Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 KR 400/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 37/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wird der behauptete Anspruch darauf gestützt, dass die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten sei, ist die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft.
2. Der Beginn der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hängt nicht davon ab, wann der Krankenkasse die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorliegen.
3. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V bewirkt einen Anspruch auf Gewährung der beantragten Leistung als Sachleistung.
2. Der Beginn der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hängt nicht davon ab, wann der Krankenkasse die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorliegen.
3. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V bewirkt einen Anspruch auf Gewährung der beantragten Leistung als Sachleistung.
I. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 19. Dezember 2014 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Korrektur der cutis laxa beider Oberarme sowie eine Mammareduktionsplastik jeweils in einer Vertragsklinik als Sachleistung zu gewähren.
III. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten einer operativen Straffung der Haut an beiden Oberarmen und einer Mammareduktionsplastik.
Die 1966 geborene Klägerin unterzog sich im April 2012 einer Magenbypass-Operation, deren Kosten von der Beklagten übernommen wurden. Dadurch konnte sie ihr Gewicht von 140 kg auf 79 kg (Stand: 04.04.2013) reduzieren. Als Folge der erheblichen und raschen Gewichtsabnahme verblieb eine Hautfaltenbildung bei cutis laxa, insbesondere an den Brüsten und Oberarmen.
Mit Schreiben vom 04.04.2013, eingegangen bei der Beklagten am 08.04.2013, beantragte Chefarzt Dr. P., A. Klinik in B-Stadt, die streitgegenständlichen Operationen. Er diagnostizierte eine deutlich therapiebedürftige Neurodermitis, die in Zusammenhang mit der cutis laxa, vor allem im Bereich der Oberarme und im Bereich der ptosis mamma in den Submammärfalten ausgeprägte Beschwerden mit Exzembildung und Intertrigosymptomatik verursache. Die Entfernung der überschüssigen Haut sei deshalb indiziert, um eine bessere dermatologische Behandlung zu gewährleisten.
Mit Schreiben vom 12.04.2013 bat die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) um Stellungnahme anhand einer beigefügten Fotodokumentation. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 10.05.2013 aus, es beständen keine relevanten Funktionsbehinderungen; auch liege keine entstellende Situation vor. Intertriginöse Ekzeme ließen sich auf der Fotodokumentation nicht nachweisen. Aufgrund dessen lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 15.05.2013 ab.
Mit ihrem Widerspruch hiergegen legte die Klägerin ein nervenärztliches Attest ihres Psychiaters Dr. K. vor, nach dem sich die Klägerin durch die hängenden Brüste und Haut an den Oberarmen entstellt fühle und sich insbesondere in der warmen Jahreszeit nicht mehr unter die Leute traue. In kurzärmeliger Kleidung schäme sie sich ihres Aussehens. Aus nervenärztlicher Sicht sei es dringend erforderlich, die beantragten Operationen vorzunehmen, um ein weiteres Abrutschen der Patientin in die Depression zu verhindern. Die Klägerin selbst trug außerdem vor, dass "unter den Hautlappen manchmal alles offen sei". Dafür nehme sie dann u. a. Cremes mit Cortison.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Den körperlichen Unregelmäßigkeiten der Klägerin komme kein Krankheitswert im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu.
Hiergegen hat die Klägerin am 18.11.2013 beim Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es komme auf die medizinische Beurteilung des Falls nicht mehr an. Vielmehr sei bereits im Antragsverfahren die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten. Aus diesem Grund stehe der Klägerin der geltend gemachte Sachleistungsanspruch zu. Eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit könne nicht mehr erfolgen (LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014, Az. L 5 KR 222/14 B ER, Rn. 9). Ergänzend hat sie vorgetragen, die Hautüberschüsse verursachten funktionelle Einschränkungen dergestalt, dass die Bewegungsfähigkeit in alle Richtungen eingeschränkt sei. Hinzu kämen Reizungen der Haut bis hin zu rezidivierenden Entzündungen der Problemstellen. Die streitgegenständlichen Operationen seien postbariatrisch-plastischer, nicht aber ästhetischer Natur. Die Klägerin sei durch die vorliegenden Befunde entstellt. Dies verursache einen hohen Leidensdruck psychischer Art.
Das SG hat im vorbereitenden Verfahren Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin sowie ein Gutachten der Sachverständigen Dr. L. eingeholt. Letztere hat in ihrem Gutachten vom 23.09.2014 ausgeführt, die Haut sei trocken, zeige aber keine Schuppung; unter den Mammae bestehe eine leichte flächige Hautrötung; die Hautauflagefläche der Mammae liege bei 9 cm bei ausgeprägter Ptosis. Im Bereich der Oberarme sei die Haut unauffällig bei ausgeprägter cutis laxa im dorsalen Bereich mit Lappenbildung von 8 cm bei seitlich angehobenen Armen. Funktionseinschränkungen als Folge der Hautfalten lägen bei der Klägerin nicht vor. Die Hautfalten an den Oberarmen und die ptosis mammae stellten keine behandlungsbedürftige Krankheit dar, weil damit keine körperliche Fehlfunktion verbunden sei. An den Oberarmen sei keine Rötung nachweisbar. Unter den Brüsten sei eine flächige Rötung im Sinne einer Intertrigo nachweisbar, jedoch keine Narbenbildung und kein Pilzbefall. Eine Therapieresistenz sei nicht belegt. Eine fachdermatologische Behandlung sei angezeigt. Eine Entstellung liege weder bezüglich der Oberarme, noch in Bezug auf die Brust vor. Im Ergebnis handele es sich um kosmetische Korrekturen. Eine medizinische Notwendigkeit für die geplanten Operationen bestehe nicht. Operative Eingriffe im Bereich der Haut seien bei der Klägerin zudem mit dem Risiko einer Verschlechterung der Neurodermitis und dem erheblichen Risiko von Wundheilungsstörungen behaftet in Anbetracht der durch Cortison geschädigten Haut.
Mit Urteil vom 19. Dezember 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar habe die Beklagte es vorliegend versäumt, innerhalb der fünfwöchigen Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V über den Antrag der Klägerin zu entscheiden. Sie habe der Klägerin auch nicht rechtzeitig unter Angabe hinreichender Gründe schriftlich mitgeteilt, dass sie diese Frist nicht einhalten könne. Die Genehmigungsfiktion greife allerdings nur ein, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Kasse innerhalb des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete Leistung betreffe und sie dem Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) entspreche (vgl. Knispel, SGb 2014, 374, 376; LSG NRW, Beschluss vom 26.05.2014, Az. L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR 155/14 B). Insofern sei der Wortlaut der Norm einschränkend auszulegen. Die Bedeutung der fingierten Genehmigung liege darin, dass sie die Selbstbeschaffung und den Kostenerstattungsanspruch nach Satz 7 eröffne. Dieser Kostenerstattungsanspruch habe gegenüber der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V insoweit einen eigenständigen Anwendungsbereich, als die zeitliche Sperre vor einer Selbstbeschaffung im Rahmen des § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB V entfalle. Die Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin überzeuge nicht, da die Entscheidungsfristen des § 13 Abs. 3a Satz 1 und 4 SGB V für eine solch weitreichende Sanktionswirkung viel zu kurz bemessen seien. Dies zeige anschaulich der vorliegende Fall, in dem der MDK habe eingeschaltet werden müssen, das Verfahren in zeitlicher Hinsicht ohne Verzögerungen verlaufen sei und dennoch die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht habe eingehalten werden können. Daraus könne sich die Gefahr voreiliger Leistungsablehnung durch die Kasse entwickeln oder auch die Aufklärungsverschiebung in das Gerichtsverfahren. Auch aus der Gesetzesgenese sei nicht eindeutig die weitreichende Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin herauszulesen. Darüber hinaus ergebe sich auch kein Anspruch der Klägerin aus § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5 SGB V.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V sei eingetreten. Daher stehe ihr ein Sachleistungsanspruch zu. Ein Erstattungsanspruch, wie er in § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V normiert sei, setze einen materiellen Sachleistungsanspruch voraus.
Nur Leistungen, die auch Gegenstand einer nicht fingierten Genehmigung sein könnten, könnten Gegenstand einer Genehmigungsfiktion sein. Diese Voraussetzung sei bei stationären Leistungen, also Behandlungen nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V, stets erfüllt, denn es gelte § 137c SGB V (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt im Krankenhaus).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 19.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Korrektur der cutis laxa beider Oberarme sowie eine Mammareduktionsplastik als Sachleistung in einem Vertragskrankenhaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin begehre keine Krankenbehandlung, sondern eine rein ästhetische Maßnahme. Die klägerische Auffassung würde Versicherte bei einer ausbleibenden bzw. verspäteten Entscheidung der Krankenkasse besser stellen als bei einer rechtswidrigen Ablehnung (§ 13 Abs. 3 SGB V). Ein Grund für diese Differenzierung sei nicht ersichtlich; sie entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist ohne Zulassung statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist auch begründet.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, insbesondere ist sie weder fristgebunden noch setzt sie die Durchführung eines Vorverfahrens voraus.
Offen bleiben kann, ob die erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG hinsichtlich des Anfechtungsantrags wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig war. Der Bescheid der Beklagten vom 15.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2013 lässt die eingetretene Genehmigungsfiktion (dazu unten) unberührt; die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung (vgl. hierzu §§ 45, 47 SGB X; BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rn. 32). Da die Klägerin den Anfechtungsantrag im Berufungsverfahren nicht mehr weiter verfolgt, muss darüber nicht entschieden werden.
Die Klage ist auch begründet.
Die bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte und damit leistungsberechtigte Klägerin hat einen Anspruch auf Versorgung mit den begehrten Operationen. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist eingetreten (dazu 1.); daraus folgt unmittelbar ein Anspruch auf Gewährung einer Sachleistung (dazu 2.).
1. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist eingetreten, weil die in § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V bezeichnete Frist abgelaufen ist (dazu a) und ein hinreichender Grund hierfür nicht mitgeteilt wurde (dazu b).
a) Die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V ist abgelaufen. Vorliegend stand der Beklagten eine Frist von drei Wochen ab Antragseingang zur Verfügung, weil sie eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) für erforderlich hielt und die Klägerin nicht darüber unterrichtet hat (§ 13 Abs. 3a Satz 1 und 2 SGB V; BSG, a.a.O., Rn. 28).
aa) Der streitgegenständliche Antrag der Klägerin ist am 08.04.2013 bei der Beklagten eingegangen. Der Antrag war hinreichend bestimmt. Die Genehmigungsfiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (BSG, a.a.O., Rn. 23 m.w.N.). So liegt es hier. Der Antrag war auf Übernahme der Kosten für die geplante Korrektur der cutis laxa beider Oberarme sowie für eine Mammareduktionsplastik gerichtet. Anhaltspunkte für eine nicht ausreichende Bestimmtheit dieses Antrags liegen nicht vor.
Auch war erkennbar, dass die Klägerin die Erbringung der beantragten Leistung nicht in einer Privat-, sondern in einer Vertragsklinik begehrte.
bb) Der Antrag der Klägerin betraf eine Leistung, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Diese Voraussetzung hat das BSG in seinem Urteil vom 08.03.2016 (a.a.O., Rn. 25-27) aus dem Regelungszusammenhang und -zweck abgeleitet.
(1) Die Klägerin durfte die streitgegenständlichen Eingriffe für erforderlich halten.
Die Genehmigungsfiktion ist auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen beschränkt (BSG, a.a.O., Rn. 26). Dies bedeutet gleichzeitig, dass die objektive Erforderlichkeit im Sinne der §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht Voraussetzung für den Eintritt der Fiktion ist.
Die Klägerin hielt - subjektiv - die streitgegenständlichen Operationen für notwendig; entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Bei ihrer Einschätzung der Erforderlichkeit durfte sich die Klägerin davon leiten lassen, dass eine ärztliche Empfehlung vorlag, die Operationen zur Ermöglichung einer besseren dermatologischen Behandlung durchzuführen. Sie durfte demnach insbesondere davon ausgehen, dass es sich nicht um ästhetische Operationen handelte.
Die Klägerin musste bei ihrer subjektiven Einschätzung nicht berücksichtigen, dass die Sachverständige Dr. L. (Gutachten vom 23.09.2014) und das SG (Urteil vom 19.12.2014) eine OP-Indikation verneint haben. Denn hiervon hat sie jeweils erst deutlich nach Ablauf der nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V maßgeblichen Frist (29.04.2013, s.u.) erfahren. Der Ablauf dieser Frist ist der späteste mögliche Zeitpunkt, auf den bei der Prüfung der Frage, ob die Klägerin die streitgegenständlichen Eingriffe für erforderlich halten durfte, abzustellen ist. Denn mit Ablauf der Frist ist - soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen - die Genehmigungsfiktion eingetreten. Spätere Erkenntnisse der Klägerin bleiben für die maßgebliche subjektive Einschätzung außer Betracht.
(2) Die begehrten Operationen - eine Korrektur der cutis laxa beider Oberarme und eine Mammareduktionsplastik in Form einer (stationären) Krankenhausbehandlung in einer Vertragsklinik - lagen auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungsspektrums der gesetzlichen Krankenversicherung. Derartige postbariatrische Operationen können in Einzelfällen bei dermatologischer Indikation zum Leistungsspektrum der GKV gehören (vgl. etwa SG München, Urteil vom 01.09.2016, S 3 KR 381/15 unter Hinweis auf SG Hamburg, Urteil vom 27.03.2015, S 33 KR 1376/12; SG Mannheim, Urteil vom 21.01.2014, S 9 KR 2546/12; SG Wiesbaden, Urteil vom 25.09.2013, S 1 KR 295/10). Auch eine OP-Indika-tion wegen Entstellung ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Versicherter wegen einer körperlichen Anormalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 35/15 R, Rn. 14). Ob eine dieser Indikationen bei der Klägerin tatsächlich bejaht werden kann, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
cc) Die Frist begann am 09.04.2013 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB). Nicht entscheidend ist, ob zu diesem Zeitpunkt die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorlagen (siehe dazu Urteil des Senats vom 12.01.2017, L 4 KR 295/14).
dd) Die dreiwöchige Frist endete mit Ablauf des 29.04.2013 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Eine Fristverlängerung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X kommt nicht in Betracht, weil der 29.04.2013 auf einen Montag fiel. Innerhalb der Frist hat die Beklagte nicht über den Antrag der Klägerin entschieden.
Ohne dass es darauf für die Entscheidung ankäme, weist der Senat darauf hin, dass die fünfwöchige Frist mit Ablauf des 13.05.2013 geendet hätte, die Beklagte also auch diese Frist nicht eingehalten hätte, weil der Ablehnungsbescheid erst unter dem Datum des 15.05.2013 ergangen ist.
b) Die Beklagte hat der Klägerin keinen hinreichenden Grund mitgeteilt.
§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V bestimmt: "Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit." Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der Krankenkasse prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt (BSG, a.a.O., Rn. 20).
Will die Kasse den Eintritt der Genehmigungsfiktion verhindern, muss sie also nicht nur rechtzeitig - d. h. vor Ablauf der Frist - einen hinreichenden Grund nennen, sondern auch die exakte Dauer seines voraussichtlichen Bestehens. Vor allem aber muss die Krankenkasse ausdrücklich auf die Frist eingehen, deren Einhaltung ihr nicht möglich ist.
Daran fehlt es vorliegend. Die Beklagte hat sich vor Ablauf der Frist am 29.04.2013 nicht schriftlich an die Klägerin gewandt.
2. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion bewirkt einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung der begehrten Operationen als Sachleistung. Der Senat folgt nicht dem 20. Senat des Bayer. LSG (Urteil vom 07.09.2016, L 20 KR 597/15, Rn. 28 ff.), der die Rechtsauffassung vertritt, dass die Genehmigungsfiktion lediglich eine Voraussetzung für einen späteren Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V darstelle.
Vielmehr folgt der Senat der Rechtsprechung des BSG, das in seinem Urteil vom 08.03.2016 (B 1 KR 25/15 R), in Rn. 25 ausgeführt hat:
"Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren ( ...)."
Der Senat verkennt nicht, dass es sich hier um ein obiter dictum handelt. In dem vom BSG entschiedenen Fall hatte sich der Kläger die streitige Therapie selbst beschafft und Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V beantragt. Ob der Eintritt der Genehmigungsfiktion zunächst einen eigenständigen Anspruch auf Gewährung der Therapie als Sachleistung begründet hatte, musste also nicht entschieden werden.
Gleichwohl ist die Aussage des BSG nach Auffassung des Senats eindeutig. Wenn ein Naturalleistungsanspruch besteht, der es auch mittellosen Versicherten ermöglicht, ihren Anspruch zu realisieren, ohne sich die begehrte Leistung (zunächst) selbst zu verschaffen, dann ist ausgeschlossen, dass die Genehmigungsfiktion lediglich eine Voraussetzung für einen späteren Kostenerstattungsanspruch darstellt (in diesem Sinne bereits Bayer. LSG, Urteil vom 28.06.2016, L 5 KR 323/14, Rn. 27). Für dieses Verständnis spricht auch, dass das BSG den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.05.2014 (L 5 KR 222/14 B ER, Rn. 7) zitiert, in dem ebenfalls unmissverständlich ausgeführt wird, dass § 13 Abs. 3a SGB V den Anspruch nicht auf eine Kostenerstattung beschränke, dass Satz 6 und 7 der Norm vielmehr mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch für die erforderliche Leistung gewährten. Selbst wenn man sich der Auffassung anschließen würde, § 13 Abs. 3a SGB V gewähre nur einen Kostenerstattungsanspruch, so gelange man zu keinem anderen Ergebnis, da der Kostenerstattungsanspruch auch einen Anspruch auf Freistellung umfasse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Korrektur der cutis laxa beider Oberarme sowie eine Mammareduktionsplastik jeweils in einer Vertragsklinik als Sachleistung zu gewähren.
III. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten einer operativen Straffung der Haut an beiden Oberarmen und einer Mammareduktionsplastik.
Die 1966 geborene Klägerin unterzog sich im April 2012 einer Magenbypass-Operation, deren Kosten von der Beklagten übernommen wurden. Dadurch konnte sie ihr Gewicht von 140 kg auf 79 kg (Stand: 04.04.2013) reduzieren. Als Folge der erheblichen und raschen Gewichtsabnahme verblieb eine Hautfaltenbildung bei cutis laxa, insbesondere an den Brüsten und Oberarmen.
Mit Schreiben vom 04.04.2013, eingegangen bei der Beklagten am 08.04.2013, beantragte Chefarzt Dr. P., A. Klinik in B-Stadt, die streitgegenständlichen Operationen. Er diagnostizierte eine deutlich therapiebedürftige Neurodermitis, die in Zusammenhang mit der cutis laxa, vor allem im Bereich der Oberarme und im Bereich der ptosis mamma in den Submammärfalten ausgeprägte Beschwerden mit Exzembildung und Intertrigosymptomatik verursache. Die Entfernung der überschüssigen Haut sei deshalb indiziert, um eine bessere dermatologische Behandlung zu gewährleisten.
Mit Schreiben vom 12.04.2013 bat die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) um Stellungnahme anhand einer beigefügten Fotodokumentation. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 10.05.2013 aus, es beständen keine relevanten Funktionsbehinderungen; auch liege keine entstellende Situation vor. Intertriginöse Ekzeme ließen sich auf der Fotodokumentation nicht nachweisen. Aufgrund dessen lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 15.05.2013 ab.
Mit ihrem Widerspruch hiergegen legte die Klägerin ein nervenärztliches Attest ihres Psychiaters Dr. K. vor, nach dem sich die Klägerin durch die hängenden Brüste und Haut an den Oberarmen entstellt fühle und sich insbesondere in der warmen Jahreszeit nicht mehr unter die Leute traue. In kurzärmeliger Kleidung schäme sie sich ihres Aussehens. Aus nervenärztlicher Sicht sei es dringend erforderlich, die beantragten Operationen vorzunehmen, um ein weiteres Abrutschen der Patientin in die Depression zu verhindern. Die Klägerin selbst trug außerdem vor, dass "unter den Hautlappen manchmal alles offen sei". Dafür nehme sie dann u. a. Cremes mit Cortison.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Den körperlichen Unregelmäßigkeiten der Klägerin komme kein Krankheitswert im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu.
Hiergegen hat die Klägerin am 18.11.2013 beim Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es komme auf die medizinische Beurteilung des Falls nicht mehr an. Vielmehr sei bereits im Antragsverfahren die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten. Aus diesem Grund stehe der Klägerin der geltend gemachte Sachleistungsanspruch zu. Eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit könne nicht mehr erfolgen (LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014, Az. L 5 KR 222/14 B ER, Rn. 9). Ergänzend hat sie vorgetragen, die Hautüberschüsse verursachten funktionelle Einschränkungen dergestalt, dass die Bewegungsfähigkeit in alle Richtungen eingeschränkt sei. Hinzu kämen Reizungen der Haut bis hin zu rezidivierenden Entzündungen der Problemstellen. Die streitgegenständlichen Operationen seien postbariatrisch-plastischer, nicht aber ästhetischer Natur. Die Klägerin sei durch die vorliegenden Befunde entstellt. Dies verursache einen hohen Leidensdruck psychischer Art.
Das SG hat im vorbereitenden Verfahren Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin sowie ein Gutachten der Sachverständigen Dr. L. eingeholt. Letztere hat in ihrem Gutachten vom 23.09.2014 ausgeführt, die Haut sei trocken, zeige aber keine Schuppung; unter den Mammae bestehe eine leichte flächige Hautrötung; die Hautauflagefläche der Mammae liege bei 9 cm bei ausgeprägter Ptosis. Im Bereich der Oberarme sei die Haut unauffällig bei ausgeprägter cutis laxa im dorsalen Bereich mit Lappenbildung von 8 cm bei seitlich angehobenen Armen. Funktionseinschränkungen als Folge der Hautfalten lägen bei der Klägerin nicht vor. Die Hautfalten an den Oberarmen und die ptosis mammae stellten keine behandlungsbedürftige Krankheit dar, weil damit keine körperliche Fehlfunktion verbunden sei. An den Oberarmen sei keine Rötung nachweisbar. Unter den Brüsten sei eine flächige Rötung im Sinne einer Intertrigo nachweisbar, jedoch keine Narbenbildung und kein Pilzbefall. Eine Therapieresistenz sei nicht belegt. Eine fachdermatologische Behandlung sei angezeigt. Eine Entstellung liege weder bezüglich der Oberarme, noch in Bezug auf die Brust vor. Im Ergebnis handele es sich um kosmetische Korrekturen. Eine medizinische Notwendigkeit für die geplanten Operationen bestehe nicht. Operative Eingriffe im Bereich der Haut seien bei der Klägerin zudem mit dem Risiko einer Verschlechterung der Neurodermitis und dem erheblichen Risiko von Wundheilungsstörungen behaftet in Anbetracht der durch Cortison geschädigten Haut.
Mit Urteil vom 19. Dezember 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar habe die Beklagte es vorliegend versäumt, innerhalb der fünfwöchigen Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V über den Antrag der Klägerin zu entscheiden. Sie habe der Klägerin auch nicht rechtzeitig unter Angabe hinreichender Gründe schriftlich mitgeteilt, dass sie diese Frist nicht einhalten könne. Die Genehmigungsfiktion greife allerdings nur ein, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Kasse innerhalb des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete Leistung betreffe und sie dem Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) entspreche (vgl. Knispel, SGb 2014, 374, 376; LSG NRW, Beschluss vom 26.05.2014, Az. L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR 155/14 B). Insofern sei der Wortlaut der Norm einschränkend auszulegen. Die Bedeutung der fingierten Genehmigung liege darin, dass sie die Selbstbeschaffung und den Kostenerstattungsanspruch nach Satz 7 eröffne. Dieser Kostenerstattungsanspruch habe gegenüber der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V insoweit einen eigenständigen Anwendungsbereich, als die zeitliche Sperre vor einer Selbstbeschaffung im Rahmen des § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB V entfalle. Die Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin überzeuge nicht, da die Entscheidungsfristen des § 13 Abs. 3a Satz 1 und 4 SGB V für eine solch weitreichende Sanktionswirkung viel zu kurz bemessen seien. Dies zeige anschaulich der vorliegende Fall, in dem der MDK habe eingeschaltet werden müssen, das Verfahren in zeitlicher Hinsicht ohne Verzögerungen verlaufen sei und dennoch die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht habe eingehalten werden können. Daraus könne sich die Gefahr voreiliger Leistungsablehnung durch die Kasse entwickeln oder auch die Aufklärungsverschiebung in das Gerichtsverfahren. Auch aus der Gesetzesgenese sei nicht eindeutig die weitreichende Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin herauszulesen. Darüber hinaus ergebe sich auch kein Anspruch der Klägerin aus § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5 SGB V.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V sei eingetreten. Daher stehe ihr ein Sachleistungsanspruch zu. Ein Erstattungsanspruch, wie er in § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V normiert sei, setze einen materiellen Sachleistungsanspruch voraus.
Nur Leistungen, die auch Gegenstand einer nicht fingierten Genehmigung sein könnten, könnten Gegenstand einer Genehmigungsfiktion sein. Diese Voraussetzung sei bei stationären Leistungen, also Behandlungen nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V, stets erfüllt, denn es gelte § 137c SGB V (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt im Krankenhaus).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 19.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Korrektur der cutis laxa beider Oberarme sowie eine Mammareduktionsplastik als Sachleistung in einem Vertragskrankenhaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin begehre keine Krankenbehandlung, sondern eine rein ästhetische Maßnahme. Die klägerische Auffassung würde Versicherte bei einer ausbleibenden bzw. verspäteten Entscheidung der Krankenkasse besser stellen als bei einer rechtswidrigen Ablehnung (§ 13 Abs. 3 SGB V). Ein Grund für diese Differenzierung sei nicht ersichtlich; sie entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist ohne Zulassung statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist auch begründet.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, insbesondere ist sie weder fristgebunden noch setzt sie die Durchführung eines Vorverfahrens voraus.
Offen bleiben kann, ob die erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG hinsichtlich des Anfechtungsantrags wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig war. Der Bescheid der Beklagten vom 15.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2013 lässt die eingetretene Genehmigungsfiktion (dazu unten) unberührt; die Ablehnung der Leistung regelt weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung (vgl. hierzu §§ 45, 47 SGB X; BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rn. 32). Da die Klägerin den Anfechtungsantrag im Berufungsverfahren nicht mehr weiter verfolgt, muss darüber nicht entschieden werden.
Die Klage ist auch begründet.
Die bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte und damit leistungsberechtigte Klägerin hat einen Anspruch auf Versorgung mit den begehrten Operationen. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist eingetreten (dazu 1.); daraus folgt unmittelbar ein Anspruch auf Gewährung einer Sachleistung (dazu 2.).
1. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ist eingetreten, weil die in § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V bezeichnete Frist abgelaufen ist (dazu a) und ein hinreichender Grund hierfür nicht mitgeteilt wurde (dazu b).
a) Die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V ist abgelaufen. Vorliegend stand der Beklagten eine Frist von drei Wochen ab Antragseingang zur Verfügung, weil sie eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) für erforderlich hielt und die Klägerin nicht darüber unterrichtet hat (§ 13 Abs. 3a Satz 1 und 2 SGB V; BSG, a.a.O., Rn. 28).
aa) Der streitgegenständliche Antrag der Klägerin ist am 08.04.2013 bei der Beklagten eingegangen. Der Antrag war hinreichend bestimmt. Die Genehmigungsfiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (BSG, a.a.O., Rn. 23 m.w.N.). So liegt es hier. Der Antrag war auf Übernahme der Kosten für die geplante Korrektur der cutis laxa beider Oberarme sowie für eine Mammareduktionsplastik gerichtet. Anhaltspunkte für eine nicht ausreichende Bestimmtheit dieses Antrags liegen nicht vor.
Auch war erkennbar, dass die Klägerin die Erbringung der beantragten Leistung nicht in einer Privat-, sondern in einer Vertragsklinik begehrte.
bb) Der Antrag der Klägerin betraf eine Leistung, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Diese Voraussetzung hat das BSG in seinem Urteil vom 08.03.2016 (a.a.O., Rn. 25-27) aus dem Regelungszusammenhang und -zweck abgeleitet.
(1) Die Klägerin durfte die streitgegenständlichen Eingriffe für erforderlich halten.
Die Genehmigungsfiktion ist auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen beschränkt (BSG, a.a.O., Rn. 26). Dies bedeutet gleichzeitig, dass die objektive Erforderlichkeit im Sinne der §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht Voraussetzung für den Eintritt der Fiktion ist.
Die Klägerin hielt - subjektiv - die streitgegenständlichen Operationen für notwendig; entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Bei ihrer Einschätzung der Erforderlichkeit durfte sich die Klägerin davon leiten lassen, dass eine ärztliche Empfehlung vorlag, die Operationen zur Ermöglichung einer besseren dermatologischen Behandlung durchzuführen. Sie durfte demnach insbesondere davon ausgehen, dass es sich nicht um ästhetische Operationen handelte.
Die Klägerin musste bei ihrer subjektiven Einschätzung nicht berücksichtigen, dass die Sachverständige Dr. L. (Gutachten vom 23.09.2014) und das SG (Urteil vom 19.12.2014) eine OP-Indikation verneint haben. Denn hiervon hat sie jeweils erst deutlich nach Ablauf der nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V maßgeblichen Frist (29.04.2013, s.u.) erfahren. Der Ablauf dieser Frist ist der späteste mögliche Zeitpunkt, auf den bei der Prüfung der Frage, ob die Klägerin die streitgegenständlichen Eingriffe für erforderlich halten durfte, abzustellen ist. Denn mit Ablauf der Frist ist - soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen - die Genehmigungsfiktion eingetreten. Spätere Erkenntnisse der Klägerin bleiben für die maßgebliche subjektive Einschätzung außer Betracht.
(2) Die begehrten Operationen - eine Korrektur der cutis laxa beider Oberarme und eine Mammareduktionsplastik in Form einer (stationären) Krankenhausbehandlung in einer Vertragsklinik - lagen auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungsspektrums der gesetzlichen Krankenversicherung. Derartige postbariatrische Operationen können in Einzelfällen bei dermatologischer Indikation zum Leistungsspektrum der GKV gehören (vgl. etwa SG München, Urteil vom 01.09.2016, S 3 KR 381/15 unter Hinweis auf SG Hamburg, Urteil vom 27.03.2015, S 33 KR 1376/12; SG Mannheim, Urteil vom 21.01.2014, S 9 KR 2546/12; SG Wiesbaden, Urteil vom 25.09.2013, S 1 KR 295/10). Auch eine OP-Indika-tion wegen Entstellung ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Versicherter wegen einer körperlichen Anormalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (BSG, Urteil vom 08.03.2016, B 1 KR 35/15 R, Rn. 14). Ob eine dieser Indikationen bei der Klägerin tatsächlich bejaht werden kann, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
cc) Die Frist begann am 09.04.2013 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB). Nicht entscheidend ist, ob zu diesem Zeitpunkt die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorlagen (siehe dazu Urteil des Senats vom 12.01.2017, L 4 KR 295/14).
dd) Die dreiwöchige Frist endete mit Ablauf des 29.04.2013 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Eine Fristverlängerung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X kommt nicht in Betracht, weil der 29.04.2013 auf einen Montag fiel. Innerhalb der Frist hat die Beklagte nicht über den Antrag der Klägerin entschieden.
Ohne dass es darauf für die Entscheidung ankäme, weist der Senat darauf hin, dass die fünfwöchige Frist mit Ablauf des 13.05.2013 geendet hätte, die Beklagte also auch diese Frist nicht eingehalten hätte, weil der Ablehnungsbescheid erst unter dem Datum des 15.05.2013 ergangen ist.
b) Die Beklagte hat der Klägerin keinen hinreichenden Grund mitgeteilt.
§ 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V bestimmt: "Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit." Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der Krankenkasse prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt (BSG, a.a.O., Rn. 20).
Will die Kasse den Eintritt der Genehmigungsfiktion verhindern, muss sie also nicht nur rechtzeitig - d. h. vor Ablauf der Frist - einen hinreichenden Grund nennen, sondern auch die exakte Dauer seines voraussichtlichen Bestehens. Vor allem aber muss die Krankenkasse ausdrücklich auf die Frist eingehen, deren Einhaltung ihr nicht möglich ist.
Daran fehlt es vorliegend. Die Beklagte hat sich vor Ablauf der Frist am 29.04.2013 nicht schriftlich an die Klägerin gewandt.
2. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion bewirkt einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung der begehrten Operationen als Sachleistung. Der Senat folgt nicht dem 20. Senat des Bayer. LSG (Urteil vom 07.09.2016, L 20 KR 597/15, Rn. 28 ff.), der die Rechtsauffassung vertritt, dass die Genehmigungsfiktion lediglich eine Voraussetzung für einen späteren Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V darstelle.
Vielmehr folgt der Senat der Rechtsprechung des BSG, das in seinem Urteil vom 08.03.2016 (B 1 KR 25/15 R), in Rn. 25 ausgeführt hat:
"Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren ( ...)."
Der Senat verkennt nicht, dass es sich hier um ein obiter dictum handelt. In dem vom BSG entschiedenen Fall hatte sich der Kläger die streitige Therapie selbst beschafft und Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V beantragt. Ob der Eintritt der Genehmigungsfiktion zunächst einen eigenständigen Anspruch auf Gewährung der Therapie als Sachleistung begründet hatte, musste also nicht entschieden werden.
Gleichwohl ist die Aussage des BSG nach Auffassung des Senats eindeutig. Wenn ein Naturalleistungsanspruch besteht, der es auch mittellosen Versicherten ermöglicht, ihren Anspruch zu realisieren, ohne sich die begehrte Leistung (zunächst) selbst zu verschaffen, dann ist ausgeschlossen, dass die Genehmigungsfiktion lediglich eine Voraussetzung für einen späteren Kostenerstattungsanspruch darstellt (in diesem Sinne bereits Bayer. LSG, Urteil vom 28.06.2016, L 5 KR 323/14, Rn. 27). Für dieses Verständnis spricht auch, dass das BSG den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.05.2014 (L 5 KR 222/14 B ER, Rn. 7) zitiert, in dem ebenfalls unmissverständlich ausgeführt wird, dass § 13 Abs. 3a SGB V den Anspruch nicht auf eine Kostenerstattung beschränke, dass Satz 6 und 7 der Norm vielmehr mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch für die erforderliche Leistung gewährten. Selbst wenn man sich der Auffassung anschließen würde, § 13 Abs. 3a SGB V gewähre nur einen Kostenerstattungsanspruch, so gelange man zu keinem anderen Ergebnis, da der Kostenerstattungsanspruch auch einen Anspruch auf Freistellung umfasse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
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