L 1 AS 1207/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 672/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1207/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.02.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 1 AS 1207/17 ER-B wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 1967 geborene Antragstellerin steht seit längerem im Leistungsbezug des Antragsgegners. Sie bewohnt gemeinsam mit ihrem 1996 geborenen Sohn eine Wohnung in Stuttgart. Es handelt sich nicht um eine Bedarfsgemeinschaft, da der Sohn der Antragstellerin über Einkommen verfügt, das seinen Bedarf deckt.

Bereits im Oktober 2007 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner auf dessen Nachfrage hinsichtlich eines Aktiendepots bei der D. B. mit, sie habe für ihre Mutter Aktien gekauft. 10.000 DM seien durch sie selbst angelegt worden. Die Antragstellerin übersandte zudem ein entsprechendes Bestätigungsschreiben ihrer Mutter. Der Antragsgegner bewilligte hieraufhin weitere Leistungen. Auch im Jahr 2014 teilte die Antragstellerin erneut mit, dass sie das Depot bei der D. B. für ihre Mutter verwalte, woraufhin vom Antragsgegner weitere Leistungen bewilligt wurden.

Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 31.08.2016 bewilligte der Antragsgegner zuletzt Leistungen für die Zeit vom September 2016 bis Februar 2017.

Diese Leistungsbewilligung hob der Antragsgegner mit Aufhebungsbescheid vom 16.11.2016 mit Wirkung zum 01.10.2016 wegen Vermögens und nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit ganz auf. Die Antragstellerin legte hiergegen Widerspruch ein und beantragte beim Sozialgericht Stuttgart (SG), die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruch anzuordnen. Diesem Antrag gab das SG nur teilweise statt und ordnete mit Beschluss vom 09.12.2016 die aufschiebende Wirkung des erhobenen Widerspruchs an, soweit mit dem Bescheid die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden sei (S 15 AS 6378/16 ER). Soweit der Bescheid hingegen Leistungen für die Zukunft aufhebe, stelle er sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig dar. Die Antragstellerin habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass das (vorhandene) Vermögen ihrer Mutter zuzurechnen sei. Eine hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom 2. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 31.01.2017 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen (L 2 AS 167/17 ER-B).

Am 26.01.2017 stellte die Antragstellerin einen neuen Leistungsantrag, den der Antragsgegner mit Bescheid vom 08.02.2017 ablehnte.

Am 14.02.2017 hat die Antragstellerin daraufhin einen neuen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und mit Schreiben vom 15.02.2017 Widerspruch gegen die Leistungsablehnung erhoben. Diesen Widerspruch hat der Antragsgegner zwischenzeitlich mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2017 abgewiesen, wogegen noch ein Klageverfahren beim SG anhängig ist (S 3 AS 1569/17).

Mit Beschluss vom 24.02.2017 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat das SG u.a. ausgeführt, die Voraussetzungen für ein verdecktes Treuhandverhältnis lägen nicht vor. Die Antragstellerin habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Vermögen ihrer Mutter zuzurechnen sei. Die Antragstellerin sei alleinige Kontoinhaberin und Verfügungsberechtigte gewesen. Auch seien der Antragstellerin die Kapitalerträge gutgeschrieben worden.

Gegen diesen am 28.02.2017 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 27.03.2017 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie habe nicht über das treuhänderisch verwaltete Geld der Mutter verfügen können. Das Geld sei von der Mutter zur Altersvorsorge angespart worden. Unter dem Druck der bisherigen Entscheidungen sei das Wert-papierdepot am 10.03.2017 unter hohen Verlusten aufgelöst worden und das Guthaben auf das Girokonto der Mutter ausbezahlt worden. Das Treuhandverhältnis sei dem Antragsgegner im Übrigen seit langem bekannt gewesen und von den früheren Sachbearbeiter immer akzeptiert worden, so dass hier Verwirkung eingetreten sei.

Nach entsprechender Aufforderung des Senats hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren weitere Unterlagen vorgelegt. Sie hat insbesondere eine eidesstattliche Versicherung abgegeben sowie eine gesonderte eidesstattliche Versicherung ihrer Mutter zu den Hintergründen der Depoteröffnung und der Depotschließung bei der D. B ... vorgelegt. Zudem hat die Antragstellerin Unterlagen eingereicht, wonach der Wert des Depots bei der D. B. zum Zeitpunkt der Auflösung 28.947,87 EUR betragen habe. Des Weiteren hat sie eine Leistungsübersicht im Hinblick auf eine bei der H. bestehende fondsgebundende Lebensversicherung (Versicherungsnummer: ; Tarif: ADE0543 Kindervorsorgeprogramm) vorgelegt, wonach diese ein Gesamtkapital von 10.247,94 EUR aufweist. Versicherungsnehmerin dieser Versicherung ist die Antragstellerin. Als versicherte Personen werden die Antragstellerin und deren Sohn ausgewiesen. Wegen des Inhalts der von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen wird auf Bl. 45 - 62 der Senatsakte verwiesen.

Mit Schreiben vom 11.05.2017 und 16.05.2017 hat der Senat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass jedenfalls vor dem Hintergrund des Guthabens bei der H. Lebensversicherung zweifelhaft erscheine, ob hier ein Anordnungsgrund und -anspruch glaubhaft gemacht worden sei. Der Antragstellerin wurde Gelegenheit gegeben, zur Verwertbarkeit der Lebensversicherung umfassend und abschließend vorzutragen. Mit Schreiben vom 15.05.2017 und 22.05.2017 hat die Antragstellerin in Ergänzung zu ihrem bisherigen Vortrag ausgeführt, die Lebensversicherung bei der H. sei im Jahr 2003 und damit lange vor dem Leistungsbezug abgeschlossen worden. Nach Rücksprache mit der Versicherung sei ihr mitgeteilt worden, dass die Versicherung ihrem Sohn "gehöre" und sie diese "für ihn angespart" habe sowie dessen "Leben versichert" habe. Die Lebensversicherung sei monatlich mit 50 EUR vom Kindergeld angespart worden und deshalb nicht verwertbar. Das Kindergeld sei beim SGB II-Leistungsbezug angerechnet worden, so dass dieses bei einer Verwertung doppelt angerechnet werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge, sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 aaO). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO –); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbunden Belastungen – insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange der Antragsteller zu entscheiden (vgl. zu all dem Bundesverfassungsgericht, NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Maßgebend für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 42).

Der Antragstellerin ist es nicht gelungen einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig im Sinne des SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Vermögen iSv § 12 SGB II sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände. Hierzu gehören neben beweglichen Sachen und Immobilien auch verbriefte oder nicht verbriefte Forderungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufswerten aus Versicherungen. Der Berücksichtigung von Forderungen als Vermögen iSv § 12 SGB II steht nicht entgegen, dass weitere Verwertungshandlungen zwischengeschaltet werden müssen, um einen tatsächlichen Zufluss der Forderung als Einnahme in Geld oder Geldeswert und damit als Einkommen iS des § 11 SGB II zu erreichen. Daher können auch (künftig fällig werdende) Forderungen und Rechte, die als Vollrecht begründet sind, Vermögensgegenstände sein, die als nicht bereite Mittel im Fall ihrer Verwertbarkeit zur Existenzsicherung einzusetzen sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R -, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.01.2015 - L 5 AS 304/14 B ER -, juris). Verwertbare Vermögensgegenstände im Sinne von § 12 Abs. 1 SGB II sind mit ihrem Verkehrswert (§ 12 Abs. 4 Satz 1 SGB II) zu berücksichtigen.

Der Antragstellerin ist es vorliegend nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Der Senat kann insoweit offen lassen, ob das bei der D. B. geführte Aktiendepot auch noch nach dessen Auflösung und Übertragung des Gegenwertes auf die Mutter, der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs entgegensteht. Ein Anordnungsanspruch besteht nämlich jedenfalls auf Grund des Vermögens in Form der H. Lebensversicherung nicht.

Die H. Lebensversicherung weist zum 01.02.2017 einen Wert von 10.274,94 EUR auf, der den Vermögensfreibetrag der Antragstellerin übersteigt. Der Grundfreibetrag bei der am 05.03.1967 geborenen Antragstellerin beträgt 7.500 EUR (150,00 EUR x 50 Lebensjahre; § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) zzgl. des Freibetrags von 750,00 EUR für notwendige Anschaffungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II) und damit 8.250 EUR. Der Wert der Lebensversicherung übersteigt mit 10.274,94 EUR den Freibetrag auch dann noch mehr als nur unerheblich, wenn man - wie der Antragsgegner dies im Widerspruchsbescheid vom 15.12.2016 errechnet - einen zusätzlichen Freibetrag von 750 EUR (Gesamtfreibetrag in diesem Fall 9.000 EUR) wegen des Sohnes berücksichtigt. Ob hier tatsächlich ein weiterer Freibetrag von 750 EUR zu berücksichtigen ist, erscheint fraglich, da die Antragstellerin und ihr volljähriger Sohn, aufgrund des den Bedarf deckenden eigenen Einkommens des Sohnes, gerade keine Bedarfsgemeinschaft bilden (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Diese Frage kann jedoch aufgrund des in jedem Fall überschrittenen Freibetrags vorliegend dahinstehen. Solange ein den Freibetrag übersteigendes verwertbares Vermögen vorhanden ist, liegt keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II vor.

Eine Unverwertbarkeit der Lebensversicherung bei der H. ist von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht worden. Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch den rechtlichen Verhältnissen (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 2/09 R -, SozR 4-4200 § 12 Nr. 15). Tatsächlich nicht verwertbar sind danach Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder weil sie über den Marktwert hinaus belastet sind. Rechtlich nicht verwertbar ist ein Vermögensgegenstand, für den Verfügungsbeschränkungen bestehen, deren Aufhebung der Inhaber nicht erreichen kann. Tatsächliche oder rechtliche Hindernisse, die einer Verwertung der Lebensversicherung bei der H. entgegenstehen, können den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen nicht entnommen werden. Allein, dass es sich bei der H. Lebensversicherung um eine fondsgebunden Lebensversicherung mit dem Tarif "Kindervorsorgeprogramm" handelt und als versicherte Person neben der Antragstellerin auch deren Sohn genannt ist, belegt nicht, dass diese Versicherung nicht zeitnah aufgelöst und verwertet werden kann. Trotz entsprechendem Hinweis des Senats hat die Antragstellerin hierzu nichts Konkretes vorgetragen oder eine entsprechende Bestätigung der Versicherung bzw. die einschlägigen Versicherungsbedingungen vorgelegt, so dass hier rechtliche Hinderungsgründe, die einer Verwertung entgegenstehen, nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden können. Allein der Vortrag der Antragstellerin, ihr sei mitgeteilt worden, dass die Versicherung ihrem Sohn "gehöre" und sie diese "für ihn angespart" habe sowie dessen "Leben versichert" habe, genügt für eine entsprechende Glaubhaftmachung nicht. Dieser rechtlich zur Gänze unspezifische Vortrag kann bereits deshalb nicht genügen, da sich ein tatsächlich bestehendes rechtliches Verwertungshindernis zeitnah durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung der Versicherung und / oder Vorlage der einschlägigen Versicherungsbedingungen nachweisen ließe.

Da somit auch keine nachvollziehbaren Gründe vorgetragen wurden, die einer zeitnahen Verwertung in Form des Verkaufs, der Auflösung oder Beleihung entgegenstehen, sind zunächst die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 SGB II nicht glaubhaft gemacht, sodass eine darlehensweise Leistungsgewährung aktuell nicht in Betracht zu ziehen ist.

Die Lebensversicherung ist nicht mit dem die obengenannten Freibeträge überschießenden Anteil nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II geschützt, denn um eine nach Bundesrecht (§ 10a oder nach dem XI. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes; sog. "Riester-Anlageform") geförderte Anlageform oder einen sonstigen nach § 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifizierten Altersvorsorgevertrag handelt es sich unstreitig nicht. Auch die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II ist vorliegend nicht einschlägig. Danach sind vom Vermögen abzusetzen geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer unwiderruflichen vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 750,00 EUR je vollendetem Lebensjahr der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person und deren Partnerin oder Partner, höchstens jeweils den nach Satz 2 maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigt. Dass hier ein entsprechender Verwertungsausschluss vereinbart wurde, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und erst Recht nicht glaubhaft gemacht. Dies erscheint auch unwahrscheinlich, da die Lebensversicherung gerade nicht der Altersvorsorge der Antragstellerin selbst dienen sollte. Dementsprechend kommt auch ein Verwertungsschutz der Lebensversicherung nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nicht in Betracht. Nach dieser Bestimmung sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen als vom Inhaber für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person oder deren Partnerin oder Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind.

Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 1 SGB II ("offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung") sind gleichfalls nicht glaubhaft gemacht. Nach Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, liegt eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht; umgekehrt ist eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 68/06 R -, BSGE 100, 196-210, SozR 4-4200 § 12 Nr 8;). Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Verwertung ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers abzustellen; mithin ist zu ermitteln, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüber zu stellen, wobei sich der Substanzwert bei einem Lebensversicherungsvertrag aus den eingezahlten Beiträgen und der Verkehrswert aus dem Rückkaufswert der Versicherung (einschließlich der Überschussanteile) ergibt. Für das Kriterium der "offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit" maßgeblich abzustellen ist mithin auf die Verlustquote zwischen dem Substanzwert (= eingezahlte Beiträge) und dem Verkehrswert der Lebensversicherung (= Rückkaufswert). Von einer Unzumutbarkeit der Verwertung ohne Ermittlung weiterer Umstände ist die Rechtsprechung bei Verlustquoten von 48,2 % (BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 66/06 R -, BSGE 99, 77-87, SozR 4-4200, § 12 Nr. 5 ), von 44,26 % (BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 10/13 R -, BSGE 115, 148-158, SozR 4-4200, § 12 Nr. 23) sowie von 26,9 % (BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 6/07 R -, SozR 4-4200, § 12 Nr. 9) ausgegangen, während eine Verlustquote von 12,9 % (BSG, Urteil vom 06.09.2007, a.a.O.), von 8,49 % (BSG, Urteil vom 15.04.2008, a.a.O.) sowie von deutlich unter 10 % (BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R -, SozR 4-1200, § 14 Nr. 10) als hinnehmbar betrachtet worden sind. Trotz Hinweis des Senats auf diese Rechtslage wurde eine entsprechende Unwirtschaftlichkeit der Verwertung von der Antragstellerin weder behauptet und erst recht nicht glaubhaft gemacht.

Eine Unverwertbarkeit der Lebensversicherung ist - nach derzeitigem Sachstand - schließlich auch nicht auf Grund des Ausnahmetatbestandes des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II ("besondere Härte") gegeben. Erforderlich für eine besondere Härte sind außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls, die nicht bereits in § 12 Abs. 2 und 3 SGB II als Privilegierungstatbestände erfasst sind und die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (BSG, Urteil vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R -, BSGE 98, 243-256, SozR 4-4200, § 12 Nr. 4). Nach den Gesetzesmaterialien liegt ein Härtefall im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II etwa dann vor, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen muss, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweist (Bundestags-Drucksache 15/1749 S. 32). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Beispielsfall ist mithin nicht allein der Verlust einer Altersvorsorge und dessen Zeitpunkt, sondern beides nur zusammen mit der Versorgungslücke geeignet, eine besondere Härte zu begründen (vgl. BSG a.a.O.); es muss also eine Kumulation von Härtegesichtspunkten vorliegen. Derartige besondere Umstände des Einzelfalls sind hier nicht ersichtlich. Der Wunsch der Antragstellerin, ihren Sohn mit der H.Lebensversicherung abzusichern, ist nachvollziehbar, diese Absicherung kann jedoch nicht durch die Gewährung von SGB II-Leistungen und damit aus Steuermitteln finanziert werden. Die Antragstellerin kann nicht einerseits selbst Hilfebedürftigkeit geltend machen und gleichzeitig für nicht hilfebedürftige Dritte eine Vorsorgeleistung aufbauen. Soweit die Antragstellerin argumentiert, die H. Versicherung sei aus dem Kindergeld angespart worden und deshalb besonders geschützt, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Die Ansparbeträge für die Versicherung wurden ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge regelmäßig vom Girokonto der Antragstellerin überwiesen. Eine rechtliche Verbindung zum Kindergeldanspruch besteht damit nicht. Allein die Motivationslage der Antragstellerin vermag hieran nichts zu ändern.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die möglicherweise rechtswidrige Leistungsbewilligung trotz vorhandenen Vermögens in der Vergangenheit nicht dazu führt, dass auch künftig weiter Leistungen zu bewilligen sind. Das von der Antragstellerin bemühte Rechtsinstitut der Verwirkung ist insoweit nicht einschlägig. Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (BSG, Urteil vom 05.12.1972 - 10 RV 441/71 -, BSGE 35, 91-99, SozR Nr. 31 zu § 41 VerwVG). Solche die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 30.11.1978 - 12 RK 6/76 -, BSGE 47, 194-200, SozR 2200 § 1399, Nr. 11). Der Antragsgegner ist jedoch aufgrund seiner Bindung an Recht und Gesetz nicht dazu berechtigt rechtswidrige Leistungen zu bewilligen, so dass es hier schon an einem "Recht" fehlt, das der Antragsgegner verwirkt haben könnte.

Gründe, die nachvollziehbar ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lassen, bestehen nach alledem nicht. Der Antragstellerin steht es frei das vorhandene Vermögen (bis zur Freibetragsgrenze) zu verbrauchen und dann erneut Leistungen zu beantragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren sind mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Beschwerde (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung) nicht gegeben.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved