L 18 AL 128/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 9 AL 275/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 128/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 41/17 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Juli 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen eine Sperrzeit nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags.

Die 1988 geborene Klägerin war seit 1. September 2007 bis 13. November 2014 als Altenpflegerin bei H W – Hauskrankenpflege – versicherungspflichtig im Umfang von 40 Wochenstunden beschäftigt. Am 3./5. November 2014 schloss die von der Klägerin bevollmächtigte Rechtsanwältin K mit ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag, der das bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 13. November 2014 beendete; auf das Schreiben der Rechtsanwältin an die Klägerin vom 25. November 2014 wird Bezug genommen. In der Arbeitsbescheinigung vom 21. November 2014 heißt es ua, dass eine Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende bestand; ferner heißt es dort weiter, die Arbeitgeberin hätte das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt.

Nach einer Arbeitslosmeldung und Antragstellung auf Arbeitslosengeld (Alg) am 13. November 2014 mWz 14. November 2014 stellte die Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 7. Januar 2015 den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen vom 14. November 2014 bis 5. Februar 2015 fest, während der der Alg-Anspruch ruhe. Die Dauer des Leistungsanspruchs mindere sich um ein Viertel der Anspruchsdauer, mithin um 90 Tage. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ohne wichtigen Grund selbst gelöst. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. April 2015). Wegen einer Beschäftigungsaufnahme hatte die Beklagte zuvor mit Bescheid vom 15. Januar 2015 die Bewilligung von Alg mWv 15. Januar 2015 aufgehoben.

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die auf Aufhebung des "Sperrzeitbescheides" gerichtete Klage mit Urteil vom 14. Juli 2016 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Beklagte habe zu Recht eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe vom 14. November 2014 bis 5. Februar 2015 verhängt. Eine arbeitgeberseitige Kündigung habe der Klägerin zum Beendigungszeitpunkt nicht gedroht. Hiergegen spreche schon die Kündigungsfrist. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gewesen wäre.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Auf die Berufungsbegründung, mit der die Klägerin ua auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. Mai 2012 (- B 11 AL 6/11 R -) Bezug nimmt, und deren weitere Schriftsätze wird verwiesen. Die Rechtsanwältin habe einen mit ihr nicht abgesprochenen Aufhebungsvertrag abgeschlossen. Dies könne ihr – der Klägerin – nicht zugerechnet werden.

Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Juli 2016 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 14. November 2014 bis 14. Januar 2015 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung hat keinen Erfolg. Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist der "Sperrzeitbescheid" der Beklagten vom 7. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2015, mit dem die Beklagte unter Feststellung einer Sperrzeit – die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen kraft Gesetzes eintritt – das Ruhen des Alg-Anspruchs für die Zeit vom 14. November 2014 bis 5. Februar 2015 (12 Wochen) und dessen Minderung um 90 Tage verlautbart hat. Die Klägerin wendet sich bei verständiger Würdigung ihres Begehrens (vgl § 123 SGG) nicht nur gegen die Ruhens- und Minderungsentscheidung, sondern macht im Wege der Leistungsklage auch die Zahlung von Alg für die Zeit ab 14. November 2014 geltend, wobei indes der Zulässigkeit der Klage für die Zeit ab 15. Januar 2015 (Beschäftigungsaufnahme) der bestandskräftige Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2015 entgegen steht, der die Beteiligten und das Gericht bindet (vgl § 77 SGG).

Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses mit Ablauf des 13. November 2014 nicht zur Seite gestanden hat und deshalb eine Sperrzeit vom 14. November 2014 bis 5. Februar 2015 (zwölf Wochen) eingetreten ist. Damit besteht auch kein zahlbarer Anspruch auf Alg für die Zeit vom 14. November 2014 bis 14. Januar 2014. Rechtsgrundlage einer - allein in Betracht kommenden - Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist § 159 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III). Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III ua vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe).

Die Klägerin hat das Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst, dass sie mit ihrer Arbeitgeberin am 3./5. November 2014 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat, mit dem das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 13. November 2014 endete. Damit hat die Klägerin ihre Arbeitslosigkeit auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er nach der Rspr des BSG seine Arbeitslosigkeit jedenfalls grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 10 Rn 14 mwN; BSG, Urteil vom 2. Mai 2012 – B 11 AL 6/11 R = SozR 4-4300 § 144 Nr 23 Rn 15). Eine solche Aussicht hatte die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Lösung des Arbeitsverhältnisses nicht. Dass sie ab 15. Januar 2015 eine neue Beschäftigung antrat, ist insoweit ohne Relevanz.

Die Klägerin hatte für ihr Verhalten auch keinen wichtigen Grund. Unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung steht zB der Abschluss eines Aufhebungsvertrags bei drohender betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers zum selben Beendigungszeitpunkt der Annahme eines wichtigen Grunds nicht entgegen. Dabei ist in entsprechender Anwendung des § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht zu prüfen, ob die drohende Arbeitgeberkündigung rechtmäßig ist (vgl BSG, Urteil vom 2. Mai 2012 – B 11 AL 6/11 R – Rn 16 ff). Nach der ständigen Rspr des BSG ist über das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, sondern ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss objektiv gegeben sein (vgl BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 21 Rn 12; BSGE 99, 154 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17 Rn 35; BSG aaO Rn 17).

Einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags hat der Arbeitnehmer nach der genannten Rspr, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, dann, wenn der Arbeitgeber mit einer Kündigung zum gleichen Beendigungszeitpunkt gedroht hat und dem Arbeitnehmer die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten war (vgl BSG aaO Rn 18, 19; BSGE 97, 1, 3 f = SozR 4-4300 § 144 Nr 13, Rn 13 ff; BSGE 89, 243, 248 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24). Die genannten Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes sind vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 13. November 2014 zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages nicht gedroht hat. Die Arbeitgeberin hatte keine konkreten Kündigungsabsichten (vgl auch Arbeitsbescheinigung vom 21. November 2014); auch die Klägerin behauptet dies nicht. Eine ordentliche Kündigung wäre zudem nach den maßgebenden Kündigungsfristen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages zum 13. November 2014 ohnehin nicht möglich gewesen. Vielmehr wurde der Aufhebungsvertrag nach Meinungsverschiedenheiten zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin von der bevollmächtigten Rechtsanwältin geschlossen, "um alle Rechte der Arbeitnehmerin zu sichern", was ein "gerichtliches Vorgehen erübrigte". Das Verhalten der seinerzeitigen Bevollmächtigten, die im Besitz einer Vertretungsvollmacht war, ist der Klägerin zuzurechnen (vgl § 164 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -), ebenso deren etwaiges Verschulden (vgl § 278 BGB). Es ist im Übrigen auch nicht ansatzweise ersichtlich oder konkretisiert worden, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen unzumutbar gewesen wäre; auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil nimmt der Senat in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (S 4 Abs. 3 Zeile 1 bis S 6 Abs. 1 letzte Zeile).

Die Sperrzeit beginnt mit dem die Sperrzeit begründenden Ereignis (Ende des Arbeitsverhältnisses) und beläuft sich auf zwölf Wochen (§ 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Sie lief vorliegend somit vom 14. November 2014 bis 5. Februar 2015. Eine Verkürzung auf sechs Wochen gemäß § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr 2b SGB III kommt nicht in Betracht, weil eine besondere Härte nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen hier für die Klägerin, die bereits ab 15. Januar 2015 wieder beschäftigt war, nicht ersichtlich ist. Die Sperrzeit mindert den Alg-Anspruch um ein Viertel der Anspruchsdauer, dh hier ausgehend von einem Alg-Anspruch von 360 Tagen um 90 Tage (§ 148 Abs. 1 Nr 4 SGB III).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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