Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
16
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 16 SO 313/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 473/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 20/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für seine stationäre Unterbringung als Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Bei dem im Jahre 1928 geborenen Kläger bestehen psychische und geistige Beeinträchtigungen (hirnorganisches Psychosyndrom), die sich in aggressiven Verhaltensauffälligkeiten, schweren psychischen Krisen mit chronischen Verläufen, häufig auftretenden Erregungszuständen und schweren Kommunikations- und Sprachstörungen äußern. Wegen der Chronizität der psychischen Erkrankung und der damit einhergehenden, nicht unerheblichen Verhaltensauffälligkeiten weist der Kläger einen umfassenden psychosozialen Hilfebedarf auf, der nicht allein durch ambulante Versorgungsleistungen aufgefangen werden kann.
Der Kläger lebt seit dem Jahre 2002 in stationären Einrichtungen des Beigeladenen. Zunächst war er in einer Wohngruppe in I untergebracht, am 09.11.2005 ist er dann in eine Wohngruppe in H umgezogen. Die Kosten für die stationäre Unterbringung des Klägers übernahm der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Mit diesem hat der Beigeladene eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen, nach der für den Kläger ein Tagessatz von 117,64 EUR zu zahlen ist.
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe übersandte Anfang des Jahres 2005 seine Verwaltungsakte an den Beklagten und bat um Übernahme des Falls. Die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe sei nicht mehr gegeben, da der Kläger bereits das 65. Lebensjahr vollendet habe.
Der Beklagte erteilte mit Bescheid vom 06.02.2006 ein Kostenanerkenntnis für den Zeitraum Januar 2004 bis Dezember 2006 mit einem Tagessatz von 96,79 EUR. Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass weiterhin der mit dem LWL vereinbarte Tagessatz von 117,64 EUR zu zahlen sei. Mit Änderungsbescheid vom 01.03.2007 übernahm der Beklagte einen Tagessatz von 111,42 EUR. Der weitergehende Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2008 zurückgewiesen. Der Kläger erhob daraufhin eine Klage vor dem Sozialgericht (S 16 (19) SO 20/08). Die Beteiligten haben sich in diesem Verfahren im Erörterungstermin am 14.05.2010 verglichen und einen Tagessatz von 114,58 EUR für die streitgegenständliche Zeit vereinbart.
Mit Bescheid vom 02.04.2008 erteilte der Beklagte ein Kostenanerkenntnis hinsichtlich der Zeit von Januar 2007 bis Dezember 2009, wobei er wiederum einen Tagessatz von 111,42 EUR bewilligte. Dieser Betrag entspreche dem durchschnittlichen Tagessatz, der im Bereich des Beklagten für vergleichbare Leistungen gezahlt werde. Einen weitergehenden Anspruch könne der Kläger nicht geltend machen, da der Beigeladene mit dem Beklagten keine Vereinbarungen getroffen habe. Die Vereinbarungen des Beigeladenen mit dem LWL seien nicht entsprechend anzuwenden.
Der Kläger legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 10.04.2008 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass weiterhin der zwischen dem Beigeladenen und dem LWL vereinbarte Tagessatz gewährt werden müsse.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger keinen weitergehenden Anspruch geltend machen könne. Es bestünden keine Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen und dem Beklagten, aus denen sich ein höherer Tagessatz ergebe. Die Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen und dem LWL seien nicht entsprechend heranzuziehen.
Der Kläger hat am 16.12.2010 eine Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, dass weiterhin der zwischen dem Beigeladenen und dem LWL vereinbarte Tagessatz gewährt werden müsse.
Der Beklagte erteilte mit Bescheid vom 15.09.2010 ein weiteres Kostenanerkenntnis hinsichtlich des Zeitraums Januar 2010 bis Juni 2011, mit dem er einen Tagessatz von 111,42 EUR bewilligte. Der Kläger legte auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2010 zurückgewiesen wurde. Auch gegen diesen Bescheid ist am 08.03.2011 eine Klage erhoben worden (S 16 SO 72/11).
Das Gericht hat die beiden Klagen mit Beschluss vom 27.04.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Darüber hinaus hat das Gericht mit Beschluss vom gleichen Tage den Beigeladenen nach § 75 Abs. 2 SGG zum Verfahren beigeladen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 sowie den Bescheid vom 15.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für seine stationäre Unterbringung im Zeitraum 01.01.2007 bis 30.06.2011 in vollem Umfang zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide, die er für rechtmäßig hält. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme eines höheren Tagessatzes, da es an Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen und dem Beklagten fehle und die mit dem LWL geschlossenen Vereinbarungen nicht herangezogen werden könnten.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2008 sowie der Bescheid vom 15.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2011 erweisen sich als rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten.
Nach § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach Abs. 3 der Vorschrift ist es besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört es insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Der Kläger erfüllt diese grundsätzlichen Voraussetzungen für den Bezug der Eingliederungshilfe, denn es besteht bei ihm eine wesentliche Behinderung. Dies ergibt sich aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und der sozialpädagogischen Beurteilung vom 03.03.2008 (Bl. 191 der Verwaltungsakte).
Der Kläger hat indes keinen weitergehenden Anspruch auf Übernahme der Kosten für seine stationäre Unterbringung in der Einrichtung des Beigeladenen. Nach § 75 Abs. 3 SGB XII ist der Träger der Sozialhilfe in den Fällen, in denen die Leistung von einer Einrichtung erbracht wird, zur Übernahme der Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen bestehen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Verfahren nicht erfüllt, denn der Beigeladene hat mit dem Beklagten keine entsprechenden Vergütungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen.
Die Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen und dem LWL können im vorliegenden Verfahren nicht entsprechend herangezogen werden. Dem steht die Vorschrift in § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht entgegen. Danach sind Vertragsparteien der Vereinbarungen der Träger der Einrichtung und der für den Sitz der Einrichtung zuständige Träger der Sozialhilfe; die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Der Beklagte ist kein übriger Träger der Sozialhilfe im Sinne dieser Vorschrift, denn er ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe ebenfalls für die Einrichtung des Beigeladenen zuständig. Dies bedeutet, dass der Beigeladene sowohl mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe (LWL), als auch mit dem örtlichen Träger (Beklagter) Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 schließen muss (vgl. dazu Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2011, § 77, Rdnr. 7). Der Hintergrund für diese Notwendigkeit liegt darin, dass nach § 2 der Ausführungsverordnung zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch des Landes Nordrhein- Westfalen vom 16.12.2004 sowohl der überörtliche als auch der örtliche Träger der Sozialhilfe für die stationären Leistungen zuständig sein können.
Der Kläger kann sich auch nicht auf die Vorschrift des § 75 Abs. 4 SGB XII berufen. Nach dieser Norm darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch eine Einrichtung, mit der er die in Abs. 3 genannten Vereinbarungen nicht abgeschlossen hat, nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren nicht erfüllt. Es besteht zwar ein sog. "vertragsloser Zustand", d. h. es sind keine Vereinbarungen zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen getroffen worden. Dieser Umstand ist jedoch für die Anwendung des § 75 Abs. 4 SGB XII nicht ausreichend, sondern es ist zusätzlich erforderlich, dass die Besonderheiten des Einzelfalls die Leistungserbringung durch einen nichtvereinbarungsgebundenen Leistungserbringer gebieten. Die Besonderheiten des Einzelfalls müssen in der Person des bedürftigen Hilfeempfängers, nicht in Bezug auf den Leistungserbringer vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn der Bedarf nicht durch einen vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer gedeckt werden kann (objektive Unmöglichkeit) oder die Inanspruchnahme der Leistungen eines vereinbarungsgebundenen Leistungserbringers dem bedürftigen Hilfeempfänger nicht zumutbar ist (subjektive Unmöglichkeit). Von einer subjektiven Unmöglichkeit ist auszugehen, wenn persönliche Umstände des bedürftigen Hilfeempfängers die Hilfegewährung durch einen nichtvereinbarungsgebundenen Leistungserbringer erfordern. Diese Umstände liegen vor, wenn die psychische oder physische Verfassung des bedürftigen Hilfeempfängers und/oder dessen soziale Kontakte eine wohnortnahe Hilfegewährung erfordern und in diesem Einzugsbereich kein geeigneter vereinbarungsgebundener Leistungserbringer existiert (vgl. Jaritz/Eicher, in jurisPK-SGB XII, 1. Auflage 2010, § 75, Rdnr. 63). Diese Voraussetzung sieht die Kammer jedenfalls im Hinblick auf den streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2011 nicht als erfüllt an. Der Kläger ist bereits im Jahre 2005 von einer Wohngruppe in I in eine Wohngruppe in H umgezogen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass ihm ein weiterer Umzug in eine andere Einrichtung nicht zuzumuten wäre. In Anbetracht der zahlreichen Einrichtungen für behinderte Menschen im Umkreis bestehen aus Sicht der Kammer auch keine Zweifel daran, dass der Kläger in einer anderen Einrichtung untergebracht werden könnte. Demzufolge kommt auch § 75 Abs. 4 SGB XII als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers nicht in Betracht.
Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 SGB XII nicht vorliegen, hat die Kammer die Ermessensausübung des Beklagten nicht zu überprüfen. Ermessensfehler könnten sich allerdings daraus ergeben, dass der Beklagte für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2011 den gleichen Tagessatz in Höhe von 111,42 EUR gewährt hat, ohne die in dieser Zeit eingetretenen Preissteigerungen zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für seine stationäre Unterbringung als Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Bei dem im Jahre 1928 geborenen Kläger bestehen psychische und geistige Beeinträchtigungen (hirnorganisches Psychosyndrom), die sich in aggressiven Verhaltensauffälligkeiten, schweren psychischen Krisen mit chronischen Verläufen, häufig auftretenden Erregungszuständen und schweren Kommunikations- und Sprachstörungen äußern. Wegen der Chronizität der psychischen Erkrankung und der damit einhergehenden, nicht unerheblichen Verhaltensauffälligkeiten weist der Kläger einen umfassenden psychosozialen Hilfebedarf auf, der nicht allein durch ambulante Versorgungsleistungen aufgefangen werden kann.
Der Kläger lebt seit dem Jahre 2002 in stationären Einrichtungen des Beigeladenen. Zunächst war er in einer Wohngruppe in I untergebracht, am 09.11.2005 ist er dann in eine Wohngruppe in H umgezogen. Die Kosten für die stationäre Unterbringung des Klägers übernahm der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Mit diesem hat der Beigeladene eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen, nach der für den Kläger ein Tagessatz von 117,64 EUR zu zahlen ist.
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe übersandte Anfang des Jahres 2005 seine Verwaltungsakte an den Beklagten und bat um Übernahme des Falls. Die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe sei nicht mehr gegeben, da der Kläger bereits das 65. Lebensjahr vollendet habe.
Der Beklagte erteilte mit Bescheid vom 06.02.2006 ein Kostenanerkenntnis für den Zeitraum Januar 2004 bis Dezember 2006 mit einem Tagessatz von 96,79 EUR. Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass weiterhin der mit dem LWL vereinbarte Tagessatz von 117,64 EUR zu zahlen sei. Mit Änderungsbescheid vom 01.03.2007 übernahm der Beklagte einen Tagessatz von 111,42 EUR. Der weitergehende Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2008 zurückgewiesen. Der Kläger erhob daraufhin eine Klage vor dem Sozialgericht (S 16 (19) SO 20/08). Die Beteiligten haben sich in diesem Verfahren im Erörterungstermin am 14.05.2010 verglichen und einen Tagessatz von 114,58 EUR für die streitgegenständliche Zeit vereinbart.
Mit Bescheid vom 02.04.2008 erteilte der Beklagte ein Kostenanerkenntnis hinsichtlich der Zeit von Januar 2007 bis Dezember 2009, wobei er wiederum einen Tagessatz von 111,42 EUR bewilligte. Dieser Betrag entspreche dem durchschnittlichen Tagessatz, der im Bereich des Beklagten für vergleichbare Leistungen gezahlt werde. Einen weitergehenden Anspruch könne der Kläger nicht geltend machen, da der Beigeladene mit dem Beklagten keine Vereinbarungen getroffen habe. Die Vereinbarungen des Beigeladenen mit dem LWL seien nicht entsprechend anzuwenden.
Der Kläger legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 10.04.2008 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass weiterhin der zwischen dem Beigeladenen und dem LWL vereinbarte Tagessatz gewährt werden müsse.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger keinen weitergehenden Anspruch geltend machen könne. Es bestünden keine Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen und dem Beklagten, aus denen sich ein höherer Tagessatz ergebe. Die Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen und dem LWL seien nicht entsprechend heranzuziehen.
Der Kläger hat am 16.12.2010 eine Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, dass weiterhin der zwischen dem Beigeladenen und dem LWL vereinbarte Tagessatz gewährt werden müsse.
Der Beklagte erteilte mit Bescheid vom 15.09.2010 ein weiteres Kostenanerkenntnis hinsichtlich des Zeitraums Januar 2010 bis Juni 2011, mit dem er einen Tagessatz von 111,42 EUR bewilligte. Der Kläger legte auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2010 zurückgewiesen wurde. Auch gegen diesen Bescheid ist am 08.03.2011 eine Klage erhoben worden (S 16 SO 72/11).
Das Gericht hat die beiden Klagen mit Beschluss vom 27.04.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Darüber hinaus hat das Gericht mit Beschluss vom gleichen Tage den Beigeladenen nach § 75 Abs. 2 SGG zum Verfahren beigeladen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2010 sowie den Bescheid vom 15.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für seine stationäre Unterbringung im Zeitraum 01.01.2007 bis 30.06.2011 in vollem Umfang zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide, die er für rechtmäßig hält. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme eines höheren Tagessatzes, da es an Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen und dem Beklagten fehle und die mit dem LWL geschlossenen Vereinbarungen nicht herangezogen werden könnten.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 02.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2008 sowie der Bescheid vom 15.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2011 erweisen sich als rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten.
Nach § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach Abs. 3 der Vorschrift ist es besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört es insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Der Kläger erfüllt diese grundsätzlichen Voraussetzungen für den Bezug der Eingliederungshilfe, denn es besteht bei ihm eine wesentliche Behinderung. Dies ergibt sich aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und der sozialpädagogischen Beurteilung vom 03.03.2008 (Bl. 191 der Verwaltungsakte).
Der Kläger hat indes keinen weitergehenden Anspruch auf Übernahme der Kosten für seine stationäre Unterbringung in der Einrichtung des Beigeladenen. Nach § 75 Abs. 3 SGB XII ist der Träger der Sozialhilfe in den Fällen, in denen die Leistung von einer Einrichtung erbracht wird, zur Übernahme der Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen bestehen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Verfahren nicht erfüllt, denn der Beigeladene hat mit dem Beklagten keine entsprechenden Vergütungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen.
Die Vereinbarungen zwischen dem Beigeladenen und dem LWL können im vorliegenden Verfahren nicht entsprechend herangezogen werden. Dem steht die Vorschrift in § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht entgegen. Danach sind Vertragsparteien der Vereinbarungen der Träger der Einrichtung und der für den Sitz der Einrichtung zuständige Träger der Sozialhilfe; die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Der Beklagte ist kein übriger Träger der Sozialhilfe im Sinne dieser Vorschrift, denn er ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe ebenfalls für die Einrichtung des Beigeladenen zuständig. Dies bedeutet, dass der Beigeladene sowohl mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe (LWL), als auch mit dem örtlichen Träger (Beklagter) Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 schließen muss (vgl. dazu Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2011, § 77, Rdnr. 7). Der Hintergrund für diese Notwendigkeit liegt darin, dass nach § 2 der Ausführungsverordnung zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch des Landes Nordrhein- Westfalen vom 16.12.2004 sowohl der überörtliche als auch der örtliche Träger der Sozialhilfe für die stationären Leistungen zuständig sein können.
Der Kläger kann sich auch nicht auf die Vorschrift des § 75 Abs. 4 SGB XII berufen. Nach dieser Norm darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch eine Einrichtung, mit der er die in Abs. 3 genannten Vereinbarungen nicht abgeschlossen hat, nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren nicht erfüllt. Es besteht zwar ein sog. "vertragsloser Zustand", d. h. es sind keine Vereinbarungen zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen getroffen worden. Dieser Umstand ist jedoch für die Anwendung des § 75 Abs. 4 SGB XII nicht ausreichend, sondern es ist zusätzlich erforderlich, dass die Besonderheiten des Einzelfalls die Leistungserbringung durch einen nichtvereinbarungsgebundenen Leistungserbringer gebieten. Die Besonderheiten des Einzelfalls müssen in der Person des bedürftigen Hilfeempfängers, nicht in Bezug auf den Leistungserbringer vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn der Bedarf nicht durch einen vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer gedeckt werden kann (objektive Unmöglichkeit) oder die Inanspruchnahme der Leistungen eines vereinbarungsgebundenen Leistungserbringers dem bedürftigen Hilfeempfänger nicht zumutbar ist (subjektive Unmöglichkeit). Von einer subjektiven Unmöglichkeit ist auszugehen, wenn persönliche Umstände des bedürftigen Hilfeempfängers die Hilfegewährung durch einen nichtvereinbarungsgebundenen Leistungserbringer erfordern. Diese Umstände liegen vor, wenn die psychische oder physische Verfassung des bedürftigen Hilfeempfängers und/oder dessen soziale Kontakte eine wohnortnahe Hilfegewährung erfordern und in diesem Einzugsbereich kein geeigneter vereinbarungsgebundener Leistungserbringer existiert (vgl. Jaritz/Eicher, in jurisPK-SGB XII, 1. Auflage 2010, § 75, Rdnr. 63). Diese Voraussetzung sieht die Kammer jedenfalls im Hinblick auf den streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2011 nicht als erfüllt an. Der Kläger ist bereits im Jahre 2005 von einer Wohngruppe in I in eine Wohngruppe in H umgezogen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass ihm ein weiterer Umzug in eine andere Einrichtung nicht zuzumuten wäre. In Anbetracht der zahlreichen Einrichtungen für behinderte Menschen im Umkreis bestehen aus Sicht der Kammer auch keine Zweifel daran, dass der Kläger in einer anderen Einrichtung untergebracht werden könnte. Demzufolge kommt auch § 75 Abs. 4 SGB XII als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers nicht in Betracht.
Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 SGB XII nicht vorliegen, hat die Kammer die Ermessensausübung des Beklagten nicht zu überprüfen. Ermessensfehler könnten sich allerdings daraus ergeben, dass der Beklagte für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2011 den gleichen Tagessatz in Höhe von 111,42 EUR gewährt hat, ohne die in dieser Zeit eingetretenen Preissteigerungen zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
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