Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 167 AS 22144/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1567/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende für die Zeit vom 1. September 2015 bis 31. März 2016
Der 1982 geborenen Klägerin und den mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern E (geb 2007) und L (geb 2009) wurden vom Beklagten für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 30. November 2015 Leistungen nach dem SGB II bewilligt, wobei der Klägerin neben der vollen monatlichen Regelleistung eine Leistung für einen Mehrbedarf als Alleinerziehende zuerkannt wurde (Bescheid vom 3. Dezember 2014). Nach dem Einzug des Lebensgefährten D L (L) in die Wohnung am 21. Juli 2015 - auf die entsprechenden Schreiben der Klägerin vom 20. Juli 2015 an ihre Hausverwaltung und des L an den Beklagten vom 27. Juli 2015 wird Bezug genommen - stellte der Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 26. August 2015 unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 3. Dezember 2014 die SGB II-Leistungen der Klägerin für die Zeit vom 1. September 2015 bis 30. November 2015 neu fest und bewilligte dieser neben anteiligen Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) noch die Regelleistung iHv 360,- EUR monatlich. Mit Bescheid vom 31. August 2015 erfolgte insoweit keine Änderung. Mit Bescheiden vom 12. Januar 2016 erfolgte eine Neufeststellung für September bis November 2015 (Regelleistung jeweils unverändert mtl 360,- EUR).
Für die Zeit vom 1. Dezember 2015 bis 31. Mai 2016 erfolgten vorläufige Bewilligungen ebenfalls ohne Zuerkennung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende (Regelleistung der Klägerin = 360,- EUR - Dezember 2015 -, 364,- EUR - Januar 2016 –, 247,50 EUR – Februar 2016, 357,66 – März 2016 -, 364,- EUR mtl – April bis Mai 2016; Bescheide vom 1. Dezember 2015 und 12. Januar 2016).
Die Widersprüche, mit denen die Klägerin weiterhin einen Mehrbedarf für Alleinerziehende geltend machte, weil sich L nicht wesentlich an der Erziehung beteilige, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheide vom 1. Oktober 2015 – Bewilligungszeitraum vom 1. September 2015 bis 30. November 2015 - und 18. Januar 2016 – Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 31. Mai 2016 -).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 14. Juni 2016 die gegen beide Widerspruchsbescheide – den vom 18. Januar 2016 im Wege der Klageerweiterung – mit dem Ziel höherer SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende für die Zeit vom 1. September 2015 bis 31. März 2016 gerichtete Klage abgewiesen, nachdem es die Klägerin persönlich angehört und L als Zeugen vernommen hatte (vgl Sitzungsniederschrift vom 14. Juni 2016). Zur Begründung ist ausgeführt: Höhere Leistungen stünden der Klägerin im Streitzeitraum nicht zu. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende sei nicht zu gewähren, da L in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung der Kinder mitgewirkt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass L während der Krankenhausaufenthalte und bei entsprechenden Schmerzzuständen der Klägerin immer "eingesprungen" sei und dann nahezu die vollständige Pflege und Erziehung der Kinder übernommen habe. Auch im Übrigen habe L die Klägerin nachhaltig durch die geschilderten Tätigkeiten und Aktivitäten (Brote schmieren, Kochen, zur Schule bringen, Einkaufen, Schwimmen oder mit dem Hund spazieren gehen) mit den Kindern entlastet, so dass sich die Klägerin gerade nicht in einer für Alleinerziehende typischen Situation befunden habe. Der Beklagte habe im Übrigen die Regelleistungsansprüche der Klägerin zutreffend festgesetzt.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Ihr stehe der Mehrbedarf wegen Alleinerziehung zu, da L nicht gleichberechtigt und in etwa gleichem Umfang wie sie selbst an der Erziehung der Kinder mitgewirkt habe.
Sie beantragt nach ihrem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 26. August 2015 und 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2015 und in der Fassung der Bescheide vom 12. Januar 2016 sowie Änderung des Bescheides vom 1. Dezember 2015 in der Fassung des Bescheides vom 12. Januar 2016 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2016 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. September 2015 bis 31. März 2016 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakten des Beklagten (Bände IX und X) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die zulässige Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat im Streitzeitraum keinen Anspruch auf – für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 31. März 2016 vorläufig - höhere SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende.
Streitig sind (nur) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für die Klägerin. KdU-Leistungen, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG, Urteil vom 6. August 2014 - B 4 AS 55/13 R = BSGE 116, 254 = SozR 4-4200 § 7 Nr 38; BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 19) und die der Beklagte bezogen auf einen Vier-Personen-Haushalt anteilig bewilligt hat, macht die Klägerin nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R = BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2 Rn 11; BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 29/09 R = BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7 Rn 11; BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 167/11 R – juris – Rn 12; BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 48/12 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 15 Rn 9 ff) und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden.
Zutreffend hat das SG entschieden, dass der Klägerin im streitigen Zeitraum auch unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zusteht. Die Klägerin erfüllt zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 Satz 1 SGB II iVm § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist dabei zutreffend ein Betrag in Höhe von 360,- EUR bzw – ab 1. Januar 2016 - von 364,- EUR bewilligt bzw zugrunde gelegt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende war jedoch nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ihre beiden Kinder über die gesamte Dauer des hier streitbefangenen Bewilligungsabschnitts nicht überwiegend allein betreut, sondern L an der Erziehung und Pflege in erheblichem Umfang mitgewirkt hat.
Anspruch auf Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 SGB II besteht in Höhe von 36 % der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung ua für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, wenn sie mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben. Eine in diesem Sinne "alleinige Sorge für deren Pflege und Erziehung" liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich ausschließlich dann vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist danach, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt (vgl BSG Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 50/07 R = BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 Rn 19; BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R = BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2 Rn 15; BSG Urteil vom 23. Februar 2012 - B 4 AS 167/11 R – juris – Rn 15; BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 4 AS 26/14 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 20). Bezug genommen ist damit auf die besondere Bedarfssituation Alleinerziehender, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 50/07 R – Rn 15). Die Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs. 3 SGB II enthält die gesetzgeberische Wertung, dass die hauptsächlich für die Pflege und Erziehung zuständigen Elternteile typischerweise einem besonderen Aufwand ausgesetzt sind, der aus dem Regelbedarf allein nicht zu decken und deshalb durch den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung auszugleichen ist (vgl dazu BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 4 AS 26/14 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 20 Rn 16).
L hat in erheblichem Umfang an der Erziehung und Pflege der Kinder mitgewirkt. Dies folgt zum einen aus seinen und den Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren, aber auch aus dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil (S 7 Abs. 2 Zeile 1 bis S 9 Abs. 2 letzte Zeile) wird in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Gerade aus dem Vorbringen im Schriftsatz vom 9. November 2016 erhellt zudem, dass durch die Mitwirkung von L die Klägerin gerade nicht einem besonderen Aufwand für die Inanspruchnahme durch Pflege- oder Betreuungskräfte für die Kinder während ihrer Abwesenheit, auch während ihrer Krankenhausaufenthalte, ausgesetzt war, sondern L ihr insoweit zur Seite stand und die Pflege und Betreuung der Kinder, teilweise auch durch die Durchführung von Freizeitaktivitäten, übernahm. Im Übrigen hatten L und die Klägerin bereits in den Schreiben vom 20. Juli und 27. Juli 2015 ausdrücklich ausgeführt, dass L die Klägerin "insbesondere bei der Betreuung meiner Kinder" bzw "insbesondere was die Betreuung ihrer Kinder betrifft", unterstützt. Während der Krankenhausaufenthalte und bei entsprechenden Schmerzzuständen der Klägerin ist L immer "eingesprungen" und hat dann sogar nahezu die vollständige Pflege und Erziehung der Kinder übernommen. Auch im Übrigen hat L die Klägerin nachhaltig durch die anlässlich seiner Vernehmung geschilderten Tätigkeiten und Aktivitäten (Brote schmieren, Kochen, zur Schule bringen, Einkaufen, Schwimmen oder mit dem Hund spazieren gehen) mit den Kindern entlastet, so dass sich die Klägerin gerade nicht in einer für Alleinerziehende typischen Situation befand.
Zuletzt ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Der Beklagte hat die Regelleistungshöhe danach ausgehend vom gesetzlichen Regelsatz im Streitzeitraum zutreffend festgesetzt; hinsichtlich der – vorläufigen - Berechnung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 31. März 2016 sind im Übrigen Fehler nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende für die Zeit vom 1. September 2015 bis 31. März 2016
Der 1982 geborenen Klägerin und den mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern E (geb 2007) und L (geb 2009) wurden vom Beklagten für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 30. November 2015 Leistungen nach dem SGB II bewilligt, wobei der Klägerin neben der vollen monatlichen Regelleistung eine Leistung für einen Mehrbedarf als Alleinerziehende zuerkannt wurde (Bescheid vom 3. Dezember 2014). Nach dem Einzug des Lebensgefährten D L (L) in die Wohnung am 21. Juli 2015 - auf die entsprechenden Schreiben der Klägerin vom 20. Juli 2015 an ihre Hausverwaltung und des L an den Beklagten vom 27. Juli 2015 wird Bezug genommen - stellte der Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 26. August 2015 unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 3. Dezember 2014 die SGB II-Leistungen der Klägerin für die Zeit vom 1. September 2015 bis 30. November 2015 neu fest und bewilligte dieser neben anteiligen Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) noch die Regelleistung iHv 360,- EUR monatlich. Mit Bescheid vom 31. August 2015 erfolgte insoweit keine Änderung. Mit Bescheiden vom 12. Januar 2016 erfolgte eine Neufeststellung für September bis November 2015 (Regelleistung jeweils unverändert mtl 360,- EUR).
Für die Zeit vom 1. Dezember 2015 bis 31. Mai 2016 erfolgten vorläufige Bewilligungen ebenfalls ohne Zuerkennung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende (Regelleistung der Klägerin = 360,- EUR - Dezember 2015 -, 364,- EUR - Januar 2016 –, 247,50 EUR – Februar 2016, 357,66 – März 2016 -, 364,- EUR mtl – April bis Mai 2016; Bescheide vom 1. Dezember 2015 und 12. Januar 2016).
Die Widersprüche, mit denen die Klägerin weiterhin einen Mehrbedarf für Alleinerziehende geltend machte, weil sich L nicht wesentlich an der Erziehung beteilige, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheide vom 1. Oktober 2015 – Bewilligungszeitraum vom 1. September 2015 bis 30. November 2015 - und 18. Januar 2016 – Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 31. Mai 2016 -).
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 14. Juni 2016 die gegen beide Widerspruchsbescheide – den vom 18. Januar 2016 im Wege der Klageerweiterung – mit dem Ziel höherer SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende für die Zeit vom 1. September 2015 bis 31. März 2016 gerichtete Klage abgewiesen, nachdem es die Klägerin persönlich angehört und L als Zeugen vernommen hatte (vgl Sitzungsniederschrift vom 14. Juni 2016). Zur Begründung ist ausgeführt: Höhere Leistungen stünden der Klägerin im Streitzeitraum nicht zu. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende sei nicht zu gewähren, da L in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung der Kinder mitgewirkt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass L während der Krankenhausaufenthalte und bei entsprechenden Schmerzzuständen der Klägerin immer "eingesprungen" sei und dann nahezu die vollständige Pflege und Erziehung der Kinder übernommen habe. Auch im Übrigen habe L die Klägerin nachhaltig durch die geschilderten Tätigkeiten und Aktivitäten (Brote schmieren, Kochen, zur Schule bringen, Einkaufen, Schwimmen oder mit dem Hund spazieren gehen) mit den Kindern entlastet, so dass sich die Klägerin gerade nicht in einer für Alleinerziehende typischen Situation befunden habe. Der Beklagte habe im Übrigen die Regelleistungsansprüche der Klägerin zutreffend festgesetzt.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Ihr stehe der Mehrbedarf wegen Alleinerziehung zu, da L nicht gleichberechtigt und in etwa gleichem Umfang wie sie selbst an der Erziehung der Kinder mitgewirkt habe.
Sie beantragt nach ihrem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 26. August 2015 und 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2015 und in der Fassung der Bescheide vom 12. Januar 2016 sowie Änderung des Bescheides vom 1. Dezember 2015 in der Fassung des Bescheides vom 12. Januar 2016 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2016 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. September 2015 bis 31. März 2016 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Verwaltungsakten des Beklagten (Bände IX und X) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die zulässige Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat im Streitzeitraum keinen Anspruch auf – für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 31. März 2016 vorläufig - höhere SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende.
Streitig sind (nur) die Regelleistungen einschließlich der Mehrbedarfe für die Klägerin. KdU-Leistungen, die im Übrigen einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 78; BSG, Urteil vom 6. August 2014 - B 4 AS 55/13 R = BSGE 116, 254 = SozR 4-4200 § 7 Nr 38; BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 19) und die der Beklagte bezogen auf einen Vier-Personen-Haushalt anteilig bewilligt hat, macht die Klägerin nicht geltend. Leistungen für Mehrbedarfe sind hingegen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R = BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2 Rn 11; BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 29/09 R = BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7 Rn 11; BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 167/11 R – juris – Rn 12; BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 48/12 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 15 Rn 9 ff) und können daher nicht isoliert geltend gemacht werden.
Zutreffend hat das SG entschieden, dass der Klägerin im streitigen Zeitraum auch unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zusteht. Die Klägerin erfüllt zwar die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 Satz 1 SGB II iVm § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Als Regelleistung ist dabei zutreffend ein Betrag in Höhe von 360,- EUR bzw – ab 1. Januar 2016 - von 364,- EUR bewilligt bzw zugrunde gelegt worden. Ein Mehrbedarf für Alleinerziehende war jedoch nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ihre beiden Kinder über die gesamte Dauer des hier streitbefangenen Bewilligungsabschnitts nicht überwiegend allein betreut, sondern L an der Erziehung und Pflege in erheblichem Umfang mitgewirkt hat.
Anspruch auf Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 SGB II besteht in Höhe von 36 % der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung ua für Personen, die mit einem oder mehreren Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, wenn sie mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben. Eine in diesem Sinne "alleinige Sorge für deren Pflege und Erziehung" liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich ausschließlich dann vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist danach, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt (vgl BSG Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 50/07 R = BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5 Rn 19; BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R = BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2 Rn 15; BSG Urteil vom 23. Februar 2012 - B 4 AS 167/11 R – juris – Rn 15; BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 4 AS 26/14 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 20). Bezug genommen ist damit auf die besondere Bedarfssituation Alleinerziehender, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 SGB II erfassten Hilfebedürftigen (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 50/07 R – Rn 15). Die Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs. 3 SGB II enthält die gesetzgeberische Wertung, dass die hauptsächlich für die Pflege und Erziehung zuständigen Elternteile typischerweise einem besonderen Aufwand ausgesetzt sind, der aus dem Regelbedarf allein nicht zu decken und deshalb durch den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung auszugleichen ist (vgl dazu BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 4 AS 26/14 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 20 Rn 16).
L hat in erheblichem Umfang an der Erziehung und Pflege der Kinder mitgewirkt. Dies folgt zum einen aus seinen und den Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren, aber auch aus dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil (S 7 Abs. 2 Zeile 1 bis S 9 Abs. 2 letzte Zeile) wird in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Gerade aus dem Vorbringen im Schriftsatz vom 9. November 2016 erhellt zudem, dass durch die Mitwirkung von L die Klägerin gerade nicht einem besonderen Aufwand für die Inanspruchnahme durch Pflege- oder Betreuungskräfte für die Kinder während ihrer Abwesenheit, auch während ihrer Krankenhausaufenthalte, ausgesetzt war, sondern L ihr insoweit zur Seite stand und die Pflege und Betreuung der Kinder, teilweise auch durch die Durchführung von Freizeitaktivitäten, übernahm. Im Übrigen hatten L und die Klägerin bereits in den Schreiben vom 20. Juli und 27. Juli 2015 ausdrücklich ausgeführt, dass L die Klägerin "insbesondere bei der Betreuung meiner Kinder" bzw "insbesondere was die Betreuung ihrer Kinder betrifft", unterstützt. Während der Krankenhausaufenthalte und bei entsprechenden Schmerzzuständen der Klägerin ist L immer "eingesprungen" und hat dann sogar nahezu die vollständige Pflege und Erziehung der Kinder übernommen. Auch im Übrigen hat L die Klägerin nachhaltig durch die anlässlich seiner Vernehmung geschilderten Tätigkeiten und Aktivitäten (Brote schmieren, Kochen, zur Schule bringen, Einkaufen, Schwimmen oder mit dem Hund spazieren gehen) mit den Kindern entlastet, so dass sich die Klägerin gerade nicht in einer für Alleinerziehende typischen Situation befand.
Zuletzt ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin aus sonstigen Gründen von den Regelbedarfen einschließlich der Mehrbedarfe nicht erfasste weitere Bedarfe hat, die eine entsprechende atypische Bedarfslage begründen könnten. Der Beklagte hat die Regelleistungshöhe danach ausgehend vom gesetzlichen Regelsatz im Streitzeitraum zutreffend festgesetzt; hinsichtlich der – vorläufigen - Berechnung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 31. März 2016 sind im Übrigen Fehler nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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