L 12 SF 2258/15 E-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SF 3843/14 E
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 SF 2258/15 E-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Erinnerungsführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 05.05.2015 abgeändert. Die von der Erinnerungsführerin an die Staatskasse zu leistende Rückerstattung wird unter Abänderung der Vergütungsfestsetzung vom 04.11.2014 auf 199,49 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das der Erinnerungsführerin nach ihrer Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Erinnerungsgegner) zusteht.

Mit ihrer beim Sozialgericht Mannheim (SG) am 03.04.2014 erhobenen Klage (S 17 AS 1074/14) begehrten die zwei Kläger des Hauptsacheverfahrens, vertreten durch die Erinnerungsführerin, u. a. die Berücksichtigung des Klägers zu 2 als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Die Erinnerungsführerin hatte die Kläger schon im Widerspruchsverfahren vertreten. Bereits mit Klageerhebung beantragten die Kläger die Bewilligung von PKH und legten eine ausgefüllte Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Mit Beschluss vom 03.07.2014 bewilligte das SG den Klägern PKH ohne Ratenzahlungsanordnung und ordnete die Erinnerungsführerin bei.

Das SG erörterte den Sachverhalt am 25.09.2014 mit den Beteiligten in einer nichtöffentlichen Sitzung zusammen mit zwei weiteren Klageverfahren der Kläger (S 17 AS 1106/14 und S 17 AS 1084/14). In diesem Termin schlossen die Beteiligten zur Erledigung aller drei Klageverfahren einen gerichtlichen Vergleich, mit dem der Beklagte sich u. a. verpflichtete, dem Kläger zu 2. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2013 bis 25.01.2014 zu gewähren und den Klägern die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Auf Antrag der Erinnerungsführerin vom 08.07.2014, beim SG eingegangen am selben Tag, gewährte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nach § 47 Abs. 1 RVG einen Vorschuss in Höhe von 487,90 EUR. Mit Schreiben vom 10.10.2014, beim SG eingegangen am 13.10.2014, beantragte die Erinnerungsführerin die Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von 109,91 EUR. Sie gab an, für eine außergerichtliche Vertretung wegen des selben Gegenstands eine Geschäftsgebühr in Höhe von 487,90 EUR erhalten zu haben.

Die Gebühren berechnete sie wie folgt:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG nebst Erhöhung, Nr. 1008 VV RVG 390,00 EUR Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG 300,00 EUR Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG (zu 1/3) 6,40 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG (zu 1/3) 8,33 EUR Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme: 1.004,73 EUR

Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 190,90 EUR Zwischensumme: 1.195,63 EUR

abzgl. Kostentragungspflicht Gegenseite zu 1/2 - 597,82 EUR abzgl. gezahlter Vorschuss, § 47 Abs. 1 RVG - 487,90 EUR

Endsumme: 109,91 EUR

Die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.11.2014 eine von der Erinnerungsführerin an die Staatskasse zu zahlende Rückvergütung in Höhe von 366,08 EUR fest. Bei der Festsetzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG sei zu berücksichtigen, dass die beiden Parallelverfahren (S 17 AS 1084/14 und S 17 AS 1106/14) im Wesentlichen gleich gelagerte tatsächliche und rechtliche Probleme aufgewiesen hätten. Wegen der aufgetretenen Synergieeffekte sei die Verfahrensgebühr deshalb mit 260,00 EUR anzusetzen. Auf diese sei die hälftige Geschäftsgebühr (150,00 EUR) anzurechnen. Die Einigungsgebühr entspreche der (nicht nach Nr. 1008 VV RVG erhöhten) Verfahrensgebühr (200,00 EUR). Bei der Bemessung der Terminsgebühr sei zu berücksichtigen, dass ein Termin mit einer Dauer von 65 Minuten stattgefunden habe, in dem allerdings drei Klageverfahren verhandelt worden seien. Im Ergebnis sei hier eine (hälftige) Terminsgebühr von 140,00 EUR kostenrechtlich angemessen. Neben dem gezahlten Vorschuss sei eine Zahlung des Beklagten in Höhe von 455,01 EUR in Abzug zu bringen. Die Höhe der Zahlung ergebe sich aus einem Schreiben des Beklagten vom 28.10.2014. Der Beklagte des Hauptsacheverfahrens hatte mit Schreiben vom 28.10.2014 jedoch mitgeteilt, 645,42 EUR an die Erinnerungsführerin gezahlt zu haben.

Es ergab sich damit folgende Kostenberechnung nach dem RVG:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG nebst Erhöhung, Nr. 1008 VV RVG 260,00 EUR abzgl. Anrechnung hälftiger Geschäftsgebühr - 150,00 EUR Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 140,00 EUR Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG 200,00 EUR Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG (zu 1/3) 6,40 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG (zu 1/3) 8,33 EUR Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme: 484,73 EUR

Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 92,10 EUR Zwischensumme: 576,83 EUR

abzgl. Zahlung Gegenseite - 455,01 EUR abzgl. gezahlter Vorschuss, § 47 Abs. 1 RVG - 487,90 EUR

Summe Rückerstattung: 366,08 EUR

Mit der gegen diese Festsetzung der PKH-Vergütung am 05.12.2014 beim SG eingelegten Erinnerung hat die Erinnerungsführerin die Festsetzung der Verfahrens-, Termins- und Einigungsgebühr in der beantragten Höhe geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 05.05.2015 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der PKH bewilligende Beschluss vom 03.07.2014 wirke in Ermangelung einer angeordneten Rückwirkung nur für die Zukunft. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nach diesem Zeitpunkt seien als deutlich unterdurchschnittlich zu qualifizieren; zuvor verrichtete anwaltliche Tätigkeiten blieben außer Betracht. Vor diesem Hintergrund sei die geltend gemachte Verfahrensgebühr unbillig und der Kostenansatz der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht zu beanstanden. Das Gleiche gelte für die festgesetzte Termins- und Einigungsgebühr.

Gegen diesen ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 11.05.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22.05.2015 beim SG eingegangene Beschwerde der Erinnerungsführerin. Sie hält die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vorgenommen Absetzungen weiterhin für rechtswidrig und weist ergänzend auf die Regelung des § 48 Abs. 4 RVG hin.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verfahrensakten beider Rechtszüge und der beigezogenen Klage- und PKH-Akten des SG Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG), da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache, nachdem außer Kraft getretenes Recht Anwendung findet, auch keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Beschwerde der Erinnerungsführerin hat teilweise Erfolg.

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in der ab 01.08.2013 geltenden Fassung nach dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586, 2681 ff.). Nach der Übergangsvorschrift des § 60 RVG finden die bisherigen Vorschriften des RVG Anwendung, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist (Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift). Ist der Rechtsanwalt im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung in derselben Angelegenheit bereits tätig, ist die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, nach neuem Recht zu berechnen (§ 60 Abs. 1 Satz 2 RVG). Nachdem sowohl die Klageerhebung als auch die Beiordnung der Erinnerungsführerin erst nach dem Inkrafttretens des 2. KostRMoG am 31.07.2013 erfolgt sind, findet neues Recht Anwendung.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG), und zudem fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden. Die Beschwerde ist auch begründet; das SG hat die Erinnerung zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kostenansatz durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle war zu niedrig. Die Erinnerungsführerin hat an die Staatskasse eine Rückerstattung in Höhe von (lediglich) 199,49 EUR zu zahlen.

Nach § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie hier - das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt gemäß § 45 Abs. 1 RVG aus der Landeskasse zu erstatten sind. Die Höhe der Gebühren richtet sich nach den §§ 3, 14 RVG. Dabei wird die konkrete Höhe einer Gebühr gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG durch den Rechtsanwalt unter Berücksichtigung aller Umstände, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen angesetzt. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit wird im Wesentlichen durch die zeitliche Inanspruchnahme bestimmt. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist anhand der Intensität der Tätigkeit zu bewerten. Die Bedeutung der Angelegenheit ist zu bestimmen anhand der konkreten Bedeutung für den Mandanten. Zusätzlich sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers maßgeblich. Dabei ist in der Praxis grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen (vgl. dazu ausführlich Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R -, BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr. 2). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sog. Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG a.a.O.). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet; dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die den Kostenansatz der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle um mehr als 20 Prozent übersteigende von der Erinnerungsführerin angesetzte Gebühr als unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Dies folgt allerdings nicht aus dem Umstand, dass die PKH-Bewilligung, wie das SG meint, nur Wirkung für die Zukunft entfalten würde. Die Erinnerungsführerin hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass PKH hier ohne besondere Zeitbestimmung bewilligt wurde. Für diesen Fall bestimmt § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG ausdrücklich, dass sich die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Abs. 1 RVG Betragsrahmengebühren entstehen, auf alle Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe erstreckt (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 24.06.2016 – L 12 SF 4391/14 B).

Nach Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschluss vom 24.03.2016 – L 12 SF 4320/14 B –, nicht veröffentlicht) sind namentlich bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit allerdings Synergieeffekte auf Grund inhaltlicher Parallelen mehrerer vom Rechtsanwalt betriebener Verfahren (desselben Auftragsgebers) zu berücksichtigen. Das ist soweit ersichtlich in der Rechtsprechung anerkannt (z.B. Thüringer LSG, Beschluss vom 23.12.2015 - L 6 SF 1226/15 B -, juris; vgl. allgemein zur Berücksichtigung von Synergieeffekten Straßfeld, SGb 2008, 705, 708). Für den Fall mehrerer (zeitlich) aufeinander folgender Verfahren gleicher Beteiligter mit (teilweise) gleichem Gegenstand, bei deren Bearbeitung ganz oder teilweise auf die Vorarbeiten aus dem vorangegangenen Verfahren zurückgegriffen werden kann, hat der Senat im oben genannten Beschluss entscheiden, dass die Gebühr für eines der Verfahren wie bei einem Einzelverfahren festzusetzen ist und anschließend bei der Festsetzung für das weitere oder die weiteren Verfahren neben den sonstigen Bemessungskriterien insbesondere auch zu berücksichtigen ist, ob und ggf. in welchem Umfang sich nun im konkreten Einzelfall Synergieeffekte auf Grund mehr oder weniger großer inhaltlicher Parallelen eingestellt haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.05.2015 - L 20 SO 466/14 B -, juris). Im entschiedenen Fall hat der Senat für das erste von drei Verfahren die Mittelgebühr und für die beiden nachfolgenden Verfahren jeweils die hälftige Mittelgebühr in Ansatz gebracht.

Davon ausgehend ergibt sich für die Höhe der zu erstattenden Gebühren im vorliegenden Verfahren Folgendes:

1. Verfahrensgebühr

Im Ansatz ist, insoweit kann dem Antrag der Erinnerungsführerin gefolgt werden, von einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr auszugehen. Dies entspricht auch aus Sicht des Senats dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit liegen im durchschnittlichen Bereich, die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers werden durch die hohe Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber kompensiert (vgl. dazu BSG a.a.O.). Im Vordergrund der Beurteilung steht hier aber die Frage ob und ggf. auf welche Weise auf Grund der Tatsache, dass die Erinnerungsführerin parallel mehrere Klageverfahren für den selben Auftraggeber betrieben hat, in denen es um gleiche tatsächliche und rechtliche Probleme ging, Synergieeffekte gebührenmindernd zu berücksichtigen sind. Der Ansatz einer Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr für alle drei Klageverfahren ist nach den oben dargestellten Grundsätzen unbillig. Hier wurde seitens der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle allerdings nicht für ein Verfahren die "volle" Gebühr berücksichtigt und die Verfahrensgebühr nur für die nachfolgenden Verfahren gekürzt. Wie sich aus dem Vortrag der Erinnerungsführerin zur Begründung der Erinnerung ergibt, wurde die Verfahrensgebühr vielmehr in allen drei Verfahren gekürzt, allerdings lediglich auf zwei Drittel der Mittelgebühr.

Diese Vorgehensweise ist aus Sicht des Senats angemessen und deshalb nicht zu beanstanden; sie entspricht im Ergebnis den im Senatsbeschluss vom 24.03.2016 (L 12 SF 4320/14 B) aufgestellten Grundsätzen. Im dort entschiedenen Fall wurde zwar, wie von der Erinnerungsführerin auch in diesem Verfahren gefordert, zumindest das erste Verfahren ohne Kürzung wegen bestehender Synergieeffekte angesetzt. Demgegenüber hat der Senat für die weiteren Verfahren eine Kürzung auf die halbe Mittelgebühr für angemessen gehalten. Vor diesem Hintergrund erscheint die hier in allen drei Verfahren vorgenommene Kürzung um lediglich ein Drittel der Mittelgebühr im Ergebnis ebenfalls als billig.

2. Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr

Die allgemeinen Vorschriften zur Anrechnung gelten auch für die Vergütung des Rechtsanwalts, der im Wege der PKH beigeordnet ist (Oberlandesgericht [OLG] Celle, Beschluss vom 07.11.2013 – 2 W 235/13MDR 2014, 188 m.w.N.). Mit der neu gefassten Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG wurde nunmehr auch im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entstehen, auf eine echte Anrechnungsregelung umgestellt (vgl. Müller-Rabe a.a.O., Vorbemerkung 3 VV RVG, Rn. 4). Nach dieser amtlichen Vorbemerkung wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 (d.h. eine Gebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 VV RVG) entsteht, diese Gebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet; bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungshöchstbetrag 175,00 EUR.

Die nunmehr vorgeschriebene Anrechnung führt dazu, dass im Rahmen der Kostenerstattung auch § 15a RVG unmittelbar Anwendung findet (Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 02.12.2015 – L 15 SF 133/15 –, juris m.w.N.). Nach § 15a Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, wenn das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden (§ 15a Abs. 2 RVG). Das durch Abs. 1 der Norm gewährte Wahlrecht des Rechtsanwalts, welche Gebühr er fordern will, gilt auch dann, wenn der Anwalt im Wege der PKH beigeordnet worden ist. Die Staatskasse wird im Fall der Bewilligung von PKH gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 RVG unmittelbarer Gebührenschuldner und tritt insoweit an die Stelle des Mandanten; sie ist daher nicht Dritter im Sinne des § 15 a Abs. 2 RVG (OLG Celle, a.a.O.).

Das durch § 15a Abs. 1 RVG im Fall einer Anrechnung gewährte Wahlrecht des Rechtsanwalts ist nach zwischenzeitlich ganz herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (Bayerisches LSG a.a.O. m.w.N.; Hessisches LSG, Beschluss vom 03.02.2015 – L 2 AS 605/14 B –, juris; aus der Rechtsprechung anderer Gerichtsbarkeiten z.B. OLG Celle a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.04.2013 – 13 OA 276/12 –, juris), der der erkennende Senat sich angeschlossen hat (Senatsbeschluss vom 04.04.2016 – L 12 SF 3641/14 E-B –, nicht veröffentlicht), nur insoweit eingeschränkt, als eine entsprechende Zahlung tatsächlich erfolgt ist. Der beigeordnete Rechtsanwalt ist also nur dann gehindert, eine Gebühr ohne Abzug des Anrechnungsbetrages zu fordern, wenn er die andere Gebühr bereits in voller Höhe erhalten hat. Dieses Verständnis der Norm entspricht dem Wortlaut der Norm und insbesondere der ausdrücklichen Intention des Gesetzgebers, die u. a. in den Ausführungen des Bundestags-Rechtsausschuss vom 22.04.2009 (BT-Drucks. 16/12717, S. 58) zum Ausdruck kommt. Dort heißt es: "Absatz 1 soll die Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber regeln. Die Vorschrift beschränkt die Wirkung der Anrechnung auf den geringstmöglichen Eingriff in den Bestand der betroffenen Gebühren. Beide Gebührenansprüche bleiben grundsätzlich unangetastet erhalten. Der Rechtsanwalt kann also beide Gebühren jeweils in voller Höhe geltend machen. Er hat insbesondere die Wahl, welche Gebühr er fordert und - falls die Gebühren von verschiedenen Personen geschuldet werden - welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich aus der Summe der beiden Gebühren nach Abzug des anzurechnenden Betrags ergibt. Soweit seine Forderung jenen Betrag überschreitet, kann ihm der Auftraggeber die Anrechnung entgegenhalten. Mehr ist nicht erforderlich, um die Begrenzung des Vergütungsanspruchs zu erreichen, die mit der Anrechnung bezweckt wird."

Von diesem Wahlrecht hat die Erinnerungsführerin Gebrauch gemacht; sie hat selbst angegeben, für die außergerichtliche Vertretung wegen des selben Gegenstands eine Geschäftsgebühr in Höhe von 487,90 EUR erhalten zu haben. Dementsprechend hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den von der Erinnerungsführerin für das Klageverfahren geltend gemachten Betrag zu Recht um die hälftige Geschäftsgebühr reduziert.

3. Terminsgebühr

Bei der Bewertung der Terminsgebühr ist nach Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 24.03.2016 – L 12 SF 4320/14 B –, nicht veröffentlicht) die Dauer des Termins das wesentliche Kriterium, denn damit wird der Aufwand des Rechtsanwalts in zeitlicher Hinsicht unmittelbar erfasst, den er für seine Anwesenheit bei dem Termin hat (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 23.09.2015 - L 15 SF 273/14 E -, juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 28.04.2014 - L 2 AS 708/13 B -, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2015 - L 19 AS 1475/15 B -, juris). Daneben sind allerdings alle anderen Kriterien des § 14 RVG ebenfalls zu berücksichtigen; die Dauer des Termins ist das wesentliche, aber nicht das allein wesentliche Bemessungskriterium.

Vorliegend wurden in der nichtöffentlichen Sitzung des SG am 25.09.2014 drei Klageverfahren verhandelt und erledigt. Die Verhandlung dieser drei "formlos verbundenen" Verfahren dauerte insgesamt 65 Minuten. Dem Protokoll ist nicht zu entnehmen, welche Verhandlungsdauer auf welches Verfahren entfiel, wahrscheinlich war auf Grund der Überschneidungen auch gar keine Unterscheidung möglich. Dieser Umstand und die besondere Bedeutung des Kriteriums der Dauer des Termins führen gegenüber der Behandlung von Synergieeffekten bei der Verfahrensgebühr (siehe oben) zu einer modifizierten Verfahrensweise.

In der Rechtsprechung finden sich zur Bestimmung der Gebührenhöhe von in einem Termin gemeinsam aufgerufenen Verfahren ohne Anhaltspunkte für eine konkrete Zuordnung unterschiedliche Entscheidungen (siehe die Nachweise im Beschluss des Hessischen LSG a.a.O.). Der Senat folgt der Auffassung, dass grundsätzlich die Gesamtdauer des Termins durch die Anzahl der vorhandelten Streitsachen zu teilen und der errechnete Zeitaufwand an einer durchschnittlichen Terminsdauer vor den Sozialgerichten zu messen ist (Bayerisches LSG a.a.O., Hessisches LSG a.a.O., m.w.N.). Dieses Vorgehen entspricht am ehesten dem Umstand, dass eine konkrete Zuordnung nicht möglich ist, und der wesentlichen Bedeutung der Dauer des Termins für den "Umfang" der anwaltlichen Tätigkeit; speziell für dieses Kriterium kann auch nicht von der bei der Verfahrensgebühr maßgebenden Erfahrung ausgegangen werden, dass in ein erstes Verfahren eine normale Einarbeitung erforderlich ist und sich für weitere Verfahren die sog. Synergieeffekte ergeben. Die durchschnittliche Terminsdauer vor den Sozialgerichten nimmt der Senat mit etwa 30 bis 50 Minuten an (vgl. Hessisches LSG, Bayerisches LSG und LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.).

Bei dieser Vorgehensweise ergibt sich hier für jedes Verfahren eine Verhandlungsdauer von knapp über 20 Minuten, d.h. eine deutlich unterdurchschnittliche Dauer. Unter Berücksichtigung dessen hält der Senat, insoweit in Übereinstimmung mit der angegriffenen Kostenfestsetzung des SG, den Ansatz einer Gebühr für jedes Verfahren in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr, d.h. in Höhe von 140,00 EUR, für angemessen.

4. Einigungsgebühr

Die Gebühr nach Nrn. 1006, 1005 VV RVG entsteht "in Höhe der Verfahrensgebühr", ist also (seit 01.08.2013) unmittelbar an die konkret angefallene Verfahrensgebühr gekoppelt. Die Gebühr beträgt hier somit 200,00 EUR.

5. Anrechnung der Kostentragungspflicht der Gegenseite

Von den nach obigen Maßstäben ermittelten Gebühren hat der Beklagte des Hauptsacheverfahrens nach den Regelungen des Vergleichs vom 25.09.2014 die Hälfte zu tragen. Eine Zahlung in mindestens dieser Höhe ist auch erfolgt; der Beklagte hat mit Schreiben vom 28.10.2014 mitgeteilt, 645,42 EUR an die Erinnerungsführerin gezahlt zu haben. Dementsprechend ist der gegen die Staatskasse bestehende Anspruch hälftig zu kürzen; den von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in Abzug gebrachte Betrag von 455,01 EUR vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

Dementsprechend ist die für das Klageverfahren S 17 AS 1074/14 aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wie folgt festzusetzen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 RVG):

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG nebst Erhöhung, Nr. 1008 VV RVG 260,00 EUR abzgl. Anrechnung hälftiger Geschäftsgebühr - 150,00 EUR Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 140,00 EUR Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG 200,00 EUR Fahrtkosten, Nr. 7003 VV RVG (zu 1/3) 6,40 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG (zu 1/3) 8,33 EUR Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme: 484,73 EUR

Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 92,10 EUR Zwischensumme: 576,83 EUR

abzgl. Kostentragungspflicht Gegenseite zu 1/2 - 288,42 EUR abzgl. Kostenvorschuss, § 47 Abs. 1 RVG - 487,90 EUR

Summe Rückerstattung: 199,49 EUR

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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