Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 1 KR 98/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 428/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 und des Bescheides vom 30.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 verurteilt, der Klägerin die mit Schreiben vom 10.05.2015 beantragte bariatrische Operation (Schlauchmagen) als Sachleistung zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Durchführung einer bariatrischen Operation zur Behandlung von Adipositas als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung streitig.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin beantragte mit am 11.05.2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 10.05.2015 die Kostenübernahme für eine "Sleeve-Gastrektomie/Schlauchmagen-Operation", die im Adipositas Zentrum des St. B. Hospital in F. durchgeführt werden solle. Zur Begründung gab sie an, durch ihr extremes Übergewicht mit einem BMI von 45, also Adipositas Grad III, an typischen Folgeerkrankungen wie u.a. Diabetes mellitus II, Arthrose in Knien und Sprunggelenk, Rücken- und Hüftschmerzen, Reflux, Schlafapnoe, Inkontinenz, Asthma und Bluthochdruck zu leiden. Zurzeit brauche sie wieder eine Gehhilfe. Sie bekomme immer wieder Beklemmungen und auch Herzrasen sowie bei der kleinsten Bewegung und Anstrengung Atemnot. Sie kämpfe schon seit vielen Jahren erfolglos gegen ihr enormes Übergewicht mit bislang unzähligen, von Ärzten, Selbsthilfegruppen und Diätprogrammen begleiteten Diäten. Nunmehr habe sie sechs Monate im Adipositas Zentrum B. an den Modulen Ernährung, Bewegung und Verhalten sowie an einer Ernährungsberatung teilgenommen und ein psychologisches Screening durchlaufen; sie gehe ferner regelmäßig zu Adipositas Selbsthilfegruppen, was sie auch nach der Operation fortsetzen wolle. Mit dem Schlauchmagen sehe sie für sich die letzte Chance, ihr Gewicht auf ein "normales", gesundes Maß zu reduzieren, um aktiv am Leben teilzunehmen. Zum Nachweis legte sie u.a. entsprechende Teilnahmebescheinigungen, ärztliche Atteste und Berichte, eine Dokumentation ihres Gewichtsverlaufes sowie ein Ernährungstagebuch aus der Zeit vom 19.02.2015 bis 08.03.2015 vor. Wegen der Einzelhei-ten wird auf Blatt 1 bis 60 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Mit Schreiben vom 21.05.2015 bestätigte die Beklagte, bei der die Klägerin krankenversichert ist, den Eingang des Antrags und wandte sich an das St. B. Hospital mit der Bitte einen vorbereiteten Antwortbogen auszufüllen und zurück zu senden. Der ausgefüllte Antwortbogen und eine Darstellung über den "Organisationsablauf und (das) Konzept des chirurgischen Adipositas Zentrums am St. B. Hospital F." gingen am 28.05.2015 bei der Beklagten ein, die daraufhin am 08.06.2015 den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer sozialmedizinischen Begutachtung zur Prüfung der medizinischen Indikation beauf-tragte. Über diesen Sachstand informierte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom selben Tag.
Unter dem 24.06.2015 empfahl der MDK in seiner Stellungnahme nach Aktenlage die Einleitung einer Verhaltenstherapie zur Stärkung der Reflektionsfähigkeit im Bezug auf Art und Menge der aufgenommenen Nahrung. Dies zugrundelegend lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit Bescheid vom 29.06.2015 ab. Der unter Vorlage weiterer Unterlagen, wegen derer Einzelheiten auf Blatt 125 bis 172 der Verwaltungsakte Bezug genommen wird, von der Klägerin eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK vom 13.11.2015, der keine Veranlassung für eine Änderung seiner sozialmedizinischen Auffassung sah, erließ die Beklagte unter dem 10.03.2016 einen den Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheid.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 07.04.2016 erhobenen Klage, mit der sie den geltend gemachten Sachleistungsanspruch nunmehr auf § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) stützt. Die Beklagte habe erst nach Fristablauf über den Antrag entschieden, so dass im Wege der so genannten Genehmigungsfiktion der Antrag als genehmigt gelte. Nach Rücknahme des "der Genehmigung zugrunde liegenden fingierten Verwaltungsakts" mit Bescheid vom 30.08. 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017, wegen derer Einzelheiten auf Blatt 21 bis 24 und Blatt 36 bis 41 Bezug genommen wird, beantragt die Klägerin schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 und des Bescheides vom 30.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 zu verurteilen, ihr die mit Schreiben vom 10.05.2015 beantragte bariatrische Operation (Schlauchmagen) als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
In Hinblick auf die ihrer Meinung nach fehlenden medizinischen Voraussetzungen für den streitgegenständlichen Sachleistungsanspruch verweist sie zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt der Verwaltungsakte. Zur Begründung ihres Rücknahmebescheides hat die Beklagte ausgeführt: Sofern ein nach § 13 Abs. 3a SGB V fingierte Verwaltungsakt die begehrten Leistungen genehmige, sei dieser Verwaltungsakt rechtswidrig. Denn die Voraussetzungen für die Gewährung einer bariatrischen Operation im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung seien im Fall der Klägerin unter Zugrundelegung der ihrer Auffassung nach schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des MDK nicht erfüllt. Die Genehmigungsfiktion gehe zum Nachteil der Solidargemeinschaft und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Insoweit überwiege vorliegend das öffentliche Interesse das private Interesse der Klägerin, so dass eine Korrektur des rechtswidrigen Zustandes durch eine Rücknahme der Genehmigungsfiktion zu erfolgen habe. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits eine Vermögensdisposition getroffen habe, seien nicht ersichtlich, so dass ein Vertrauensschutz der Rücknahme nicht entgegenstehe. Unzumutbare Nachteile, die aufgrund der Rücknahme entstehen könnten, seien ebenfalls nicht gegeben. Die Rücknahme der Genehmigungsfiktion sei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig. Mit der (in Abgrenzung zu § 54 Abs. 4 SGG sog. "echten") Leistungsklage kann gemäß § 54 Abs. 5 SGG die Verurteilung zu einer Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Prozesssituation ist vorliegend gegeben, da die Klägerin ihren Sachleistungsanspruch auf die Regelung des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V stützt. Danach gilt eine Leistung nach Ablauf der in S. 1 der Vorschrift genannten Frist als genehmigt wenn keine schriftliche Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die verzögerte Bearbeitung erfolgt. Mit Eintritt der Fiktion besteht damit der Rechtsanspruch auf die be-antragte Leistung, ohne dass hierüber noch ein gesonderter Bescheid zu erteilen wäre. Die Fiktion ersetzt somit den Genehmigungsbescheid (Sozialgericht [SG] München, Gerichtsbescheid vom 20.12.2016 – S 17 KR 1485/15 m.w.N.).
Die allgemeine Leistungsklage konnte hier auch mit einer Anfechtungsklage verbunden werden, da der Klägerin gerichtlicher Rechtsschutz dafür zustehen muss, einen formellen Verwaltungsakt, zu dessen Erlass die Beklagte nicht befugt war, zu beseitigen um sich nicht mit dem Risiko zu belasten, dass dieser später in anderen Zusammenhängen unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird (SG München a.a.O. unter Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 03.04.2003 – B 13 RJ 39/02 R).
Die auch im Übrigen zulässige Klage erweist sich auch in der Sache als begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 13 Abs. 3a SGB V einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die beantragte bariatrische Operationen als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte hat diese Genehmigung nicht wirksam zurückgenommen; der Bescheid vom 30.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 ist rechtswidrig. Sie hat damit zugleich einen Anspruch auf formale Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016, der in Widerspruch zu der Genehmigungsfiktion steht und daher rechtswidrig ist.
Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehene Gutachterverfahrens bestimmt (Satz 4). Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Die von der Klägerin beantragte Kostenübernahme gilt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn die als Mitglied der Beklagten leistungsberechtigte Klägerin stellte bei der Beklagten am 11.05.2015 einen hinreichend bestimmten Antrag auf Durchführung einer baratrischen Operation (Magenschlauch) zur Behandlung ihrer Adipositas, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe die Überschreitung der Frist mitzuteilen.
Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag i.V.m. den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen; die Fiktion kann nur greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) hinreichend bestimmt ist (BSG a.a.O.). Der unter Vorlage umfangreicher ärztlicher und sonstiger Unterlagen gestellte Antrag auf Übernahme der Kosten einer "Sleeve – Gastrektomie/Schlauchmagen-Operation" war hinreichend bestimmt und damit fiktionsfähig.
Der Antrag der Klägerin betraf eine Leistung, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkung für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und –zweck an (BSG a.a.O.), denn einerseits soll es die Regelung dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die Krankenkasse auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S. 30); SG München a.a.O. mit weiteren Hinweisen).
Die Klägerin darf die begehrte Schlauchmagen-Operation - nach dem hier anzulegenden subjektiven Maßstab (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016, Az. B 1 KR 25/15 R) - aufgrund der fachlichen Befürwortung durch das Krankenhaus und der Allge-meinmediziner G. und Dr. I. - M. nach Teilnahme an den konzeptionellen Modulen subjektiv für geeignet und erforderlich halten. Die Leistung liegt auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung. Vielmehr handelt es sich um eine Leistung, die das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht. Ob hier tatsächlich die "medizinischen" Voraussetzungen für eine Schlauchmagen-Operation als ultima ratio vorliegen oder ob die Auffassung des MDK zutreffend ist, ist für die Beurteilung im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht maßgeblich, da die Genehmigungsfiktion nach dem Willen des Gesetzgebers nur dadurch eintreten soll, dass die Krankenkasse - wie im vorliegenden Fall - die Fristen und die Mitteilungspflichten des § 13 Abs. 3a SGB V nicht einhält. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten der Klägerin liegen nicht ansatzweise vor.
Hinsichtlich der übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen ist festzuhalten, dass die Beklagte den Antrag nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 5 Wochen beschieden hat, ohne der Klägerin hinreichende Gründe hierfür mitzuteilen; Bei dem Antragseingang am 11.05.2015 begann diese Frist am Dienstag, dem 12.05.2015 (§ 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 187 Abs. 1 BGB) und endete am Montag, dem 15.06.2015 (§ 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 188 Abs. 2 BGB). Die Beklagte entschied erst am 29.06.2015 und damit nicht innerhalb der Frist über den Antrag der Klägerin. Insofern kann es hier dahin gestellt bleiben, ob insofern wie vorstehend auf das Datum der Entscheidung (Bescheiddatum) oder auf den (regelmäßig postalisch und damit späteren) Zugang des Bescheides bei der Klägerin abzustellen ist.
Weder in der Eingangsbestätigung mit Schreiben der Beklagten vom 21.05.2015 noch in dem Schreiben vom 08.06.2015, mit dem die Beklagte entsprechend § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V auf die Einholung eines Gutachtens des MDK hinwies, wurden Gründe für eine (voraussichtliche) Verfristung angegeben, so dass auch nicht die Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V zugunsten der Beklagten greift. Ob hinreichende Gründe hier vorlagen, weil die Verzögerung letztlich darauf zurückzuführen ist, dass die Beklagte vor der Beauftragung des MDK noch Auskünfte des St. B. Hospitals eingeholt hat, ist insofern nicht relevant.
Die Klägerin hat somit aufgrund der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V einen Anspruch auf die begehrte Leistung. § 13 Abs. 3a SGB V hat nach dem Urteil des BSG vom 8.3.2016 (a.a.O.) nicht nur eine sekundäre Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zur Folge, sondern auch die Gewährung des primären Naturalleistungsanspruchs. Das BSG hat ausdrücklich auf die Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 23.5.2014, L 5 KR 222/14 B ER) Bezug genommen und ausgeführt, dass nur bei dieser Auslegung mittellosen Versicherten ermöglicht wird, ihren Anspruch selbst zu realisieren und auch der Sanktionscharakter der Genehmigungsfiktion für diese Auslegung spricht.
Greift somit die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V zu Gunsten der Klägerin, ist es ohne Bedeutung, ob sie daneben auch einen originären Genehmigungsanspruch aus §§ 27 ff. SGB V hat.
Diese fingierte Genehmigung bleibt nach Auffassung des BSG (a.a.O.), der sich die Kammer anschließt, wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2 SGB X). Als solches erledigendes Ereignis kann der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 30.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 nicht gelten, denn diese auf § 45 SGB X gestützte Rücknahme war rechtswidrig und daher von der Kammer ebenso aufzuheben wie der die beantragte Maßnahme ablehnende Bescheid vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Da der nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V fingierte Bescheid nicht rechtswidrig war, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rücknahme nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) beurteilt sich die Rechtmäßigkeit in Fällen einer fiktiven Genehmigung alleine nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V und nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Weder hat sich im Fall der Klägerin etwas ergeben, was die Genehmigung ausschließen könnte, noch durfte die Beklagte nach dieser Rechtsprechung auf die materiell-rechtliche Situation abstellen, die sie im Fall der Klägerin auf der Grundlage der medizinischen Ausführungen sowohl des MDK als nicht erfüllt ansieht. Entspricht somit die Genehmigungsfiktion der rechtlichen Grundlage des § 13 Abs. 3a SGB V, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Fiktion nicht darauf an, wie der geltend gemachte Anspruch materiell-rechtlich zu beurteilen wäre.
Eine Umdeutung der Rücknahme in einen Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 47 SGB X kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen (der Widerruf ist durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten - § 47 Abs. 1 Nr. 1 - oder eine mit dem Bescheid verbundene Auflage wurde nicht bzw. nicht fristgemäß erfüllt - § 47 Abs. 1 Nr.2) offenkundig nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Durchführung einer bariatrischen Operation zur Behandlung von Adipositas als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung streitig.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin beantragte mit am 11.05.2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 10.05.2015 die Kostenübernahme für eine "Sleeve-Gastrektomie/Schlauchmagen-Operation", die im Adipositas Zentrum des St. B. Hospital in F. durchgeführt werden solle. Zur Begründung gab sie an, durch ihr extremes Übergewicht mit einem BMI von 45, also Adipositas Grad III, an typischen Folgeerkrankungen wie u.a. Diabetes mellitus II, Arthrose in Knien und Sprunggelenk, Rücken- und Hüftschmerzen, Reflux, Schlafapnoe, Inkontinenz, Asthma und Bluthochdruck zu leiden. Zurzeit brauche sie wieder eine Gehhilfe. Sie bekomme immer wieder Beklemmungen und auch Herzrasen sowie bei der kleinsten Bewegung und Anstrengung Atemnot. Sie kämpfe schon seit vielen Jahren erfolglos gegen ihr enormes Übergewicht mit bislang unzähligen, von Ärzten, Selbsthilfegruppen und Diätprogrammen begleiteten Diäten. Nunmehr habe sie sechs Monate im Adipositas Zentrum B. an den Modulen Ernährung, Bewegung und Verhalten sowie an einer Ernährungsberatung teilgenommen und ein psychologisches Screening durchlaufen; sie gehe ferner regelmäßig zu Adipositas Selbsthilfegruppen, was sie auch nach der Operation fortsetzen wolle. Mit dem Schlauchmagen sehe sie für sich die letzte Chance, ihr Gewicht auf ein "normales", gesundes Maß zu reduzieren, um aktiv am Leben teilzunehmen. Zum Nachweis legte sie u.a. entsprechende Teilnahmebescheinigungen, ärztliche Atteste und Berichte, eine Dokumentation ihres Gewichtsverlaufes sowie ein Ernährungstagebuch aus der Zeit vom 19.02.2015 bis 08.03.2015 vor. Wegen der Einzelhei-ten wird auf Blatt 1 bis 60 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Mit Schreiben vom 21.05.2015 bestätigte die Beklagte, bei der die Klägerin krankenversichert ist, den Eingang des Antrags und wandte sich an das St. B. Hospital mit der Bitte einen vorbereiteten Antwortbogen auszufüllen und zurück zu senden. Der ausgefüllte Antwortbogen und eine Darstellung über den "Organisationsablauf und (das) Konzept des chirurgischen Adipositas Zentrums am St. B. Hospital F." gingen am 28.05.2015 bei der Beklagten ein, die daraufhin am 08.06.2015 den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer sozialmedizinischen Begutachtung zur Prüfung der medizinischen Indikation beauf-tragte. Über diesen Sachstand informierte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom selben Tag.
Unter dem 24.06.2015 empfahl der MDK in seiner Stellungnahme nach Aktenlage die Einleitung einer Verhaltenstherapie zur Stärkung der Reflektionsfähigkeit im Bezug auf Art und Menge der aufgenommenen Nahrung. Dies zugrundelegend lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme mit Bescheid vom 29.06.2015 ab. Der unter Vorlage weiterer Unterlagen, wegen derer Einzelheiten auf Blatt 125 bis 172 der Verwaltungsakte Bezug genommen wird, von der Klägerin eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK vom 13.11.2015, der keine Veranlassung für eine Änderung seiner sozialmedizinischen Auffassung sah, erließ die Beklagte unter dem 10.03.2016 einen den Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheid.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 07.04.2016 erhobenen Klage, mit der sie den geltend gemachten Sachleistungsanspruch nunmehr auf § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) stützt. Die Beklagte habe erst nach Fristablauf über den Antrag entschieden, so dass im Wege der so genannten Genehmigungsfiktion der Antrag als genehmigt gelte. Nach Rücknahme des "der Genehmigung zugrunde liegenden fingierten Verwaltungsakts" mit Bescheid vom 30.08. 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017, wegen derer Einzelheiten auf Blatt 21 bis 24 und Blatt 36 bis 41 Bezug genommen wird, beantragt die Klägerin schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 und des Bescheides vom 30.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 zu verurteilen, ihr die mit Schreiben vom 10.05.2015 beantragte bariatrische Operation (Schlauchmagen) als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
In Hinblick auf die ihrer Meinung nach fehlenden medizinischen Voraussetzungen für den streitgegenständlichen Sachleistungsanspruch verweist sie zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt der Verwaltungsakte. Zur Begründung ihres Rücknahmebescheides hat die Beklagte ausgeführt: Sofern ein nach § 13 Abs. 3a SGB V fingierte Verwaltungsakt die begehrten Leistungen genehmige, sei dieser Verwaltungsakt rechtswidrig. Denn die Voraussetzungen für die Gewährung einer bariatrischen Operation im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung seien im Fall der Klägerin unter Zugrundelegung der ihrer Auffassung nach schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des MDK nicht erfüllt. Die Genehmigungsfiktion gehe zum Nachteil der Solidargemeinschaft und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Insoweit überwiege vorliegend das öffentliche Interesse das private Interesse der Klägerin, so dass eine Korrektur des rechtswidrigen Zustandes durch eine Rücknahme der Genehmigungsfiktion zu erfolgen habe. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits eine Vermögensdisposition getroffen habe, seien nicht ersichtlich, so dass ein Vertrauensschutz der Rücknahme nicht entgegenstehe. Unzumutbare Nachteile, die aufgrund der Rücknahme entstehen könnten, seien ebenfalls nicht gegeben. Die Rücknahme der Genehmigungsfiktion sei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig. Mit der (in Abgrenzung zu § 54 Abs. 4 SGG sog. "echten") Leistungsklage kann gemäß § 54 Abs. 5 SGG die Verurteilung zu einer Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Diese Prozesssituation ist vorliegend gegeben, da die Klägerin ihren Sachleistungsanspruch auf die Regelung des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V stützt. Danach gilt eine Leistung nach Ablauf der in S. 1 der Vorschrift genannten Frist als genehmigt wenn keine schriftliche Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die verzögerte Bearbeitung erfolgt. Mit Eintritt der Fiktion besteht damit der Rechtsanspruch auf die be-antragte Leistung, ohne dass hierüber noch ein gesonderter Bescheid zu erteilen wäre. Die Fiktion ersetzt somit den Genehmigungsbescheid (Sozialgericht [SG] München, Gerichtsbescheid vom 20.12.2016 – S 17 KR 1485/15 m.w.N.).
Die allgemeine Leistungsklage konnte hier auch mit einer Anfechtungsklage verbunden werden, da der Klägerin gerichtlicher Rechtsschutz dafür zustehen muss, einen formellen Verwaltungsakt, zu dessen Erlass die Beklagte nicht befugt war, zu beseitigen um sich nicht mit dem Risiko zu belasten, dass dieser später in anderen Zusammenhängen unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird (SG München a.a.O. unter Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 03.04.2003 – B 13 RJ 39/02 R).
Die auch im Übrigen zulässige Klage erweist sich auch in der Sache als begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 13 Abs. 3a SGB V einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die beantragte bariatrische Operationen als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte hat diese Genehmigung nicht wirksam zurückgenommen; der Bescheid vom 30.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 ist rechtswidrig. Sie hat damit zugleich einen Anspruch auf formale Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016, der in Widerspruch zu der Genehmigungsfiktion steht und daher rechtswidrig ist.
Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehene Gutachterverfahrens bestimmt (Satz 4). Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Die von der Klägerin beantragte Kostenübernahme gilt wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn die als Mitglied der Beklagten leistungsberechtigte Klägerin stellte bei der Beklagten am 11.05.2015 einen hinreichend bestimmten Antrag auf Durchführung einer baratrischen Operation (Magenschlauch) zur Behandlung ihrer Adipositas, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe die Überschreitung der Frist mitzuteilen.
Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag i.V.m. den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen; die Fiktion kann nur greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) hinreichend bestimmt ist (BSG a.a.O.). Der unter Vorlage umfangreicher ärztlicher und sonstiger Unterlagen gestellte Antrag auf Übernahme der Kosten einer "Sleeve – Gastrektomie/Schlauchmagen-Operation" war hinreichend bestimmt und damit fiktionsfähig.
Der Antrag der Klägerin betraf eine Leistung, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkung für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und –zweck an (BSG a.a.O.), denn einerseits soll es die Regelung dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die Krankenkasse auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten der Bundesregierung, BT-Drucks 17/11710 S. 30); SG München a.a.O. mit weiteren Hinweisen).
Die Klägerin darf die begehrte Schlauchmagen-Operation - nach dem hier anzulegenden subjektiven Maßstab (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.3.2016, Az. B 1 KR 25/15 R) - aufgrund der fachlichen Befürwortung durch das Krankenhaus und der Allge-meinmediziner G. und Dr. I. - M. nach Teilnahme an den konzeptionellen Modulen subjektiv für geeignet und erforderlich halten. Die Leistung liegt auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung. Vielmehr handelt es sich um eine Leistung, die das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht. Ob hier tatsächlich die "medizinischen" Voraussetzungen für eine Schlauchmagen-Operation als ultima ratio vorliegen oder ob die Auffassung des MDK zutreffend ist, ist für die Beurteilung im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht maßgeblich, da die Genehmigungsfiktion nach dem Willen des Gesetzgebers nur dadurch eintreten soll, dass die Krankenkasse - wie im vorliegenden Fall - die Fristen und die Mitteilungspflichten des § 13 Abs. 3a SGB V nicht einhält. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten der Klägerin liegen nicht ansatzweise vor.
Hinsichtlich der übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen ist festzuhalten, dass die Beklagte den Antrag nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 5 Wochen beschieden hat, ohne der Klägerin hinreichende Gründe hierfür mitzuteilen; Bei dem Antragseingang am 11.05.2015 begann diese Frist am Dienstag, dem 12.05.2015 (§ 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 187 Abs. 1 BGB) und endete am Montag, dem 15.06.2015 (§ 26 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 188 Abs. 2 BGB). Die Beklagte entschied erst am 29.06.2015 und damit nicht innerhalb der Frist über den Antrag der Klägerin. Insofern kann es hier dahin gestellt bleiben, ob insofern wie vorstehend auf das Datum der Entscheidung (Bescheiddatum) oder auf den (regelmäßig postalisch und damit späteren) Zugang des Bescheides bei der Klägerin abzustellen ist.
Weder in der Eingangsbestätigung mit Schreiben der Beklagten vom 21.05.2015 noch in dem Schreiben vom 08.06.2015, mit dem die Beklagte entsprechend § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V auf die Einholung eines Gutachtens des MDK hinwies, wurden Gründe für eine (voraussichtliche) Verfristung angegeben, so dass auch nicht die Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V zugunsten der Beklagten greift. Ob hinreichende Gründe hier vorlagen, weil die Verzögerung letztlich darauf zurückzuführen ist, dass die Beklagte vor der Beauftragung des MDK noch Auskünfte des St. B. Hospitals eingeholt hat, ist insofern nicht relevant.
Die Klägerin hat somit aufgrund der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V einen Anspruch auf die begehrte Leistung. § 13 Abs. 3a SGB V hat nach dem Urteil des BSG vom 8.3.2016 (a.a.O.) nicht nur eine sekundäre Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zur Folge, sondern auch die Gewährung des primären Naturalleistungsanspruchs. Das BSG hat ausdrücklich auf die Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 23.5.2014, L 5 KR 222/14 B ER) Bezug genommen und ausgeführt, dass nur bei dieser Auslegung mittellosen Versicherten ermöglicht wird, ihren Anspruch selbst zu realisieren und auch der Sanktionscharakter der Genehmigungsfiktion für diese Auslegung spricht.
Greift somit die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V zu Gunsten der Klägerin, ist es ohne Bedeutung, ob sie daneben auch einen originären Genehmigungsanspruch aus §§ 27 ff. SGB V hat.
Diese fingierte Genehmigung bleibt nach Auffassung des BSG (a.a.O.), der sich die Kammer anschließt, wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2 SGB X). Als solches erledigendes Ereignis kann der Rücknahmebescheid der Beklagten vom 30.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 nicht gelten, denn diese auf § 45 SGB X gestützte Rücknahme war rechtswidrig und daher von der Kammer ebenso aufzuheben wie der die beantragte Maßnahme ablehnende Bescheid vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Da der nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V fingierte Bescheid nicht rechtswidrig war, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rücknahme nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) beurteilt sich die Rechtmäßigkeit in Fällen einer fiktiven Genehmigung alleine nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3a SGB V und nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs. Weder hat sich im Fall der Klägerin etwas ergeben, was die Genehmigung ausschließen könnte, noch durfte die Beklagte nach dieser Rechtsprechung auf die materiell-rechtliche Situation abstellen, die sie im Fall der Klägerin auf der Grundlage der medizinischen Ausführungen sowohl des MDK als nicht erfüllt ansieht. Entspricht somit die Genehmigungsfiktion der rechtlichen Grundlage des § 13 Abs. 3a SGB V, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Fiktion nicht darauf an, wie der geltend gemachte Anspruch materiell-rechtlich zu beurteilen wäre.
Eine Umdeutung der Rücknahme in einen Widerruf des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 47 SGB X kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen (der Widerruf ist durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten - § 47 Abs. 1 Nr. 1 - oder eine mit dem Bescheid verbundene Auflage wurde nicht bzw. nicht fristgemäß erfüllt - § 47 Abs. 1 Nr.2) offenkundig nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved