L 19 R 866/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 202/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 866/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kinder teilen beim Tatbestand der Rückkehrverhinderung/des Festgehaltenwerdens des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI das Schicksal der Eltern, so dass auf einen Rückkehrwillen der Eltern abzustellen ist (BSG Urteil vom 17.02.2005 - B 13 RJ 25/04).
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.09.2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte in einem Überprüfungsverfahren der Klägerin eine höhere Altersrente zu gewähren hat und hierbei für die Zeit vom 01.01.1956 bis 31.12.1956 zusätzlich eine Ersatzzeit wegen Rückkehrverhinderung anzuerkennen hat.

Die 1940 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie ist am 29.04.1994 aus Kasachstan in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen und verfügt über eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG), wonach sie Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG ist. Nach Vorlage ihres Arbeitsbuches wurden bei der Klägerin ab Januar 1959 Pflichtbeitragszeiten als glaubhaft gemacht angesehen und mit Feststellungsbescheid vom 26.01.1996 anerkannt.

Auf ihren Antrag vom 06.09.2000 erhielt die Klägerin von der Beklagten mit Bescheid vom 16.10.2000 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab dem 01.12.2000 zuerkannt. Der Rentenberechnung lagen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) ab Januar 1959 zugrunde. Im Antragsformular hatte die Klägerin die Frage nach Ersatzzeiten verneint.

Mit Schreiben vom 23.03.2012 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten die Überprüfung der Altersrente der Klägerin im Hinblick darauf, dass im Rentenbescheid vom 16.10.2000 keine Ersatzzeiten wegen Verschleppung und Kommandantur angerechnet worden seien. Nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Leistungsfalls der Rente seien Zeiten der Kommandantur und Rückkehrhinderung bis zum 31.12.1956 anzurechnen. Gleichzeitig wurden weitere Sachverhalte geltend gemacht.

Die Klägerin füllte auf Verlangen der Beklagten am 16.05.2012 einen Fragebogen über Zeiten der Internierung und Verschleppung außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland aus. Sie gab hierin, dass sie im Herbst 1941 von den sowjetischen Behörden von ihrem Geburtsort im Wolgagebiet nach Kasachstan verschleppt worden sei. Dies sei wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit erfolgt und sie sei in Kasachstan in einem Lager gewesen. Aus der Internierung entlassen worden sei sie im Herbst/Winter 1956. Anschließend habe sie sich weiter in Kasachstan aufgehalten, weil ihre Rückkehr verhindert worden sei. Ein Rückkehrwille habe bereits während der Kommandantur bestanden, jedoch habe ein Ausreiseverbot vorgelegen. Der Aufnahmeantrag nach Deutschland sei nach dem 31.12.1991 gestellt worden.

Die Beklagte stellte auf Grund der Berücksichtigung verschiedener Sachverhalte mit Bescheid vom 30.05.2012 die Altersrente der Klägerin neu fest und nahm eine Nachzahlung für die Zeit ab 01.01.2008 vor. In dem Bescheid wurde eine Ersatzzeit vom 17.11.1954 bis 31.12.1956 nicht anerkannt, da der Aufenthalt nicht fristgerecht in die Bundesrepublik Deutschland verlegt worden sei und zudem unzureichende Angaben zum Ende der Kommandanturaufsicht gemacht worden seien, so dass eine Entscheidung über die Ersatzzeit "Rückkehrverhinderung" nicht möglich sei.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2012 Widerspruch ein und machte weiterhin geltend, dass "Ersatzzeiten wegen Verschleppung, Kommandantur" anzurechnen seien. Die Beklagte kam bei einer erneuten Prüfung des Vorgangs zum Ergebnis, dass die Klägerin während der Kommandanturaufsicht minderjährig gewesen sei und in einem solchen Fall ausschließlich auf den Rückkehrwillen der damaligen gesetzlichen Vertreter abzustellen sei. Daher wurde bei der Klägerin angefragt, ob deren Eltern in der Zeit der Kommandanturaufsicht den festen Willen gehabt hätten, in das angestammte Heimatgebiet im Wolgagebiet oder nach Deutschland zurückzukehren. Die Klägerin bestätigte am 08.10.2012 unterschriftlich, dass sie aufgrund von vielen Erzählungen ihrer Eltern wisse, dass es deren sehnlichster Wunsch gewesen sei, nach Hause ins Wolgagebiet zurückkehren zu können; sie hätten dort ein eigenes Grundstück mit Haus, Bauernhof, Vieh und Garten besessen.

Die Beklagte fragte bei der Klägerin mit weiterem Schreiben vom 06.11.2012 an, ob auch ein Rückkehrwille der Eltern für die Rückkehr nach Deutschland vorgelegen habe. Es sollten hierzu weitere Angaben gemacht werden; die Rechtsprechung habe sich zwischenzeitlich geändert. Die Klägerin legte dar, dass ihr Vater noch in Kasachstan verstorben sei und ihre Mutter ebenfalls nach Deutschland übergesiedelt sei.

Die Beklagte zog aus der Rentenakte der Mutter der Klägerin deren Angaben über Zeiten der Internierung und Verschleppung mit heran: Danach hätte jene bis Dezember 1955 unter Kommandanturaufsicht in R. in Kasachstan gestanden und der Wunsch nach Deutschland zurückzukehren sei immer dagewesen. Die Übersiedlung sei im Mai 1994 beantragt worden und im Mai 1997 sei die Ausreise erfolgt. Eine frühere Rückkehr sei nicht möglich gewesen, da keine Verwandten und Freunde in Deutschland gewesen seien und die Kinder nicht eher fort gewollt hätten. Vorgelegen hatte eine Bescheinigung der Verwaltung des Innern des Gebiets K. , wonach die Mutter der Klägerin im Jahr 1941 aus dem Gebiet S. ins Gebiet K. in den Bezirk S. deportiert und als Sonderansiedlerin unter Aufsicht gestellt worden sei. Sie sei im Dezember 1955 freigelassen worden.

Die Beklagte änderte mit Bescheid vom 11.12.2012 die Rentenberechnung der Klägerin abermals und legte nunmehr die Zeiten der Internierung, wie sie sich aus den Rentenunterlagen der Mutter der Klägerin ergeben hätten, zu Grunde: Somit sei ab dem frühestmöglichen gesetzlich festgelegten Zeitpunkt, der bei der Klägerin der 17.11.1954 sei, bis zum 31.12.1955 eine Ersatzzeit zuzuerkennen. Danach habe die Internierung nach den vorliegenden Unterlagen geendet.

Die Klägerin hielt ihren Widerspruch weiterhin aufrecht. Eine Anrechnung der Ersatzzeit sei über den 31.12.1955 hinaus bis zum 31.12.1956 vorzunehmen, da zwar die Internierung geendet habe, jedoch die sich anschließende Zeit weiterhin eine Zeit der Rückkehrhinderung sei und als Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) anzuerkennen sei.

Die Beklagte legte mit Schreiben vom 03.01.2013 ihre Rechtsansicht dar, wonach Internierungsmaßnahmen Ende 1955/Anfang 1956 geendet hätten und damit eine Anerkennung nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI über diesen Zeitpunkt hinaus nicht in Betracht komme. Ein derartiges Festgehaltenwerden aufgrund feindlicher Maßnahmen sei auch in § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI als Anerkennungsgrund enthalten. Ein solcher Tatbestand setze einen subjektiven Rückkehrwillen des Versicherten voraus, wobei bei Minderjährigen der Rückkehrwillen der Eltern maßgeblich sei. Begrenzt sei dies jedoch für die Dauer der Kommandanturaufsicht und nicht für die Dauer bis zur Aufenthaltnahme in Deutschland. Daher sei über Dezember 1955 hinaus keine Ersatzzeit anzuerkennen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2013 wies die Beklagte sodann den Widerspruch zurück. Soweit nicht bereits mit Bescheiden vom 30.05.2012 und 11.12.2012 die ursprüngliche Rentengewährung abgeändert worden sei, verbleibe sie bei ihrer Rechtsauffassung und der Widerspruch sei unbegründet: Eine Ersatzzeit über Dezember 1955 hinaus sei nicht anzuerkennen. Nachdem der Aufnahmeantrag nach dem 31.12.1991 gestellt worden sei, könne ein fortgesetzter Ausreise- bzw. Rückkehrwille nicht unterstellt werden.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 13.03.2013 am 14.03.2013 Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und weiterhin ihre Rechtsauffassung geltend gemacht. Sie hat im Einzelnen dargelegt, dass bei ihr ein doppeltes Vertreibungsschicksal vorliege, nämlich mit der Vertreibung aus Deutschland und der Verschleppung aus dem Wolgagebiet nach Kasachstan.

Das Sozialgericht hat darauf hingewiesen, dass es sich um ein Verfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) handele und wohl Probleme bestehen dürften, den Willen der verstorbenen Eltern objektiv aufzuklären. Auf Anforderung des Sozialgerichts hat die Beklagte einen Versicherungsverlauf der Mutter der Klägerin übersandt. Die Klägerseite hat geltend gemacht, dass durch eine Fehlberatung die Frage zu Ersatzzeiten im Antragsformular der Klägerin verneint worden sei.

Die Klägerin hat u.a. auf drei Urteile des BSG (vom 12.12.1995, Az. 8 RKn 4/94; vom 09.09.1998, Az. B 13 RJ 63/97 R; vom 17.02.2005, Az. B 13 RJ 25/04 R - jeweils nach juris) verwiesen. Die Rückkehrhinderung habe bis zum Jahr 1990/91 bestanden, als der deutsch-sowjetische Freundschaftsvertrag die Ausreise ermöglicht habe. Dass die Mutter der Klägerin angegeben habe, eine frühere Ausreise sei mit Rücksicht auf die Kinder nicht möglich gewesen, sei der Klägerin nicht zuzurechnen, da sie jüngere Geschwister gehabt habe, auf die sich das beziehe.

Mit Rentenbescheid vom 03.04.2014 ist die Altersrente der Klägerin neu festgestellt, wobei zusätzlich Zeiten vom 01.01.1967 bis 31.12.1973 und vom 01.01.1976 bis 30.04.1976 berücksichtigt worden sind. Die Klägerin hat weiter auf ähnliche Fälle Bezug genommen und u.a. ein Urteil des Sozialgerichts Aachen, Az. S 4 R 560/13, vorgelegt. Sie hat daraus und aus Kommentarliteratur (etwa Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand Juni 2013, § 250 SGB VI, Rn. 19 ff.) abgeleitet: In Zeiten, in denen keine realistische Perspektive zur Ausreise bestanden habe, dürften keine zu hohen Anforderungen an den Rückkehrwillen gestellt werden.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht am 10.09.2014 durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden. Es hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nach § 44 SGB X die volle Beweislast. Sie habe zur Auffassung des Sozialgerichts den bei ihren Eltern notwendig bestehenden konstanten Rückkehrwillen nicht beweisen können. Neue für die Klägerin sprechende Umstände seien im Überprüfungsverfahren nicht vorgetragen worden. Im Einzelnen hat das Sozialgericht zunächst auf die angefochtenen Bescheide verwiesen und ergänzend dargelegt, dass die von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen deutlich gegen einen durchgehenden Rückkehrwillen der Eltern der Klägerin gesprochen hätten. Auch die Klägerin selbst habe mitgeteilt, die Eltern hätten den Wunsch gehabt, in das Wolgagebiet zurückzukehren. Die Aussagen der Mutter der Klägerin, dass Grund ihres Aufenthaltes in Kasachstan der Arbeitsplatz gewesen sei und ein früherer Ausreiseantrag nach Deutschland nicht gestellt worden sei, da vorher keine Verwandten oder Freunde in Deutschland gewesen seien und ihre Kinder vorher nicht fort gewollt hätten, würden gegen den anhaltenden Rückkehrwillen sprechen.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin über das Sozialgericht Bayreuth mit Schreiben vom 26.09.2014 am 29.09.2014 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie hat weiter geltend gemacht, dass nicht ersichtlich sei, warum der Rückkehrwille ihrer Eltern nach Aufhebung der Kommandantur im Dezember 1955 nicht mehr vorgelegen haben soll und im Übrigen ihre Argumentation wiederholt. Ergänzend ist zur Untermauerung der klägerischen Auffassung ein Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 09.01.2015 (Az. S 17 R 406/12) übersandt worden.

Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung verblieben, dass im Fall der Klägerin der durchgehende Rückkehrwille der Eltern, der maßgeblich sei, nicht zu belegen sei.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.09.2014 und die Bescheide der Beklagten vom 30.05.2012 und vom 11.12.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 16.10.2000 in der Fassung des Bescheides vom 03.04.2014 eine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit rückwirkend ab 01.01.2006 zu gewähren und hierbei zusätzlich eine Ersatzzeit vom 01.01.1956 bis 31.12.1956 nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 FRG anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.09.2014 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte ist zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der Rentenbescheid der Klägerin nicht abzuändern ist, da die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung einer weiteren Ersatzzeit hat.

Nachdem der Rentenbescheid der Klägerin bereits bestandskräftig geworden war, käme eine teilweise Rücknahme und Abänderung nur im Rahmen des § 44 SGB X in Betracht. Die von der Klägerin geltend gemachte Rückwirkung der Erhöhung ihrer Rente ist dabei bereits unter Beachtung der Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X iVm § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X zeitlich beschränkt worden.

§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X lautet: "Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen."

Dabei trifft die Klägerin, die sich auf diese Vorschrift beruft, die volle Beweislast, dass das Recht unrichtig angewandt wurde oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde. Allerdings ist aus Sicht des Senates damit keine Änderung des erforderlichen Beweisgrades für die Anwendung des materiellen Rechts verbunden: D.h. es ist ausreichend, dass in Fällen, in denen originär die Glaubhaftmachung ausreicht, nachgewiesen wird, dass in der zu überprüfenden Entscheidung ein - zumindest nunmehr - glaubhaft gemachter Sachverhalt zu Unrecht nicht oder falsch berücksichtigt worden ist.

Die Berechnung der Altersrente der Klägerin ergibt sich nach § 64 SGB VI durch die Vervielfältigung der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, des Rentenartfaktors und des aktuellen Rentenwerts. Hier ist zwischen den Beteiligten ausschließlich die Anzahl der persönlichen Entgeltpunkte streitig. Hierbei werden auch Entgeltpunkte berücksichtigt, die sich aus beitragsfreien Zeiten, zu denen auch Ersatzzeiten zählen (§ 54 Abs. 4 SGB VI), ergeben (§ 66 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI iVm § 71 Abs. 1 SGB VI).

Die geltend gemachte Ersatzzeit ergibt sich nicht aus § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Die entsprechende Regelung lautet: Ersatzzeiten sind Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr interniert oder verschleppt oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind, wenn sie als Deutsche wegen ihrer Volks- oder Staatsangehörigkeit oder in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland interniert oder in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt waren, nach dem 8. Mai 1945 entlassen wurden und innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ständigen Aufenthalt genommen haben, wobei in die Frist von zwei Monaten Zeiten einer unverschuldeten Verzögerung der Rückkehr nicht eingerechnet werden.

In der geltend gemachten Zeit ab Januar 1956 haben die seinerzeit minderjährige Klägerin und ihre Eltern nicht mehr unter Kommandanturaufsicht gestanden, so dass die 1. Alternative ("interniert") jedenfalls nicht mehr in Betracht kommt. Dies ergibt sich für den Senat aus den Unterlagen der Mutter der Klägerin, die ein Beenden der Kommandanturaufsicht zum Jahresende 1955 belegen. Für die von der Klägerin anfänglich gemachte Angabe, dass sie bis Herbst/Winter 1956 unter Kommandanturaufsicht gestanden habe, gibt es keine Belege. Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die seinerzeit minderjährige Klägerin länger unter Kommandanturaufsicht gestanden hätte als ihre Mutter, würde es auf diese tatsächliche Dauer nicht ankommen, da die Beklagte zutreffend die Rechtsprechung zur Anwendung bringt, wonach bei Minderjährigen ausschließlich auf die Situation ihrer Eltern, d.h. hier ihrer Mutter, abzustellen ist (BSG, Urteil vom 17.02.2005, Az. B 13 RJ 25/04 R - nach juris).

Auch die 2. Alternative ("verschleppt") ist in der Zeit ab Januar 1956 nicht einschlägig. Bei einer Zwangsumsiedlung innerhalb der ehemaligen UdSSR mag zwar das von der Klägerseite reklamierte doppelte Vertreibungsschicksal bestanden haben, als Verschleppung in ein ausländisches Staatsgebiet kann dies jedoch nicht eingeordnet werden (Gürtner a.a.O. Rn 62 unter Berufung auf BSG, Urt. v. 07.02.1985, Az. 9a RV 5/83 - juris).

Eine Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI kommt bei der Klägerin für die streitige Zeit von Januar 1956 bis Dezember 1956 nicht in Betracht.

Für diese Zeit sind aus Sicht des Senats auch die Voraussetzungen für eine Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI nicht belegt, wobei es ausgereicht hätte, wenn sie glaubhaft gemacht gewesen wären (vgl. Gürtner a.a.O., § 250 SGB VI, Rn. 77). Die entsprechende gesetzliche Regelung bestimmt: Ersatzzeiten sind Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr während oder nach dem Ende eines Krieges, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen bis zum 30. Juni 1945 an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach aus Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs dieser Gesetze, soweit es sich nicht um das Beitrittsgebiet handelt, verhindert gewesen oder dort festgehalten worden sind. Betroffen sind hier ein Zeitraum nach Juni 1945 und ein Gebiet, das nicht zum Beitrittsgebiet - also zur ehemaligen DRR - zählt. Das Vorliegen feindlicher Maßnahmen als Ursache der Rückkehrverhinderung wird in Bezug auf die Ausreise aus der ehemaligen UdSSR im Normalfall verneint, weil dort ein allgemeines Ausreiseverbot für alle Bewohner bestanden hatte (vgl. Gürtner a.a.O. Rn. 75; BSG, Urt. v. 12.12.1995, Az. 8 RKn 4/94 - nach juris). In Fällen, in denen wie bei der Klägerin aber eine Zwangsumsiedlung vorausgegangen war, ist die Bejahung einer feindlichen Maßnahme möglich (LSG Hessen, Urt. v. 21.03.2014, Az. L 5 R 543/11 - nach juris).

Der Beklagten ist dabei darin beizupflichten, dass eine Ersatzzeit wegen Rückkehrverhinderung faktisch nicht bis zur Ausreise bzw. bis Ende 1991 in Betracht kommt, weil durch § 250 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI - für hier allerdings nicht geltend gemachte Zeiten ab Januar 1957 - zusätzlich eine exklusive Kausalität für die Nichtentrichtung von Beiträgen an die dort bestehende Sozialversicherung gefordert wird. Der Senat teilt dagegen nicht die Auffassung, dass eine Rückkehrverhinderung ausschließlich für die Zeit der Kommandanturaufsicht möglich sei.

Im Fall der Klägerin scheitert die Berücksichtigung der Ersatzzeit wegen Rückkehrverhinderung (§ 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) jedoch daran, dass der erforderliche Rückkehrwille nicht hinreichend belegt, d.h. zumindest glaubhaft gemacht ist. Dabei kommt es auch bezüglich dieser Voraussetzung ausschließlich auf den Willen der Eltern der damals minderjährigen Klägerin an (so BSG, Urt. v. 09.09.1998, Az. B 13 RJ 63/97 R; BSG, Urt. v. 17.02.2005, Az. B 13 RJ 25/04 R, jeweils nach juris). Ein Wechsel der Betrachtungsweise ist auch nach dem Eintritt der Volljährigkeit weder generell, noch für die Zeit nach deren Eintritt möglich. Die Klägerin muss vielmehr alle Einschränkungen des Rückkehrwillens ihrer Eltern auch nach Eintritt ihrer eigenen Volljährigkeit gegen sich gelten lassen. Für die Beurteilung des Rückkehrwillens reicht es auch nicht aus, dass glaubhaft gemacht wird, dass ein solcher im fraglichen Zeitraum 1956 bestanden haben mag. Erforderlich sind für die Annahme des Rückkehrwillens ein Fortbestehen bis zum Wegfall des Rückkehrhindernisses und eine dann sich zeitnah anschließende Umsetzung des Rückkehrwillens. Dies hat aber bei der Mutter der Klägerin - auf die es bei Versterben des Vaters vor Wegfall des Ausreisehindernisses allein ankommt - nicht belegt werden können. Die Mutter der Klägerin ist erst etliche Zeit nach objektiv bekanntem Wegfall des Ausreisehindernisses nach Deutschland ausgesiedelt und hat hierbei zusätzlich Gründe angegeben, die allein der eigenen Sphäre zuzurechnen sind.

Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass - wie oben dargestellt - bei der Mutter der Klägerin und bei der Klägerin Zeiten der Kommandanturaufsicht als Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI anerkannt worden sind. Selbst wenn man dort den Rückkehrwillen ebenfalls als Anerkennungsvoraussetzung hineinliest (vgl. LSG NRW, Urt. v. 28.09.2009, Az. L 3 R 52/05 - nach juris), müsste diese Beurteilung nicht auf die streitgegenständliche Frage in gleicher Weise angewandt werden. Maßgeblich ist im Überprüfungsverfahren allein die materielle Richtigkeit der Entscheidung, so dass eine eventuelle Selbstbindung nicht geltend gemacht werden kann.

Nach alledem waren die angefochtenen und die zur Überprüfung stehenden Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.09.2014 war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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