L 1 U 587/13

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 1 U 884/11
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 587/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Kreuzbandruptur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf ein Unfallereignis zurückgeführt werden kann.

2. Ernsthafte Zweifel an einer unfallbedingten Verursachung einer Kreuzbandruptur können durch die fehlende zeitnahe Sicherung eines blutigen Kniegelenksergusses bei zusätzlich fehlendem Knochenmarködem und Nichtexistenz eines arthroskopischen Befundes begründet werden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 28. Februar 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob als weitere Folge eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalles vom 26. Oktober 2009 eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes links anzuerkennen ist.

Der 1961 geborene Kläger war zum Zeitpunkt des Ereignisses als Forstarbeiter mit Baumfäll-arbeiten beschäftigt. Ausweislich des H-Arztberichtes vom 26. Oktober 2009 ist beim Baumfällen der Baum auf einen unten liegenden Ast gefallen. Dieser Ast ist dem Kläger an das linke Bein geschlagen. Der Kläger fiel zu Boden und klagte über Schmerzen und Bewegungs-einschränkungen im linken Knie. Diagnostiziert wurde eine Prellung des linken Kniegelenks. In einem Fragebogen vom 10. Januar 2010 schilderte der Kläger den Hergang so, dass beim Aufschlagen die Krone der Fichte einen bereits links liegenden Stamm am dicken Ende getroffen habe. Der Stamm sei ausgehoben und die Spitze seitwärts auf ihn zugekommen. Er sei am linken Bein von der Spitze erfasst und nach rechts umgeworfen worden. Dabei sei das Bein nach vorn überstreckt worden. Der Kläger befand sich danach bei der behandelnden Ärztin wegen der Knieverletzung weiterhin in konservativer Behandlung. Ein Arbeitsversuch ab dem 14. Dezember 2009 wurde wegen Beschwerden am 17. Dezember 2009 abgebrochen. Eine MRT-Untersuchung des linken Kniegelenks vom 28. Dezember 2009 führte zu der Diagnose einer kompletten Ruptur des vorderen Kreuzbandes links, deren Alter nicht sicher zu bestimmen sei. Ein Knochenmarködem in den Gelenken konnte nicht gesichert werden. Die konservative Behandlung wurde fortgesetzt. Eine Arthroskopie wurde nicht vorgenommen. Der Kläger ist seit dieser Zeit im Innendienst des Forstamtes tätig.

Die Beklagte beauftragte nach Beiziehung einer Auskunft der über Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers wegen einer Kreuzbandruptur links Dr. W. mit der Erstellung eines Zusam-menhangsgutachtens. Dieser führte in seinem Gutachten vom 11. Oktober 2010 aus, dass die Kreuzbandruptur links nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könne. Es fehle ein Knochenmarködem, welches für ein Trauma typisch sei. Dem Erstbefund ließen sich auch keine Angaben über eine Knieinstabilität entnehmen. Eine Punktion des linken Kniegelenks habe einen serösen Erguss, d.h. keine Blutbeimengungen, erbracht. Verschleißbedingte Veränderungen des linken Kniegelenks seien vorbestehend gewesen. Dies erkläre den längeren Heilungsverlauf. Unfallfolge sei daher allein eine Prellung des linken Kniegelenks.

Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2010 das Vorliegen eines Arbeitsunfalles mit der Folge einer Prellung des linken Kniegelenks an. Der Schaden des vor-deren Kreuzbandes links sei nicht Folge des Arbeitsunfalles. Ein hiergegen gerichteter Wider-spruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2011 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 8. April 2011 beim Sozialgericht Meiningen Klage erhoben. Er hat ein für seine private Unfallversicherung erstattetes Gutachten von Dr. U. vom 4. Januar 2011 zu den Akten gereicht. Darin bejaht dieser einen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der vorderen Kreuzbandruptur links. Das Sozialgericht hat nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr. B. Dieser bejaht in seinem Gutachten vom 3. Mai 2012 einen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der vorderen Kreuzbandruptur links. Eine die aktuellen Beschwerden begründende unfallunabhängige Vorerkrankung oder Instabilität des betroffenen Kniegelenkes sei nicht wahrscheinlich. Der Kläger habe glaubhaft versichert, zuvor derartige Beschwerden im Kniegelenk nicht verspürt zu haben. Dem widersprach der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 4. Juni 2012. Das Gutachten setze sich weder mit dem fehlenden Knochenödem noch mit weiteren Einzelheiten des radiologischen Befundes vom 28. Dezember 2009 auseinander. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 22. Oktober 2012 führte Dr. B. aus, dass intraligamentäre Kreuzbandrisse zu einer nur geringen oder fehlenden Einblutung in das Gelenk führen könnten. Folge sei, dass nur ein seröser Erguss entstehe. Ebenso würden fehlende Ödeme eine frische Ruptur nicht ausschließen. Ein vorhandenes Ödem weise auf eine frische Kreuzbandruptur hin. Ein fehlendes Ödem schließe dies jedoch nicht aus.

Mit Urteil vom 28. Februar 2013 hat das Sozialgericht Meiningen die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2011 verurteilt, die Ruptur des vorderen Kreuzbandes links als Folge des Arbeitsunfalles festzustellen. Isolierte Kreuzbandverletzungen seien selten und würden zunächst häufig übersehen. Dies erkläre auch, dass eine Instabilität zunächst noch kompensiert worden sei. Das fehlende Ödem spreche weder für noch gegen einen Zusammenhang. Der Unfallhergang sei geeignet. Die degenerativen Veränderungen des Kniegelenks würden ebenfalls den Unfall als Ursache der Ruptur nicht ausschließen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die vordere Kreuzbandruptur links könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Folge des Arbeitsunfalles vom 26. Oktober 2009 angesehen werden. Der Radiologe habe das Alter der Kreuzbandruptur nicht bestimmen können. Ein Ödem sei nicht zeitnah gesichert worden. Es fehlten auch klinische Befunde nach dem 26. Oktober 2009, welche einen Kniebinnenschaden belegten. Ein Indiz für eine unfallfremde Genese sei auch der fehlende blutige Kniegelenkserguss.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 28. Februar 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die jeweilige Aussage der drei zweitinstanzlich vom Senat beauftragten Gutachter, wonach ausgehend alleine vom kernspintomographischen Befund vom 28.12.2009 das Alter der stattgehabten Ruptur des vorderen Kreuzbandes nicht sicher zu bestimmen ist, dahingehend zeitlich näher einzugrenzen, in welchem Zeitfenster sich - ausgehend alleine vom kernspintomographischen Befund vom 28.12.2009 - die Ruptur des vorderen Kreuzbandes höchstwahrscheinlich ereignet haben muss, darüber hinaus die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG.

Er bezieht sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil.

Der Senat hat im Berufungsverfahren ein unfallchirurgisches Gutachten von Dr. K. vom 24. September 2014 eingeholt. Der Hergang sei letztlich nicht mehr zeitlupenartig zu rekonstruieren. Von der erforderlichen Gewalteinwirkung auf Kniebinnenstrukturen sei auszugehen. Die Punktion des Kniegelenks sei erst am 6. November 2009 erfolgt. Der rein seröse Erguss an diesem Tag schließe aber eine strukturelle Kniebinnenverletzung nicht sicher aus. Das fehlende Knochenödem schließe eine traumatische Verletzung nicht mit Sicherheit aus. Ein solches könne nach mehr als 6 Wochen bereits abgeklungen sein. Erhebliche degenerative Veränderungen seien nicht festzustellen. Der lange Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit nach dem Ereignis vom 26. Oktober 2009 erkläre sich nur mit dem Vorhandensein einer strukturellen Verletzung. Aus der Summe aller Rückschlüsse sei eine andersartige Entstehung der vorderen Kreuzbandläsion so gut wie auszuschließen. Anschließend hat der Senat einen detaillierten Behandlungsbericht der Fachärztin für Chirurgie M. für den Zeitraum 26. Oktober bis 17. Dezember 2009 beigezogen. Gestützt hierauf hat der Sachverständige Dr. K. in einer Stellungnahme vom 3. Februar 2015 ausgeführt, dass der punktierte Erguss am 6. November 2009 serös gewesen sei. Dies stehe einer unfallbedingten Ruptur bei bestehendem Schleimhautüberzug aber nicht entgegen. Die durchgehend dokumentierte Beschwerdesymptomatik sei ein weiteres Indiz für die Unfallbedingtheit.

Daraufhin hat der Senat den Radiologen Dr. Sch. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. In seinem Gutachten vom 25. November 2015 bejaht dieser in Auswertung der bildgebenden Befunde nicht nur eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes, sondern zumindest eine Teilläsion des medialen Kollateralbandes mit geringem Weichteilödem. Eine isolierte Verletzung des vorderen Kreuzbandes sei selten. Hier sei jedoch zusätzlich die Verletzung des Innenbandes zu beachten. Weichteilödeme könnten innerhalb von 9 Wochen resorbiert sein. Von einem blutig tingierten Gelenkserguss sei auszugehen. Technisch könne ein Schleimhautüberzug des vorderen Kreuzbandes nicht sicher beurteilt werden. Eine weitere unfallchirurgische Begutachtung sei erforderlich. Mit dieser hat der Senat den Unfallchirurgen Dr. G. beauftragt. In seinem Gutachten vom 18. Mai 2016 geht Dr. G. davon aus, dass mehr dafür als dagegen spreche, dass die vordere Kreuzbandruptur links durch das Unfallereignis vom 26. Oktober 2009 verursacht worden sei. Die festgestellten Verschleißveränderungen des linken Kniegelenks seien gering und nicht über das Lebensalter hinausgehend. Der horizontalen Rissbildung des Meniskus komme kein Krankheitswert zu. Die vom Radiologen Dr. Sch. festgestellte Teilläsion des Innenbandes könne bestätigt werden. Von einem geeigneten Verletzungsmechanismus sei auszugehen. Passend für eine Teilläsion des Innenbandes mit einer vollständigen Ruptur des vorderen Kreuzbandes sei ein Extensions/Innenrotationsmechanismus mit zusätzlichem Valgusmechanismus. Dieser lasse sich der Hergangsschilderung durch den Kläger gut entnehmen. Die im Bericht vom Unfalltag dokumentierte Kapselweichteilschwellung passe ebenfalls hierzu. Die Teilrevision des Innenbandes lasse sich sehr gut mit einer Entstehung am Unfalltag vereinbaren. Hinsichtlich der Kreuzbandruptur sei das Zeitfenster erheblich größer. Auf dem MRT-Befund seien deutlich verbliebene Strukturen des vorderen Kreuzbandes zu erkennen. Dies spreche dagegen, dass die Entstehung der vorderen Kreuzbandstruktur bereits lange zurück gelegen habe. Die Reifung der Kreuzbandstümpfe finde in einem Zeitraum von 1 bis 2 Jahren nach einer Ruptur statt. Aus den Übersichten der ergebe sich, dass eine Erkrankung des Kniegelenks nicht dokumentiert sei. Das fehlende Ödem sei ein Indiz, das eher gegen einen Ursachenzusammenhang spreche. Diese negative Indizwirkung werde allerdings dadurch relativiert, dass der MRT-Befund erst nach 9 Wochen erhoben worden sei. Ein schwächer ausgebildetes Ödem könne sich in dieser Zeit auch vollständig zurückbilden. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit sei ein weiteres Indiz, dass über eine Knieprellung hinausgehende Verletzungen vorgelegen hätten. Der fehlende Kniegelenkserguss spreche eher gegen eine zeitliche Zuordnung zu dem Unfallgeschehen vom 26. Oktober 2009. Eine Arthroskopie sei beim Kläger nicht durchge-führt worden. Der fehlende Nachweis einer Gelenksinstabilität in der Akutphase schließe einen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen nicht aus.

Dieser Einschätzung hat der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. in einer Stellungnahme vom 22. Juni 2016 widersprochen. Es sei nicht zu erklären, warum nach 9 Wochen ein Ödem im Bereich des Innenbandes, nicht aber im Bereich des vorderen Kreuzbandes zu finden sei. Die Krafteinwirkung auf das Kreuzband sei größer gewesen, denn dieses sei in seinem Zusam-menhang getrennt worden. Das spreche auch gegen eine zeitgleiche Entstehung von Innen-bandverletzung und Zusammenhangstrennung. Eine Teilläsion müsse viel eher zur Ausheilung kommen als eine Ruptur. Ein Erhalt des Schleimhautüberzuges des vorderen Kreuzbandes sei nicht gesichert. Nach einer frischen Verletzung des vorderen Kreuzbandes sei zwar häufig eine sorgfältige Überprüfung des Kapselbandapparates nicht möglich, der Kläger habe jedoch zu keiner Zeit ausweislich der Behandlungsdokumentation über Instabilitäten geklagt. Deshalb sei das Kreuzband auch nicht operativ ersetzt worden.

Dr. G. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 25. Juli 2016 an seiner Einschätzung festgehalten. Ein schwach ausgebildetes Bone bruise (=Mikrofrakturen des spongiösen Knochens mit Einblutungen, Ödemen und Reparaturprozessen) könne sich 9 Wochen nach einem Unfallgeschehen bereits zurückgebildet haben. Der Befund des Innenbandes und am vorderen Kreuzband, wie er im MRT am 28.12.2009 gesichert worden sei, sei mit einer 9 Wochen vor-her entstandenen Kreuzbandruptur vereinbar. Der Synovialschlauch könne durchaus erhalten bleiben. Dies erschwere aber die Diagnose einer traumatischen Genese, da dann der typische blutige Kniegelenkerguss fehle. Eine unfallnahe Arthroskopie hätte genauere Erkenntnisse bringen können. Dieser Einschätzung hat der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. in einer weiteren Stellungnahme vom 18. September 2016 widersprochen. Es sei erforderlich, die bildgebenden Befunde radiologisch durch den Beratungsarzt Dr. H. erneut auszuwerten. Das Fehlen eines Ödems 9 Wochen nach einer Kreuzbandruptur sei unwahrscheinlich. Nach dem radiologischen Gut-achten sei das Vorhandensein eines Schleimhautüberzuges offen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Be-klagtenakten, die Gegenstand der Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig (§§ 143,151 SGG) und hat in der Sache Erfolg. Das Sozialgericht Meiningen hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 26. Oktober 2009 eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes links festzustellen. Der Bescheid der Beklagten vom 9. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 SGG).

Bei dem Kläger sind über die von der Beklagten als Folge des Arbeitsunfalles vom 26. Oktober 2009 anerkannte Prellung des linken Kniegelenks hinaus keine weiteren Gesundheitsschäden als Unfallfolgen festzustellen.

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses", "Unfallereignis" und "Gesundheitserstschaden" wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesund-heitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (BSG, Urteil vom 20. März 2007, Az.: B 2 U 27/06 R). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012, Az.: B 2 U 2/11 R; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.

In der Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und in Auswertung aller Sachverständigengutachten ist es nach der Überzeugung des Senats nur möglich, nicht aber hinreichend wahrscheinlich, dass die durch das MRT vom 28. Dezember 2009 festgestellte Ruptur des vorderen Kreuzbandes links durch das Unfallereignis vom 26. Oktober 2009 verursacht worden ist. Entsprechend können weder diese Ruptur, noch die von dem Sachverständigen Dr. G. beschriebene Teilläsion des Innenbandes als Folgen des genannten Ereignisses anerkannt werden.

Es sprechen hier nicht mehr Umstände für einen Zusammenhang als dagegen. Nach Auffassung des Senats ist es in gleicher Weise möglich, dass die Ruptur des vorderen Kreuzbandes links und die Teilläsion des Innenbandes durch den Unfall verursacht worden sind, wie es möglich ist, dass diese strukturelle Schädigung andere Ursachen hat. Bei Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles überwiegt nicht die Annahme, das infrage stehende Ereignis habe zu einer strukturellen Verletzung des Kniegelenks und nicht nur zu einer Prellung geführt.

Für einen Zusammenhang spricht zwar, dass für die Zeit vor dem Unfallereignis keine relevanten Funktionsstörungen des linken Kniegelenks ärztlich festgestellt worden sind (vergleiche die Verzeichnisse der bzw. die Aussagen in allen Sachverständigengutachten). Hierbei handelt es sich jedoch nur um ein Argument mit geringer Aussagekraft. Nach den Beweisgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung rechtfertigt nicht die fehlende Feststellung von Vorschäden die Zurechnung eines bestimmten Gesundheitsschadens zu einem Unfallereignis. Dies würde im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten führen, wofür im Gesetz keine Grundlage vorhanden ist. Der Argumentation mit dem Fehlen einschlägiger Vorerkrankungen kommt nur dann zusätzliche Relevanz zu, wenn nach den übrigen Umständen des Einzelfalles erhebliche Gesichtspunkte für einen Unfallzusammenhang sprechen. Bezogen auf den Einzelfall ist zu beachten, dass Rupturen des Kreuzbandes mit einer Instabilität des Knies nach den nachvollziehbaren Ausführungen insbesondere des Sachverständigen Dr. G. häufig nicht bemerkt werden. Dr. G. führt insoweit in seinem Gut-achten vom 18. Mai 2016 ausdrücklich aus, dass insbesondere eine relativ leicht ausgeprägte vordere Instabilität sich in der Akutphase der Erfassung bei der klinischen Untersuchung leichter entziehen kann als ein höhergradiger Befund. Dies muss dann allerdings auch für das Argument gelten, vor dem Unfall sei keine Instabilität des Kniegelenks vorhanden gewesen.

Im Rahmen der Würdigung der weiteren Umstände geht der Senat zu Gunsten des Klägers in Anknüpfung an die Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. in seinem Gutachten vom 18. Mai 2016 davon aus, dass der Unfallhergang grundsätzlich geeignet war, eine Teilläsionen des Innenbandes und eine vordere Kreuzbandruptur links zu verursachen. Jedoch auch wenn man dies unterstellt, gibt es drei gewichtige Gesichtspunkte, die gegen einen Unfallzusammenhang sprechen. Ausweislich des radiologischen Sachverständigengutachtens von Dr. Sch. vom 25. November 2015 ist weder hinsichtlich der Teilläsion des Innenbandes noch hinsichtlich der vorderen Kreuzbandruptur links eine altersmäßig genaue Einordnung möglich. Nur im Bereich des Ansatzes des Innenbandes konnte ein Weichteilödem gesichert werden. Im Bereich des Kreuzbandes konnte ein Knochenödem nicht gesichert werden. Dr. G. wertet dies in seinem Gutachten vom 18. Mai 2016 als Indiz, welches bei der Abwägung eher gegen einen Ursachenzusammenhang zwischen der vorderen Kreuzbandruptur mit dem Unfallereignis vom 26. Oktober 2009 spricht. Soweit er die negative Indizwirkung des fehlenden begleitenden Knochenödems dadurch relativiert sieht, dass das MRT erst nach 9 Wochen angefertigt worden ist und ein schwach ausgebildetes Bone bruise sich in dieser Zeit bereits zurückgebildet haben kann, ändert dies nichts daran, dass der Senat bei seiner Abwägung von einem fehlenden Bone bruise/Ödem auszugehen hat. Auch das Argument aus der ergänzenden Stellungnahme vom 25. Juli 2016, dass der Befund des Innenbandes und am vorderen Kreuzband, wie er im MRT am 28.12.2009 gesichert worden sei, mit einer 9 Wochen vorher entstandenen Kreuzbandruptur vereinbar sei, hilft insoweit nicht weiter. Auch dies ermöglicht keine nähere zeitliche Einordnung. Hinzu kommt, dass unfallnah kein Kniegelenkserguss gesichert werden konnte. Nach den Ausführungen von Dr. G. entwickelt sich bei den meisten vorderen Kreuzbandrupturen am Unfalltag oder kurz danach ein deutlicher blutiger Kniegelenkserguss. Das Nichtvorliegen eines solchen Ergusses ist durch das seröse Punktat vom 6. November 2009 belegt. Dass das Punktat serös war, hat der Unfallchirurg M., der am 6. November 2009 die Punktion des Kniegelenkes durchführte, auf erneute Nachfrage durch den Senat mit Bericht vom 7. Dezember 2016 unter Bezugnahme auf den Befundbericht vom 19. Januar 2015 bestätigt. Es ist unerheblich, dass im MRT-Befund vom 28. Dezember 2009 ein Gelenkerguss zur Darstellung gekommen ist, der vom Sachverständigen Dr. Sch. als blutig tingiert beschrieben wurde. Denn der Befund vom 6. November 2009 ist zeitlich vorrangig. Dr. G. deutet ihn in seinem Gutachten darüber hinaus nur als Reizerguss. Der Argumentation von Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. Oktober 2012, wonach Kreuzbandrisse der vorliegenden Art bei nur unzureichendem Zerreißen des Synovialschlauches ohne Einblutung in das Gelenk ablaufen und nur zu einem serösem Erguss führen, bzw. derjenigen von Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Februar 2015, wonach bei bestehendem Schleimhautüberzug des vorderen Kreuzbandes ein blutiger Erguss unterbleibt (so auch Dr. G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. Juli 2016), ist durch die Ausführungen des Radiologen Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 25. November 2015, wonach der Schleimhautüberzug des vorderen Kreuzbandes aufgrund der vorliegenden Aufnahmen nicht sicher beurteilt werden kann, die Grundlage entzogen. Dr. G. führt in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. Juli 2016 aus, dass bei Erhalt des Synovialschlauches erst die im Rahmen einer unfallnahen Arthroskopie durchgeführte Eröffnung des Synovialschlauches eine Feststellung ermöglichen würde, ob die Kreuzbandfasern gerissen sind. Eine Arthroskopie ist beim Kläger jedoch nicht erfolgt. Dem entspricht die Aussage des Sachverständigen Dr. G. in seinem Gutachten vom 18. Mai 2016 auf Seite 9, wonach eine Arthroskopie, welche beim Kläger nicht durchgeführt worden ist, sowohl bezüglich des Zustandes des Gelenkhautüberzuges als auch bezüglich der Altersbestimmung der vorderen Kreuzbandruptur der Goldstandard wäre. Eine solche steht als Beurteilungskriterium jedoch nicht zur Verfügung.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass auch Dr. G. in seinem Gutachten vom 18. Mai 2016 davon ausgeht, dass im Rahmen der Behandlung unfallnah keine vordere Instabilität bei der klinischen Untersuchung nachgewiesen worden ist. Seiner Argumentation, dass dies sogar eher für einen Zusammenhang spreche, da vordere Instabilitäten bei der klinischen Untersuchung bei frischen vorderen Kreuzbandverletzungen leichter übersehen werden könnten als bei länger bestehenden Rissen, ändert hieran nichts. Für die Abwägung des Senats fehlt es insoweit an dem erforderlichen Nachweis einer gesicherten vorderen Instabilität. Der Senat kann nur ärztlich gesicherte Feststellungen verwerten. Insoweit hilft auch der Hinweis des Sachverständigen nicht weiter, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nach dem 26. Oktober 2009 deutlich über den bei einer Knieprellung zu erwartenden Zeitraum hinausgeht. Hinsichtlich der zeitlichen Einordnung führen auch die weiteren Ausführungen in den Gutachten vom 18. Mai 2016 nicht weiter, dass im MRT-Befund vom 28. Dezember 2009 deutlich verbliebe-ne Strukturen des vorderen Kreuzbandes zu erkennen sind. Unter Zugrundelegung der benannten Erfahrungssätze hinsichtlich der Reifung der Kreuzbandstümpfe (ein bis zwei Jahre) führt dies nicht weiter.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Senat aufgrund des Fortbestehens der ge-schilderten Unsicherheiten (fehlender Kniegelenkserguss, fehlendes Knochenmarködem und fehlender arthroskopischer Befund) sich nicht davon überzeugen konnte, dass die Teilläsion des Innenbandes und die vordere Kreuzbandruptur links mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 26. Oktober 2009 zurückzuführen sind.

Der Hilfsbeweisantrag des Klägers, die vom Senat beauftragten Sachverständigen hinsichtlich des MRT-Befundes vom 28. Dezember 2009 zu einer näheren zeitlichen Eingrenzung hinsichtlich des Alters der Ruptur aufzufordern, ist abzulehnen. Der Senat sieht sich nicht veranlasst, die Sachverständigen von Amts wegen um eine ergänzende Stellungnahme hinsichtlich einer näheren zeitlichen Eingrenzung des Alters der Ruptur zu ersuchen. Denn der Sachverhalt ist durch die eingeholten Gutachten insoweit hinreichend geklärt. Der Radiologe Dr. Sch. hat in seinem Gutachten vom 25. November 2015 dargelegt, dass anhand des MRT-Befundes vom 28. Dezember 2009 prinzipiell eine Aussage zum Alter des Befundes nicht möglich ist. Dr. G. hat hieran anknüpfend in seinem Gutachten vom 18. Mai 2016 ausgeführt, dass das Zeitfenster hinsichtlich der Innenbandläsion einige Wochen vor oder nach dem Ereignis betrage und hinsichtlich der vorderen Kreuzbandruptur erheblich größer sei. Aufgrund verbliebener Strukturen des vorderen Kreuzbandes hat er einen Zustand nach Remodelling der Kreuzbandstümpfe, der erfahrungsgemäß nach ein bis zwei Jahren nach der Ruptur eintritt, verneint. Erläuterungsbedürftige Punkte hat der Kläger nicht dargelegt.

Der Hilfsbeweisantrag, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, ist bereits deshalb abzulehnen, weil der Kläger weder einen Arzt namentlich benannt, noch die Fachrichtung angegeben hat. Zudem ist das Antragsrecht durch das erstinstanzlich eingeholte Gutachten des Dr. B. verbraucht. Denn das Antragsrecht nach dieser Norm, welches bereits erstinstanzlich durch Einholung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachtens bei Dr. B. ausgeübt worden ist, steht grundsätzlich nur einmal in beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung. Es entspricht dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG, Urteil vom 15. April 1991 - 5 RJ 32/90 -, Juris, Rn. 16). Außerdem ist § 109 SGG als Ausnahmevorschrift zu der Regelung des § 103 Satz 2 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, eng auszulegen (BSG, Beschluss vom 17. März 2010 - B 3 P 33/09 B -, Juris, Rn. 12). Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich daher nur bei Vorliegen besonderer Umstände. Solche besonderen Um-stände sind vorliegend indes nicht gegeben. Bereits Dr. B. hat sich in seinem Gutachten vom 3. Mai 2012 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. Oktober 2012 damit befasst, welche Auswirkungen es hat, dass am 6. November 2009 nur ein seröser Erguss bzw. im MRT vom 28. Dezember 2009 ein Ödem nicht gesichert wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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