L 11 R 1682/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 1061/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1682/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26.02.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Befristung ihrer Rente bis 31.08.2013.

Die 1977 geborene Klägerin ist gelernte Buchhalterin und war zuletzt versicherungspflichtig beschäftigt als Verwaltungsangestellte in einer Sanitärgroßhandelsfirma vom 01.03. bis 12.09.2011. Anschließend war sie arbeitsunfähig krank und bezog Krankengeld bis 12.02.2013. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 vH ist anerkannt.

Am 28.01.2013 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Sie halte sich seit Juni/Juli 2012 für erwerbsgemindert wegen LWS-Beschwerden seit dem 12. Lebensjahr, die mit einem Reitunfall im Jahr 1998 stetig schlimmer geworden seien. Trotz medizinischer Behandlung und Dauermedikation bekomme sie ihre Schmerzen nicht in den Griff.

Die Beklagte veranlasste eine orthopädische Begutachtung bei Dr. L., der im Gutachten vom 11.03.2013 ein chronisch myofasziales und lumbales bzw ISG-Schmerzsyndrom mit eingeschränkter Mobilität bei Schmerzen in Ruhe und bei Belastung feststellte. Leichte körperliche Arbeiten könnten noch drei bis vier Stunden täglich zugemutet werden. Die Beklagte holte zusätzlich ein nervenärztliches Gutachten ein. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 12.04.2013 ein chronifiziertes Schmerzsyndrom bei generalisierter Hyperalgesie iS einer somatoformen Schmerzstörung sowie Carpaltunnelsyndrom beidseits. Von der Gesamtbeeinträchtigung in den Aktivitäten des täglichen Lebens her sehe er aus nervenärztlicher Sicht keinen Grund für ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen.

Vom 17.07. bis 28.08.2013 absolvierte die Klägerin sodann eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme in Bad C ... Sie wurde mit den Diagnosen chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, arterielle Hypertonie medikamentös kompensiert, Struma nodosa und Adipositas Grad I arbeitsunfähig entlassen. Es wurde eingeschätzt, dass eine berufliche Tätigkeit nur noch unter drei Stunden täglich ausgeübt werden könne (Entlassungsbericht vom 02.09.2013).

Die Beklagte holte Stellungnahmen ihres ärztlichen Dienstes ein (Dr. St. 05.11.2013 und Dr. Bö.-Br. 15.11.2013) und bewilligte anschließend mit Bescheid vom 18.12.2013 der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.01. bis 31.08.2013. Mit ihrem Widerspruch vom 30.12.2013 machte die Klägerin geltend, dass sie die zeitliche Befristung der Rente nicht nachvollziehen könne im Hinblick auf das Ergebnis der Rehabilitation.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der psychosomatische Entlassungsbericht sei mit der Annahme einer tiefergreifenden Leistungsminderung nicht überzeugend. Durch die Untersuchungen während der Reha-Maßnahme seien neuropsychiatrischerseits keine signifikanten Störungen belegt worden. Die Leistungsbeurteilung scheine auf der Grundlage subjektiver Beschwerdeschilderungen bei fehlenden schweren Einschränkungen der Alltagsaktivitäten und Tagesstruktur erfolgt zu sein.

Hiergegen richtet sich die am 02.04.2014 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Es sei nicht nachvollziehbar, mit welcher Begründung die Beklagte die weitere Rentengewährung über den 31.08.2013 hinaus abgelehnt habe.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Fachärztin für Anästhesiologie Dr. R. hat mitgeteilt, sie habe bei der Klägerin eine somatoforme Störung, Schlafstörung, chronische LWS-Schmerzen und diverse Medikamentenunverträglichkeiten festgestellt. Eine enorme Diskrepanz zwischen dem Verhalten und der angegebenen Schmerzintensität sei aufgefallen. Zuletzt habe sie die Klägerin im Oktober 2012 behandelt (Schreiben vom 27.05.2014). Der Hausarzt Dr. K. hat mit Schreiben vom 24.06.2014 über ein chronisches Schmerzsyndrom, arterielle Hypertonie, Struma nodosa, Adipositas sowie ein BWS- und LWS-Syndrom berichtet. Nach seiner Auffassung könne die Klägerin nur noch drei Stunden täglich arbeiten. Die Fachärztin für Anästhesiologie Dr. Ka.-Sch. hat mitgeteilt, dass ein chronischer Schmerz mit Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen, ein chronisch degeneratives HWS-Syndrom, Protrusionen C5/C7, muskuläre Verspannungen, ein chronisch degeneratives BWS- und LWS-Syndrom sowie ein Verdacht auf mittelschwere Depression bestehe. Tätigkeiten bis zu drei Stunden täglich hält sie für möglich (Schreiben vom 28.07.2014).

Ergänzend hat das SG ein orthopädisches Gutachten bei Dr. Re. eingeholt. Im Gutachten vom 21.10.2014 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - muskulär statisches Beschwerdebild der HWS ohne funktionelle Einschränkungen der Beweglichkeit, ohne neurologische Ausfallerscheinungen - im Bereich der BWS muskulär statisches Schmerz- und Reizsyndrom bei beginnenden Verschleißerscheinungen des thorakolumbalen Übergangsbereichs ohne Einschränkungen der Beweglichkeit oder neurologische Ausfallerscheinungen bei alter BWK 6 Deckplattenimpressionsfraktur ohne Gibbus-Bildung - im Bereich der LWS muskulär statisches Schmerz- und Reizsyndrom ohne vorauseilende Abnutzungserscheinungen und ohne neurologische Ausfallerscheinungen - auf nichtorthopädischem Fachgebiet arterielle Hypertonie, Schilddrüsenunterfunktion, Übergewicht, Gebärmutterentfernung, Endometriose. Aus orthopädischer Sicht sei das Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung nicht eingeschränkt. Es liege aber wohl eine ausgeprägte Schmerzverarbeitungsstörung vor, die neurologisch-psychiatrisch begutachtet werden solle.

In dem daraufhin eingeholten Gutachten vom 13.04.2015 gelangt Prof. Dr. Schw., Chefarzt des Psychiatrischen Zentrums N., zu der Einschätzung, dass die Klägerin bei Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten könne ohne besondere Stressbelastung und ohne Nachtschicht. Im Hinblick auf Kritik der Klägerin an dieser gutachterlichen Beurteilung hat das SG eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. Schw. eingeholt. Dieser ist bei seiner Beurteilung geblieben (Schreiben vom 29.10.2015).

Mit Urteil vom 26.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Gestützt auf die Gutachten von Dr. Re., Prof. Dr. Schw. sowie die Verwaltungsgutachten von Dr. L. und Herrn M. sei die Klägerin über den 31.08.2013 hinaus nicht erwerbsgemindert. Orthopädischerseits lägen keine höhergradigen strukturellen Schädigungen der Wirbelsäule oder der Muskulatur vor, die eine rentenrelevante Leistungsminderung objektivieren könnten. Eine krankheitswerte depressive Symptomatik habe durch Prof. Dr. Schw. ausgeschlossen werden können. Der Auffassung der behandelnden Ärzte Dr. K. und Dr. Ka.-Sch. habe vor dem Hintergrund der Gutachten nicht gefolgt werden können. Auch der Entlassungsbericht der Rehabilitationsmaßnahme in Bad C. sei in seiner Schlussfolgerung auf ein gemindertes Leistungsvermögen nicht nachzuvollziehen. Der psychische Befund sei weitgehend unauffällig gewesen. Die diskrete affektive Symptomatik sei von den damaligen Behandlern offenkundig nicht als klinisch relevant eingestuft worden.

Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 22.04.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 06.05.2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG habe sich ausschließlich auf die eingeholten Gutachten gestützt und andere Berichte, die eindeutig für eine fortdauernde Erwerbsminderung sprächen, zum größten Teil unberücksichtigt gelassen. Aus der 6-wöchigen Reha-Maßnahme sei die Klägerin mit einem unter dreistündigen Arbeitsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen worden. Angesichts der Dauer der Maßnahme müsse davon ausgegangen werden, dass sich die Einrichtung ein genaues Bild von den gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin habe machen können. Die Gutachter hätten die Klägerin dagegen nur einmalig gesehen. Dem Gutachten von Herrn M. sei zudem auch die Beklagte nicht gefolgt, denn sie habe Erwerbsminderungsrente bis 31.08.2013 bewilligt. Auch könne die Einschätzung der behandelnden Ärzte nicht einfach wegen fehlendem Facharztstandard (Dr. K.) bzw als nicht objektiv (Dr. Ka.-Sch.) außer Betracht gelassen werden. Es sei undenkbar, dass sich der Gesundheitszustand von einem Tag auf den anderen derart bessere, dass von einem unter dreistündigen Leistungsvermögen dieses auf über sechs Stunden ansteige. Genau diese Auffassung vertrete die Beklagte jedoch, wenn sie die Rentenbewilligung über den 31.08.2013 hinaus ablehne. Selbst wenn zum aktuellen Zeitpunkt ggf ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehen sollte, bedeute dies nicht, dass dies auch im September 2013 gegolten habe. Dazwischen liege ein Zeitraum von rund dreieinhalb Jahren. Ergänzend hat die Klägerin den Arztbrief von PD Dr. Zink vom 23.02.2016 vorgelegt, mit dem die Diagnose eines lumbalen Nervenwurzelreizsyndroms L3 und L4 links extraspinal mitgeteilt wird.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26.02.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 18.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 31.08.2013 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren fachorthopädisch-unfallchirurgischen Gutachtens bei Dr. Th. In dem Gutachten vom 25.01.2017 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - beginnende degenerative Verschleißerscheinungen der BWS; konservativ behandelte Deckplattenimpressionsfraktur BWK 6 1998 mit endgradiger Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfallsymptomatik - beginnende degenerative Verschleißerkrankung der LWS mit endgradiger Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfallsymptomatik - Schilddrüsenfunktionsstörung, medikamentös behandelt - arterielle Hypertonie, medikamentös behandelt. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen, Heben und Tragen über 10 kg, permanente Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten ohne Nachtschicht seien mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar.

Mit Schreiben der Berichterstatterin vom 28.03.2017 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30.04.2017 gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen und dies nach eingehenden medizinischen Sachverhaltsermittlungen zutreffend und nachvollziehbar begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente über den 31.08.2013 hinaus, da sie im Zeitraum ab 01.09.2013 nicht erwerbsgemindert ist.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht-beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Zur Überzeugung des Senats kann die Klägerin täglich noch mindestens sechs Stunden arbeiten und verfügt über die erforderliche Wegefähigkeit, weshalb sie nicht erwerbsgemindert ist.

Diese Überzeugung schöpft der Senat aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. Re., Prof. Dr. Schw. und Dr. Th. Die Gutachter haben sorgfältig eigene Befunde erhoben und daraus in Auseinandersetzung mit bereits vorliegenden Beurteilungen nachvollziehbar und überzeugend in übereinstimmender Beurteilung abgeleitet, dass die Klägerin mit gewissen qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich erwerbstätig sein kann.

Bei der Klägerin liegen nach diesen Gutachten zusammenfassend folgende Gesundheitsstörungen vor: - anhaltende somatoforme Schmerzstörung - beginnende degenerative Verschleißerscheinungen der BWS; konservativ behandelte Deckplattenimpressionsfraktur BWK 6 1998 mit endgradiger Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfallsymptomatik - beginnende degenerative Verschleißerkrankung der LWS mit endgradiger Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfallsymptomatik - Schilddrüsenfunktionsstörung, medikamentös behandelt - arterielle Hypertonie, medikamentös behandelt - Adipositas.

Nicht mehr möglich sind nach den überzeugenden Ausführungen Dr. Re., Prof. Dr. Schw. und Dr. Th. Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg Gewicht, in Zwangshaltungen, auf Leitern oder Gerüsten, Arbeiten mit besonderer Stressbelastung und Nachtschichten. Die Sachverständigen haben übereinstimmend und für den Senat nachvollziehbar ausgeführt, dass der Klägerin unter Beachtung dieser Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedenfalls eine leichte körperliche Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich möglich ist.

Diese Einschätzungen überzeugen den Senat. Auf orthopädischem Gebiet liegen mit nur beginnenden degenerativen Veränderungen bei Zn Deckplattenimpressionsfraktur BWK 6 infolge eines Reitunfalls im Jahr 1998 schon gar keine Befunde vor, die eine Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht begründen könnten. Insbesondere haben mehrere Untersuchungen – zuletzt aktuell durch Dr. Th. im Januar 2017 - bestätigt, dass keinerlei radikuläre Ausfallsymptomatik besteht und nur endgradige Funktionseinschränkungen bestehen. Auch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung steht einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Der von Dr. Ka.-Sch. geäußerte Verdacht auf eine mittelschwere Depression konnte nicht bestätigt, sondern vielmehr eine eigentliche depressive Symptomatik klar ausgeschlossen werden. Die emotionale Schwingungsfähigkeit war bei der Untersuchung durch Prof. Dr. Schw. durchgängig unbeeinträchtigt. Eine Antriebsminderung, formalgedankliche Störungen oder kognitive Funktionsdefizite waren nicht gegeben, auch keine depressionstypischen psychovegetativen Beeinträchtigungen. Das Ausmaß der beobachtbaren Erschöpfung nach mehrstündiger Untersuchungssitzung war vollkommen altersentsprechend, auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin zum Ende der Untersuchung erbrachten kognitiven Leistungen. Bereits Herr M. hat im Rahmen seiner Begutachtung im Verwaltungsverfahren einen nahezu identischen Befund erhoben.

Zu einer anderen Beurteilung führen nicht die sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Dr. K. und Dr. Ka.-Sch. führen schon keinerlei nachvollziehbare Begründung für ihre Einschätzung eines dreistündigen Leistungsvermögens an, so dass diese schon nicht nachvollziehbar ist. Die von Dr. Ka.-Sch. vermutete mittelschwere Depression konnte zudem ausgeschlossen werden. Im Übrigen kommt der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Eine solche Konsistenzprüfung haben die behandelnden Ärzte – aus therapeutischer Sicht nicht zu beanstanden – nicht vorgenommen.

Schließlich ergibt sich auch aus dem Entlassungsbericht der Reha-Maßnahme in Bad C. keine andere Beurteilung. Das dort genannte Leistungsvermögen von unter drei Stunden wird nicht nachvollziehbar begründet. Der dort erhobene Befund ist durchaus vergleichbar mit dem von Herrn M. und Prof. Dr. Schw. erhobenen Befund, insbesondere war der psychische Befund mit gedrückter Stimmung und verminderter affektiver Schwingungsfähigkeit bei ansonsten völlig unauffälligen Befunden nahezu blande. Prof. Dr. Schw. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.10.2015 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Behandler in der Reha-Klinik die diskrete affektive Störung offenkundig nicht als klinisch relevant betrachtet haben, da ansonsten eine über eine anhaltende somatoforme Störung hinausgehende Diagnose nach ICD-10 hätte gestellt werden müssen. Von der Reha-Klinik war ein negatives Leistungsvermögen ausschließlich für die Kategorie Bewegungs- und Haltungsapparat angegeben worden. Ohne schmerzrelevante gravierende körperliche Erkrankung ist aber nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Schw. gar nicht nachvollziehbar, warum eine somatoforme Schmerzstörung überhaupt zu einer nachhaltigen quantitativen Leistungsminderung führen sollte. Eine Aussage darüber, dass sich das Leistungsvermögen der Klägerin von unter dreistündig bis 31.08.2013 auf über sechsstündig zum nächsten Tag ab 01.09.2013 verbessert hätte, ist damit nicht verbunden. Nach den von der Reha-Klinik genannten Befunden bestand auch im August 2013 kein unter dreistündiges Leistungsvermögen, worauf Prof. Dr. Schw. ausdrücklich hingewiesen hat. Es bedarf im vorliegenden Verfahren jedoch keiner Entscheidung über das Vorliegen einer Erwerbsminderung vor dem 01.09.2013, da die Beklagte insoweit selbst von einer vollen Erwerbsminderung der Klägerin ausgegangen ist und die entsprechende Rente gewährt hat.

Die Klägerin ist auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2 mwN; 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr 2; 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R (juris) mwN).

Die erforderliche Wegefähigkeit ist zur Überzeugung des Senats gegeben. Sämtliche Gutachter haben ausgeführt, dass die Klägerin viermal täglich eine Wegstrecke von 500 m in einem Zeitbedarf von jeweils 20 Minuten zurücklegen bzw zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen und ein privates Fahrzeug selbständig führen kann. Auch die Klägerin selbst hat gegenüber den Gutachtern angegeben, dass sie eine Stunde im Spaziergehtempo laufen könne.

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr 90). Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn – wie hier - Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich sind. Einschränkungen, die dem entgegenstehen könnten, lassen sich den vorliegenden Gutachten nicht entnehmen. Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass sie vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Da die Klägerin nach dem Stichtag 1977 geboren ist, kommt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Insbesondere die Gutachten von Dr. Re., Prof. Dr. Schw. und Dr. Th. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen zur Leistungsfähigkeit des Versicherten gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Eine Verpflichtung zu weiterer Beweiserhebung besteht selbst bei einander widersprechenden Gutachtenergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (BSG 08.12.2009, B 5 R 148/09 B, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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