L 9 AS 1543/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 3332/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 1543/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M. vom 8. April 2016 wird zurückgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen trägt die der Beklagte ein Fünftel.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.08.2014 in Höhe von 2.243,34 EUR streitig.

Die 1964 geborene Klägerin stand seit Mai 2012 im Leistungsbezug des Beklagten. Mit Bescheid vom 21.06.2012 gewährte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Klägerin ab dem 01.09.2011 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Die Rente gelangte zunächst wegen Erwerbseinkommens der Klägerin nicht zur Auszahlung. Ab Ende März 2013 wurde die Rente ausgezahlt, zunächst in Höhe von monatlich 562,35 EUR, ab dem 01.07.2014 in Höhe von monatlich 573,17 EUR. Die Klägerin bezieht außerdem seit 01.02.2013 eine Rente der Zusatzversorgungskasse des K., die zunächst 181,15 EUR brutto (148,90 EUR netto), ab dem 01.07.2013 182,96 EUR brutto (150,39 EUR netto) und ab dem 01.07.2014 184,79 EUR brutto (151,90 EUR netto) betrug. Im Februar 2013 bezog die Klägerin Krankengeld in Höhe von 358,20 EUR.

Die Klägerin bewohnt eine 2-Zimmer-Wohnung in M., für die eine Grundmiete in Höhe von monatlich 350,00 EUR und Nebenkosten in Höhe von 70,00 EUR geschuldet waren. Die Wohnung wird mit Gas beheizt; die Gastherme befindet sich im Keller und wird mit Strom betrieben. Gasabschläge waren an den Energielieferanten in Höhe von monatlich 88,80 EUR zu erbringen. Die Warmwasseraufbereitung erfolgt in der Küche mittels eines Elektroboilers, im Bad mit einem batteriebetriebenen Gasdurchlauferhitzer. Die Abschlagszahlungen an den Stromanbieter betrugen im streitigen Zeitraum monatlich 59,80 EUR.

Die Klägerin gab in den Weiterbewilligungsanträgen vom 23.05.2013, 24.09.2013 und 02.04.2014 als Einkommen jeweils nur die von der Deutschen Rentenversicherung Bund gewährte Rente wegen Erwerbsminderung an.

Mit Bescheid vom 20.09.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 01.11.2012 bis 30.04.2013 vorläufig in Höhe von 900,70 EUR ohne Anrechnung von Einkommen. Mit Änderungsbescheid vom 29.01.2013 wurden für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis 30.04.2013 vorläufig Leistungen in Höhe von 392,55 EUR bewilligt, wobei die Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von 562,35 EUR abzüglich Freibetrag von 30,00 EUR angerechnet wurde. Mit Bescheid vom 15.02.2013 gewährte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis 28.02.2013 Leistungen in Höhe von 34,35 EUR unter Anrechnung der Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von 562,35 EUR sowie des Krankengelds in Höhe von 358,20 EUR. Mit Bescheid vom 06.06.2013 gewährte der Beklagte der Klägerin auf ihren Folgeantrag hin Leistungen für die Zeit vom 01.05.2013 bis 31.10.2013 in Höhe von 392,55 EUR unter Berücksichtigung eines Einkommens in Gestalt der Erwerbsminderungsrente in Höhe von 562,35 EUR. Mit Bescheid vom 25.09.2013 gewährte der Beklagte der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 01.11.2013 bis 30.04.2014 vorläufig in Höhe von monatlich 392,55 EUR; auch hier wurde das Einkommen in Form der Erwerbsminderungsrente in Höhe von 562,35 EUR abzüglich eines Freibetrages von 30,00 EUR berücksichtigt. Mit Änderungsbescheid vom 05.11.2013 wurden der Klägerin für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis 30.04.2014 Leistungen in Höhe von 396,65 EUR monatlich vorläufig bewilligt unter Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 562,35 EUR abzüglich Freibetrag von 30,00 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2013 wurden für die Zeit vom 01.01.2014 bis 30.04.2014 Leistungen in Höhe von 406,55 EUR endgültig bewilligt. Mit Bescheid vom 11.04.2014 gewährte der Beklagte der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 in Höhe von 406,55 EUR, wobei eine Rente wegen Erwerbsminderung als einziges Einkommen in Höhe von 562,35 EUR und unter Berücksichtigung des Freibetrags angerechnet wurde.

Mit Schreiben vom 10.04.2014 legte die Klägerin dem Beklagten Unterlagen über die Weiterbewilligung einer Zusatzrente des Z. vor.

Mit Schreiben vom 04.08.2014 hörte der Beklagte die Klägerin dazu an, dass sie im Zeitraum vom 01.02.2013 bis 31.08.2014 Leistungen in Höhe von 2.576,62 EUR zu Unrecht bezogen habe. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil sie in den Anträgen von September 2012, Juni 2013, September 2013 und April 2014 zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht habe. Die Klägerin äußerte sich hierzu nicht.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 09.09.2014 wurden die Bescheide vom 20.09.2012, 31.10.2012, 29.01.2013, 15.02.2013, 06.06.2013, 25.09.2013, 05.11.2013, 23.11.2013 und 11.04.2014 über die Bewilligung von Leistungen vom 01.02.2013 bis 31.08.2014 teilweise in Höhe von 2.576,62 EUR nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zurückgenommen. Die in den einzelnen Erstattungszeiträumen entstandenen Überzahlungen wurden aufgelistet und die Gesamtforderung mit 2.576,62 EUR errechnet. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Klägerin beziehe seit 01.02.2013 eine Betriebsrente der Stadt M., die sie in den Anträgen nicht angegeben habe. Nach § 43 SGB II könnten Geldleistungen in Höhe von 30 % der maßgeblichen Regelleistung aufgerechnet werden, dies solle erfolgen. Das hierbei zustehende Ermessen sei berücksichtigt worden, es seien weder im Leistungsverfahren entscheidungsrelevante Gründe vorgetragen worden, noch ergeben sich aus der Aktenlage Gründe, die gegen eine Aufrechnung sprächen. Der Beklagte sei verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln, sodass zeitnah offenstehende Forderung einzutreiben seien.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 25.09.2014 Widerspruch ein, der nicht begründet wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe im Zeitraum vom 01.02.2013 bis 31.08.2014 höhere Leistungen bezogen, als sie tatsächlich hätte beziehen dürfen. Denn es habe tatsächlich mehr anrechenbares Einkommen zur Verfügung gestanden als ursprünglich bei der Beantragung angegeben und bei der Bewilligung berücksichtigt. Der Beklagte habe von der Betriebsrente erst erfahren, als die Klägerin unter dem 10.04.2014 Unterlagen über die Weiterbewilligung einer Betriebsrente eingereicht habe. Das Einkommen sei bei der Berechnung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigen und in Abzug zu bringen. Mithin sei eine Überzahlung entstanden in Höhe von 2.882,42 EUR. Die Bewilligungsbescheide ohne Berücksichtigung auch des Einkommens der Zusatzversorgungskasse seien in Höhe der genannten Überzahlung von Anfang an rechtswidrig und daher nach § 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X zurückzunehmen gewesen. Die zu viel überwiesenen Leistungen seien zu erstatten. Tatsächlich zu viel überwiesen worden sei ein Betrag in Höhe von 2.882,42 EUR, in dem Bescheid vom 09.09.2014 sei jedoch nur eine überzahlte Leistung von 2.576,62 EUR zurückgefordert worden. Bei diesem Betrag müsse es verbleiben, zwar sei der Bescheid von 09.09.2014 insoweit rechtswidrig, jedoch verletze er damit nicht die Rechte der Klägerin, da diese nur begünstigt werde.

Hiergegen hat die Klägerin am 03.11.2015 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Trotz Aufforderung des SG ist die Klage nicht begründet worden. Unter dem 30.03.2016 hat die Klägerin lediglich mitteilen lassen, der Beklagte habe bei der Einkommensanrechnung ihre Kfz-Haftpflichtversicherungsbeiträge nicht berücksichtigt. Insoweit sei ebenfalls eine Korrektur vorzunehmen.

Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 abgewiesen. Soweit der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden teilweise eine falsche Rechtsgrundlage für die Aufhebung und die Erstattungsforderung genannt habe, sei diese unschädlich. Der Bescheid vom 15.02.2013 habe die Bewilligung für den Monat Februar 2013 bereits endgültig festgelegt, auch die Bewilligung für den Zeitraum vom 01.05.2013 bis 31.10.2013 sei mit dem Bescheid vom 06.06.2013 nicht vorläufig, sondern endgültig erfolgt. Die Bewilligung für März 2013 und April 2013 sowie für den Zeitraum ab 01.11.2013 bis 31.08.2014 sei jedoch in den Bescheiden jeweils nur vorläufig erfolgt, also gemäß § 328 SGB III in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Ziffer 1 SGB II. Bei einer vorläufigen Bewilligung erfolge aber, außer bezüglich der Regelung über die Vorläufigkeit, eine Änderung der Bewilligung in der Regel nicht über die §§ 45 ff. SGB X, sondern über die Festsetzung einer endgültigen Bewilligung. Die Regelung des § 45 SGB X sei daher in Bezug auf die genannten Zeiträume der vorläufigen Bewilligung die unzutreffende Rechtsgrundlage. Die Klägerin sei hierdurch jedoch nicht beschwert. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien wesentlich strenger als die der endgültigen Festsetzung der Bewilligung nach § 328 Abs. 3 SGB III in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Ziffer 1 SGB II. Die Anwendung der insoweit unzutreffenden Rechtsgrundlage führe damit nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Die Klägerin habe im Zeitraum von Februar 2013 bis August 2014 Leistungen in Höhe von 2.882,42 EUR zu Unrecht bezogen. Denn sie habe in Form der Zusatzrente ein deutlich höheres Einkommen als von ihr angegeben und dementsprechend vom Beklagten berücksichtigt erzielt. Die ursprüngliche Bewilligung sei daher in der aufgehobenen Höhe rechtswidrig. Bezüglich der Bemessung des Regelbedarfs sowie des zur Verfügung stehenden Einkommens im Erstattungszeitraum hat das SG auf die Darstellungen im Widerspruchsbescheid vom 30.09.2015 nach § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen. Soweit die Klägerin vorbringe, der Beklagte habe bei der Einkommensanrechnung die Kfz-Haftpflichtbeiträge nicht berücksichtigt, sei dies unschädlich. Der Beklagte habe den bei Einkommen zu berücksichtigenden Freibetrag von 30,00 EUR abgesetzt. Eine weitere Berücksichtigung von Versicherungsbeiträgen sei nicht möglich. Zum einen sei der Kfz-Haftpflichtbeitrag nicht belegt, die Klägerin übersehe aber vor allem offenbar, dass die Berücksichtigung von Versicherungsbeiträgen über die Pauschale von 30,00 EUR hinaus nur bei erwerbstätigen Leistungsberechtigten möglich sei. Auch die in dem Bescheid vom 09.09.2014 erfolgte Aufrechnungserklärung nach § 43 Abs. 1 SGB II sei zu Recht erfolgt. Die Klägerin habe weder im Widerspruchsverfahren noch im Klageverfahren irgendwelche Gründe für die Erhebung des Widerspruchs bzw. die Einlegung der Klage vorgebracht, sodass auch insoweit nicht zu erkennen sei, inwieweit sie durch die getroffene Regelung in ihren Rechten verletzt sein sollte.

Die Klägerin hat hiergegen am 25.04.2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung vorgetragen, Leistungen für den streitigen Zeitraum seien von dem Beklagten bislang lediglich vorläufig bewilligt worden. Damit ein Erstattungsanspruch entstehen könne, müsse die Leistung zuvor endgültig bewilligt werden. Der streitgegenständliche Erstattungsbescheid ersetze eine endgültige Bewilligung nicht. Die Behörde sei verpflichtet, nach Klärung der Einkommensverhältnisse die Leistungen endgültig festzusetzen. Außerdem sei kein Änderungsbescheid erlassen worden, der die nun zustehenden Leistungsbeträge ausweise. Der vorherige Bescheid mit den angeblich überzahlten Leistungen entfalte somit noch Wirkung und stelle einen Rechtsgrund für die überzahlten Leistungen dar. Ferner sei weder die Kfz-Haftpflichtversicherung vom Einkommen abgesetzt noch der Mehrbedarf für die Stromkosten zum Betrieb der Gastherme als Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt worden.

Nachdem die Klägerin Nachweise über die Kfz-Versicherung vorgelegt hatte (Gesamtbeitrag ab 01.01.2013 monatlich 28,63 EUR, allein Haftpflicht 18,75 EUR, ab 01.01.2014 monatlich 30,22 EUR, allein Haftpflicht 19,88 EUR), wurden mit Änderungsbescheiden vom 29.04.2016 die Leistungen u.a. für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.10.2014 neu berechnet und für die Zeit vom 01.03.2013 bis 30.04.2013 monatlich 285,17 EUR, für die Zeit vom 01.05.2013 bis 30.06.2013 monatlich 285,17 EUR, für die Zeit vom 01.07.2013 bis 30.09.2013 monatlich 283,68 EUR, für die Zeit vom 01.11.2013 bis 31.12.2013 monatlich 283,68 EUR, für die Zeit vom 01.01.2014 bis 30.04.2014 monatlich 295,37 EUR, für die Zeit vom 01.05.2014 bis 30.06.2014 monatlich 295,37 EUR und für die Zeit vom 01.07.2014 bis 31.10.2014 monatlich 283,04 EUR bewilligt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2017 hat der Beklagte im Rahmen eines Teilanerkenntnisses die Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin aus diesem Verfahren auf 2.043,34 EUR reduziert. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 8. April 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2015 aufzuheben, soweit die Aufhebung und Erstattungsforderung über das Teilanerkenntnis des Beklagten hinausgeht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf das bisherige Vorbringen und die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Einen in der mündlichen Verhandlung widerruflich geschlossenen Vergleich hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.05.2017 widerrufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig; Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist über das angenommene Teilanerkenntnis des Beklagte vom 16.05.2017 hinaus nicht begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind der Bescheid des Beklagten vom 09.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2015 sowie die Bescheide vom 29.04.2016. Diese während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide sind über § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, da sie die streitgegenständlichen Bescheide hinsichtlich der Höhe der aufgehobenen Leistungen abgeändert haben.

Gegen die Rücknahme der Leistungsbewilligung und Geltendmachung der Erstattungsforderung wendet die Klägerin sich zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG).

Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Leistungen in der Zeit vom 01.02.2013 bis 31.08.2014 sind § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB II - in der hier anzuwendenden und bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung (a.F.) - und § 330 Abs. 2 SGB III.

Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten ist formell rechtmäßig. Die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung ist erfolgt. Die Klägerin ist mit Schreiben vom 04.08.2014 zu der beabsichtigten Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.08.2014 angehört worden. Der Senat kann offen lassen, ob dieses Schreiben bereits alle entscheidungserheblichen Tatsachen enthielt, denn ein eventueller Verfahrensfehler ist zumindest im Widerspruchsverfahren geheilt worden.

Auch die materiellen Voraussetzungen für die teilweise Rücknahme der Bescheide vom 29.01.2013, 15.02.2013, 06.06.2013, 25.09.2013, 05.11.2013, 23.11.2013 und 11.04.2014 sind gegeben.

Der Senat weist zunächst darauf hin, dass der Rücknahme der Bescheide vom 29.01.2013, 25.09.2014, 05.11.2013 und 11.04.2014 nicht entgegensteht, dass es sich bei diesen Bescheiden um nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III vorläufige Bewilligungsbescheide gehandelt hat. Zwar hätte es wegen der Vorläufigkeit der Bewilligungsentscheidungen einer Aufhebung nach § 45 SGB X grundsätzlich nicht bedurft (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 01.07.2010, B 11 AL 19/09 R, Juris). Der Beklagte hätte auch einen endgültigen Bescheid erlassen können. Soweit vorläufige Bewilligungsbescheide aber – wie vorliegend – von Anfang an rechtswidrig waren, können sie auch nach § 45 SGB X zurückgenommen werden (BSG, Urteil vom 19.08.2015, B 14 AS 13/14 R, Juris).

Die materiellen Voraussetzungen des § 45 SGB X sind erfüllt. § 45 SGB X regelt in Abgrenzung zu § 48 SGB X, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungskat nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Der Begünstige kann sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Die Betriebsrente der Z. gelangte erstmals im Februar 2013 zur Auszahlung. Der Klägerin wurden für den Monat Februar 2013 zuletzt mit Bescheid vom 15.02.2013 Leistungen bewilligt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch einen Änderungsbescheid eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen wird (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2012, B 14 AS 196/11 R, Juris), war hier auf den letzten Änderungsbescheid abzustellen, der diesen Zeitraum betrifft, mithin auf den Bescheid vom 15.02.2013.

Diese Bewilligung war, wie auch die Bewilligungen für die Folgezeiträume, aber von Anfang an rechtswidrig, denn die Klägerin hatte bereits bei Erlass dieser Bescheide aufgrund des anzurechnenden Einkommens aus der Z. einen geringeren Leistungsanspruch als bewilligt.

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Gewährung von Leistungen dem Grunde nach waren im streitigen Zeitraum erfüllt. Die 1964 geborene Klägerin hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet und war erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II, da eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter drei Stunden arbeitstäglich nicht gegeben war. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hatte mit Bescheid vom 21.06.2012 der Klägerin ab dem 01.09.2011 lediglich eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt.

Die Klägerin war im streitigen Zeitraum auch hilfebedürftig, aber nicht in dem bei der Leistungsbewilligung durch den Beklagten angenommenen Umfang. Hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind alle Einnahmen in Geld mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge als Einkommen zu berücksichtigen. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Norm sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen.

Bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist damit neben der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung im streitigen Zeitraum auch die Betriebsrente der Z., die ab dem 01.02.2013 zur Auszahlung gelangte. Ausweislich der Übersicht der Z. vom 22.07.2014 (Bl. 105 V-Akten Bd. III b) betrug die Rente zunächst 181,15 EUR brutto (148,90 EUR netto), ab dem 01.07.2013 182,96 EUR brutto (150,39 EUR netto) und ab dem 01.07.2014 184,79 EUR brutto (151,90 EUR netto). Gründe dafür, dass die Rente nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen wäre, bestehen nicht und werden durch die Klägerin auch nicht vorgetragen.

Die rechtswidrige Leistungsbewilligung beruhte auf Angaben, die die Klägerin vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat; die Klägerin hätte auch die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung erkennen können. Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X für die rückwirkende Aufhebung liegt damit nicht vor, denn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X sind gegeben.

Die Klägerin hat erstmals am 10.04.2014 eine Auskunft über die Betriebsrente vorgelegt; eine Mitteilung über den Bezug der Betriebsrente zeitnah zur erstmaligen Auszahlung im Februar 2013 findet sich in den Akten nicht. Die Klägerin hat vielmehr in den Weiterbewilligungsanträgen vom 23.05.2013 und 02.04.2014 als Einkommen jeweils nur die von der Deutschen Rentenversicherung Bund gewährte Rente wegen Erwerbsminderung angegeben. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat aber, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Der unrichtigen oder unvollständigen Angabe von Tatsachen ist eine vorsätzliche oder grob fahrlässig unterlassene Nichtangabe von wesentlichen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung gleichzustellen (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 89/12 R, Juris).

Die Klägerin handelte hier zur Überzeugung des Gerichts zumindest grob fahrlässig. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgebend hierfür ist die persönliche Einsichtsfähigkeit des Begünstigten (subjektiver Sorgfaltsmaßstab, vgl. BSG, Urteil vom 20.09.1977, 8/12 RKg 8/76, Juris Rdnr. 24 ff.; BSG, Urteil vom 23.07.1996, 7 RAr 14/96, Juris Rdnr. 22; Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45, Rdnr. 52; Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 2012, § 45 SGB X, Rdnr. 39 f.; Heße in BeckOK, SGB X, § 45 Rdnr. 24 f.). Die erforderliche Sorgfalt verletzt, wer einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Werden gesetzliche Vorschriften, auf die der Leistungsträger gesondert den Leistungsempfänger hingewiesen hat, außer Acht gelassen, ist in der Regel von grober Fahrlässigkeit auszugehen, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und nach seinem Bildungsstand die Vorschrift nicht verstanden hat (vgl. BSG, Urteil vom 20.09.1977, 8/12 RKg 8/76, Juris Rdnr. 24 ff.). Vorliegend hat der Beklagte in seinen jeweiligen Antragsformularen eindeutig und unmissverständlich die besondere Bedeutung von Einkommen hervorgehoben und deutlich darauf hingewiesen, dass in Bezug auf Einkommen besondere Mitteilungspflichten bestehen. Der Klägerin musste daher bewusst sein, dass Einkommen ihren Leistungsanspruch mindern kann und sie dieses Einkommen melden muss. Dies hat sie nicht getan und es daher zumindest grob fahrlässig unterlassen, vollständige Angaben zu machen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Dass die Klägerin angesichts ihrer persönlichen Einsichtsfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, diese Hinweise zu verstehen und danach zu handeln, ist weder vorgetragen, noch ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte hierfür. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin die Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund angegeben hat und sich hieraus schließen lässt, dass sie ihre Mitteilungspflicht kannte.

Allerdings lag die erstmalige Mitteilung über den Bezug der Betriebsrente der Z. am 10.04.2014 und damit vor Erlass des Bescheides vom 11.04.2014 vor, so dass der Klägerin hier der Vorwurf der Verletzung der Mitteilungspflicht nicht gemacht werden kann. Die Klägerin hätte aber bei Erhalt des Bescheids vom 11.04.2012 wie auch bei Erhalt der seit Bezug der Betriebsrente erlassenen Bewilligungsbescheide erkennen können und müssen, dass allein die Rente wegen Erwerbsminderung angerechnet wurde; Zweifel daran, dass es der Klägerin im Hinblick auf ihre persönliche Einsichts- und Kritikfähigkeit möglich gewesen wäre, zu erkennen, dass die Betriebsrente nicht als Einkommen berücksichtigt wurde, bestehen nicht. Angesichts dessen kann davon ausgegangen werden, dass sie die Rechtswidrigkeit der Leistungsbescheide zumindest grob fahrlässig nicht erkannt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).

Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X für die Aufhebung der rechtswidrigen Leistungsbescheide hat der Beklagte eingehalten. Ermessen war nicht auszuüben (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III).

Der Beklagte hat daher die Leistungen zu Recht aufgehoben.

Rechtswidrig ist allerdings die Höhe der mit Bescheid vom 09.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.09.2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29.04.2016 aufgehobenen Leistungen.

Der Senat stellt zunächst fest, dass die Klägerin für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.12.20124 einen Bedarf für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 428,99 EUR hatte, der sich aus dem Regelbedarf in Höhe von 382,00 EUR, einem Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 38,20 EUR und einem Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 Satz 2 Ziff. 1 SGB II wegen der dezentralen Warmwassererzeugung in Höhe von 8,79 EUR zusammensetzt. Für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.08.2014 errechnet sich ein Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts von 439,09 EUR (391,00 EUR Regelleistung, 39,10 EUR Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, 8,99 EUR Mehrbedarf für Warmwassererzeugung).

Die Klägerin hat darüber hinaus Anspruch auf Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 513,24 EUR.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt soweit diese angemessen sind. Als Kosten für Unterkunft und Heizung sind von der Beklagten anerkannt und zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum die Grundmiete in Höhe von 350,00 EUR, Nebenkosten in Höhe von 70,00 EUR und Heizkosten in Höhe der monatlichen Gasabschläge von 88,80 EUR zu berücksichtigen.

Darüber hinaus sind die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage in die Berechnung der angemessenen Kosten einzustellen (vgl. BSG, Urteile vom 03.12.2015, B 4 AS 47/14 R; vom 07.07.2011, B 14 AS 51/10 R, Beschluss vom 26.05.2010, B 4 AS 7/10 B, Urteil vom 19.09.2008, B 14 AS 54/07 R, Juris). Grundsätzlich sind die tatsächlichen Aufwendungen bei der Berechnung der Leistungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen. Die Bestimmung der Höhe unterliegt jedoch der tatsächlichen Schwierigkeit, dass es vorliegend an einer Vorrichtung, etwa einem separaten Zäher bzw. Zwischenzähler, fehlt, mit dessen Hilfe die konkreten Kosten bestimmt werden könnten. Der gesamte Haushaltsstrom der Klägerin wird über einen Zähler erfasst; ein gesonderter Zähler hinsichtlich des Betriebs der Gastherme ist nicht angebracht. Die Ermittlung der konkreten Kosten wäre nur mittels eines Sachverständigengutachtens und - wohl auch in diesem Rahmen - einer Schätzung der Betriebsdauer der Anlage möglich. Dieses Vorgehen stünde im Hinblick auf die Bedeutung des hier streitigen Berechnungselements für die Höhe der gesamten Leistungen für Unterkunft und Heizung in keinem Verhältnis (BSG, Urteil vom 03.12.2015, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, bestehen in Fällen wie dem vorliegenden keine Bedenken, unter Anwendung von § 202 SGG, § 287 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die Aufwendungen zu schätzen. Nach § 287 Abs. 2 ZPO sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen als der Schadensermittlung die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Beurteilung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen. In diesem Fall entscheidet das Gericht nach § 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Höhe der Forderung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung und es bleibt gemäß § 287 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO seinem Ermessen überlassen, ob und inwieweit von Amts wegen eine Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuordnen ist (BSG, Urteil vom 03.12.2015, a.a.O.). Anknüpfungspunkte für die Schätzung ergeben sich nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 03.12.2015, a.a.O.) aus den in der mietrechtlichen Rechtsprechung gebräuchlichen Berechnungsmethoden. Sie stellen entweder auf einen geschätzten Anteil (üblicherweise 4-10 %) der Brennstoffkosten ab (BSG, Urteil vom 20.02.2008, VIII ZR 27/07, Bayerisches OLG, Beschluss vom 10.01.1997, 2ZBR 35/96, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.03.2011, L 12 AS 2404/08, Juris) oder auf den geschätzten Stromverbrauch der Heizungsanlage während der ebenfalls geschätzten durchschnittlichen Betriebsstunden ihrer wesentlichen elektrischen Vorrichtungen (OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2005, 15 W 375/04, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.03.2011, L 5 AS 427/10 B ER, Juris). Der Senat hat keine Anhaltspunkte, um den Stromverbrauch der Heizungsanlage während ihrer wesentlichen elektrischen Vorrichtungen schätzen zu können. Er hält es daher für sachgerecht, einen geschätzten Anteil der Brennstoffkosten als Grundlage für die Bestimmung der Kosten für den Betrieb der Heizungsanlage heranzuziehen, und insoweit einen Anteil von 5 % für gerechtfertigt (vgl. auch Piepenstock in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22 Rdnr. 137.1). Ausgehend von den Brennstoffkosten in Höhe von monatlich 88,80 EUR ergibt sich ein weiterer Bedarf in Höhe von monatlich 4,44 EUR. Für den streitgegenständlichen Zeitraum errechnet sich somit ein Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 513,24 EUR.

Die Klägerin hat somit im Jahr 2013 einen monatlichen Gesamtbedarf in Höhe von 942,23 EUR und im Jahr 2014 in Höhe von monatlich 952,33 EUR, wohingegen der Beklagte bei den Änderungsbescheiden vom 29.04.2016 die Stromkosten für den Betrieb der Gastherme nicht berücksichtigt hat und für das Jahr 2013 von einem monatlichen Bedarf von 927,79 EUR und für das Jahr von einem monatlichen Bedarf von 947,89 EUR ausging.

Der Beklagte hat bei der ursprünglichen Einkommensanrechnung die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung nicht einkommensmindernd berücksichtigt. Vom Einkommen sind nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Ziff. 1 Alg II-Verordnung ein Betrag von 30,00 EUR sowie der nach § 11b Abs. 3 SGB II zu berücksichtigende Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung abzuziehen. Entgegen der Berechnung des Beklagten in den Bescheiden vom 29.04.2016 ist hingegen der Beitrag für die Kasko-Versicherung nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen, da allein die Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 1. Alt. SGB II abzugsfähig sind (vgl. BT-Drs. 15/1749, Seite 31); die Beiträge zur Kaskoversicherung sind nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2. Alt. SGB II nur dann in Abzug zu bringen, wenn sie nach Grund oder Höhe angemessen sind. Bezüglich der Angemessenheit der Höhe nach begrenzt § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-Verordnung die absetzbaren Beiträge auf monatlich 30,00 EUR, so dass über den - hier erfolgten - Abzug der Versicherungspauschale hinaus kein Anspruch auf Abzug weiterer Beträge für die Kaskoversicherung besteht. Einkommensmindernd zu berücksichtigen wären daher neben der Versicherungspauschale in Höhe von monatlich von 30,00 EUR allein die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 18,75 EUR für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.12.2013 und in Höhe von monatlich 19,88 EUR für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.08.2014.

Der Beklagte ist damit in den Änderungsbescheiden vom 29.04.2016 von einem höheren Leistungsanspruch ausgegangen als er auch unter Berücksichtigung der unberücksichtigt gebliebenen Stromkosten für den Betrieb der Gastherme bestanden hätte. Ausgehend von den Bewilligungen mit den Änderungsbescheiden vom 29.04.2016 ergibt sich ein Differenzbetrag zwischen Bewilligung und Anspruch in Höhe von 2.043,34 EUR, der sich wie folgt errechnet:

Monat Bewilligt (urspr.) Bewilligt Bescheide v. 29.04.2016 Differenz 02/2013 34,35 EUR - 34,35 EUR 03/2013 392,55 EUR 285,17 EUR 107,38 EUR 04/2013 392,55 EUR 285,17 EUR 107,38 EUR 05/2013 392,55 EUR 285,17 EUR 107,38 EUR 06/2013 392,55 EUR 285,17 EUR 107,38 EUR 07/2013 392,55 EUR 283,68 EUR 108,87 EUR 08/2013 392,55 EUR 283,68 EUR 108,87 EUR 09/2013 392,55 EUR 283,68 EUR 108,87 EUR 10/2013 392,55 EUR - 112,82EUR 11/2013 396,65 EUR 283,68 EUR 112,97 EUR 12/2013 396,65 EUR 283,68 EUR 112,97 EUR 01/2014 406,55 EUR 295,37 EUR 111,18 EUR 02/2014 406,55 EUR 295,37 EUR 111,18 EUR 03/2014 406,55 EUR 295,37 EUR 111,18 EUR 04/2014 406,55 EUR 295,37 EUR 111,18 EUR 05/2014 406,55 EUR 295,37 EUR 111,18 EUR 06/2014 406,55 EUR 295,37 EUR 111,18 EUR 07/2014 406,55 EUR 283,04 EUR 123,51 EUR 08/2014 406,55 EUR 283,04 EUR 123,51 EUR SUMME 2043,34 EUR

Der Beklagte durfte daher für den streitigen Zeitraum Leistungen in Höhe von insgesamt 2.043,34 EUR aufheben; dem hat er mit dem Teilanerkenntnis vom 16.05.2016 Rechnung getragen.

Rechtsgrundlage der festgesetzten Erstattungsforderung ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt wirksam aufgehoben wurde. Diese Voraussetzungen liegen vor, wobei die Erstattungssumme auf 2.043,34 EUR zu reduzieren war; dem hat der Beklagte mit seinem Teilanerkenntnis vom 16.05.2017 ebenfalls entsprochen.

Die Aufrechnung wurde vom Beklagten in rechtmäßiger Weise erklärt. Er hat insofern von seinem Ermessen Gebrauch gemacht. Die Klägerin hat weder im Rahmen der Anhörung noch später Umstände vorgetragen, die gegen eine Aufrechnung i.H.v. 39,10 EUR monatlich sprechen könnten. Es sind hierfür auch keine Anhaltspunkte erkennbar. Die Höhe entspricht betragsmäßig dem in § 43 SGB II genannten möglichen Aufrechnungsbetrag von höchstens 30 % der maßgeblichen Regelleistung. Der Beklagte hat sein ihm zustehendes Ermessen zwar knapp, aber in nicht zu beanstandender Art und Weise ausgeübt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Umfang, in dem das Verfahren hinsichtlich der Höhe der Aufhebung und der geltend gemachten Erstattungsforderung erfolgreich gewesen ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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