Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 304/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.811,32 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten für die von ihr erbrachten Leistungen an die Hilfeempfänger (nachfolgend: HE) L.-A. K. in Höhe von 2.811,32 Euro.
Die 2007 geborene HE leidet unter dem Prader-Willi-Syndrom. Bei ihr liegt ein Grad der Behinderung von 100 mit dem Merkzeichen H vor. Sie erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe 2.
Seit November 2008 ist die HE in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie untergebracht. Die Klägerin hat hierfür die Kosten übernommen. Zum 01.11.2014 hat der Landkreis Uelzen den Leistungsfall übernommen und trägt seither die Kosten.
Am 17.02.2012 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten ab Januar 2011. Mit Schreiben vom 19.09.2012 und 01.10.2014 erkannte der Beklagte den Kostenerstattungsanspruch ab 01.02.2011 an. Für den Monat Januar 2011 macht er geltend, dass wegen der Ausschlussfrist des § 111 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) eine Kostenerstattung nicht in Betracht komme.
Mit ihrer am 22.12.2015 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass die erbrachten jugendhilferechtlichen Leistungen nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 17.12.2015, Az: 5 C 9.15) als Gesamtleistung zu betrachten seien. Hierfür sprächen systematische Erwägungen. Insoweit spreche das Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs für die Annahme einer solchen Gesamtbetrachtung. Soweit der Beklagte einwende, dass mit der Regelung eine zeitnahe Geltendmachung erreicht werden solle, werde damit die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers wiedergegeben. Allerdings sei durch die Neufassung der Regelung mit dem 4. Euro-Einführungsgesetz mit Satz 2 eine weitergehende Geltendmachung von Ansprüchen ermöglicht worden und damit dem Ziel materieller Ausgleichsgerechtigkeit mehr Gewicht als dem grundsätzlichen Vorrang vor der schnellen Klarstellung der Verhältnisse eingeräumt worden. Die Frist beginne daher erst nach Ablauf der Gesamtleistung. Damit sei der Kostenerstattungsantrag rechtzeitig gestellt worden.
Die Klägerin legt eine Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vor.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 2.811,32 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Anspruch nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen sei. Für den Beginn der Frist sei bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum maßgeblich, für den geleistet werde. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. Eine auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation sei mit dem Zweck der Reglung nicht vereinbar. Durch die Regelung solle erreicht werden, dass Erstattungsansprüche zeitnah geltend gemacht werden und der Erstattungspflichtige innerhalb kurzer Zeit nach der Leistungserbringung wisse, welche Ansprüche auf ihn zukommen. Die Regelung diene auch dazu, den Erstattungspflichtigen vor nachträglichen Erstattungsansprüchen aus langjährigen Leistungszeiträumen zu schützen. Insoweit werde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Bezug genommen, wonach weder dem Wortlaut der Regelung noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen sei, dass Erstattungsansprüche und -verpflichtungen für Zeiträume erfasst werden, deren Ende länger als ein Jahr zurückliege.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die die HE und den Kostenerstattungsanspruch betreffenden Leistungsakten der Klägerin und des Beklagten. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Kosten für die Unterbringung der HE vom 01.01. bis 31.01.2011.
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist § 104 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X). § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch (SGB IX) scheidet aus, denn bei den von der Klägerin als Jugendhilfeträger erbrachten Leistungen handelt es sich nicht um Rehabilitationsleistungen sondern um sog. Hilfe zur Erziehung. Lediglich die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Jugendliche nach dem 2. Unterabschnitt des 4. Abschnitts des SGB VIII stellt eine Rehabilitationsleistung dar. Eine solche ist vorliegend jedoch nicht erbracht worden, so dass der Jugendhilfeträger auch nicht als Rehabilitationsträger tätig geworden ist.
Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre. Ein entsprechender Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen setzt damit voraus, dass Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren, wobei die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen nachgehen muss (eingehend zur Nachrangigkeit: BSG, Urteil vom 25.01.1994, Az: 7 RAr 42/93).
Vorliegend ist unstreitig, dass eine wesentliche körperliche und geistige Behinderung der HE besteht und damit sowohl Jugendhilfeleistungen nach dem SGB VIII als auch Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII) in Betracht kommen. Unstreitig ist weiterhin, dass der Beklagte vorrangig und die Klägerin nachrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne von § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X war. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 4 SGB VIII. Nach dessen Satz 1 gehen die Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem SGB XII vor (§ 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). Nach einer Rückausnahme (Abs. 4 Satz 2) gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, jedoch wiederum Leistungen nach dem SGB VIII vor. Da vorliegend sowohl eine körperliche als auch eine geistige Behinderung der HE gegeben ist, war vorrangig grundsätzlich die Zuständigkeit des Beklagten gegeben.
Allerdings ist wegen § 111 SGB X der Kostenerstattungsanspruch nach § 104 SGB X erloschen. Nach § 111 Satz 1 SGB X ist ein Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Nach § 111 Satz 2 SGB X beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
Vorliegend ist § 111 Satz 2 SGB X nicht einschlägig, denn der Beklagte hat für den hier streitigen Monat Januar 2011 keine Entscheidung über seine Leistungspflicht erlassen. Die Voraussetzungen des § 111 Satz 1 SGB X liegen für den Monat Januar 2011 vor. Erstmalig mit Schreiben vom 19.02.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Antrag auf Erstattung der für die HE erbrachten Aufwendungen geltend gemacht, so dass der Kostenerstattungsanspruch sich auf die zurückliegenden zwölf Monate erstreckt. Nach § 104 SGB X entsteht der Erstattungsanspruch, sobald der unzuständige Träger die Leistung erbracht bzw. der Berechtigte diese erhalten hat. Die Berechnung der Frist richtet sich danach, für welchen Tag die Leistung erbracht wurde. Die Leistung ist "erbracht" worden, wenn der Leistungsberechtigte sie tatsächlich erhalten hat, sein Anspruch auf eine Sozialleistung also erfüllt wurde (§ 362 Abs. 1 BGB). Bei Dienst- und Sachleistungen kommt es auf die tatsächliche Zuwendung (reale Bewirkung) an. Danach bestand dem Grunde nach für sämtliche ab dem 01.02.2011 erbrachten Sozialleistungen der Kostenerstattungsanspruch. Diesen hat der Beklagte anerkannt und die Kostenerstattungsforderung soweit ersichtlich bereits beglichen.
Soweit die Klägerin meint, nach der Rechtsprechung des BVerwG beginne die Frist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit Ende der jugendhilferechtlichen Gesamtleistung zu laufen und damit sei der Kostenerstattungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht worden, folgt dem das Gericht nicht (st. Rspr. des erkennenden Gerichts; vgl. Urteil vom 23.01.2017, Az: S 2 SO 254/16 und Urteil vom 18.04.2016, Az. S 2 SO 96/14). Das BVerwG hat insoweit zwar entschieden, die Frist für die Geltendmachung eines jugendhilferechtlichen Erstattungsanspruchs beginne bereichsspezifisch mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Gesamtleistung erbracht wurde (vgl. BVerwG v. 17.12.2015 - 5 C 9/15 - juris; Bestätigung von BVerwG v. 19.08.2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Rechtsprechung in Kostenerstattungsstreitigkeiten zwischen zwei Jugendhilfeträgern ergangen ist. Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des Gerichts auf das vorliegende Verfahren jedoch nicht übertragbar, denn vorliegend macht die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Träger der Eingliederungshilfe geltend, mit dem Argument, dass der Beklagte zuständiger Leistungsträger sei und damit Leistungen der Eingliederungshilfe hätte erbringen müssen. Nach Ansicht des Gerichts ist aufgrund dessen nicht der jugendhilferechtliche Leistungsbegriff maßgeblich, auf den das BVerwG seine Rechtsprechung stützt. Vielmehr ist auf den Leistungsbegriff abzustellen, der der Eingliederungshilfe und dem SGB XII insgesamt zu Grunde liegt. Danach werden die Leistungen in der Regel monatsweise gewährt. Dieser Grundsatz ist beispielsweise in § 44 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII für die Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII explizit geregelt. Daher teilt das Gericht nach eigener Prüfung die Ansicht des BSG, dass bei wiederkehrenden Leistungen für die jeweiligen Leistungsabschnitte (Teil-) Erstattungsansprüche entstehen (BSG, Urteil vom 06.04.1989, 2 RU 34/88; BSG Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 24/99 R und BSG, Urteil vom 10.05.2005, Az: B 1 KR 20/04 R). Die gegenteilige Ansicht hätte im Übrigen zur Folge, dass selbst für Jahre zurückliegende Leistungen noch Erstattungen geltend gemacht werden könnten. Dies liefe jedoch dem Zweck des Gesetzes zuwider, zeitnah Rechtssicherheit über den eigentlichen Kostenträger zu erhalten. Demgegenüber überzeugt der Einwand der Klägerin nicht, dass mit der Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X eine weitergehende Geltendmachung von Erstattungsansprüchen ermöglicht werden solle und damit dem Ziel materieller (Ausgleichs-) Gerechtigkeit mehr Gewicht eingeräumt worden sei. Weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus der Gesetzesbegründung lässt sich insoweit entnehmen, dass mit der Neuregelung eine Geltendmachung von Ansprüchen für Zeiträume einhergehen soll, die mehr als zwölf Monate zurückliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Streitwert war in Höhe von 2.811,32 Euro festzusetzen.
Nach § 197a Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz SGG werden in den Verfahren, bei denen die Beteiligten - wie vorliegend - nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben.
Die Höhe des Streitwertes ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei darf der Streitwert nach § 52 Abs. 4 GKG bei Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht über 2.500.000 EUR angenommen werden. Die Bedeutung der Sache für die Klägerseite entspricht dabei in der Regel deren wirtschaftlichem Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen. Die Bedeutung der Sache entsprach damit der Höhe des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs von 2.811,32 Euro
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.811,32 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten für die von ihr erbrachten Leistungen an die Hilfeempfänger (nachfolgend: HE) L.-A. K. in Höhe von 2.811,32 Euro.
Die 2007 geborene HE leidet unter dem Prader-Willi-Syndrom. Bei ihr liegt ein Grad der Behinderung von 100 mit dem Merkzeichen H vor. Sie erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe 2.
Seit November 2008 ist die HE in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie untergebracht. Die Klägerin hat hierfür die Kosten übernommen. Zum 01.11.2014 hat der Landkreis Uelzen den Leistungsfall übernommen und trägt seither die Kosten.
Am 17.02.2012 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten ab Januar 2011. Mit Schreiben vom 19.09.2012 und 01.10.2014 erkannte der Beklagte den Kostenerstattungsanspruch ab 01.02.2011 an. Für den Monat Januar 2011 macht er geltend, dass wegen der Ausschlussfrist des § 111 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) eine Kostenerstattung nicht in Betracht komme.
Mit ihrer am 22.12.2015 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass die erbrachten jugendhilferechtlichen Leistungen nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 17.12.2015, Az: 5 C 9.15) als Gesamtleistung zu betrachten seien. Hierfür sprächen systematische Erwägungen. Insoweit spreche das Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs für die Annahme einer solchen Gesamtbetrachtung. Soweit der Beklagte einwende, dass mit der Regelung eine zeitnahe Geltendmachung erreicht werden solle, werde damit die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers wiedergegeben. Allerdings sei durch die Neufassung der Regelung mit dem 4. Euro-Einführungsgesetz mit Satz 2 eine weitergehende Geltendmachung von Ansprüchen ermöglicht worden und damit dem Ziel materieller Ausgleichsgerechtigkeit mehr Gewicht als dem grundsätzlichen Vorrang vor der schnellen Klarstellung der Verhältnisse eingeräumt worden. Die Frist beginne daher erst nach Ablauf der Gesamtleistung. Damit sei der Kostenerstattungsantrag rechtzeitig gestellt worden.
Die Klägerin legt eine Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht vor.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 2.811,32 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Anspruch nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen sei. Für den Beginn der Frist sei bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum maßgeblich, für den geleistet werde. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. Eine auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation sei mit dem Zweck der Reglung nicht vereinbar. Durch die Regelung solle erreicht werden, dass Erstattungsansprüche zeitnah geltend gemacht werden und der Erstattungspflichtige innerhalb kurzer Zeit nach der Leistungserbringung wisse, welche Ansprüche auf ihn zukommen. Die Regelung diene auch dazu, den Erstattungspflichtigen vor nachträglichen Erstattungsansprüchen aus langjährigen Leistungszeiträumen zu schützen. Insoweit werde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Bezug genommen, wonach weder dem Wortlaut der Regelung noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen sei, dass Erstattungsansprüche und -verpflichtungen für Zeiträume erfasst werden, deren Ende länger als ein Jahr zurückliege.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die die HE und den Kostenerstattungsanspruch betreffenden Leistungsakten der Klägerin und des Beklagten. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Kosten für die Unterbringung der HE vom 01.01. bis 31.01.2011.
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist § 104 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X). § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch (SGB IX) scheidet aus, denn bei den von der Klägerin als Jugendhilfeträger erbrachten Leistungen handelt es sich nicht um Rehabilitationsleistungen sondern um sog. Hilfe zur Erziehung. Lediglich die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Jugendliche nach dem 2. Unterabschnitt des 4. Abschnitts des SGB VIII stellt eine Rehabilitationsleistung dar. Eine solche ist vorliegend jedoch nicht erbracht worden, so dass der Jugendhilfeträger auch nicht als Rehabilitationsträger tätig geworden ist.
Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet wäre. Ein entsprechender Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen setzt damit voraus, dass Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren, wobei die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen nachgehen muss (eingehend zur Nachrangigkeit: BSG, Urteil vom 25.01.1994, Az: 7 RAr 42/93).
Vorliegend ist unstreitig, dass eine wesentliche körperliche und geistige Behinderung der HE besteht und damit sowohl Jugendhilfeleistungen nach dem SGB VIII als auch Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII) in Betracht kommen. Unstreitig ist weiterhin, dass der Beklagte vorrangig und die Klägerin nachrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne von § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X war. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 4 SGB VIII. Nach dessen Satz 1 gehen die Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem SGB XII vor (§ 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). Nach einer Rückausnahme (Abs. 4 Satz 2) gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, jedoch wiederum Leistungen nach dem SGB VIII vor. Da vorliegend sowohl eine körperliche als auch eine geistige Behinderung der HE gegeben ist, war vorrangig grundsätzlich die Zuständigkeit des Beklagten gegeben.
Allerdings ist wegen § 111 SGB X der Kostenerstattungsanspruch nach § 104 SGB X erloschen. Nach § 111 Satz 1 SGB X ist ein Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Nach § 111 Satz 2 SGB X beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
Vorliegend ist § 111 Satz 2 SGB X nicht einschlägig, denn der Beklagte hat für den hier streitigen Monat Januar 2011 keine Entscheidung über seine Leistungspflicht erlassen. Die Voraussetzungen des § 111 Satz 1 SGB X liegen für den Monat Januar 2011 vor. Erstmalig mit Schreiben vom 19.02.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Antrag auf Erstattung der für die HE erbrachten Aufwendungen geltend gemacht, so dass der Kostenerstattungsanspruch sich auf die zurückliegenden zwölf Monate erstreckt. Nach § 104 SGB X entsteht der Erstattungsanspruch, sobald der unzuständige Träger die Leistung erbracht bzw. der Berechtigte diese erhalten hat. Die Berechnung der Frist richtet sich danach, für welchen Tag die Leistung erbracht wurde. Die Leistung ist "erbracht" worden, wenn der Leistungsberechtigte sie tatsächlich erhalten hat, sein Anspruch auf eine Sozialleistung also erfüllt wurde (§ 362 Abs. 1 BGB). Bei Dienst- und Sachleistungen kommt es auf die tatsächliche Zuwendung (reale Bewirkung) an. Danach bestand dem Grunde nach für sämtliche ab dem 01.02.2011 erbrachten Sozialleistungen der Kostenerstattungsanspruch. Diesen hat der Beklagte anerkannt und die Kostenerstattungsforderung soweit ersichtlich bereits beglichen.
Soweit die Klägerin meint, nach der Rechtsprechung des BVerwG beginne die Frist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit Ende der jugendhilferechtlichen Gesamtleistung zu laufen und damit sei der Kostenerstattungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht worden, folgt dem das Gericht nicht (st. Rspr. des erkennenden Gerichts; vgl. Urteil vom 23.01.2017, Az: S 2 SO 254/16 und Urteil vom 18.04.2016, Az. S 2 SO 96/14). Das BVerwG hat insoweit zwar entschieden, die Frist für die Geltendmachung eines jugendhilferechtlichen Erstattungsanspruchs beginne bereichsspezifisch mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Gesamtleistung erbracht wurde (vgl. BVerwG v. 17.12.2015 - 5 C 9/15 - juris; Bestätigung von BVerwG v. 19.08.2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Rechtsprechung in Kostenerstattungsstreitigkeiten zwischen zwei Jugendhilfeträgern ergangen ist. Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des Gerichts auf das vorliegende Verfahren jedoch nicht übertragbar, denn vorliegend macht die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Träger der Eingliederungshilfe geltend, mit dem Argument, dass der Beklagte zuständiger Leistungsträger sei und damit Leistungen der Eingliederungshilfe hätte erbringen müssen. Nach Ansicht des Gerichts ist aufgrund dessen nicht der jugendhilferechtliche Leistungsbegriff maßgeblich, auf den das BVerwG seine Rechtsprechung stützt. Vielmehr ist auf den Leistungsbegriff abzustellen, der der Eingliederungshilfe und dem SGB XII insgesamt zu Grunde liegt. Danach werden die Leistungen in der Regel monatsweise gewährt. Dieser Grundsatz ist beispielsweise in § 44 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII für die Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII explizit geregelt. Daher teilt das Gericht nach eigener Prüfung die Ansicht des BSG, dass bei wiederkehrenden Leistungen für die jeweiligen Leistungsabschnitte (Teil-) Erstattungsansprüche entstehen (BSG, Urteil vom 06.04.1989, 2 RU 34/88; BSG Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 24/99 R und BSG, Urteil vom 10.05.2005, Az: B 1 KR 20/04 R). Die gegenteilige Ansicht hätte im Übrigen zur Folge, dass selbst für Jahre zurückliegende Leistungen noch Erstattungen geltend gemacht werden könnten. Dies liefe jedoch dem Zweck des Gesetzes zuwider, zeitnah Rechtssicherheit über den eigentlichen Kostenträger zu erhalten. Demgegenüber überzeugt der Einwand der Klägerin nicht, dass mit der Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X eine weitergehende Geltendmachung von Erstattungsansprüchen ermöglicht werden solle und damit dem Ziel materieller (Ausgleichs-) Gerechtigkeit mehr Gewicht eingeräumt worden sei. Weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus der Gesetzesbegründung lässt sich insoweit entnehmen, dass mit der Neuregelung eine Geltendmachung von Ansprüchen für Zeiträume einhergehen soll, die mehr als zwölf Monate zurückliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Streitwert war in Höhe von 2.811,32 Euro festzusetzen.
Nach § 197a Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz SGG werden in den Verfahren, bei denen die Beteiligten - wie vorliegend - nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben.
Die Höhe des Streitwertes ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei darf der Streitwert nach § 52 Abs. 4 GKG bei Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht über 2.500.000 EUR angenommen werden. Die Bedeutung der Sache für die Klägerseite entspricht dabei in der Regel deren wirtschaftlichem Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen. Die Bedeutung der Sache entsprach damit der Höhe des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs von 2.811,32 Euro
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved