S 5 AS 3069/16 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 3069/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellern vorläufig den Regelbedarf bzw. Sozialgeld nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau H. nach Maßgabe der weiteren gesetzlichen Bestimmungen für die Zeit ab Antragstellung für sechs Monate, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Der Antragsgegner trägt 1/2 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) von dem Antragsgegner.

Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller zu 1) wohnt gemeinsam mit seinen am 00.00.0000 bzw. 00.00.0000 geborenen Kindern – den Antragstellerin zu 2) und dem Antragsteller zu 3) in einer Wohnung in Gelsenkirchen. Der Antragsteller zu 1) sowie die Zeugin H. schlossen zum 01.01.2015 einen gemeinsamen Mietvertrag. Mit Schreiben vom 02.05.2016 teilte die M. GmbH mit, dass die Zeugin ab dem 31.05.2016 aus dem Mietvertrag entlassen worden sei.

Die Antragsteller bezogen mit Bescheid vom 17.08.2016 zuletzt vorläufig Leistungen für die Zeit von September 2016 bis Oktober 2016.

Mit Schreiben vom 28.09.2016 teilte der Antragsgegner mit, dass der Antragsteller zu 1) den eingereichten Weiterbewilligungsantrag ab dem 01.11.2016 zurückerhalte, da die Angaben unvollständig seien. Es fehlten Angaben sowie entsprechende Nachweise für die Lebensgefährtin Frau H ... Der Antragsgegner forderte weitere Unterlagen für die Zeugin H. an.

Der Antragsgegner führte am 25.08.2016 einen Hausbesuch in der Wohnung der Antragsteller durch. Dort wurde festgestellt, dass im Schlafzimmer der Wohnung ein beidseitig mit identischem Bettzeug versehenes Doppelbett und ein ca. zwei Meter breiter und ebenso hoher Kleiderschrank stehe. In der rechten Hälfte des Schrankes habe sich in erheblichem Umfang Kleidung von Frau H. befunden. Diese habe erklärt, dass dies etwa 1/3 ihrer Bekleidung sei. Die restliche Bekleidung habe sie in ihrem Schlafzimmer bei ihrer Mutter in Oberhausen. Die in der Wohnung lebenden Katzen seien ebenfalls ihre; ihre Mutter sei gegen die Katzen allergisch. Im Bad seien zahlreiche Hygieneartikel ersichtlich gewesen. Die Zeugin H. habe erklärt, dass auch von ihr Hygieneartikel im Bad vorzufinden seien. Auf den Bericht vom 30.08.2016 wird im Übrigen Bezug genommen.

Der Antragsteller zu 1) sowie die Zeugin H. sprachen am 07.11.2016 bei dem Antragsgegner vor. Diese haben im Gespräch auf die Nichtberücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft mit der Zeugin H. bestanden und haben die angeforderten Unterlagen verweigert. Auf den Vermerk vom 07.11.2016 wird Bezug genommen.

Die Antragsteller haben am 02.11.2016 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Sie verfolgen dabei ihr Ziel weiter. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwendiger Ernährung werde jedoch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht begehrt.

Die Antragsteller beantragen schriftsätzlich,

den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab Antragstellung zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,

den Antrag abzulehnen.

Die gemeinsame Nutzung der gesamten Wohnung begründe eine Wirtschaftsgemeinschaft. Denn sie führe zu einer Mitnutzung der dem jeweils anderen Partner gehörenden Gegenstände und begründe insoweit eine Verfügungsbefugnis, die unabhängig davon sei, wer die Hausratsgegenstände angeschafft habe und in wessen Eigentum sie stünden. Im Schlafzimmer habe sich Bekleidung sowohl von dem Antragsteller zu 1) als auch von der Zeugin H. befunden. Das Schlafzimmer- und Küchenmobiliar sowie die Essecke, welche vom Antragsteller zu 1) mitgenutzt würden, gehörten der Zeugin H ... Zudem befänden sich die zwei Katzen von der Zeugin H. in der Wohnung. Der Antragsteller habe Frau H. mit "Schatz" angeredet.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H. zu den Lebensverhältnissen in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten am 01.12.2016. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf An-trag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers bzw. der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich er¬schwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine sol¬che Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier be¬gehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem der Antragsteller bzw. die Antragstellerin eigene Rechte - ins¬besondere Leistungsansprüche - ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechts¬schutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Dieses ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen. Die Glaubhaftmachung be¬zieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die, eine überwiegende Wahrscheinlich¬keit erfordernde, Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des An-ordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes in summarischen Verfahren (Bundesver¬fassungsgericht (BVerfG), 29.07.2003, Az.: 2 BvR 311/03). Können ohne die Gewährung vorläufi¬gen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchti¬gungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschlie¬ßend zu prüfen. Dann ist ggf. auf der Grundlage einer an der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05).

Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch auf den Regelbedarf gemäß § 20 SGB II bzw. Sozialgeld gemäß § 23 SGB II glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller zu 1) hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7 a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Leistungsberechtigung der Antragtellerin zu 2) und des Antragstellers zu 3) ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Dies ist zwischen den Beteiligten noch unstreitig.

Die Antragsteller sind auch gemäß den § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II hilfebedürftig, denn sie sind nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen zu sichern. Zwar ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen, jedoch kann dem durchgeführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht festgestellt werden, dass die Zeugin H. im November 2016 noch über Einkommen verfügt hat. Ihr Krankengeldanspruch ist nach Aussage der Zeugin H. zum 18.11.2016 ausgelaufen. Ihr Antrag auf Arbeitslosengeld sei bislang noch nicht beschieden worden. Ob ihr Krankengeld im November 2016 zugeflossen ist, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Um die Gefahr einer Unterdeckung auszuschließen, ist jedenfalls nicht von einem Einkommen der Zeugin H. im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auszugehen.

Bei den Antragstellern und der Zeugin H handelt es sich um eine Bedarfsgemeinschaft gem. § 7 Abs. 3 SGB II.

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Personen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Nach allgemeiner Auffassung ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter einer eheähnlichen Beziehung eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weiteren Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus gehen (Sozialgericht Berlin, Urteil vom 15.07.2010, Az.: S 128 AS 36212/08; m.w.N.). Das reine Zusammenleben ist nicht ausreichend, um von einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II auszugehen. Vielmehr muss als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass die Beteiligten aus einem Topf wirtschaften (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.07.2010, Az.: L 1 AS 11/07). Erfasst sind nur Gemeinschaften, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihm ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur, wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den jeweiligen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist eine eheähnliche Lebensgemeinschaft anzunehmen. Ob eine solche Gemeinschaft besteht, lässt sich nur anhand von Indizien wie der Dauer des Zusammenlebens, der Versorgung von Kindern und Angehörigen und der Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des Partners zu verfügen, feststellen (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.01.2015, Az.: L 6 AS 214/14 B ER).

Bei dem Antragsteller zu 1) und der Zeugin H. handelt es sich zunächst um Partner.

Bei einer Partnerschaft handelt es sich um eine Lebensgemeinschaft zwischen einer Frau und einem Mann, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen (Spellbrink/G. Becker, in: Eicher, SGB II, § 7, Randnummer 91).

Der Antragsteller und die Zeugin H. haben übereinstimmend bekundet, dass sie eine Beziehung miteinander führen.

Sie führen auch einen gemeinsamen Haushalt miteinander.

Unter Zusammenleben in einer Wohnung ist mehr als nur ein bloßes Zusammenwohnen, wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall ist, zu verstehen. Zusätzlich bedarf es des gemeinsamen Wirtschaftens. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen dabei über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Entscheidend ist, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts müssen gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, was allerdings nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig sein müssen. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.01.2015, Az.: L 7 AS 1619/15 B ER)

Wie die Zeugin H. in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten bekundet, haben sie zunächst einen gemeinsamen Haushalt geführt. Sie haben aus einem Topf gewirtschaftet. Eine Trennung des Haushaltes kann nicht festgestellt werden. Zwar wurde die Zeugin H. aus dem Mietvertrag entlassen (Schreiben der M. GmbH vom 02.05.2016) und sie hat sich zum 23.05.2016 umgemeldet, jedoch kann eine Haushaltstrennung neben diesen formalen Kriterien nicht festgestellt werden. Bei dem Außendienstbesuch am 25.08.2016 ist festgestellt worden, dass sich sowohl die Möbel der Zeugin H. als auch Bekleidung und Hygieneartikel noch in der Wohnung der Antragsteller befinden. Soweit die Zeugin H. vorgetragen hat, dass sie sich nur noch zwei bis drei Mal in der Woche, manchmal auch eine ganze Woche in der Wohnung aufhalte, so ist dies unglaubhaft. Die von ihr gemachte Aussage ist diesbezüglich nicht plausibel. Dabei hat sie zunächst angegeben, dass der Antragsteller sich nicht um ihre Katzen kümmern würde. Insbesondere würde er sie nicht füttern. Soweit die Zeugin H. jedoch nur zwei bis drei Mal in der Woche in der Wohnung sei, wäre eine Versorgung der Katzen nicht sichergestellt. Eine weitergehende Erklärung hierfür hat die Zeugin H. nicht. Erst auf Nachfrage hat sie sodann mitgeteilt, dass der Antragsteller dann die Katzen füttern würde. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der zuvor von ihr getätigten Aussagen. Ebenfalls sind die Angaben zur Beschriftung des Klingelschildes widersprüchlich. Die Zeugin H. hat kundgetan, dass ihr Name vom Türschild kurz nach dem Auszug entfernt worden sei. Dies steht jedoch weder im Einklang mit der Einlassung des Antragstellers zu 1) noch mit den Feststellungen des Außendienstes des Antragsgegners am 25.08.2016. Auch im Übrigen ist eine Trennung des Haushaltes nicht überzeugend dargestellt bzw. durchgeführt worden. Der am 04.04.2016 zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Zeugin H. geschlossene "Kostenbeteiligungsvertrag", mit welchem sie sich verpflichtet haben, ist nicht zur Anwendung gelangt. Soweit der Antragsteller zu 1) mitgeteilt hat, dass er der Zeugin H: einem Tag vor dem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes 245 EUR übergeben habe, da eine Lohnzahlung von Frau H. fehlerhaft auf sein Konto gegangen sei, so hat dies die Zeugin H. nicht bestätigt.

Es besteht auch zwischen den Antragsteller zu 1) und der Zeugin Grasbon ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Dabei wird dieser Wille gemäß § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II vermutet, da die Zeugin H. und der Antragsteller zu 1) seit dem 01.01.2015 in der Wohnung wohnen. Wie bereits dargelegt, kann eine Trennung des Haushaltes nicht festgestellt werden. Die Vermutung ist auch nicht widerlegt. Bei der Vorsprache des Antragstellers zu 1) und der Zeugin H. bei dem Antragsgegner am 07.11.2016 ist nach dem Aktenvermerk die Zeugin H. extrem emotional und aggressiv aufgetreten. Sofern die Zeugin H. sich nicht für den Antragsteller zu 1) verantwortlich fühlen würde, wäre ein solches Verhalten nicht erklärlich.

Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund für die Gewährung des Regelbedarfs bzw. des Sozialgeldes gemäß §§ 20, 23 SGB II glaubhaft gemacht.

In einem auf die Gewährung laufender Leistungen für die Unterkunft und Heizung gerichteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ein Anordnungsgrund regelmäßig dann gegeben, wenn der Hilfesuchende glaubhaft macht, dass ohne deren Erlass nach Ablauf des nächstfolgenden Fälligkeitszeitpunktes für die Zahlung des Mietzinses ernsthaft mit einer Kündigung oder einer Räumungsklage zu rechnen ist (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - OVG NW -, Beschluss vom 12.12.1994, Az.: 8 B 2650/94, NWVBl. 1995, S. 140 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 13.08.2007, Az.: L 9 B 102/07 AS ER, m.w.N.; Beschluss vom 15.02.2007, Az.: L 1 B 4/07 AS ER; Beschluss vom 27.03.2007, Az.: L 9 B 46/07 AS ER; Beschluss vom 16.04.2007, Az.: L 9 B 48/07 AS ER; Beschluss vom 06.10.2006, Az.: L 12 B 120/06 AS ER und Beschluss vom 15.01.2007, Az.: L 12 B 199/06 AS, jeweils m.w.N.), nicht hingegen bereits dann, wenn nicht ersichtlich ist, aus welchen Mitteln der nichtgedeckte Unterkunftsbedarf bestritten werden kann (LSG NRW, Beschluss vom 13.08.2007, Az.: L 9 B 102/07 AS ER, m.w.N.; a. A.: Hessisches Landessozialgericht, a.a.O.).

Die Antragsteller sind nicht in der Lage, ihr sozio-kulturelles Existenzminimum zu sichern. Ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ist ihnen nicht zuzumuten.

Die Antragsteller haben jedoch keinen Anordnungsgrund für die Bedarfe der Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II glaubhaft gemacht.

In einem auf die Gewährung laufender Leistungen für die Unterkunft und Heizung gerichteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ein Anordnungsgrund regelmäßig dann gegeben, wenn der Hilfesuchende glaubhaft macht, dass ohne deren Erlass nach Ablauf des nächstfolgenden Fälligkeitszeitpunktes für die Zahlung des Mietzinses ernsthaft mit einer Kündigung oder einer Räumungsklage zu rechnen ist (LSG NRW, Beschluss vom 10.09.2014, Az.: L 7 AS 1385/14 B ER; Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 12.12.1994, Az.: 8 B 2650/94, NWVBl. 1995, S. 140 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 13.08.2007, Az.: L 9 B 102/07 AS ER, m.w.N.; Beschluss vom 15.02.2007, Az.: L 1 B 4/07 AS ER; Beschluss vom 27.03.2007, Az.: L 9 B 46/07 AS ER; Beschluss vom 16.04.2007, Az.: L 9 B 48/07 AS ER; Beschluss vom 06.10.2006, Az.: L 12 B 120/06 AS ER und Beschluss vom 15.01.2007, Az.: L 12 B 199/06 AS, jeweils m.w.N.), nicht hingegen bereits dann, wenn nicht ersichtlich ist, aus welchen Mitteln der nichtgedeckte Unterkunftsbedarf bestritten werden kann (LSG NRW, Beschluss vom 13.08.2007, Az.: L 9 B 102/07 AS ER, m.w.N.; a. A.: Hessisches LSG, a.a.O.).

Soweit ein Anordnungsgrund bei den Bedarfen für die Kosten der Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 SGB II grundsätzlich vorliegen sollte (LSG NRW, Beschluss vom 04.05.2015, Az.: L 7 AS 139/15 B ER), folgt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht.

Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die in § 86b Abs. 2 S. 1 bzw. 2 SGG für den jeweiligen Anordnungstyp hinsichtlich der Eilbedürftigkeit normierten Voraussetzungen gegeben sind, d. h. für die Sicherungsanordnung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Gefahr für die Rechtsverwirklichung im Hauptsacheverfahren, für die Regelungsanordnung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Nötig-Erscheinens einer Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Die Anforderungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass sowohl für die Sicherungsanordnung als auch für die Regelungsanordnung ein Anordnungsgrund vorliegt, wenn im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung droht. Der Anordnungsgrund betrifft die Frage der Eilbedürftigkeit oder Dringlichkeit; er ist sozusagen der Grund für den vorläufigen Rechtsschutz selbst (Krodel, Beck´scher Online-Kommentar zum SGG, § 86 b SGG, Rn. 72, 73).

Für die Berechtigung zur Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes ist eine besondere Eilbedürftigkeit erforderlich. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Hinblick auf alle Rechtssuchenden ist es erforderlich, dass eine Inanspruchnahme nur insoweit gewährt wird, als der Rechtssuchende nicht auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen ist. Soweit eine solche Differenzierung nicht gefordert wird, wird das Hauptsachverfahren in das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlagert und das einstweilige Rechtsschutzverfahren kann seine Funktion nicht mehr erfüllen. Kriterium für die zulässige Inanspruchnahme eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist die fehlende Zumutbarkeit auf den Verweis eines späteren Hauptsacheverfahrens. Die Zumutbarkeit ist im Falle einer noch nicht erhobenen Räumungsklage gegeben. Zwar kann der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er besteht (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –, BVerfGE 125, 175-260, Rn. 140). Dieser Leitsatz führt jedoch nach Auffassung der Kammer nicht zwingend dazu, dass eine Eilbedürftigkeit zwangsläufig bei einer monetären Unterdeckung für die Bedarfe der Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 SGB II gegeben ist. Das BVerfG gesteht auch dem Gesetzgeber eine gewisse Frist zu einer Anpassung zu. Das BVerfG führt aus, dass der Gesetzgeber lediglich verpflichtet ist, auf geänderte Rahmenbedingungen zeitnah zu reagieren (BVerfG, a. a. O.). Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit- und realitätsgerecht erfassen (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 –, Rn. 76, juris). Diesem kommt der Gesetzgeber nach, indem er jeweils zum Stichtag angepasst werden (§ 20 Abs. 5 SGB II). Dies ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 –, Rn. 86, juris). Es verbleibt eine Wertungsfrage, ob es dem Rechtssuchenden bei der Nichtgewährung von Leistungen für die Bedarfe der Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 SGB II zuzumuten ist, eine monetäre Unterdeckung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hinzunehmen. Nach Auffassung der Kammer ist die vorläufige monetäre Unterdeckung zur Sicherung des Existenzminimums hinzunehmen. Denn in die physische Existenz, zu welchem ebenfalls die Unterkunft gehört (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134-179, Rn. 64) findet ein Eingriff nicht statt. Eine Gefahr des Eingriffs in die Unterkunft besteht regelmäßig nicht, solange eine Räumungsklage nicht erhoben wurde. Erst ab diesem Zeitpunkt wird in den Kernbereich eingegriffen und eine Zumutbarkeit für das Abwarten eines Hauptsacheverfahrens ist nicht mehr gegeben.

Den Antragstellern ist es zum Zeitpunkt der Entscheidung zuzumuten, ein etwaiges Hauptsacheverfahren abzuwarten. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine Räumungsklage erhoben wurde.

Die Begrenzung des Bewilligungszeitraumes orientiert sich an § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II. Ein kürzerer Zeitraum ist zurzeit nicht angezeigt, da das Gericht nicht abschätzen kann, ob und in welcher Höhe der Antrag auf Arbeitslosengeld der Zeugin H. beschieden wird. Gemäß § 88 Abs. 1 SGG kann eine Bescheidung sechs Monate seit Antragstellung andauern.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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