L 3 U 110/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 150/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 110/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 13. Juni 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen – konkret einer sekundären Schultergelenkssteife rechts - als Folge eines Arbeitsunfalls und die Gewährung einer Verletztenrente daraus.

Der 1965 geborene Kläger ist gelernter KfZ-Mechaniker und Metallbau-Meister. Zum Unfallzeitpunkt - am 02. April 2009 – war er als Werkstattleiter und Disponent bei einem Baumaschinenverleih in B beschäftigt. Der Arbeitsunfall ereignete sich, als der Kläger gemeinsam mit einem Kollegen versuchte, auf dem Betriebsgelände seines Beschäftigungsbetriebs einen Baustromverteilerschrank umzusetzen. Hierbei verspürte der Kläger einen Schmerz in der rechten Schulter. Der Kläger suchte umgehend die Rettungsstelle des V Klinikums N auf, wo der behandelnde D-Arzt PD Dr. L eine "schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich der re. Schulter", einen lokalen "Druckschmerz im Bereich des AC-Gelenkes mit schmerzhafter Elevation und Außenrotation" feststellte. Nach Röntgenuntersuchung, die keinen Anhalt für knöcherne Verletzungen ergab, diagnostizierte er eine Zerrung der rechten Schulter und bescheinigte dem Kläger unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. Der Unfallhergang wurde im D-Arzt-Bericht von PD Dr. L vom 03. April 2009 folgendermaßen festgehalten: "Beim Ziehen eines Elektroschranks (ca. 30 kg schwer) verspürte der Versicherte plötzlich einen Schmerz in der rechten Schulter.". Noch am Unfalltag stellte sich der Kläger zur Weiterbehandlung in der H-Arztpraxis Dres. R, F, S und Helferin vor. Im H-Arzt-Bericht vom 02. April 2009 finden sich folgende Angaben zum Unfallhergang: "Am 2.4.09 beim Verschieben eines Verteilerschrankes plötzlicher Schmerz in der rechten Schulter." Die H-Ärzte stellten einen Druckschmerz am Muskulus trapezius, an der langen Bizepssehne sowie am Muskulus infraspinatus fest und ermittelten für die Seithebung des rechten Arms ein aktives und passives Bewegungsausmaß bis 60°, für die Außendrehung von 10° bei fehlender Möglichkeit der Durchführung des Schürzengriffs. Die Sonographie erbrachte eine unauffällige Rotatorenmanschette, keinen Anhalt für Ruptur, keine Bursitis. Die aufgrund fortbestehender Beschwerden des Klägers am 21. April 2009 veranlasste kernspintomografische Untersuchung (MRT) des rechten Schultergelenks ergab den hochgradigen Verdacht für das Vorliegen einer SLAP-Läsion Typ I. Nebenbefundlich wurde beschrieben: "Hypertrophe AC-Gelenksarthrose, relatives Impingement, kein Nachweis einer Rotatorenmanschettenruptur.". Am 04. Mai 2009 stellte sich der Kläger in der Schultersprechstunde im Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie der Charité vor. Der behandelnde Arzt Dr. G stellte eine stark schmerzhafte Beeinträchtigung der aktiven Schultergelenksbeweglichkeit rechts fest und empfahl zunächst die Durchführung von Physiotherapie zur Wiederherstellung der Schultergelenksbeweglichkeit und - beim Ausbleiben einer deutlichen Besserung - ggf. die Durchführung eines arthroskopischen SLAP-Repairs. Nachfolgend überließ die Beklagte dem Kläger einen "Fragebogen Schulterverletzung", in welchem der Kläger am 02. Juni 2009 folgende Angaben zum Unfallhergang machte: "Der Unfall ereignete sich beim Verschieben eines Elektroverteilerschrankes (EVS). Da dieser (mit div. ähnlichen EVS) auf beengtem Raum vor der Elektrowerkstatt abgestellt wurde, bat ich einen Kollegen mit mir gemeinsam einige EVS zu verrücken, um diese später mit einem Hubwagen leichter bewegen zu können. Beim Ziehen in gebückter Haltung (am Fußgestell angreifend) eines der letzten EVS verspürte ich einen stechenden Schmerz in der rechten Schulter." Das Gewicht des Verteilerschranks gab der Kläger in dem Fragebogen mit ca. 70 kg und dessen Maße mit 80 cm/ 150 cm/ 40 cm an. In der am 12. Juni 2009 bei der Beklagten eingegangenen Unfallanzeige vom 10. Juni 2009 heißt es zum Unfallhergang: "Herr S wollte einen Schaltschrank verschieben (drehen) dabei verhob er sich." Vom 17. bis 20. Juni 2009 erfolgte eine stationäre Behandlung des Klägers im Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie der Charité mit Durchführung einer Arthroskopie des rechten Schultergelenks. Die Klinikärzte diagnostizierten eine SLAP-Läsion (Typ II nach Snyder) sowie eine posttraumatische Schultersteife und führten am 17. Juni 2009 eine arthroskopische Rekonstruktion mittels Fadenanker, eine arthroskopische Arthrolyse sowie ein arthroskopisches Kapselrelease durch. Dem Operationsbericht können folgende vor der Operation vorliegende Bewegungsmaße entnommen werden: Abduktion 70°, Flexion 90°, Außenrotation 10° sowie eine bei der Narkoseuntersuchung prä- und postoperativ freie Beweglichkeit. Die Diagnose lautete: "SLAP II Läsion, posttraumatische SG Steife". Die ambulante Weiterbehandlung des Klägers führte der D-Arzt Dr. H durch, welcher nach einer vom Operateur vorgegebenen relativen Immobilisationsphase Maßnahmen der Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) im Reha-Zentrum T einleitete. Im Abschlussbericht des Reha-Zentrums T vom 28. September 2009 wurden folgende Messwerte für die Beweglichkeit der Schultergelenke mitgeteilt: vorwärts/rückwärts: rechts 140°- 0°- 30°/ links 180°- 0°- 40°, seitwärts/kör-perwärts: rechts 140°- 0°- 30° / links 180°- 0°- 40°, Außen-/Innenrotation bei angelegtem Oberarm: rechts 45°- 0°- 70° / links 80°- 0°- 90°. Mit Zwischenbericht vom 07. Oktober 2009 teilte Dr. H, nachdem eine Arbeits- und Belastungserprobung nach arbeitgeberseitiger Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich war, der Beklagten den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers ab dem 08. Oktober 2009 mit. Anlässlich einer Kontrolluntersuchung im Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie am 12. Oktober 2009 wurde für die rechte Schulter folgender Befund erhoben: Schultergelenksflexion 150°, Abduktion 140°, Nackengriff mit Ellenbogen vorn und Schürzengriff bis zum Gesäß durchführbar; passive Schultergelenksbeweglichkeit glenohumeral 60°, Außenrotation 0°, Innenrotation 30°. Sodann veranlasste die Beklagte auf Anraten ihres Beratungsarztes die Einholung eines Zusammenhangsgutachtens, welches durch Prof. Dr. H / Dr. G nach körperlicher Untersuchung und Begutachtung des Klägers vom 26. Februar 2010 erstattet wurde. In ihrem Gutachten vom 09. März 2010 kamen die Gutachter zu der Einschätzung, dass durch den Arbeitsunfall eine Läsion des langen Bizepssehnenankers und eine posttraumatische Einsteifung des rechten Schultergelenks verursacht worden seien. Bei dem Unfall sei es nach den Angaben des Klägers zu einem Hyperextensionstrauma gekommen (gemeinsames ruckartiges Ziehen an dem Verteilerschrank mit einem Kollegen, wobei der Arm nach hinten hyperextendiert gewesen sei), welches die Läsion des Bizepssehnenankers verursacht und woraus sich nachfolgend eine posttraumatische Schultergelenksteife entwickelt habe, die bei der am 17. Juni 2009 durchgeführten arthroskopischen Schultergelenksoperation durch eine semicircumferentielle arthroskopische Arthrolyse habe gelöst werden können. Der Unfall sei geeignet, eine solche Verletzung hervorzurufen. Es zeige sich eine schmerzhaft eingeschränkte Schultergelenksbeweglichkeit mit einer Flexion von 120° und einer Abduktion von 130°. Ab einer Abduktion über 60° zeigten sich unspezifische Schmerzen in allen Bewegungsrichtungen. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 20 von Hundert (v. H.) einzuschätzen.

In seiner Stellungnahme vom 11. Mai 2010 gelangte der die Beklagte beratende Arzt Dr. T zu der Einschätzung, dass die Ausführungen im Gutachten zum Ursachenzusammenhang sowie die erhobenen Befunde unzureichend seien. Im Übrigen sei auch die MdE nach den mitgeteilten Befunden nur mit 10 v. H. einzuschätzen.

In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 31. August 2010 blieben Prof. Dr. H und Dr. G bei ihrer bisherigen Einschätzung.

Die Beklagte ließ sich in Hinblick auf die ergänzende Stellungnahme erneut medizinisch beraten. In seiner Stellungnahme vom 09. September 2009 kam auch der beratende Arzt Dr. V zu der Beurteilung, dass die MdE nach den von den Gutachtern mitgeteilten Befunden nur mit 10 v. H. einzuschätzen sei. Im Übrigen sei nach der zeitnah zum Unfall gegebenen Darstellung des Unfallhergangs durch den Klägers bereits der Unfallbegriff nicht erfüllt und im MRT-Bericht seien keine traumatischen Begleitverletzungen (z. B. bone bruise = posttraumatisches Knochenmarködem, Einblutung) beschrieben.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2010 erkannte die Beklagte den Unfall vom 02. April 2009 als Arbeitsunfall und eine verheilte Zerrung der rechten Schulter als dessen Folge an. Nicht Folge des Arbeitsunfalles sei die "Bewegungsstörung und Einsteifung des rechten Schultergelenks nach operativ versorgter unfallunabhängiger Schädigung der Knorpellippe am oberen Rand der rechten Schulterpfanne". Gleichzeitig lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 01. November 2010 verwies der Kläger auf die Beurteilung in dem von der Beklagten eingeholten Zusammenhangsgutachten, welches in seiner Wertigkeit höher einzuschätzen sei, als die verwaltungsinterne Aufklärung durch beratende Ärzte. Nach Aufklärung des Klägers über sein Gutachterwahlrecht veranlasste die Beklagte die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Zusammenhangsfrage, welches nach körperlicher Untersuchung und Begutachtung des Klägers am 15. März 2011 sowie nach der Auswertung gefertigter MRT- und Röntgenaufnahmen vom Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgen L und dem Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. M unter dem 19. Juli 2011 erstattet wurde. Diese Gutachter gelangten zu der Einschätzung, dass nach dem vom Kläger am Unfalltag angegebenen Unfallhergang, welchen er später auch im Fragebogen bestätigt habe (Ziehen des Schranks), kein Verletzungsmechanismus im Sinne einer direkten und indirekten Gewalteinwirkung vorgelegen habe. Im Übrigen spreche u. a. auch der fehlende Nachweis von Begleitverletzungen im MRT vom 21. April 2009 dafür, dass eine vorbestehende und klinisch stumme SLAP-Läsion durch den Unfall verschlimmert worden sei, wobei dem Unfall nur die Qualität einer Gelegenheitsursache zukomme.

Gestützt auf dieses Gutachten wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2011 zurück.

Mit der am 26. Oktober 2011 vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat eine Unfalldarstellung mit einer Fotografie eines Baustromverteilerschranks zur Gerichtsakte gereicht, aus der sich u. a. ergibt, dass der Baustromverteilerschrank ein Gewicht von 178 kg bei einer Höhe von 136 cm, einer Tiefe von 60 cm und einer Breite von 151 cm gehabt haben soll.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Prof. Dr. B vom 11. November 2012, welcher den Kläger am 16. und 18. Oktober 2012 körperlich untersucht und die vom Gericht beigezogenen Ergebnisse bildgebender Verfahren ausgewertet hat. Der Sachverständige, der unter dem 07. Januar 2013 zu seinem Gutachten ergänzend nach Aktenlage Stellung genommen und sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 13. Juni 2014 erläutert hat, ist zu der Einschätzung gelangt, dass neben einer Zerrung die posttraumatische (sekundäre) Schultergelenkssteife Folge des Arbeitsunfalls gewesen sei, welche bis zum 15. Oktober 2012 eine MdE von 10 v. H. und ab dem 16. Oktober 2012 eine MdE von 20 v. H. bedinge. Die operativ behandelte SLAP-II-Läsion in der rechten Schulter sei hingegen als unfallunabhängig zu bewerten. Die Verursachungswahrscheinlichkeit der sekundären Schultersteife durch die Schulterzerrung hat der Sachverständige mit 70 v. H. beurteilt.

Gestützt auf die zur Gerichtsakte gereichte beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. V vom 11. Dezember 2012 hat die Beklagte das gerichtliche Sachverständigengutachten für nicht schlüssig erachtet. Es liege aufgrund der unfallnah erfolgten Darstellungen zum Unfallhergang kein Arbeitsunfall vor. Darüber hinaus sei ein notwendiger Erstschaden nicht bewiesen, da die Annahme einer sekundären Schultergelenkssteife ohne sekundäre Verletzungszeichen (bone bruise, Einblutung, Zerstörung von Gelenkstrukturen) nicht denkbar sei. Mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 07. Januar 2013 hat Prof. Dr. B begründet, warum er auch weiterhin davon ausgehe, dass bei dem Kläger durch das angeschuldigte Ereignis eine primär nicht ausreichend diagnostizierte Schädigung des rechten Schultergelenks eingetreten sei mit der Folge einer frühzeitig einsetzenden posttraumatischen Schultersteife. Zutreffend sei die Darstellung der Beklagten zum fehlenden Nachweis eines Erstschadens nur insoweit, als kein bildmorphologischer Erstschaden im MRT nachweisbar gewesen sei. Auch die MRT gebe nicht immer einen ausreichenden Aufschluss über stattgehabte Verletzungen, insbesondere dann, wenn sie ohne Kontrastmittelgabe durchgeführt werde. Vorliegend ergebe sich aber aus der klinischen Frühsymptomatik (Schmerzen, Bewegungseinschränkung), dass eine Verletzung des Schultergelenkes des Klägers eingetreten gewesen sei, die nicht nur durch eine bloße Kraftanstrengung zustande gekommen sei. Zwei Monate nach dem Ereignis sei bei der Arthroskopie eine "posttraumatische Schultersteife" in Form einer Gelenkhautentzündung – die ihrerseits bereits in dem MRT vom 21. April 2009 bildlich dokumentiert worden sei - und einer Kapselschrumpfung diagnostiziert worden. Die Pathomorphologie der sekundären Schultersteife sei im Vergleich zur primären Frozen shoulder noch nicht eingehend untersucht. Der Unfallhergang sei vom Kläger nie detailliert erfragt worden, so dass auch nicht von einem ungeeigneten Unfallhergang ausgegangen werden könne, zumal der Gutachter und Operateur Dr. G ein ruckartiges Ziehen des Verteilerschrankes mit dem nach hinten hyperextendierten rechten Arm beschrieben habe. Die Zusammenhangsbegutachtungen seien im Übrigen nur zur SLAP-Läsion, nicht aber zu der bei der Arthroskopie am 17. Juni 2009 diagnostizierten posttraumatischen Schultersteife rechts erfolgt. Hierzu hat die Beklagte mit beratungsärztlicher Stellungnahme des Dr. T vom 29. Januar 2013 erwidert, dass allein die Darstellung des Klägers im Unfallfragebogen vom 02. Juni 2009 entscheidend sei und alle späteren Darstellungen des Unfallhergangs überflüssig seien.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Potsdam am 17. Januar 2014 hat der Kläger auf Bitten des Vorsitzenden den Unfallhergang noch einmal demonstriert und beschrieben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift zu dieser Sitzung verwiesen.

Das SG hat mit Urteil vom 13. Juni 2014 unter Abänderung des Bescheides vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2011 festgestellt, dass eine sekundäre Schultergelenkssteife der rechten Schulter Folge des Arbeitsunfalls vom 02. April 2009 gewesen ist, und die Beklagte unter Auferlegung der vollen Kosten verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 17. Oktober 2012 zu gewähren. Es hat seine Entscheidung auf das Sachverständigengutachten sowie die ergänzenden Stellungnahmen von Prof. Dr. B gestützt und damit begründet, dass die Kammer zu der Überzeugung gelangt sei, dass – neben einer Zerrung der rechten Schulter – auch die sekundäre Schultergelenkssteife der rechten Schulter Folge des Arbeitsunfalls vom 02. April 2009 sei. Weiter hat es ausgeführt: "In Übereinstimmung mit den Vorgutachtern Lamm und Dr. M und den Stellungnahme der beratenden Ärzte der Beklagten führt der Sachverständige nach Darlegung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands zur Genese von SLAP-Läsionen zunächst überzeugend und sorgfältig begründet aus, dass die bei der am 17. Juni 2009 in der Charité durchgeführten Arthroskopie festgestellte SLAP-Läsion Typ II nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfalls gewesen ist. Der Sachverständige verweist insoweit darauf, dass insoweit ein geeigneter Unfallmechanismus nicht dokumentiert wurde, so dass davon ausgegangen werden muss, dass eine SLAP Läsion bereits vor dem Arbeitsunfall bestand und erst durch diesen symptomatisch geworden ist. Hierfür spricht nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch die ärztlich dokumentierte Beschwerdeentwicklung des Klägers, welche durch eine anhaltende und stark schmerzhafte Beeinträchtigung der Schultergelenksbeweglichkeit gekennzeichnet ist. Bei der traumatischen Verursachung einer SLAP-Läsion wäre hingegen nach medizinisch-wissenschaftlicher Erfahrung mit einer abklingenden Schmerzsymptomatik zu rechnen gewesen, wobei schmerzhafte Bewegungseinschränkungen vor allem – anders als bei dem Kläger – bei Abspreizbewegungen über die Horizontale und bei Überkopfarbeiten aufgetreten wären. Unfallfolge ist nach den Feststellungen des Sachverständigen aber die verbliebene Steife des rechten Schultergelenks (sekundäre Schultersteife), welche als Folge der durch den Unfall verursachten (und von der Beklagten im angefochtenen Bescheid anerkannten) Schulterzerrung eingetreten ist. Der Sachverständige hat bei der Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung insoweit schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass eine sekundäre Schultersteife, wie sie in den Behandlungsunterlagen nach dem Unfall lückenlos dokumentiert ist, nach der wissenschaftlichen Theorie durch eine überschießende Heilreaktion mit nachfolgenden Gewebeveränderungen und Kapselschrumpfung verursacht werden kann. Dieser zum Eintritt einer sekundären Schultersteife führende Prozess kann hiernach insbesondere nach einer Schulterzerrung, welche sich der Kläger bei dem Unfall unstreitig zugezogen hat, auftreten. Ein entsprechendes Schadensbild (Kapselschrumpfung und Gelenkentzündung) wurde bei der am 17. Juni 2009 durchgeführten Arthroskopie bei dem Kläger festgestellt und behandelt, wobei konkurrierende Ursachen oder Erkrankungen aufgrund des zeitlichen Verlaufs der ärztlich dokumentierten Beschwerdeentwicklung nach Einschätzung des Sachverständigen auszuschließen sind. Insbesondere die beim Kläger unfallunabhängig bestehende SLAP-Läsion kann nach den Feststellungen des Sachverständigen die fortbestehende Schultersteife des Klägers nicht hervorgerufen oder anhaltend beeinflusst haben. Die überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen werden zur Überzeugung der Kammer durch die von der Beklagten eingeholten Gutachten und beratungsärztlichen Stellungnahmen nicht widerlegt. Der Sachverständige führt insoweit nachvollziehbar aus, dass die Gutachter Prof. Dr. H und Dr. G von einem nicht nachgewiesenen Unfallhergang (Hyperextensionstrauma) ausgegangen sind. Die Gutachter L und Dr. M haben – ausgehend von einer nicht zutreffenden rechtlichen Wertung – nur den spärlich dokumentierten Erstangaben des Klägers Bedeutung für Aufklärung des Unfallhergangs beigemessen. In beiden Gutachten wird darüber hinaus nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen die eigenständige Bedeutung der Kapselschrumpfung, der Gelenkentzündung und der Schultersteife neben der SLAP-Läsion nicht berücksichtigt. Schlüssig führt der Sachverständige insoweit aus, dass es denklogisch ausgeschlossen ist, dass die Kapsulitis und Synovialitis durch die SLAP Läsion verursacht worden sein sollen, wenn die SLAP Läsion doch bereits vor dem Unfall vorgelegen hat, wobei Letzteres auch die beratenden Ärzte der Beklagten annehmen. Die von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichten Stellungnahmen von Dr. V vom 11. Dezember 2012 und von Dr. T vom 29. Januar 2013 zu den Feststellungen des Sachverständigen gehen von einer unzutreffenden rechtlichen Wertung des Sachverhalts, nämlich – entgegen der bindenden Feststellung im angefochtenen Bescheid der Beklagten – vom Nichtvorliegen einer äußeren Einwirkung und damit vom Nichtvorliegen eines Arbeitsunfalls aus. Einen Gesundheitserstschaden (Zerrung der rechten Schulter), der nachfolgend zur der Schultersteife geführt hat (s. o.), hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid – entgegen der Ausführungen ihrer beratenden Ärzte – (zutreffend) anerkannt. Gegen die Feststellungen des Sachverständigen kann zur Überzeugung der Kammer auch nicht eingewandt werden, dass die Pathomorphologie sekundärer Schultersteifen noch nicht vollständig geklärt ist. Hinreichend für die Annahme des Ursachenzusammenhangs ist insoweit, dass Schultergelenkszerrungen zu einem entsprechenden Verlauf führen können, der zudem nach dem dokumentierten Schadensbild (Kapselschrumpfung und Gelenkentzündung) und dem Verlauf der Beschwerdeentwicklung bei dem Kläger hinreichend wahrscheinlich ist. Der Sachverständige hat die Verursachungswahrscheinlichkeit insoweit mit 70% angenommen, was nach den dargestellten Maßstäben ein rechtlich wesentlicher Verursachungsbeitrag ist, der zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs führen muss. Wegen der verbliebenen Unfallfolgen hat der Kläger gegen die Beklagte auch den Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 17. Oktober 2012. Der geltend gemachte Anspruch auf Verletztenrente richtet sich nach § 56 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. "

Gegen das der Beklagten am 15. Juli 2014 zugestellte Urteil hat diese am 21. Juli 2014 Berufung eingelegt. Gestützt auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen in erster Instanz verweist sie darauf, dass eine posttraumatische Schultersteife ohne Verletzungszeichen nicht zu erklären sei, sich solche im MRT vom 21. April 2009 jedoch nicht hätten nachweisen lassen, so dass dies nur den Schluss zulasse, dass hier eben keine posttraumatische Schultersteife vorliege. Die vom gerichtlichen Sachverständigen angenommenen, angeblich durch den Arbeitsunfall verursachten Mikroläsionen, die mit der Standardtechnik der Kernspintomographie nicht nachzuweisen seien, könnten daher nur als nicht nachgewiesen gelten. Die Überlegungen des Sachverständigen zum Unfallhergang seien spekulativ. Der Sachverständige habe sich frühzeitig dahingehend festgelegt, dass die Schultersteife auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei, weshalb hierfür eine SLAP-Läsion nicht in Betracht komme, aber ein geeigneter, hypothetischer Unfallhergang vorgelegen haben müsse und auch die zur Zeit nicht nachweisbaren Mikroläsionen hätten vorhanden gewesen sein müssen. Dies sei mit den Beweisgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vereinbar. Auch sei der Verlauf der Schultersteife untypisch, da nach einigen Monaten die spontane Lösung der Einsteifung zu erwarten sei. Zudem komme dem Nachweis eines Unfallerstschadens eine überragende Bedeutung zu, wozu der Sachverständige keinen Nachweis habe erbringen können. Unter Verweis auf den Artikel "Die adhäsive Kapsulitis des Schultergelenkes", Der medizinische Sachverständige (MED SACH) 111 04/2015, Juli/August 2015, würden gegen das unfallbedingte Vorliegen einer sekundären Schultersteife das Fehlen eines geeigneten Unfallhergangs und eines Unfallerstschadens sowie das Vorliegen einer Schadensanlage sprechen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Potsdam vom 13. Juni 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahmen von Prof. Dr. B vom 11. November 2013 (richtig: 2014) eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, das MRT vom 21. April 2009 sei nicht geeignet, Zerrungsfolgen zu beweisen, damit könne der von der Beklagten geforderte Vollbeweis des Erstschadens nicht geführt werden. Zum Beweis der Schulterzerrung, also einer durch das Unfallereignis eingetretenen Gewebeschädigung, die damit grundsätzlich geeignet sei, die später diagnostizierte Schultersteife ursächlich herbeigeführt zu haben, diene die Erstdokumentation der durch den D-Arzt Dr. L beschriebenen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen im Bereich der rechten Schulter sowie der Befunde (u. a. Druckschmerz) der weiteren Untersuchung am 02. April 2009 (u. a. Sonografie) und der MRT-Befund vom 21. April 2009 (diskreter Reizerguss ). Eine erst postoperative Einsteifung des Schultergelenkes sei auszuschließen, da eine Einschränkung in der Beweglichkeit auch schon vor der Arthroskopie verzeichnet worden sei und nachweisbar schon zum Zeitpunkt der Operation der SLAP II-Läsion bestanden habe.

Die Beklagte hat mit beratungsärztlicher Stellungnahme des Dr. Z vom 27. November 2014 erwidert, dass das MRT vom 21. April 2009 den Vollbeweis der Nicht-Verletzung erbracht habe, obwohl es die geeignete diagnostische Methode sei, um selbst kleinste Läsionen ab ca. 0,5 mm nachzuweisen, wie Einblutungen, Ödeme und bone bruise. Zudem habe der klinische Befund einer Schultersteife, d. h. die Versteifung der passiven Beweglichkeit in allen Ebenen, nicht vorgelegen (vgl. Befunde vom 28. September 2008 und vom 31. August 2010).

Der Senat hat hierzu die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. B vom 10. Juni 2015 eingeholt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 03. September 2015 hat der Kläger den Unfallhergang nochmals erläutert und demonstriert. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift zu dieser Sitzung verwiesen.

Sodann hat der Senat im Rahmen der Beweisaufnahme ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. C vom 01. Mai 2016 veranlasst, welches auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 11. Dezember 2015 und der Zugrundelegung des im Termin vom 03. September 2015 vom Kläger dargestellten Unfallhergangs basiert. Der Sachverständige hat beim Kläger eine demonstrierte schmerzhafte Schulterteilsteife rechts unklarer Ursache nach einer SLAP (oberer knorpeliger Pfannenrand vorn und hinten)-Läsion II° am 02. April 2009, versorgt mit arthroskopischer Rekonstruktion mit Fadenanker am 17. Juni 2009, sowie eine Schultereckgelenksarthrose II° beidseits ohne Einengung unter dem Schulterdach festgestellt. Mit Wahrscheinlichkeit durch den Unfall verursacht sei die SLAP-Läsion II° am 02. April 2009, versorgt mit arthroskopischer Rekonstruktion am 17. Juni 2009. Der Unfallhergang sei geeignet gewesen, eine SLAP-Läsion an der rechten Schulter zu verursachen. Hingegen sei eine sekundäre (posttraumatische) Schultergelenkssteife weder strukturell (MRT/Röntgen) noch durch den klinischen Verlauf, die Belastung im Beruf und beim Sport oder durch objektivierbare Befunde zu begründen. Beim Kläger, wie bei einem Rechtshänder zu erwarten, bestehe eine rechts betont ausgeprägte Oberarmmuskulatur bei insgesamt überdurchschnittlich sehr gut trainierter Oberkörpermuskulatur mit akzentuierten Muskeln. Durch Schonung bedingte Defizite, die sich aus der demonstrierten und beklagten Einschränkung am rechten Arm ergeben müssten, seien nicht feststellbar. Der Kläger fahre PKW (Automatik) über 120 Minuten, sei Mitglied in einem Segelverein und segele im eigenen Boot bis fünf Stunden (zweimal wöchentlich zwei-drei Stunden, letzte Clubregatta angeblich 2009), versorge seinen Garten, sei im Sommer 2015 im Urlaub mit dem Pkw für 14 Tage am Gardasee gewesen. Zuletzt sei er bis Oktober 2009 in unfallchirurgischer Behandlung gewesen, jedoch nie bei einem Orthopäden oder speziellen Schmerztherapeuten. Die letzte Krankengymnastik für die rechte Schulter sei im Oktober 2009 wahrgenommen, letzte Schmerzmittel seien im September 2009 eingenommen worden. Es bestehe eine erhebliche Diskrepanz zwischen den geschilderten Beschwerden und Funktionseinschränkungen und den bei der Untersuchung zu erhebenden Befunden, zwischen geschilderten und demonstrierten Funktionsbeeinträchtigungen und zu eruierenden Aktivitäten des täglichen Lebens (insbesondere Vollzeittätigkeit als Werklehrer und Aktivitäten im Segel-Verein). Es fehlten vollständig angemessene Therapiemaßnahmen und Aktivitäten zur Schmerzlinderung trotz ausgeprägt beschriebener Beschwerden. Bei kritischer Würdigung aller Befunde und des gesamten dokumentierten Verlaufes sei er nicht davon überzeugt, dass die auf orthopädischem Fachgebiet beklagten Funktionsbeeinträchtigungen in der geklagten Form bestünden. Es fänden sich in der Anamnese und bei der Begutachtung keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass neben den objektivierbar nachvollziehbaren Beschwerden und Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet liegende Beschwerden bestünden, weshalb eine neurologisch-psychiatrische Zusatzbegutachtung nicht erforderlich sei. Angesichts der Tatsache, dass seit Oktober 2009 keine Behandlung mehr stattgefunden habe und im MRT vom 27. April 2011 und den Röntgenbildern außer der narbig nach Operation regelhaft verheilten SLAP-Läsion II° rechts keinerlei wesentliche bewegungs- oder belastungsmindernde Befunde an der rechten Schulter erhoben wurden, könne eine MdE von max. 10 v. H. angenommen werden (bei fehlender Nachvollziehbarkeit der beklagten Bewegungs- und Belastungseinschränkungen).

Der Senat hat hierzu die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. B vom 19. Juni 2016 eingeholt, der ausführt: " Zu den Anmerkungen des Gutachters Dr. C zu den Unfallfolgen, insbesondere zu den Zweifeln an der Verschlechterung der aktiven Bewegungsausmaße des rechten Schultergelenkes zwischen der Untersuchung durch Drs. M/L (15.03.2011) und durch mich (18.10.2011) stelle ich fest, dass ich in meinem Gutachten hierzu Stellung genommen habe. Ich sehe keinen eindeutigen Zusammenhang mit dem Unfallereignis, da nach der durchgeführten Therapie zwar eine Restbehinderung bestand, jedoch keine so erhebliche Einschränkung wie sie bei meiner Untersuchung festgestellt wurde. Auch mir ist eine deutliche Gegenspannung bei der Prüfung der passiven Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes aufgefallen, auch wenn ich insgesamt nicht den Eindruck einer Aggravation oder Simulation hatte. Sowohl Dr. C als auch ich sind Gutachter mit großer Erfahrung, die normalerweise zwischen einem "demonstrierten" Bewegungsausmaß und einem objektiven Befund unterscheiden können, wenn so erhebliche Differenzen zu einem Vorbefund bestehen. Die Zweifel von Dr. C, die unter anderem durch eine fehlende Muskelminderung des rechten Armes begründet werden, dass es sich hierbei nicht mehr um alleinige Unfallfolgen handeln kann, erscheinen gerechtfertigt."

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28. Juni 2016 dargelegt, dass sich Prof. Dr. B mit dieser ergänzenden Stellungnahme offenbar von genau jenem Zusammenhang distanziere, den er in seinen Gutachten festgestellt hatte. Dass es für den Kläger durch einen schmerzbedingten Mindergebrauch des rechten Schultergelenkes - wie in der gutachterlichen Stellungnahme von Prof. B ausgeführt - zu einer sekundären Schultersteife gekommen sein soll, sei zur Überzeugung der Beklagten allein durch die durchgängig dokumentierte gut ausgebildete rechte Armmuskulatur widerlegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des SG vom 13. Juni 2014 ist rechtswidrig, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer "sekundären Schultergelenkssteife rechts" als Folge des Arbeitsunfalls vom 02. April 2009 und auch keinen Anspruch auf Verletztenrente hat.

Richtige Klageart für das auf Feststellung einer weiteren Unfallfolge und (deren) Entschädigung gerichtete Begehren des Klägers ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage i. V. m. einer Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG).

Der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2011 ist rechtmäßig, soweit die Beklagte darin eine sekundäre Schultergelenkssteife der rechten Schulter des Klägers ("Bewegungsstörung und Einsteifung des rechten Schultergelenks nach operativ versorgter unfallunabhängiger Schädigung der Knorpellippe am oberen Rand der rechten Schulterpfanne") nicht als Folge des Arbeitsunfalls vom 02. April 2009 anerkannt und gleichzeitig die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt hat. Weder liegen die Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Feststellung einer sekundären Schultergelenkssteife als weitere Unfallfolge noch für und die begehrte Verletztenrente vor.

Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit; Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16); ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 18 und 20). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht ausschließlich eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Soweit das Gesetz in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Kap. 1.8, S. 29 ff.).

Hiervon ausgehend hat der Kläger zwar am 02. April 2009 einen versicherten Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII erlitten, was zwischen den Beteiligten unstreitig und von der Beklagten im streitigen Bescheid auch anerkannt worden ist. Jedoch ist der Senat nicht in dem nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße, d.h. insofern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, davon überzeugt, dass eine, nach der Wesentlichkeit der Ursache zu bemessende haftungsausfüllende Kausalität zwischen dem erlittenen Gesundheitserstschaden und den vom Kläger beklagten anhaltenden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der rechten Schulter besteht.

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (BSG, a.a.O., Rn. 16).

Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Maßgebend ist, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (BSG, a.a.O., Rn. 17). Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, a.a.O., Rn. 18). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann entgegen der Auffassung der Beklagten nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (BSG, a.a.O., Rn. 19). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O., Rn. 20).

Dies zugrunde gelegt lässt sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nach der arthroskopischen Rekonstruktion der SLAP-Läsion II° am 17. Juni 2009 weder eine "sekundäre Schultersteife" rechts als Unfallfolge feststellen noch eine – unter Berücksichtigung aller unfallbedingten Gesundheitsschäden - unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Umfang. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere aus dem anhand der in den Akten dokumentierten und bei der eigenen Untersuchung erhobenen Befunde und im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur nachvollziehbar begründeten Gutachten des Sachverständigen Dr. C vom 01. Mai 2016.

Die vom Kläger zum Gegenstand der Klage gemachten Schulterbeschwerden in Form von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen ("sekundäre Schultergelenkssteife") sind nicht hinreichend wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Soweit sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. C zum Unfallhergang, den u.a. im MRT vom 21. April 2009 dokumentierten Begleitschäden (Ödembildung am Ansatz der langen Bizepssehne an der Gelenkpfanne und am Labrum) und zum intraoperativen Befund vom 17. Juni 2009 der Arbeitsunfall hingegen zumindest als mitursächlich erweist für die operativ versorgte Schädigung der Knorpellippe am oberen Rand der rechten Schulterpfanne (SLAP-Läsion II°), ist dies nicht Gegenstand des auf Feststellung von unfallbedingten Schädigungsfolgen gerichteten Verfahrensteils geworden, da das Klagebegehren ausdrücklich nicht auf die Feststellung dieser Schädigungsfolge gerichtet war (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. A., § 55 Rn. 13a, 13c). Ungeachtet dessen sind im Rahmen des auf Verletztenrente gerichteten Leistungsbegehrens sämtliche unfallbedingten Schädigungsfolgen zu berücksichtigen, die sich im Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme als wesentlich durch den Unfall (mit-) verursacht erweisen. Im Ergebnis führt jedoch auch dies nicht zu einem Leistungsanspruch des Klägers, da die SLAP-Läsion II° rechts als folgenlos ausgeheilt zu betrachten ist. Der MRT-Befund vom 27. April 2011 hat postoperativ, also nach der am 17. Juni 2009 durchgeführten Arthroskopie, stärkere Narbenbildungen sowie entzündliche Veränderungen in der rechten Schulter ausgeschlossen. Der anliegende Anker der Bizepssehne zeigte sich als regelrecht. Hinweise auf einen frischen Labrumriss oder einen Gelenkerguss fanden sich nicht. Dafür, dass die SLAP-Läsion II° im Bereich der rechten Schulter als ausgeheilt zu betrachten ist, spricht auch, dass der Kläger im Oktober 2009 eine Vollzeittätigkeit wieder aufgenommen und weder schmerztherapeutische noch physiotherapeutische Unterstützung in Anspruch genommen hat.

Ob, wie von Prof. Dr. B in seinem Gutachten vom 11. November 2012 vertreten, als Folge der beim Unfall erlittenen Zerrung des Schultergelenkes eine "sekundäre Schultersteife" eingetreten war und ebenfalls am 17. Juni 2009 operativ durch ein circumferentielles Kapselrelease behandelt worden ist, kann letztlich dahinstehen, da für die hier relevante Zeit danach eine unfallbedingte "sekundäre Schultersteife" nicht festzustellen ist. Wie der Sachverständige Dr. C überzeugend dargelegt hat, spricht gegen eine im Zeitpunkt der arthroskopischen OP im Juni 2009 bestehende "sekundäre Schultersteife" schon die in der Narkoseuntersuchung vor und nach der Operation festgestellte freie Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes. Zudem wird im OP-Bericht vom 17. Juni 2009 die Gelenkkapsel als unauffällig bzw. als normale Kapsel ohne Subluxation, d.h. keine generelle Kapselschrumpfung als typisches Zeichen einer Schultersteife (so Prof. Dr. Bin der mündlichen Verhandlung des SG vom 13. Juni 2014), beschrieben, so dass ein circumferentielles Kapselrelease nicht nachvollziehbar ist. Zumindest sind die nach dem Unfall aufgetretenen Bewegungseinschränkungen der rechten Schulter mit Schmerzen, sei es als (Teil-) Symptomatik der Zerrung, einer "sekundären Schultersteife" und/oder der SLAP-Läsion II°, nach der arthroskopischen OP am 17. Juni 2009 und nachfolgender intensiver physiotherapeutischer Behandlung bis Oktober 2009 ausgeheilt. Zwar wurden bei der Untersuchung durch die Sachverständigen Prof. Dr. B und Dr. C deutliche Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Schultergelenkes des Klägers - bei aktiver Bewegung - ermittelt, so bei der Untersuchung durch Professor Dr. Breyer am 18. Oktober 2012: seitwärts/körperwärts 70/0/30, rückwärts/vorwärts 35/0/45, auswärts/einwärts 90°abd. 30/0/45; auswärts/einwärts add. 30/0/90 und bei der Untersuchung durch Dr. C am 11. Dezember 2015: seitwärts/körperwärts 60/0/20, rückwärts/vorwärts 10/0/60; auswärts/einwärts 90° abd. - nicht messbar -; auswärts/einwärts add. 50/0/40.

Diese vom Kläger als "sekundäre Schultersteife" geltend gemachten, demonstrierten Bewegungseinschränkungen und beklagten Schmerzen lassen sich jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 02. April 2009 bzw. die arthroskopische Operation vom 17. Juni 2009 zurückführen.

Vorliegend fehlt es an einem zeitlichen Zusammenhang der vom Kläger angegebenen Schmerzproblematik und Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk, so wie sie durch die Begutachtungen durch Dr. G im Februar 2010, Dr. M im März 2011, Professor Dr. B im Oktober 2012 und Dr. C im Dezember 2015 dokumentiert sind, mit dem Unfallgeschehen bzw. der nachfolgenden OP wie auch an einem unfallbedingten Substrat für die beklagten Beschwerden.

So war bereits im OP-Bericht vom 17. Juni 2009 postoperativ eine freie Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes festgestellt worden. Der MRT-Befund vom 27. April 2011 hat postoperativ stärkere Narbenbildungen sowie entzündliche Veränderungen in der rechten Schulter ausgeschlossen. Der anliegende Anker der Bizepssehne zeigte sich als regelrecht. Hinweise auf einen frischen Labrumriss oder einen Gelenkerguss fanden sich nicht.

Während bei den Begutachtungen 2010 und 2011 – als Ergebnis der bis Oktober 2009 erfolgten Behandlungen einschließlich Physiotherapie/EAP - durchaus eine gute Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes zu verzeichnen war, ist die erstmals im Oktober 2012 durch Professor Dr. B festgestellte Bewegungseinschränkung weder durch das angeschuldigten Unfallereignis vom April 2009 noch durch den operativen Eingriff im Juni 2009 zu erklären. Hierauf hat zutreffend Prof. Dr. B in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2016 verwiesen. Eben wegen der in den Jahren 2010 und 2011 dokumentierten guten Bewegungsmaße durch eine erfolgreiche Behandlung bis Oktober 2009 ist eine im Jahr 2012 gegebenenfalls festzustellende, durch den Unfall 2009 bedingte - erneute - Schultersteife auszuschließen. Die dennoch demonstrierten Bewegungseinschränkungen konnten durch keinen der Sachverständigen wesentlich (mit-) ursächlich auf das Unfallereignis vom April 2009 zurückgeführt werden.

Zudem fehlt es auch an den notwendigen Brückenbefunden. Seit dem Abschluss der Behandlung im Oktober 2009 erfolgte weder eine schmerz- und/oder physiotherapeutische Behandlung des Klägers wegen rechtsseitiger Schulterbeschwerden.

Abgesehen davon ist das Ausmaß der vom Kläger bei der Untersuchung durch die die Sachverständigen Prof. Dr. B und Dr. C demonstrierten Bewegungseinschränkungen und beklagten Schmerzen und Funktionseinschränkungen nicht in Übereinstimmung mit dem sonstigen Untersuchungsbefund sowie seinen Aktivitäten im Alltag zu bringen. So wurde durch die Sachverständigen Prof. Dr. B und Dr. C beim Kläger - wie bei einem Rechtshänder zu erwarten - eine rechts betont ausgeprägte Oberarmmuskulatur bei "insgesamt überdurchschnittlich sehr gut trainierter Oberkörpermuskulatur mit gut akzentuierten Muskeln" festgestellt. Prof. Dr. B legte hierzu in seinem Gutachten auf Seite 9 dar: "Der Schultergürtel ist kräftig und symmetrisch ausgebildet. Die Schlüsselbein-Schulterblattgelenke und die Schlüsselbein-Brustbeingelenke sind stabil und klinisch unauffällig. Insbesondere finden sich im Bereich dieser Gelenke kein Druckschmerz, kein Belastungsschmerz und kein Hinweis für eine Instabilität. Die Kontur der rechten Schulter zeigt eine kräftigere Ausbildung des rechten M. deltoideus als des linken, entsprechend der Angabe der Rechtshändigkeit, während der rechte M. supraspinatus eine leichte Atrophie aufweist." Dr. C bezeichnete den Schultergürtel als kräftig und symmetrisch ausgebildet, die Muskulatur im Bereich des Oberkörpers als sehr gut ausgeprägt und die Muskelstrukturen an den Oberarmen als gut definiert. Mit dem Sachverständigen Dr. C geht der Senat davon aus, dass ein solcher kräftiger und symmetrisch ausgebildeter Muskelmantel nicht vorliegen könnte, wenn die behaupteten Einschränkungen in Form einer "sekundären Schultersteife" tatsächlich bestehen würden. Die Muskulatur belegt vielmehr eine seitengleiche Nutzung beider Arme. Nicht objektivierbar, d.h. messbar, sind auch die mit der behaupteten Schultersteife einhergehenden Schmerzen. Zutreffend verweist Dr. C darauf, dass die Frage, inwieweit ein individuell empfundener Schmerz durch strukturelle Befunde nachvollziehbar ist und den Probanden in seiner Lebensführung - und insbesondere im Erwerbsleben - objektivierbar zusätzlich negativ beeinträchtigt, somit nur indirekt aus der Zusammenschau der klinischen und bildgebenden Befunde, der Aktivitäten des täglichen Lebens und der Effektivität durchgeführter Behandlungen einzuschätzen ist. Die Schwere der "Schmerzkrankheit" ergibt sich somit aus der strukturellen, nachvollziehbaren objektivierbaren Diagnose und den belegten, d.h. nachgewiesenen und dokumentierten Funktionsminderungen/ – einschränkungen. Grundsätzlich sind ein hoher Leidensdruck durch Schmerzen, auch psychisch, und damit starke Einschränkungen in der Belastbarkeit, dann anzunehmen, wenn sich durch körperliche Befunde, z.B. schonungsbedingte Defizite der Muskulatur, Bewegungseinschränkungen etc., nachvollziehbare Beeinträchtigungen im privaten oder beruflichen Alltagsleben oder in der sozialen Partizipation nachweisen lassen (Schönberger u. a., a.a.O., S. 237 ff.).

Beim Kläger waren nach Abschluss der Rekonvaleszenz nach arthroskopischer OP mit regelhaft verheilter SLAP-Läsion sowie bei unfallunabhängigen Verschleißveränderungen im Bereich beider Schultergelenke rechtsseitig keinerlei wesentlichen bewegungseinschränkende und belastungsmindernde Befunde zu erheben. Vielmehr verfügt der Kläger über eine rechts betont ausgeprägte Oberarmmuskulatur bei insgesamt überdurchschnittlich sehr gut trainierter Oberkörpermuskulatur mit gut akzentuierten Muskeln. Durch Schonung bedingte Defizite, die sich aus den vom Kläger demonstrierten und beklagten Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes ergeben müssten, sind nicht feststellbar. Atrophien der Muskulatur am rechten Ober- und Unterarm sind nicht zu verzeichnen. Es ergaben sich folgende Umfangmaße bei der Untersuchung durch Prof. Dr. B am 11. November 2012: Oberarm bei gestrecktem Ellenbogengelenk (15 cm oberhalb Epic. lat). rechts 31,5 cm und links 32 cm, im Bereich des Ellenbogengelenks 27,5 cm bzw. 28 cm bzw. Unterarm(10 cm unterhalb Epic. lat.) rechts 28,5 cm und links 28 cm. Bei der Untersuchung durch Dr. C am 11. Dezember 2015 wurden folgende Umfangsmaße festgestellt: Oberarm rechts 32 cm und links 31 cm, im Bereich des Ellenbogengelenks sowie am Unterarmumfänge seitengleiche Umfänge. Auch ist der Kläger nicht – bedingt durch Bewegungseinschränkungen und Schmerzen - sozial isoliert. Er arbeitet in Vollzeit in der Ausbildung von Oberschülern im Werkunterricht, einschließlich Materialbeschaffung. Seine letzte "schulterbedingte" Arbeitsunfähigkeit währte bis Oktober 2009, ebenso wie die letzte physiotherapeutische Behandlung wegen der Schulterverletzung. Seitdem nahm der Kläger keine ärztliche Behandlung bei einem Orthopäden oder eine spezielle Schmerztherapie wegen der geklagten Schulterbeschwerden rechts wahr.

Ebenso wenig erscheinen seine privaten Aktivitäten durch Bewegungseinschränkungen und Schmerzen eingeschränkt, so fährt er Pkw (Automatik, über 120 Minuten), ist Mitglied in einem Segelverein und segelt im eigenen Boot (zweimal wöchentlich zwei bis drei Stunden), versorgt seinen Garten, war im Sommer 2015 mit dem Pkw für 14 Tage im Urlaub am Gardasee. Die kräftig ausgebildete Muskulatur rechts erklärt sich daher ohne Weiteres aus den Aktivitäten des Klägers, insbesondere da er aktiver Segler ist. Sie ist, worauf Dr. C schlüssig verweist, nicht vereinbar mit der vom rechtshändigen Kläger behaupteten fehlenden Belastbarkeit und Schonung des rechten Armes. Auch dem Senat ist nicht erklärlich, wie ein regelmäßiges Segeln ablaufen soll, wenn der rechte Hauptarm nicht belastet werden kann. Gleiches gilt für die sonstigen privaten Aktivitäten und die berufliche Vollzeittätigkeit des Klägers.

Konfrontiert mit dem Gutachten und den Feststellungen von Dr. C ist auch Prof. Dr. B von einer wesentlichen Aussage seines Gutachtens abgerückt bzw. erscheinen seine ursprünglich getroffenen Kausalitätserwägungen nunmehr inkonsistent, soweit er in der Stellungnahme vom 19. Juni 2016 ausführt: "Zu den Anmerkungen des Gutachters Dr. C zu den Unfallfolgen , insbesondere zu den Zweifeln an der Verschlechterung der aktiven Bewegungsmaße des rechten Schultergelenkes zwischen der Untersuchung durch Drs. M und L (15. März 2011) und durch mich (18. Oktober 2011) stelle ich fest, dass ich in meinem Gutachten hierzu Stellung genommen habe. Ich sehe keinen eindeutigen Zusammenhang mit dem Unfallereignis, da nach der durchgeführten Therapie zwar eine Restbehinderung bestand, jedoch keine so erheblichen Einschränkungen wie sie bei meiner Untersuchung festgestellt wurden. "

Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit kann daher nicht festgestellt werden. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Mithin hängt die MdE-Bemessung von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (etwa BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12). Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht nach § 72 Abs. 1 SGB VII jedoch frühestens ab dem Tag, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet.

Zur Überzeugung des Senats bestand, wie zuvor bereits dargelegt, eine unfallbedingte Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes längstens bis zum Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit in Vollzeit durch den Kläger und Beendigung der physiotherapeutischen Heilbehandlung im Oktober 2009. Demzufolge lagen keine Unfallfolgen und damit keine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Folge des Arbeitsunfalls vom 02. April 2009 über den Zeitraum, für den von der Beklagten Verletztengeld gezahlt wurde, hinaus vor. Einer allumfassenden Ursachenforschung hinsichtlich der vom Kläger geklagten Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, für die alternative Ursachen in Form der bereits im Juni 2009 röntgenologisch festgestellten Schultereckgelenksarthrose II° rechts, (und links gesichert durch Röntgenbefund vom 15. März 2011, asymptomatische) bestehen, bedurfte es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und umfasst die Kosten des gesamten Verfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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