L 19 AS 2115/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 2032/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 2115/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 01.09.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Erstattung höherer Umzugskosten.

Der 1959 geborene Kläger bezog seit August 2011 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Im Februar 2014 wurde der Kläger im Auftrag des Beklagten hinsichtlich seiner Erwerbsfähigkeit amtsärztlich begutachtet. Ausweislich des Ergebnisses des Gutachtens wurde der Kläger als vollschichtig erwerbsfähig bezüglich überwiegend mittelschwerer Arbeiten mit Einschränkungen erachtet. Auszuschließen seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr und Tätigkeiten, die volles räumliches Sehen erfordern. Eine Fahrtätigkeit sollte nur nach einem augenärztlichen Gutachten erfolgen.

Aufgrund eines Vergleiches vor dem Amtsgericht Lemgo vom 20.03.2014 verpflichtete sich der Kläger, seine zu diesem Zeitpunkt bewohnte Mietwohnung in C T spätestens bis zum 31.12.2014 zu räumen.

Nachdem der Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 29.07.2014 eine Eigentumswohnung in C T erworben hatte, beantragte er am 26.08.2014 beim Beklagten die Gewährung eines Darlehens i.H.v. 1.323,88 EUR für die Kosten des zum 01.11.2014 beabsichtigten Umzugs in die von ihm erworbene Eigentumswohnung. Hierbei legte er ein entsprechendes Angebot eines Umzugsunternehmens vor.

Mit Bescheid vom 17.10.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger dem Grunde nach Umzugskosten für die Anmietung eines Leihwagens und die Bewirtung von drei Umzugshelfern und forderte die Vorlage von drei Angeboten von Leihfirmen an. Im Übrigen lehnte er den Antrag auf Umzugskosten ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2014 (W 1290/14) zurück.

Anfang November 2014 bezog der Kläger die Eigentumswohnung. Für den Umzug entstanden ihm Kosten i.H.v. 1.148,93 EUR für die Inanspruchnahme eines Umzugsunternehmens sowie Kosten i.H.v. 122,93 EUR für die Demontage und Montage einer Satellitenschüssel.

Am 24.11.2014 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Detmold Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei den vom Kläger benannten Ärzten zu der Frage, ob der Kläger aufgrund seiner Erkrankungen gehindert sei, selbständig einen Umzug mit Helfern durchzuführen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den vom Kläger geltend gemachten Anspruch teilweise i.H.v. 303,00 EUR, hiervon 122,93 EUR für die Demontage und Montage der Satellitenschüssel, anerkannt. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis nicht angenommen.

Er hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf die vollen Umzugskosten als Zuschuss. Aus gesundheitlichen Gründen habe er den Umzug nicht selbständig durchführen können. Dies sei dem Beklagten auch aufgrund des vorhandenen Gutachtens bekannt. Aus dem Befundbericht von Dr. T ergebe sich eine Arthrose. Auch der Befundbericht von Dr. T und Dr. L würde die fehlende Umzugsfähigkeit belegen können. Aufgrund der Schwere der Arbeiten bei einem Umzug habe er den Umzug nicht selbst durchführen können.

Der Kläger hat beantragt, den Bescheid vom 17.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm die tatsächlichen Umzugskosten von 1.271,86 EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage über das Teilanerkenntnis hinaus abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Umzugsunternehmens habe nicht bestanden. Eine fehlende Umzugsfähigkeit ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht. Als Umzugskosten seien die Kosten eines Transporters, je 10 EUR für drei Helfer sowie die Kosten für die Montage der Satellitenschüssel, zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 01.09.2016 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger Umzugskosten i.H.v. 303,00 EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünden keine höheren Umzugskosten zu als sie durch den Beklagten im Rahmen des nicht angenommenen Teilanerkenntnis anerkannt worden seien. Vorliegend seien vor dem Umzug durch den Bescheid vom 17.10.2014 Kosten für einen Transporter und Erfrischungsgeld für drei Helfer zugesichert worden. Der Umstand, dass eine weitergehende Zusicherung nicht erteilt worden sei, stehe einem Anspruch des Klägers auf weitere Kosten nicht entgegen, da ein entsprechender Antrag von ihm zuvor gestellt worden sei. Im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II sei es einem Leistungsempfänger grundsätzlich zumutbar, einen Umzug selbst zu organisieren und durchzuführen. Notwendige Umzugskosten seien insofern insbesondere die Aufwendungen für einen erforderlichen Mietwagen und die üblichen Kosten für die Versorgung von Helfern. Lediglich wenn der Leistungsberechtigte den Umzug etwa wegen Alters, Behinderung, körperlicher Konstitution oder wegen der Betreuung von Kleinstkindern nicht selbst vornehmen oder durchführen könne, komme die Übernahme der Aufwendungen für einen gewerblich organisierten Umzug in Betracht. Gemessen an diesen Grundsätzen seien beim Kläger die Kosten für die Inanspruchnahme eines Umzugsunternehmens nicht notwendig im Sinn des SGB II gewesen. Dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung nicht in der Lage gewesen wäre den Umzug selbständig durchzuführen, sei nicht erkennbar. Aus den Befundberichten der behandelnden Ärzte ergäben sich hierfür keine ausreichenden Anhaltspunkte, denn keiner der Ärzte des Klägers habe aufgrund der von ihm festgestellten Erkrankungen ein Hindernis für die selbständige Durchführung eines Umzuges gesehen. Auch aus dem Gutachten zur Erwerbsfähigkeit aus Februar 2014 ergebe sich nicht, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, selbständig umzuziehen. Nach den dort getroffenen Feststellungen sei der Kläger in der Lage gewesen, überwiegend mittelschwere Arbeiten auszuführen. Im Hinblick darauf, dass ein Umzug, auch wenn er selbst durchgeführt werde, an ein bis zwei Tagen erledigt werde, ergebe sich nicht, dass ein solcher die körperlichen Fähigkeiten des Klägers überstiegen habe. Hinsichtlich der zugesicherten Kosten für einen Transporter und des Erfrischungsgeldes für drei Helfer seien die notwendigen Kosten durch das Teilanerkenntnis des Beklagten vollständig gedeckt. Unter Berücksichtigung der Kosten für die Montage der Satellitenschüssel i.H.v. 122,93 EUR verbleibe ein Betrag von 180,07 EUR für einen Transporter und die Verpflegung von Helfern. Für einen Betrag von 90,00 EUR bis 145,00 EUR bestünden verschiedene Möglichkeiten, einen Transporter von einem gewerblichen Anbieter für einen Tag zu mieten. Dass dem Kläger dies nicht möglich gewesen wäre, sei nicht erkennbar.

Gegen das ihm am 11.10.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.10.2016 Berufung eingelegt.

Er trägt vor, das unzulässige Urteil des Sozialgerichts sei ganzheitlich zu prüfen. Er habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf die komplett angefallenen Umzugskosten. Zuzüglich zu seinem Klagebegehren fordere er Schadensersatz in Form eines vom Gericht wohlwollend festzusetzenden Schmerzensgeldes.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.

II.

Der Senat konnte ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu mit Verfügung vom 08.02.2017 ordnungsgemäß angehört worden (§ 153 Abs. 4 S. 2 SGG).

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die über das Teil-Anerkenntnis hinaus gehende Klage zu Recht abgewiesen.

Streitgegenstand des Verfahrens ist die Erstattung von Kosten, die dem Kläger durch seinen Umzug in die von ihm nunmehr bewohnte Eigentumswohnung entstanden sind. Der Beklagte hat durch den Bescheid vom 17.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 in der Fassung des Teil-Anerkenntnisses vom 01.09.2016 Umzugskosten i.H.v. insgesamt 303,00 EUR anerkannt. Soweit der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Übernahme der ihm tatsächlich entstandenen Umzugskosten i.H.v. insgesamt 1.271,86 EUR begehrt, kann er diesen Kostenerstattungsanspruch zulässig im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) verfolgen.

Nach § 22 Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung können Kosten für Wohnungsbeschaffung, die Mietkaution und Umzug bei entsprechender Zusicherung des jeweils zuständigen kommunalen Trägers übernommen werden. Bei der Übernahme solcher Kosten handelt es sich um ergänzende Leistungen im Hinblick auf den Bedarf des Wohnens (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194). Nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB II müssen erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Die in § 2 SGB II zum Ausdruck gekommene Obliegenheit zur Eigenaktivität kann als Auslegungshilfe bei der Anwendung und Interpretation aller Regelungen, die Rechte und Pflichten der Leistungsberechtigen normieren, herangezogen werden. Hieraus ist abzuleiten, dass der Hilfebedürftige im Rahmen eines aus Steuermitteln finanzierten Fürsorgesystems gehalten ist, einen Umzug grundsätzlich selbst zu organisieren und durchzuführen. Als notwendige Umzugskosten können daher insbesondere die Aufwendungen für einen erforderlichen Mietwagen, die Anmietung von Umzugskartons, die Kosten für Verpackungsmaterial und Sperrmüllentsorgung und die üblichen Kosten für die Versorgung mithelfender Familienangehöriger und Bekannter zu übernehmen sein. Lediglich dann, wenn der Leistungsberechtigte den Umzug etwa wegen Alters, Behinderung, körperlicher Konstitution oder wegen der Betreuung von Kleinstkindern nicht selbst vornehmen oder durchführen kann, kann auch die Übernahme der Aufwendungen für einen gewerblich organisierten Umzug in Betracht kommen (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R - BSGE 106, 135).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme von weiteren Umzugskosten hat. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit der Kläger im Übrigen Schadensersatz begehrt, ist das Landessozialgericht für einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten nicht zuständig. Abgesehen davon, dass ein solcher Anspruch nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht war, so dass dieses über einen Schadensersatzanspruch nicht zu entscheiden hatte, sind für etwaige Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ohnedies die Zivilgerichte zuständig. Eine Anspruchsgrundlage, die vom Senat im Rahmen des Sozialrechtswegs zu prüfen wäre, ist dem Sozialrecht nicht zu entnehmen. Insbesondere sind die zivilrechtlichen Vorschriften über den Ersatz eines Verzugsschadens (§§ 286 Abs. 1, 288 BGB) auf das Verhältnis zwischen Leistungsträger und Leistungsempfänger nicht entsprechend anwendbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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