L 4 AS 324/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 57 AS 1731/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 324/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten bzw. seines Rechtsvorgängers.

Der Kläger, der mit seiner Familie eine Bedarfsgemeinschaft bildet, bezieht seit Januar 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 28. Januar 2010 hob die Rechtsvorgängerin des Beklagten ihre Leistungsbewilligung für September 2008 bis August 2009 im Umfang von 3.084,28 Euro gegenüber dem Kläger auf und machte eine entsprechende Erstattungsforderung geltend. Seine Tochter T. habe während des genannten Zeitraums eine Ausbildungsvergütung aus der zuvor unterbrochenen Ausbildung erzielt, was der Kläger versäumt habe mitzuteilen. Mit weiterem Bescheid vom 24. März 2010 hob die Rechtsvorgängerin des Beklagten ihre Leistungsbewilligung für Januar bis September 2009 im Umfang von 1.744 Euro gegenüber dem Kläger auf und machte eine entsprechende Erstattungsforderung geltend. Seine Ehefrau habe während des genannten Zeitraums Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung in einer Zahnarztpraxis erzielt, was er zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt habe.

Mit Zahlungsaufforderung vom 1. August 2010 forderte die Regionaldirektion N. der Bundesagentur für Arbeit, die für die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Forderungseinzug durchführte, insgesamt 4.650 Euro vom Kläger, unter anderem wegen der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 28. Januar 2010 und vom 24. März 2010. Unter dem 12. September 2010 wurde unter anderem dieser Betrag angemahnt.

Mit Schreiben vom 1. November 2010 beantragte der Kläger, inzwischen vertreten durch seine Bevollmächtigte, unter anderem die beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 28. Januar 2010 und 24. März 2010 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzunehmen.

Am 20. Mai 2011 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Begehren, die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 28. Januar 2010 sowie vom 24. März 2010 aufzuheben; hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag nach § 44 SGB X vom 1. November 2010 zu entscheiden.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2011 hat der Beklagte seine Bewilligungsentscheidung für Januar 2009 bis September 2009 gegenüber dem Kläger sowie gegenüber seinen Töchtern T1 und M. im Umfang von zusammen 893,40 Euro aufgehoben und eine entsprechende Erstattungsforderung geltend gemacht. Die Ehefrau des Klägers habe während des genannten Zeitraums Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung in einer Zahnarztpraxis erzielt, was er zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt habe. Mit Bescheid vom 14. Juli 2011 hat der Beklagte seine Leistungsbewilligung für September 2008 bis August 2009 gegenüber dem Kläger sowie seinen beiden Töchtern T1 und M. im Umfang von zusammen 206,99 Euro aufgehoben und eine entsprechende Erstattungsforderung geltend gemacht. Die weitere Tochter T. habe während des genannten Zeitraum eine Ausbildungsvergütung aus der zuvor unterbrochenen Ausbildung erzielt, was der Kläger versäumt habe mitzuteilen. Mit einem weiteren Bescheid vom 14. Juli 2011 hat der Beklagte eine Rücknahme der Bescheide u.a. vom 28. Januar 2010 und 24. März 2010 im Überprüfungsverfahren abgelehnt. Zu diesen Bescheiden seien neue, individualisierte Bescheide ergangen.

Der Kläger hat Widerspruch gegen die neuen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13. und 14. Juli 2011 sowie gegen den Ablehnungsbescheid vom 14. Juli 2011 eingelegt. Während des Widerspruchsverfahrens hat der Beklagte mit Bescheid vom 14. Mai 2012 seine Leistungsbewilligung für Oktober 2008 bis August 2009 gegenüber dem Kläger sowie seinen beiden Töchtern T1 und M. im Umfang von nunmehr zusammen 1.043,55 Euro aufgehoben und eine entsprechende Erstattungsforderung geltend gemacht. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012 hat der Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen.

Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Juni 2012, der am selben Tag bei Gericht einging, erklärt, seine Klage zu erweitern und sich nunmehr auch gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13. Juli 2011 und 14. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2015 sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Mai 2012 gewandt. Der Beklagte hat erklärt, nicht in die Klagerweiterung einzuwilligen.

Im Erörterungstermin am 13. Mai 2015 hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass es die erklärte Klagerweiterung für sachdienlich halte. Es hat den Rechtsstreit betreffend die mit Schriftsatz vom 18. Juni 2012 erklärte Klagerweiterung abgetrennt unter dem Aktenzeichen S 57 AS 1726/15. Im Termin hat das Sozialgericht auf die Absicht hingewiesen, im verbleibenden Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Mit Gerichtsbescheid vom 11. Juni 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die ursprünglich erhobene Klage sei inzwischen unzulässig. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 28. Januar 2010 und 24. März 2010 seien durch die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13. und 14. Juli 2011 ersetzt worden und damit gemäß § 39 Abs. 2 SGB X unwirksam geworden. Die Regelungsgegenstände der Bescheide seien jeweils identisch: Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. Juli 2011 regle ebenso wie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. März 2010 die teilweise Rückabwicklung der Leistungsbewilligung für Januar bis September 2009 wegen der Einkommenserzielung der Ehefrau des Klägers. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Juli 2011 regle ebenso wie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. Januar 2010 die teilweise Rückabwicklung der Leistungsbewilligung für September 2008 bis August 2009 wegen der Einkommenserzielung der Tochter T ... Dass die neuerlichen Bescheide die ursprünglichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide ersetzen sollten, habe der Beklagte dem Kläger auch ausdrücklich in dem Bescheid vom 14. Juli 2012 mitgeteilt. Denn der Hinweis, es seien neue individualisierte Bescheide ergangen, könne von einem verständigen Empfänger nur so verstanden werden, dass nunmehr ausschließlich die neuen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide gelten sollten. Soweit der Kläger die Bescheidung seines Überprüfungsantrags begehre, habe sich der Rechtsstreit ebenfalls erledigt. Der Beklagte habe es mit Bescheid vom 14. Juli 2011 abgelehnt, die zur Überprüfung gestellten Bescheide zurückzunehmen, soweit sie nicht durch die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 13. und 14. Juli 2011 ersetzt worden seien.

Gegen den am 25. Juni 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Juli 2015, einem Montag, Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass die Entscheidung schwer verständlich sei, dass die Bescheide nicht erledigt, sondern lediglich umbenannt worden seien und dass der Beklagte noch aus ihnen zu vollstrecken versuche.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 11. Juni 2015 sowie die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 28. Januar 2011 und 24. März 2011 aufzuheben; hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über den Rücknahmeantrag in Gestalt des Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X vom 1. November 2010 zu entscheiden und neu festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 23. Mai 2016 hat der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter übertragen zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern.

Im Termin der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2017 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die angefochtenen Bescheide ihre Erledigung gefunden haben dürften. Der Kläger hat angesichts der Vollstreckungsversuche insoweit eine Erklärung des Beklagten erbeten. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 hat der Beklagte erklärt, die Bescheide vom 28. Januar 2011 und 24. März 2011 seien ersetzt worden durch die Bescheide vom 13. und 14. Juli 2011. Mit Schriftsatz vom 10. April 2017 hat er ergänzt, dass entsprechende Forderungsdaten aus dem Buchhaltungssystem entfernt worden seien.

Hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Prozessakte und die Sachakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte nach § 155 Abs. 3, 4 und § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

II. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Anfechtung der Bescheide vom 28. Januar 2011 und 24. März 2011 geht ins Leere, da diese Bescheide ersetzt worden sind durch die Bescheide vom 13. und 14. Juli 2011. Einer Entscheidung über den Überprüfungsantrag bedarf es nicht mehr; mit Bescheid vom 13. Juli 2011 sowie den beiden Bescheiden vom 14. Juli 2011 hat der Beklagte darüber entschieden. Das hat das Sozialgericht richtig gesehen und begründet. Der Senat verweist wegen der Einzelheiten der Begründung nach § 153 Abs. 2 SGG auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Mit Blick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich zu ergänzen, dass die Abtrennung des Verfahrens hinsichtlich der späteren Bescheide das Verständnis dieser Rechtslage möglicherweise erschwert hat, in der Sache aber unschädlich ist. Dass der Beklagte sich noch irgendwelcher Ansprüche aus den Bescheiden vom 28. Januar 2011 und 24. März 2011 berühmt, ist nach den schriftsätzlichen Erklärungen des Beklagten vom 27. Februar und 10. April 2017 ausgeschlossen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision ist nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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