe nach nicht nachvollziehbar ist. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich entnehmen, dass er dem Trägerverein des Frauenhauses in B. - im Rahmen der institutionellen Förderung - zur Finanzierung des Frauenhauses einen jährlichen Pauschalzuschuss (seinerzeit 55.000,00 Euro) gewährt. Flankierend hierzu erfolgte in der streitbefangenen Zeit offenbar eine Kostenübernahme im Rahmen des Einzelfallaufkommens, wobei wegen des Pauschalzuschusses die Tagessätze für Bewohnerinnen (und ihre Kinder) aus dem Z. und für Bewohnerinnen (und ihre Kinder) von außerhalb des Z. divergierten. Ungeachtet dieser infolge des Pauschalzuschusses unterschiedlichen Tagessätze ist aus dem vom Kläger vorgelegten Aktenvermerk vom 7. Juni 2005 indessen nicht ersichtlich, welche Leistungsmerkmale der Ermittlung des jeweiligen "Betreuungsbetrags" (für einheimische und auswärtige Bewohnerinnen und ihre Kinder) zugrunde gelegt worden waren und wie sich diese Betreuungsbeträge überhaupt errechnet haben. Das war im Übrigen offensichtlich nicht einmal dem Trägerverein klar, der beim Kläger in einer E-Mail vom 5. Dezember 2008 (vgl. Bl. 11 der Verwaltungsakte) anfragte, wie "hoch der Betreuungsanteil und wie hoch der Mietkostenanteil" beim Tagessatz berechnet werde. Eine den Anforderungen des § 17 Abs. 2 SGB II entsprechende Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Trägerverein des Frauenhauses, welche für einen Erstattungsanspruch nach § 36a SGB II regelmäßig zu fordern ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Mai 2015 - L 12 AS 1955/14 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. November 2016 - L 6 AS 736/216 - (beide juris); Aubel in jurisPK-SGB II, § 36a Rdnr. 9 (Stand: 26.09.2016)), lag in der streitbefangenen Zeit ersichtlich nicht vor. Auch unter diesen Gesichtspunkten kann dem Erstattungsbegehren des Klägers sonach nicht stattgegeben werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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