L 11 KR 3857/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 1548/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3857/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.03.2014 und der Bescheid der Beklagten vom 06.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 11.11.2009 bis 05.01.2010 zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Krankengeld (Krg) von der Beklagten über den 10.11.2009 hinaus für den Zeitraum vom 11.11.2009 bis 05.01.2010.

Der 1973 geborene Kläger war seit September 1990 bei der D. AG als Industrieelektroniker und Betriebshandwerker mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden (zwei Arbeitstage je sieben Stunden) beschäftigt und aufgrund dessen bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Zuletzt wurde er von der Arbeitgeberin ab März 2008 in der sog "Schlittenreparatur" bei der Instandhaltung von Betriebsmitteln der Fördertechnik, insbesondere der Demontage von Förderketten eingesetzt. Die konkreten Anforderungen an die hierbei zu verrichtende Tätigkeit sind zwischen den Beteiligten im Streit.

Ab dem 16.01.2009 war der Kläger wegen Radikulopathie und Impingement-Syndrom der Schulter arbeitsunfähig krank. Die Arbeitgeberin zahlte das Arbeitsentgelt bis zum 23.04.2009 fort. Anschließend bezog der Kläger von der Beklagten Krg. Im Mai/Juni 2009 lud die Arbeitgeberin den Kläger zu Gesprächen über die Arbeitsplatzsituation und die Möglichkeiten einer Wiedereingliederung ins Arbeitsleben ein. Der Kläger legte ein Attest des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. K. vor, der ihn für noch nicht in der Lage hielt, eine Wiedereingliederungsmaßnahme zu beginnen (Ärztliche Bescheinigung vom 23.06.2009).

Auf Antrag der Arbeitgeberin veranlasste die Beklagte daraufhin eine Überprüfung der Arbeitsfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Mit sozialmedizinischem Gutachten vom 13.07.2009 (Bl 11 Verwaltungsakte) stellte Dr. S. aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers (08.07.2009) die Diagnosen Rotatoren und Bizepstendopathie der linken Schulter sowie Myotendopathie des linken Schulterblatts. Die objektivierten Befunde erlaubten das Ausführen von körperlich leichten bis mittelschweren Tätigkeiten, die sich nicht ständig gleichförmig wiederholten. Eine Arbeitsplatzbeschreibung stehe nicht zur Verfügung. Die Mitteilung des Untersuchten, dass er schwere Handarbeiten auszuführen habe, verhindere eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit. Berufliche Reha-Maßnahmen im Sinne einer Arbeitsplatzumsetzung unter Einschaltung des Betriebsärztlichen Dienstes und Klärung der Angaben des Versicherten zur Tätigkeit seien angezeigt.

Die Beklagte beendete hierauf ohne weitere Klärung der Arbeitsanforderungen mit Bescheid vom 20.07.2009 die Zahlung von Krg zum 08.07.2009. Der MDK habe ab diesem Datum Arbeitsfähigkeit festgestellt. Mit einem weiteren Schreiben vom 20.07.2009 teilte sie dem Kläger mit, AU-Bescheinigungen künftig nur noch von Fachärzten anzuerkennen. Die letzte AU-Bescheinigung Dr. K. vom 16.07.2009 werde nicht akzeptiert.

Am 28.07.2009 stellte die Orthopädin Dr. M. wegen eines Zervikobrachial-Syndroms, einer Tendinitis calcera der Schulter sowie Gelenksteife erneut Arbeitsunfähigkeit des Klägers fest. Ab dem 04.08.2009 bescheinigte die (unfall-)chirurgische Gemeinschaftspraxis Dres. M., P., L., Z. dem Kläger mit fortlaufenden Auszahlscheinen eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit zunächst aufgrund der Diagnose Schultergelenksdistorsion, ab dem 17.08.2009 aufgrund eines Impingementsyndroms.

Die Beklagte gewährte dem Kläger ab dem 29.07.2009 wieder Krankengeld in Höhe eines täglichen Bruttobetrags von 34,08 EUR. Sie holte ärztliche Befundberichte sowie eine Arbeitsplatzbeschreibung ein. Die D. AG teilte mit, der Kläger sei seit 2007 als Betriebshandwerker beschäftigt und verrichte Tätigkeiten im Bereich der ungelernten Arbeiten. Eine innerbetriebliche Umsetzung sei noch nicht vollzogen worden und der Kläger noch auf dem gleichen Arbeitsplatz eingesetzt, wobei es sich um eine gehend und (insbesondere an Maschinen) stehend zu verrichtende Tätigkeit handele, bei der gelegentlich Lasten über 7kg zu heben und zu tragen seien (Bl 49 Verwaltungsakte). Der Kläger beschrieb die Arbeit auf dem übersandten Fragebogen der Beklagten mit den Merkmalen ständig stehend, gehend und stehend, an laufenden Maschinen, oft mit erhobenen Armen und mit Heben und Tragen von Lasten über 20kg (Bl 51 Verwaltungsakte).

Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg bewilligte dem Kläger eine ambulante medizinische Rehabilitation in der Einrichtung Z. M. C. vom 02.10.2009 bis 22.10.2009. Für diesen Zeitraum erhielt der Kläger Übergangsgeld von der DRV. Aus der Maßnahme wurde er arbeitsunfähig entlassen. Im Entlassungsbericht vom 26.10.2009 (Bl 94 Verwaltungsakte) ist folgende Diagnose genannt: Subacromialsyndrom links bei Ansatztendinitis der Rotatorenmanschette und tiefstehendem Acromion. Die Bewegungen im linken Schultergelenk seien zwar frei, jedoch mit painful arc zwischen 90° und 150°. Die letzte berufliche Tätigkeit könne nur unter drei Stunden täglich verrichtet werden. Nach der Arbeits- und Berufsanamnese sei der Kläger als Hilfsarbeiter tätig (Auseinanderschlagen von Kettengliedern) und übe über mehrere Monate eine gleichförmige Tätigkeit aus. Die zum Teil über 100 Kilogramm schweren Kettenglieder würden mit einer Hilfsvorrichtung bewegt, wobei Heben und Tragen von 50kg regelmäßig notwendig sei. Mit einem Hammer würden die Kettenglieder auseinandergeschlagen, aufgrund der gleichförmigen Arbeit abwechselnd mit dem linken und mit dem rechten Arm. Die vom Kläger geschilderten konkreten beruflichen Betätigungen bedeuteten eine deutliche Belastung für die Schultergelenke und seien aus orthopädischer Sicht zukünftig nicht weiter zumutbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, aber auch überwiegend in jeder der genannten Positionen. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von Lasten über 15kg, mehr als gelegentliche Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Armvorhalte.

Im Anschluss an die Rehabilitationsmaßnahme bescheinigte der Unfallchirurg Dr. Z. mit Auszahlschein vom 23.10.2009 AU bis auf Weiteres. Auf Anfrage der Beklagten teilte er mit, es bestehe wegen eines Impingementsyndroms im Schultergelenk noch Arbeitsunfähigkeit. Er gehe davon aus, dass der Kläger ab dem 09.11.2009 wieder an zwei Tagen die Woche arbeiten könne (Arbeitsprofil: gehend, an Maschinen stehend, gelegentliches Heben und Tragen über 7kg, Zweischicht, ärztlicher Befundbericht vom 02.11.2009, Bl 82 Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 06.11.2009 (Bl 84 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte daraufhin die Zahlung von Krankengeld zum 10.11.2009 ein.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, nach Einschätzung seines Arztes sei aufgrund der Art und Schwere der Verletzung eine Wiedereingliederung über einen Zeitraum von 4 Wochen sinnvoll. Zur Beleg seines Vortrags legte er ein Attest des behandelnden Unfallchirurgen vor. Dr. Z. führte darin aus, beim Kläger zeige sich noch ein deutlich positiver Impingementtest; er habe auch über Schmerzen bei Überkopfarbeiten geklagt. Eine Wiedereingliederung erscheine sinnvoll (Bl 95 Verwaltungsakte).

Mit Auszahlschein vom 09.11.2009 attestierte der behandelnde Unfallchirurg Dr. Z. dem Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeit aufgrund Impingementsyndroms. Unter dem gleichen Datum erstellte er für den Kläger einen Wiedereingliederungsplan für den Zeitraum vom 23.11.2009 bis 18.12.2009. Die Beklagte lehnte die beantragte Wiedereingliederung mit Bescheid vom 17.11.2009 ab. Dr. Z. bescheinigte dem Kläger mit Auszahlschein vom 23.11.2009 daraufhin eine bis auf weiteres fortdauernde Arbeitsunfähigkeit. Weitere Auszahlscheine und lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen folgten (07.12.2009, 21.12.2009, 21.12.2009). Zuletzt stellte der Arzt dem Kläger am 04.01.2010 einen Auszahlschein aus und nannte darin als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit den 05.01.2010.

Die Beklagte wies nach weiterer Beratung durch den MDK (Dr. F. vom 09.12.2009, Bl 97 Verwaltungsakte) den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung stützte sie sich im Wesentlichen auf die Stellungnahmen des MDK. Danach sei es dem Kläger ab dem 11.11.2009 wieder möglich, seine bisherige Tätigkeit im bisherigen Umfang vollständig auszuüben. Das Erfordernis, den Kläger bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit durch eine stufenweise Wiedereingliederung schonend, aber kontinuierlich an die Belastungen seines Arbeitsplatzes heranzuführen, habe nicht vorgelegen. Es habe bereits volle Arbeitsfähigkeit für die Tätigkeit bestanden. Der Anspruch auf Krankengeld habe somit am 10.11.2009 geendet.

Am 11.03.2010 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.

Während des Gerichtsverfahrens hat die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2010 gekündigt. In dem hiergegen angestrengten Kündigungsschutzprozess hat das Arbeitsgericht S. mit Urteil vom 30.06.2011 (Az. 17 Ca 3239/10) die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung festgestellt, die Klage jedoch im Übrigen abgewiesen. Die jeweils hiergegen eingelegten Berufungen des Klägers und seiner Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg nach Beweisaufnahme zur Beschaffenheit des Arbeitsplatzes des Klägers (Vernehmung der Zeugen H., S. und K.) mit Urteil vom 11.04.2013 (Az.: 21 Sa 121/11) jeweils zurückgewiesen.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vor dem SG vorgetragen, er sei seit dem 16.01.2009 wegen eines Impingement- und Schulter-Arm-Syndroms mit Schmerzen in der linken Schulter, Muskelverspannung und Bewegungseinschränkung durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Aufgrund der Erkrankung sei er nicht in der Lage gewesen, ohne Gefährdung seiner Gesundheit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes seiner früheren Tätigkeit wieder in vollem Umfang nachzugehen. Die Beklagte habe den Sachverhalt unrichtig und nicht sorgfältig ermittelt. Insbesondere habe der MDK kein Gutachten erstellt, sondern nur nach Aktenlage entschieden. Die Arbeitsplatzbeschreibung des Arbeitsgebers treffe nicht zu. Wie die Tätigkeit, zu der er arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen sei, einzustufen sei, richte sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Seit einer Umstrukturierung seiner Abteilung habe er eine schwere körperliche Arbeit an einem extra für ihn eingerichteten Sonderarbeitsplatz ausgeübt. Er habe ca. 500kg schwere Kettenbänder mit einer Länge von ca. 5 bis 8 Metern mit einem Hammer (3 kg) und Meisel über acht bis neun Stunden pro Tag auseinanderschlagen müssen. Das Kettenband habe hierbei gehoben und gezogen werden müssen. Heben und Ziehen von Gewichten über 50kg und Überkopfarbeiten seien nötig gewesen. Dabei könne ihm nicht entgegengehalten werden, dass es Flaschenzüge gegeben habe, mit denen die Ketten angehoben werden konnten. Dieses Hilfsmittel habe ihm nur begrenzt etwas genutzt, da es nicht habe eingesetzt werden könne, solange die Ketten ineinander verkeilt gewesen seien. Es sei gerade seine Aufgabe gewesen, die Ketten, die nicht säuberlich nebeneinander in der Kiste gelegen hätten, zu "entwirren". Sofern dieser Arbeitsgang unterlassen und die Ketten im verkeilten Zustand angehoben worden seien, hätten sich diese verbogen. Der Arbeitsplatz sei nicht leidensgerecht gewesen. Er habe schon mehrere Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit wegen Schmerzen in der Schulter des Öfteren den Werkssanitäter aufgesucht. Entgegen der Auskunft der Arbeitgeberin habe es sich keinesfalls um einen Arbeitsplatz für leistungsgeminderte Mitarbeiter gehandelt. Der Arbeitsplatz sei vielmehr eigens für ihn eingerichtet gewesen, so dass während seiner Abwesenheit keine Vertretung stattgefunden habe. Es sei unverständlich, dass die Beklagte die Wiedereingliederung abgelehnt habe. Mit seiner Arbeitgeberin und den Ärzten sei insoweit schon alles besprochen, organisiert und vorbereitet gewesen. Der Bezugsberuf als Industrieelektroniker sei zwar weiterhin leidensgerecht gewesen, hätte aber eine Änderung der Arbeitsweise von 100% bedeutet.

Der Kläger hat eine Stellungnahme der Rehabilitationseinrichtung (Z. vom 23.06.2010) vorgelegt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers sei keine schwere Arbeit gewesen. Sie sei als leichte bis mittelschwere Arbeit einzustufen. Nach Angaben der Arbeitgeberin werde sie in der Regel von leistungsgeminderten Personen ausgeübt. Die tatsächlichen Arbeitsanforderungen bzw Arbeitsbelastungen im Rahmen dieser Berufstätigkeit entsprächen der Belastungsfähigkeit, welcher der Kläger am Ende der medizinischen Rehabilitation wieder aussetzbar gewesen sei. Die Entlassung aus der Reha-Maßnahme sei wahrscheinlich nur deswegen als arbeitsunfähig erfolgt, weil die Ärzte von einer anderen Belastungssituation (Heben und Tragen von 50kg) ausgegangen seien als tatsächlich bestanden habe. Ein Vergleich des Leistungsvermögens des Klägers nach Abschluss der Rehabilitation mit dem Anforderungsprofil seines Arbeitsplatzes zeige, dass es dem Kläger nach Entlassung aus der Rehabilitation wieder möglich gewesen sei, seine Arbeitstätigkeit in vollem Umfang auszuüben. Der Kläger sei mithin schon ab dem 23.10.2009 wieder arbeitsfähig gewesen. Für eine weitere Arbeitsunfähigkeit über den 10.11.2009 hinaus liege keine Begründung vor. Es sei davon auszugehen, dass Konflikte am Arbeitsplatz Anlass für den Wunsch einer durchgängigen weiteren Arbeitsunfähigkeit gewesen seien. Die Problematik könne aber nicht zulasten der Krankenkasse ausgetragen werden.

Das SG hat bei der Arbeitgeberin eine Arbeitgeberauskunft zu der zuletzt ausgeübten Tätigkeit des Klägers eingeholt (Auskunft vom 14.04.2010, Bl 18 ff SG-Akte) und die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich befragt (Schreiben des Unfallchirurgen Dr. Z. vom 02.11.2010 und 15.12.2010; Schreiben des Internisten und Arbeitsmediziner Dr. M. vom 25.11.2010).

Die Beklagte hat zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des MDK vorgelegt (Dr. S. vom 14.12.2010).

Das SG hat in der Folge die Akten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens beigezogen und den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2014 persönlich angehört.

Mit Urteil vom 11.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum vom 11.11.2009 bis 05.01.2010. Im streitigen Zeitraum habe er leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten können, soweit diese nicht ein Heben und Tragen von Lasten über 15kg sowie mehr als gelegentliches Arbeiten Überkopf oder in Armvorhalte beinhaltet hätten. Nach den Auskünften der behandelnden Ärzte bzw den Stellungnahmen des MDK habe der Kläger trotz bestehender gesundheitlicher Einschränkungen eine Tätigkeit als Betriebshandwerker bis zu acht Stunden täglich verrichten können. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem Inhalt der beigezogenen Akten des Landesarbeitsgerichts sei nicht erwiesen, dass an dem zuletzt vorhandenen Arbeitsplatz in der Schlittenreparatur körperliche Anforderungen an den Kläger gestellt worden seien, die sein gesundheitliches Leistungsvermögen überstiegen hätten. Auch die Arbeitgeberin des Klägers habe in ihrer Auskunft mitgeteilt, dass Heben und Tragen nur bis maximal 15kg erforderlich gewesen sei. Die entgegenstehenden Angaben des Klägers seien durch die Aussagen der im arbeitsgerichtlichen Verfahren vernommenen Zeugen nicht gestützt worden.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 14.08.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 09.09.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Sämtliche Ärzte seien übereinstimmend zur Einschätzung gelangt, dass das Leistungsvermögen des Klägers qualitativ eingeschränkt sei. Das SG habe sich jedoch nicht ausreichend mit den Anforderungen an die konkrete Arbeit und mit den von den Ärzten genannten Einschränkungen befasst. Das SG habe im Wesentlichen nur geprüft, ob die Tätigkeit eine körperlich schwere Tätigkeit in dem Sinne gewesen sei, ob mehr als 15 kg Heben und Tragen von Lasten erforderlich gewesen wäre. Das SG habe zwar in zutreffender Weise auch benannt, dass der Kläger leichte und mittelschwere Tätigkeiten nur dann verrichten könne, wenn diese nicht in Armvorhalte und auch nicht ständig gleichförmig wiederholt werden müssten. Es habe aber nicht geprüft, ob solche Tätigkeiten angefallen seien und habe damit offensichtlich übersehen, dass nach den Angaben der Arbeitgeberin und der Zeugen gerade solche Arbeitsvorgänge angefallen seien. Eine Vier-Meter-Kette habe ca 18 Kettenglieder, eine Acht-Meter-Kette habe ca 36 Kettenglieder. Ein Kettenglied wiege ca 3 kg. Mit Hammer und Meißel müssten jeweils die Sicherungssplinte und der Bolzen abgeschlagen werden. Dabei würden permanent beide Hände und Arme und damit auch die Schultern in Anspruch genommen werden. Aufgrund der Häufigkeit des sich wiederholenden Arbeitsvorganges müsse auch gewechselt werden, dh nach einer gewissen Zeit müsse der Hammer auch mit der linken Hand geführt und der Meißel mit der rechten Hand verwendet werden. Die jeweils andere Körperseite werde auch vor dem Handwechsel dadurch beansprucht, dass dem Hammerschlag gegengehalten werden müsse. Diese ständige wiederholende Tätigkeit folge in Armvorhalte. Für die Entfernung eines Sicherungssplintes seien ca ein bis drei Schläge erforderlich. Für eine einzige Vier-Meter-Kette bedeutet das bis zu 54 Schläge in Armvorhalte, für eine einzige Acht-Meter-Kette bis zu 108 Schläge in Armvorhalte. Auch beim Bolzen müsse mehrfach mit dem Hammer geschlagen werden. Auch dies müsse nach der Beschreibung des Arbeitgebers in Armvorhalte und in stetig wiederholenden Arbeitsvorgängen erfolgen. Damit hätte das SG auch unter Zugrundelegung der von ihm für zutreffend erachteten arbeitgeberseitigen Schilderung zu einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers kommen müssen. Im Übrigen sei es unzutreffend, dass die Ketten aufgerollt in der Gitterbox gelegen hätten. Sie seien regelmäßig lose und stark verschmutzt angeliefert worden. Der Zeuge K., der vor dem Kläger über viele Jahre die Arbeit verrichtet hätte, habe dies vor dem Landesarbeitsgericht ausgesagt. Es werde gerügt, dass das SG der Aussage des Zeugen keine bzw zu wenig Beachtung geschenkt habe. Es sei auch auffällig, dass das SG die Aussagen der Zeugen H. und S. zur Akte genommen hätte, aber nicht die Aussage des Zeugen K ...

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.03.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 06.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 11.11.2009 bis 05.01.2010 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründung des Widerspruchsbescheids und auf die Ausführungen des SG Bezug. Unzutreffend sei der Vortrag des Klägers, er habe zeitweilig und für längere Zeit Arbeiten in Armvorhalte und monoton wiederholende Tätigkeiten verrichten müssen.

Der Senat hat die Akten des Landesarbeitsgerichts (Az: 21 Sa 121/11) beigezogen und die dort befindliche Aussage des Zeugen K. zur Senatsakte in Mehrfertigung genommen und an die Beteiligten übersandt.

In einem Erörterungstermin am 09.06.2016 hat der Berichterstatter den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. In einem Erörterungstermin am 07.04.2017 hat der Berichterstatter die Zeugen D. H. und H. S. zu den konkreten Anforderungen der Tätigkeit des Klägers befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift (Blatt 124 ff Senatsakte) Bezug genommen. Der Senat hat außerdem Beweis erhoben durch die schriftliche Befragung des nach einem Schlaganfall nicht reisefähigen Zeugen R. K ... Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 150 ff der Senatsakte Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts S. und des Landesarbeitsgerichts S. sowie die sozialgerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 06.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 11.11.2009 bis 05.01.2010.

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte ua dann Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Dies ist bei einem gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer der Fall, wenn er seine vor Beginn der Erkrankung ausgeübte Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter verrichten kann. Abzustellen ist dabei auf die konkrete Tätigkeit, die der Versicherte bei Eintritt des Versicherungsfalls arbeitsvertraglich zu erbringen hatte (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Solange das Arbeitsverhältnis besteht, kommt es für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit allein darauf an, ob der Versicherte die an diesem Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen gesundheitlich noch erfüllen kann (vgl. § 2 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien). Der Versicherte darf nicht auf andere Tätigkeiten verwiesen werden, denen er gesundheitlich noch gewachsen wäre. Die Beweislast für die Arbeitsunfähigkeit liegt beim Versicherten. Dass ein Vertragsarzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hat, bewirkt keine Beweiserleichterung oder gar Beweislastumkehr (BSG 08.11.2005 - B 1 KR 18/04 R aaO).

Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF in der bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung). Versicherte erhalten Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestimmt allein das bei Entstehen eines Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (vgl BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14).

Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange ein Anspruch auf Krg besteht oder diese Leistung in Anspruch genommen wird. Der Kläger bezog zuvor bis zum 10.11.2009 Krg. Da das Gesetz einerseits zwischen "Anspruch" und "Bezug" differenziert, andererseits aber beides genügen lässt, kommt es nicht darauf an, ob Krg im konkreten Fall zu Recht gewährt wird oder nicht und umgekehrt genügt allein der Anspruch auf Krg, um das Fortbestehen der Mitgliedschaft in der GKV zu bewirken (jurisPK-SGB V/Felix, 3. Aufl. 2016, § 192 Rn 15; vgl auch LSG Sachsen-Anhalt 02.03.2016, L 6 KR 192/15 B, juris). Die Unterbrechung der Krg-Zahlung durch die Beklagte in der Zeit vom 08.07.2009 bis 27.07.2009 ist unschädlich, denn nach § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Das Fortwirken der Pflichtmitgliedschaft setzt nicht voraus, dass sich das unbezahlte Arbeitsverhältnis unmittelbar als eine versicherungspflichtige Beschäftigung anschließt (BSG 17.02.2004, B 1 KR 7/02 R, BSGE 92, 172, SozR 4-2200 § 200 Nr 1 Rn 33).

Nach dem Ergebnis der Beweiserhebung und des Akteninhalts ist zur Überzeugung des Senats auch nachgewiesen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum vom 11.11.2009 bis 05.01.2010 arbeitsunfähig gewesen ist.

Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz innehaben, liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Die Krankenkasse darf diese Versicherten, solange das Arbeitsverhältnis besteht, nicht auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber "verweisen", die sie gesundheitlich noch ausüben könnten. Dem krankenversicherten Arbeitnehmer soll durch die Krg-Gewährung nämlich gerade die Möglichkeit offen gehalten werden, nach Beseitigung des Leistungshindernisses seine bisherige Arbeit wieder aufzunehmen (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19 mwN). Danach war bei Entstehen des Krg-Anspruchs der Arbeitsplatz des Klägers in der sog Schlittenreparatur maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit.

Der Kläger hat in den Zeiträumen vom 08.07.2009 bis 28.07.2009 und vom 11.11.2009 bis 05.01.2010 durchgehend an Beschwerden im linken Schultergelenk gelitten (Diagnosen Dr. S. v. 13.07.2009: Rotatoren- und Bizepstendopathie der linken Schulter sowie Myotendopathie des linken Schulterblatts; Diagnose Dr M. 28.07.2009: Zervikobrachial-Syndrom, Tendinitis calcera linke Schulter und Gelenksteife; Diagnosen Dr. Z. 04.08.2009: Schultergelenksdistorsion und ab 09.11.2009: Impingementsyndrom linke Schulter; Diagnosen Reha-Entlassungsbericht v. 26.10.2009: Subacromialsyndrom links bei Ansatztendinitis der Rotatorenmanschette und tiefstehendem Acromion, zwar freie Beweglichkeit aber painful arc zwischen 90° und 150°). Diese Beschwerden haben ihm die Ausführung der erforderlichen Tätigkeit in der Schlittenreparatur unmöglich gemacht.

Die behandelnden Ärzte wie auch Dr. S. vom MDK im sozialmedizinischen Gutachten vom 14.12.2010 sind zu der nachvollziehbaren Einschätzung gelangt, dass dem Kläger zwar leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zumutbar seien, dies jedoch unter Beachtung qualitativer Einschränkungen: Kein Heben und Tragen von Lasten über 15kg und mehr als gelegentliches Arbeiten über Kopf oder in Armvorhalte. Das SG hat zwar im Ausgangspunkt zurecht darauf hingewiesen, dass auf die konkrete, zuletzt ausgeübte Teilzeittätigkeit als Betriebshandwerker in der Schlittenreparatur abzustellen ist, da das Arbeitsverhältnis des Klägers im streitbefangenen Zeitraum fortbestanden hat. Der Senat teilt jedoch nicht die vom SG gezogenen Schlussfolgerungen aus der Beweisaufnahme, wonach die an dem Arbeitsplatz gestellten körperlichen Anforderungen das gesundheitliche Leistungsvermögen nicht überstiegen haben. Die vom Kläger geltend gemachten Belastungen des Arbeitsplatzes sind in wesentlichen Punkten durch die Aussagen der Zeugen S., H. und K. bestätigt worden, auch wenn – worauf es nicht ankommt - Überkopfarbeit danach wohl keine Rolle gespielt hat.

Der Zeuge H. hat in seine Aussage am 07.04.2017 klargestellt, dass sich die Auskunft gegenüber dem SG zu einem erheblichen Teil (betr. Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen an Betriebsmitteln der Fördertechnik) gar nicht auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers, sondern auf eine etwaige Anschlusstätigkeit bezogen hat. Daher sind auch die Schlussfolgerungen der Arbeitgeberin im Schreiben vom 14.04.2010 an das SG (Bl 18 SG-Akte), es habe sich um eine leichte Tätigkeit gehandelt, die von leistungsgeminderten Mitarbeitern ausgeübt werde, für den Senat nicht nachvollziehbar. Der Zeuge H. hat am 07.04.2017 eingeräumt, es habe sich um einen temporären Arbeitsplatz gehandelt und nur der Kläger und der Zeuge K. hätten in der fraglichen Zeit die Arbeit gemacht.

Soweit das SG im Übrigen die Auffassung vertreten hat, es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass bei der Demontage der Förderketten größere Gewichte über 15kg ohne Hilfsmittel mit Muskelkraft zu bewegen gewesen seien, hat der Zeuge S. am 07.04.2017 glaubhaft ausgesagt, dass bereits die (kleinere) 4-Meter-Kette 50-60kg gewogen habe und diese nach der Ablage auch manuell habe auseinandergezogen werden müssen. Die Zeugen H. und S. haben auch bestätigt, dass die Ketten in den angelieferten Paletten teilweise verschmutzt, verrutscht und ineinander verkeilt angeliefert worden seien, was die Darstellung des Klägers plausibel macht, dass bereits die Anbringung des Schlupfs mit Belastungen für die Schultern verbunden gewesen sind, wovon auch das LAG Baden-Württemberg hat im Urteil v 11.04.2013 ausgegangen ist. Der Zeuge S. – in der fraglichen Zeit Vorarbeiter des Klägers - hat ausdrücklich erklärt, es sei keine leichte Arbeit gewesen. Konfrontiert mit der Aussage des Zeugen K., der die Tätigkeit mit "Strafkompanie" umschrieben hat, hat der Zeuge S. erklärt, in dieser Zeit habe es jeder einmal machen müssen, was ebenfalls hindeutet, dass es jedenfalls keine für leistungsgeminderte Mitarbeiter bereitgestellte Tätigkeit gewesen ist, wie das SG aufgrund der zweifelhaften Angabe der Arbeitsgeberin gemeint hat. Auch insoweit geht der Senat nach der Aussage des Zeugen H. davon aus, dass die schriftliche Auskunft der Arbeitgeberin jedenfalls missverständlich gewesen ist und teilweise auf eine andere Tätigkeit gemünzt war, wie der Zeuge H. am 07.04.2017 ausdrücklich eingeräumt hat. Auch das LAG Baden-Württemberg hat im Urteil v 11.04.2013 (Az 21 Sa 121/11) die Auffassung vertreten, es habe sich nicht um eine leichte Arbeit gehandelt, allein Hammer und Meißel hätten mehrere Kilogramm gewogen und auch das Hebeeisen sei (2-3kg) nicht von unerheblichem Gewicht gewesen (S 22 f. des Urteils v 11.04.2013, 21 Sa 121/11). Auch sei davon auszugehen, dass jedenfalls ein teilweises Entwirren der Ketten auch von Hand und in die Gitterbox gebeugt unter erhöhtem Kraftaufwand notwendig gewesen sei (S. 23 des Urteils v 11.04.2013, 21 Sa 121/11). Diesen Feststellungen schließt sich der Senat nach eigener Überzeugungsbildung an.

Der letztlich für den Senat entscheidende Punkt ist das Erfordernis, bei vorgeschädigter Schulter mit Hammer und Meißel täglich mindestens mehrere hundert, wenn nicht über 1000 kräftige Hammerschlägen ausführen zu müssen, um die Schließringe und Bolzen aus den Kettengliedern zu schlagen, obgleich derartige ständig wiederholende Tätigkeiten für den Kläger gesundheitlich unzumutbar gewesen sind. Die Zeugen haben mitgeteilt, dass der Hammer (Aussage Zeuge S. 25.10.2012: Gewicht 2kg, Bl 180 LAG-Akte; Aussage 07.04.2017: 1kg aber verschiedene Modelle bis 2,5kg in Gebrauch) wegen der anstrengenden und dauernden Belastungen abwechselnd mit rechts und links geführt werden musste und dass – auch wenn es keine detaillierten zeitlichen Vorgaben zur Erledigung gab – dabei am Tag durchaus 1200 Hammerschläge anfallen konnten (Zeuge S., vgl Bl 132 f. Senatsakte). Ausweislich der Gesprächsnotiz vom 25.04.2008 betreffend die vorangegangene Tätigkeit ("Die Arbeitsleistung von H. G. entsprach jedoch weiterhin nicht den Erwartungen", ebenso die weiteren Begriffe "Vorgaben", "geforderte Arbeitsmenge", Abmahnung wegen "Arbeitsleistung entspricht quantitativ nicht den Erwartungen" bei gleichzeitigem Angebot eines Auflösungsvertrages, vgl Bl 50 f SG-Akte) geht der Senat allerdings davon aus, dass es auch in der Schlittenreparatur durchaus gewisse Erwartungen der Arbeitgeberin gegenüber dem Kläger an das zu absolvierende Pensum gab. Diesbezüglich hat der Zeuge S. mit seiner Schilderung des "normalen" Ablaufs auch aufgezeigt, wo in etwa die Norm gelegen haben dürfte. Die vom Zeugen S. plastisch geschilderten Anforderungen einer körperlich anstrengenden sich gleichförmig wiederholenden Tätigkeit, die insoweit mit dem von der Beklagten bestrittenen Vorbringen des Klägers übereinstimmen, haben weder dem MDK (Dr. S. 13.07.2009 und 14.12.2010, Dr. F. 9.12.2009) noch Dr. Z. in seiner Einschätzung vom 02.11.2009 vorgelegen. Die von Dr. Z. seiner Prognose zugrunde gelegte Tätigkeit (Bl 82 Verwaltungsakte: gehend, an Maschinen stehend, gelegentliches Heben und Tragen über 7kg, Zweischicht) gibt nicht ansatzweise die tatsächlichen körperlichen Anforderungen und spezifischen Besonderheiten wieder. Hingegen hat der Reha-Entlassungsbericht vom 26.10.2009 (Bl 94 Verwaltungsakte) für den Senat plausibel dargelegt, dass wegen der bestehenden Schulterbeschwerden ein über Monate hinweg immer wieder gleichförmiges Auseinanderschlagen von Kettengliedern, abwechselnd mit dem linken und mit dem rechten Arm eine aus orthopädischer Sicht nicht zumutbare Belastung auch für die Schultergelenke bedeuten. Auch in der Fachliteratur wird darauf hingewiesen, dass bei Impingement-Syndrom bereits eine Abduktion von 60° einen schmerzhaften Kontakt der Rotatorenmanschette mit der Unterfläche des Schulterdachs bewirkt und schädlich ist (Wirth/Mutschler ua [Hrsg], Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie 3. Aufl. 2014, S. 994 f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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