Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 30 AS 626/14
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 8/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 16. September 2014 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen. Sachverhalt Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 31. Januar – 30. Juni 2013. Er wendet sich gegen die leistungsmindernde Einkommensanrechnung von monatlichen Teilzahlungen, die ihm aufgrund einer titulierten Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung aus einem außergerichtlichen Vergleich zufließen. Der im Januar 1960 geborene Kläger, der früher als Kleinunternehmer im Baubereich tätig war, hatte am 1. November 2001 eine Schadensersatzklage beim Landgericht Kiel gegen Herrn S. T. (im Folgenden: Schuldner) eingereicht und begehrte die Zahlung von 30.000,00 DM (15.338,57 EUR) wegen unterschlagener Baumaschinen und Baumaterial. Das Landgericht Kiel erließ am 22. März 2002 ein stattgebendes Versäumnisurteil. Vor der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen aus diesem Versäumnisurteil gegen den nunmehr in N. lebenden Schuldner schloss der Kläger mit diesem am 5. Oktober 2009 einen Vergleich, in dem sich der Schuldner zur Zahlung von 12.000,00 EUR zahlbar in monatlichen Raten á 150,00 EUR verpflichtete. Dem voraus gingen Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers an den Schuldner vom 10. September 2009, in dem es u.a. hieß: "Im Ergebnis können wir mitteilen, dass unsere Mandantschaft grundsätzlich mit einem Vergleichsbetrag in Höhe von 8.000,00 EUR einverstanden ist. Er wäre bereit auf 1/3 der Zinsforderung zu verzichten", und vom 24. September 2009 des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers an den Kläger, in dem u.a. ausgeführt wurde: "Wir bitten noch einmal um Bestätigung, dass Sie mit dem Vergleichsbetrag in Höhe von 8.000,00 EUR zzgl. Zinsen bis zum 25. Juni 2006 in Höhe von 3.616,01 EUR, insgesamt also 11.616,01 EUR einverstanden sind." Der Schuldner nahm das Vergleichsangebot des Klägers vom 28. September 2009 in Höhe von 12.000,00 EUR mit Schreiben vom 5. Oktober 2009 an. Auf diese Vergleichssumme zahlte der Schuldner vereinbarungsgemäß seit dem 1. Januar 2010 monatliche Raten á 150,00 EUR, die seitdem und damit auch im streitgegenständlichen Zeitraum ohne Auslassung einer Rate gezahlt worden sind. Der alleinstehende Kläger stand bei dem Beklagten zunächst im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 28. Februar 2010 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Nach einer fast einjährigen Unterbrechung, in der der Kläger bedarfsdeckendes Einkommen aus einer befristeten sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit erzielte, bezog er wieder Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. Februar 2011. Seit diesem Zeitpunkt berücksichtigte der Beklagte die monatlichen Teilzahlungen als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und rechnete diese nach Einkommensbereinigung bedarfsmindernd auf den Leistungsanspruch des Klägers an. Für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 29. November 2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 645,65 EUR monatlich. Bedarfsseitig berücksichtigte der Beklagte den Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 382,00 EUR und die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 345,12 EUR. Diesem Gesamtbedarf in Höhe von 727,12 EUR stellte er ein Einkommen in Höhe von 150,00 EUR monatlich aus dem Vergleich vom 5. Oktober 2009 abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR gegenüber. Des Weiteren setzte er von diesem Einkommen 38,53 EUR monatlich (115,58 EUR/3 Monate) für die vierteljährlich fällige Kfz-Haftpflichtversicherung des Klägers ab. Den hiergegen mit der Begründung, dass es sich bei den monatlichen Teilzahlungen in Höhe von 150,00 EUR aus dem Vergleich um Vermögen und nicht um Einkommen handele, eingelegten Widerspruch des Klägers vom 6. Dezember 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2013 zurück. Die monatlichen Raten aus dem außergerichtlichen Vergleich seien als laufendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Bedarf des Klägers anzurechnen. Dies folge aus dem im SGB II geltenden Zuflussprinzip. Der Kläger habe den Vergleich vom 5. Oktober 2009 zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem er laufende Leistungen nach dem SGB II bezog. Die Teilzahlungen würden ihm daher tatsächlich und wertmäßig auch weiterhin nach Antragstellung zufließen. Nicht entscheidend sei das Schicksal der Forderung. Der klägerische Schadensersatzanspruch sei zudem ein Vermögensschaden, der keine nach § 11a Abs. 2 SGB II privilegierte Einnahme darstelle. Der Kläger hat am 22. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben und verfolgt sein Begehren weiter. Er hat vorgetragen, die leistungsmindernde Berücksichtigung der monatlichen Raten in Höhe von 150,00 EUR sei rechtswidrig, weil ihm die Schadensersatzforderung wegen unerlaubter Handlung bereits seit dem rechtskräftigen Versäumnisurteil aus dem Jahr 2002 und damit zeitlich weit vor Beginn des Leistungsbezuges zugestanden habe, sodass die Teilzahlungen hieraus als Vermögen und nicht als Einkommen einzustufen seien. Zudem sei die Schadensersatzforderung als Surrogat an die Stelle des verlorenen Eigentums getreten und sei demnach als Vermögen, welches bereits vor der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II vorhandenen gewesen sei, einzuordnen. Der Beklagte hat auf seine bisherigen Ausführungen im Verwaltungsverfahren verwiesen. Mit Urteil vom 16. September 2014 hat das Sozialgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben und den Beklagten unter Abänderung des angegriffenen Bescheides vom 29. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15. Januar 2013 verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen aus dem Vergleich vom 5. Oktober 2009 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die monatlichen Teilzahlungen in Höhe von 150,00 EUR nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II, sondern als Vermögen einzustufen seien. Unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen sei zwar grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, jedoch sei die Zuflusstheorie im Sinne einer wertenden Betrachtung zu korrigieren, wenn lediglich eine Vermögensumschichtung – beispielsweise durch Veräußerung – erfolge. Insofern komme es für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nicht darauf an, in welcher Form ein Vermögensgegenstand vorliege. Anderenfalls werde der Bestandsschutz des Vermögens missachtet. Eine bloße Umschichtung bzw. der Erlös aus der Verwertung des Vermögens gelte damit nicht als Einkommen, soweit hieraus keine über dem Verkehrswert liegende Einnahme erzielt werde. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt sei insofern mit einem Tausch oder Verkauf von Vermögen vergleichbar, da durch den geschlossenen Vergleich keine Gesamtvermögensmehrung bei dem Kläger eingetreten sei. Gleiches müsse erst recht bei einer – wie hier vorliegenden – unfreiwilligen Vermögensumwandlung durch Unterschlagung von Eigentum und anschließender Ersetzung durch einen Schadensersatzanspruch gelten. Insofern werde durch die Schadensersatzforderung gegen den Schuldner lediglich der Wertverlust beim Kläger, den er durch die Unterschlagung seines Eigentums erlitten habe, ausgeglichen. Da sich die dem Schadensersatzanspruch zu Grunde liegenden Gegenstände schon vor Beginn des Leistungsbezuges im Eigentum des Klägers befunden hätten, sei hier nicht von einer Einkommenserzielung, sondern von Vermögen auszugehen. Gegen dieses dem Beklagten am 22. Oktober 2014 zugestellte Urteil hat er am 11. November 2014 Nichtzulassungsbeschwerde beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass es sich bei den monatlichen Teilzahlungen in Höhe von 150,00 EUR um Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und nicht um Vermögen i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB II handele, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Vergleichsvereinbarung im laufenden Leistungsbezug gestanden habe, sodass die monatlichen Ratenzahlungen bei dem Kläger zu einem wertmäßigen Zuwachs in Form von Einkommen führten. Eine vergleichbare Fallkonstellation wie bei Vermögensumwandlung bzw. Vermögensumschichtung, z.B. durch Veräußerung, liege dagegen gerade nicht vor. Der vorliegende Sachverhalt sei vielmehr rechtlich so zu beurteilen wie diejenigen Fallgestaltungen, in denen Früchte des Vermögens, also Zinsen und ähnliche Vorteile, wenn sie im Bedarfszeitraum zufließen, als Einkommen zu berücksichtigen seien. Denn der Kläger habe mit dem Schuldner einen außergerichtlichen Vergleich schließen müssen, da er mit dem Versäumnisurteil einen Titel erhalten habe, welcher nicht vollstreckbar gewesen sei. Für diese Auffassung spreche auch, dass die frühere Vermögenslage nicht wiederhergestellt werde, sondern dass der Kläger allein einen "Ersatz", der deutlich unter dem Wert des verlorenen Eigentums liege, für den entstandenen Schaden erhalte. Entsprechend verwende der Kläger diese Einnahmen auch nicht zur Wiederbeschaffung des untergegangenen Eigentums, sondern zur Sicherung seines Lebensunterhalts. Auch seien die Voraussetzungen des § 11a Abs. 1 und 3 SBG II erkennbar nicht gegeben. Im Umkehrschluss zu § 11a Abs. 2 SGB II könne vielmehr angenommen werden, dass Schadensersatzforderungen wegen Vermögensschadens als Einkommen und nicht als Vermögen zu werten seien. Im Übrigen wäre bei einer Annahme des Erlangten als Vermögen i.S.d. § 12 SGB II mit 12.000,00 EUR jedenfalls der Vermögensfreibetrag des Klägers überschritten. Mit Beschluss vom 19. Januar 2015 hat der Senat die Berufung zugelassen. Zur weiteren Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte im Berufungsverfahren vor, dass die Unterbrechung des Leistungsbezuges wegen bedarfsübersteigenden Einkommens aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Zeit vom 1. März 2010 bis 31. Januar 2011 für die rechtliche Beurteilung unerheblich sei. Die Raten in Höhe von 150,00 EUR fanden auch nach der Leistungsunterbrechung als monatlich wiederkehrende Einnahmen ihren Rechtsgrund im außergerichtlichen Vergleich vom 5. Oktober 2009. Ein einmaliger Vermögenszuwachs habe nicht stattgefunden. Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 16. September 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen. Er bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein bisheriges Vorbringen. Die den Rechtsstreit betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten – einschließlich der Verfahren L 6 AS 114/14 und L 6 AS 7/15 – haben dem Senat vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt Bezug genommen.
Gründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhoben worden sowie nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft, weil der Senat die Berufung mit Beschluss vom 19. Januar 2015 gemäß § 145 SGG zugelassen hat.
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht Kiel der zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG gegen den Bewilligungsbescheid vom 29. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15. Januar 2013 vollumfänglich stattgegeben und den Beklagten unter Abänderung seiner für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 getroffenen Leistungsbescheide verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen aus dem Vergleich vom 5. Oktober 2009 zu gewähren. Der angegriffene Bewilligungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Er hat für den streitigen Zeitraum einen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts folgt aus § 19 SGB II i.V.m. § 7 SGB II in der hier maßgeblichen seit dem 1. April 2011 gültigen Fassung. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen. Der Kläger ist leistungsberechtigt, denn er ist mit 53 Jahre, altermäßig anspruchsberechtigt erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Mangels ausreichenden Einkommens und Vermögens ist er im streitigen Zeitraum im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II auch hilfebedürftig. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ihm in Höhe seiner Bedarfe nach § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II zu erbringen, da kein berücksichtigungsfähiges Einkommen oder Vermögen vorhanden war, § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II.
Der Beklagte hat den Gesamtbedarf des allein lebenden Klägers im streitigen Zeitraum mit Bewilligungsbescheid vom 29. November 2012 für den Streitzeitraum zutreffend mit 727,21 EUR monatlich festgestellt.
Auf diesen Bedarf ist entgegen der Ansicht des Beklagten kein Einkommen anzurechnen. Bei den monatlichen Raten in Höhe von 150,00 EUR, die der Kläger aus dem Vergleich vom 5. Oktober 2009 erhält, handelt es nicht um Einkommen, welches nach § 11 SGB II (in der Fassung vom 1. April 2011, gültig bis 31. Juli 2016) auf den Leistungsanspruch des Klägers anzurechnen wäre, sondern um Vermögen im Sinne des § 12 SGB II (in der seit dem 1. April 2011 gültigen Fassung).
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II und bestimmter weiterer, hier nicht einschlägiger Leistungen zu berücksichtigen. Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. In Abgrenzung zum Vermögen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG Einkommen alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 78/12 R – juris Rn. 27 m.w.N.). Somit ist grundsätzlich auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Ausgehend von der modifizierten Zuflusstheorie ist im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung – und damit auch bei einer Schadensersatzforderung – das Schicksal der Forderung grundsätzlich nicht von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen (Zufluss) ab (vgl. u.a. BGS, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 185/10 R – juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 24. April 2015 - B 4 AS 32/14 R – juris Rn. 14 m.w.N.). Ob der Zufluss der Mittel beansprucht werden kann, spielt dabei keine Rolle.
Allerdings ist von dem tatsächlichen Zufluss in wertender Betrachtung abzuweichen und das Einkommen als Vermögen zu qualifizieren, wenn mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart worden ist, z.B. bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen, da ansonsten der Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen gewertet werden würde (BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 185/10 R – juris Rn. 11). Gleiches gilt bei einer Veräußerung von Vermögensgegenständen, weil hiermit lediglich eine Vermögensumschichtung erfolgt und die Berücksichtigung des Verkaufserlöses als Einkommen, soweit keine über dem Verkehrswert liegende Einnahme erzielt wird, den Bestandsschutz des Eigentums missachten würde.
Ob eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung als Einkommen oder vergleichbar den vorgenannten Ausnahmen wertend ebenfalls als Vermögen zu behandeln ist, ist bisher höchstrichterlich durch das BSG noch nicht geklärt. Allerdings hat das BVerwG in seiner Entscheidung vom 18. Februar 1999 (5 C 14/98 - juris Rn. 16; nach Aufgabe der sog. Identitätstheorie und Annahme der modifizierten Zuflusstheorie) zum Sozialhilferecht ausgeführt, dass eine Schadensersatzforderung dann nicht als Einkommen zu qualifizieren sei, wenn diese lediglich eine frühere Vermögenslage wiederherstelle (z.B. Schadensersatz für die Beschädigung oder den Verlust einer Sache). Denn der bloße Ersatz für etwas, was jemand bereits hatte, bewirkt keinen Zufluss, ist keine Einnahme, sondern, wie das Ersetzte wiederum unmittelbar Vermögen. Auf diese Entscheidung des BVerwG hat das BSG explizit in seinen Entscheidungen zu diesem Themenkomplex Bezug genommen (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 57/07 R – juris Rn. 17 {Zinsgutschrift auf Schonvermögen stellt danach Einkommen dar} und BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R – juris Rn.18 {Steuererstattung ist Einkommen}, und sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich angeschlossen. Dem folgend hat auch das LSG Berlin-Brandenburg vertreten, dass bei wertender Betrachtung der Einkommenszufluss aus einer Schadensersatzforderung eines Versicherers für den Verlust eines LKWs durch Diebstahl als Vermögen und nicht als Einkommen anzusehen ist (Urteil vom 7. Mai 2014 – L 18 AS 3167/12 – juris, a.A. VG Bremen, Urteil vom 13. März 2008 – S 8 K 2309/07 – juris Rn. 9). Auch in der einschlägigen Kommentarliteratur wird diese Ansicht, dass ein Schadensersatzanspruch, der lediglich der Wiederherstellung der früheren Vermögenslage dient, Vermögen darstellt, überwiegend vertreten (vgl. Geiger in: Münder, SGB II, § 11 Rn. 23; Dauber in: Mergler/Zink, SGB II, § 11 Rn. 26; Mecke in: Eicher, SGB II, § 12 Rn. 22; Schmidt in: juris-PK, SGB XII, § 82 Rn. 63; a.A. Klaus in Holm, SGB II, § 11 Rn. 146).
Gemessen daran ist der Senat der Auffassung, dass die monatlichen Zahlungen auf die im außergerichtlichen Vergleich vom 5. Oktober 2009 vereinbarte Schadensersatzforderung im streitigen Zeitraum als ein Surrogat für die Vermögensgegenstände zu werten ist, an denen der Kläger Eigentum hatte. Würden hier die Teilzahlungen auf die Hauptforderung als Einkommen berücksichtigt werden, wäre der Kläger tatsächlich doppelt geschädigt. Denn einerseits hat er unfreiwillig durch die Unterschlagung einen Vermögensverlust erlitten und andererseits würde der Schadensersatzanspruch, der der Wiederherstellung des verlorenen Vermögens dient, nunmehr bedarfsmindernd angerechnet. Dem steht auch nicht entgegen, dass die monetäre Befriedigung des Klägers erst durch den außergerichtlichen Vergleich erfolgt. Hierdurch ändert sich die rechtliche Qualität des Erlangten nicht. Denn die vereinbarte Vergleichssumme dient weiterhin dem Ausgleich des erlittenen Vermögensschadens und zwar unabhängig davon, dass die Vergleichssumme hinter der titulierten Schadensersatzforderung wertmäßig zurückbleibt und zwischen dem schädigenden Ereignis und der tatsächlichen Befriedigung ein gewisser zeitlicher Abstand liegt. Die wertmäßige Identität zwischen dem Surrogat und dem früheren Vermögensgegenstand ist keine Voraussetzung für die Anerkennung als Vermögen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht auch § 11a Abs. 2 SGB II diesem Ergebnis nicht entgegen. § 11 a Abs. 2 SGG II privilegiert bestimmte Entschädigungen, wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, ausdrücklich. Der Vorschrift kann im Umkehrschluss nicht entnommen werden, dass materielle Schadensersatzforderungen in Abgrenzung zu immateriellen Schadensersatzforderungen, wenn sie nach Antragstellung zufließen, stets als Einkommen zu berücksichtigen wären. Die Vorschrift geht vielmehr auf § 77 BSHG zurück, welche bereits eine entsprechende Regelung enthielt. Diese wurde eingeführt, da es in der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung als Härte empfunden wurde, wenn Schmerzensgeld, dessen Entschädigung nicht Inhalt der Sozialhilfe ist, als Einkommen angerechnet wurde (vgl. BT-Drs. 7/308, S. 17). Eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung der modifizierten Zuflusstheorie war ebenfalls für immaterielle Schadensersatzforderungen (anders als hier) nicht möglich, da diese gerade nicht auf Einkünften beruhen, die vor Antragstellung zugeflossen sind. Der Wortlaut der Vorschrift dürfte zudem aus einer Übernahme der Formulierung in § 253 BGB herrühren und nicht in einer bewussten Regelung dahingehend, dass materielle Schadensersatzansprüche stets als Einkommen anzusehen sind. Ob dies der Fall ist, ist vielmehr anhand der oben aufgezeigten Maßstäbe zu beurteilen. So stellt zwar grundsätzlich die Zahlung aus einem materiellen Schadensersatzanspruch Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar, jedoch ist bei wertender Betrachtung hiervon eine Ausnahme zu machen, wenn der Schadensersatzanspruch als Surrogat an die Stelle früheren Vermögens tritt.
Da der Senat vorliegend nicht von Einkommen, sondern Vermögen ausgeht, kann die Frage, ob ein wertmäßiger Zufluss bereits durch die titulierte Forderung aufgrund des Versäumnisurteils erfolgte, dahinstehen. Auch der Umstand, dass der Kläger im Zeitraum 1. März 2010 bis 31. Januar 2011 nicht hilfebedürftig war, ist für die rechtliche Beurteilung für die Zeit im ersten Halbjahr 2013 nicht von Belang.
Die monatlichen Teilzahlungen an den Kläger stellen im streitigen Zeitraum auch in Höhe von 150,00 EUR und nicht nur in einem anteiligen Verhältnis Vermögen dar. Denn der Senat ist der Auffassung, dass die monatlichen Raten in vollständiger Höhe spätestens seit dem 1. April 2012 auf den in der Vergleichssumme vereinbarten Vermögensschadensanteil in Höhe von 8.000,00 EUR geleistet wurden. Der Vergleich zwischen dem Kläger und dem Schuldner kann aufgrund des Schriftwechsels nur dahingehend ausgelegt werden, dass die vereinbarte Vergleichssumme in Höhe von 12.000,00 EUR in Höhe von 8.000,00 EUR auf den erlittenen Vermögensschaden und im Übrigen auf die angefallenen Prozesszinsen entfällt. Diese Differenzierung zwischen dem Vermögensschaden einerseits und den Zinsen (Verzugszinsen und Prozesszinsen) andererseits ist insofern erforderlich, als dass Zahlungen des Schuldners auf die Zinsen nach Auffassung des Senats als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II einzustufen wären. Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher sich der Senat nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt, handelt es sich bei Zinsen, unabhängig davon, ob es sich um verzinstes Kapital aus Schonvermögen handelt oder ob der Zinsanspruch bereits ganz oder teilweise schon vor dem Leistungsbezug entstanden ist, um Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (grundlegend BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 57/07 R; vgl. auch BSG Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 103/11 R – {Zinseinkünfte aus Schmerzensgeld}; BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 43/14 R – {Zinsgutschrift auf Bausparkonto}; BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R – {Einkommensteuererstattung}; BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 185/10 – {Rückerstattung von Vorauszahlungen aufgrund von Energielieferverträgen}; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 64/08 R – {arbeitsrechtliche Abfindung und Einkommensteuererstattung}; alle zitiert nach juris). Auch bei den in der vereinbarten Vergleichssumme enthaltenen Zinsen hat ein wertmäßiger Zuwachs erst mit dem tatsächlichen Zufluss der Teilzahlungen stattgefunden. Gründe für eine wertende Betrachtung sieht der Senat nicht, da die Verzugszinsen der Verbesserung der Zahlungsmoral des Schuldners als auch zur Entschädigung für die entgangene Kapitalnutzung dienen bzw. die Prozesszinsen den Schuldner sanktionieren, sodass ein realer wertmäßiger Zuwachs erst mit dem tatsächlichen Zufluss erfolgt und eine Zuordnung zum Vermögen mangels Korrelat ausscheidet.
Grundsätzlich kommt zwar auch eine Quotelung der monatlichen Teilzahlungen nach dem Verhältnis Zinsen/Gesamtforderung, d.h. monatliche Anrechnung in Höhe von 1/3 der monatlichen Raten und damit in Höhe von 50,00 EUR in Betracht. Da die Art und Weise der Tilgungsbestimmung grundsätzlich disponibel ist, hat der Senat jedoch auf den Rechtsgedanken des § 367 BGB zurückgegriffen. Danach werden, wenn die Leistung zur Tilgung einer Schuld nicht ausreicht, die gezahlten Leistungen zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet, wenn außer der Hauptforderung Zinsen und Kosten zu entrichten sind. Vorliegend hat der Forderungsschuldner keine Tilgungsbestimmungen getroffen. In Anlehnung an § 367 BGB sind die Teilzahlungen ab 1. Januar 2010 zunächst als auf die Zinsen entrichtet anzusehen und solange bedarfsmindernd als Einkommen anzurechnen, bis betragsmäßig 4.000,00 EUR erreicht sind. Die ab diesem Zeitpunkt geleisteten Teilzahlungen stellen dann solche auf die Hauptforderung, d.h. auf die Schadensersatzforderung dar, sodass ab April 2012 die Teilzahlungen in Höhe von 150,00 EUR als Zahlungen auf den Schadensersatzanspruch nicht mehr im Sinne des Grundsicherungsrechts anrechenbar sind. Da der Vermögensfreibetrag des Klägers bereits zu diesem Zeitpunkt sowie bei Antragstellung für den Leistungszeitraum ab 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 bei 8.550,00 EUR lag, ist hier unerheblich, ob die Hilfebedürftigkeit überhaupt aufgrund verwertbaren Vermögens in Höhe von 8.000,00 EUR zu verneinen gewesen wäre (denkbar wäre insofern, dass das Vermögen durch die Teilzahlungen monatlich erst anwächst).
Nach alledem konnte die Berufung des Beklagten keinen Erfolg haben. Dem Kläger stehen im streitigen Zeitraum ungekürzte Leistungen nach dem SGB II zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Denn der Frage, ob Zahlungen auf eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung wegen Unterschlagung von Eigentum als Einkommen oder Vermögen einzuordnen sind, wenn die Forderung vor Beginn des Leistungsbezuges entstanden und tituliert worden ist, die Zahlungen abererst aufgrund eines während des laufenden Leistungsbezuges geschlossen Vergleichs erfolgen, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
Gründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhoben worden sowie nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft, weil der Senat die Berufung mit Beschluss vom 19. Januar 2015 gemäß § 145 SGG zugelassen hat.
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht Kiel der zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG gegen den Bewilligungsbescheid vom 29. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15. Januar 2013 vollumfänglich stattgegeben und den Beklagten unter Abänderung seiner für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 getroffenen Leistungsbescheide verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen aus dem Vergleich vom 5. Oktober 2009 zu gewähren. Der angegriffene Bewilligungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Er hat für den streitigen Zeitraum einen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts folgt aus § 19 SGB II i.V.m. § 7 SGB II in der hier maßgeblichen seit dem 1. April 2011 gültigen Fassung. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen. Der Kläger ist leistungsberechtigt, denn er ist mit 53 Jahre, altermäßig anspruchsberechtigt erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Mangels ausreichenden Einkommens und Vermögens ist er im streitigen Zeitraum im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II auch hilfebedürftig. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ihm in Höhe seiner Bedarfe nach § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II zu erbringen, da kein berücksichtigungsfähiges Einkommen oder Vermögen vorhanden war, § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II.
Der Beklagte hat den Gesamtbedarf des allein lebenden Klägers im streitigen Zeitraum mit Bewilligungsbescheid vom 29. November 2012 für den Streitzeitraum zutreffend mit 727,21 EUR monatlich festgestellt.
Auf diesen Bedarf ist entgegen der Ansicht des Beklagten kein Einkommen anzurechnen. Bei den monatlichen Raten in Höhe von 150,00 EUR, die der Kläger aus dem Vergleich vom 5. Oktober 2009 erhält, handelt es nicht um Einkommen, welches nach § 11 SGB II (in der Fassung vom 1. April 2011, gültig bis 31. Juli 2016) auf den Leistungsanspruch des Klägers anzurechnen wäre, sondern um Vermögen im Sinne des § 12 SGB II (in der seit dem 1. April 2011 gültigen Fassung).
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II und bestimmter weiterer, hier nicht einschlägiger Leistungen zu berücksichtigen. Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. In Abgrenzung zum Vermögen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG Einkommen alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 78/12 R – juris Rn. 27 m.w.N.). Somit ist grundsätzlich auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Ausgehend von der modifizierten Zuflusstheorie ist im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung – und damit auch bei einer Schadensersatzforderung – das Schicksal der Forderung grundsätzlich nicht von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen (Zufluss) ab (vgl. u.a. BGS, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 185/10 R – juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 24. April 2015 - B 4 AS 32/14 R – juris Rn. 14 m.w.N.). Ob der Zufluss der Mittel beansprucht werden kann, spielt dabei keine Rolle.
Allerdings ist von dem tatsächlichen Zufluss in wertender Betrachtung abzuweichen und das Einkommen als Vermögen zu qualifizieren, wenn mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart worden ist, z.B. bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen, da ansonsten der Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen gewertet werden würde (BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 185/10 R – juris Rn. 11). Gleiches gilt bei einer Veräußerung von Vermögensgegenständen, weil hiermit lediglich eine Vermögensumschichtung erfolgt und die Berücksichtigung des Verkaufserlöses als Einkommen, soweit keine über dem Verkehrswert liegende Einnahme erzielt wird, den Bestandsschutz des Eigentums missachten würde.
Ob eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung als Einkommen oder vergleichbar den vorgenannten Ausnahmen wertend ebenfalls als Vermögen zu behandeln ist, ist bisher höchstrichterlich durch das BSG noch nicht geklärt. Allerdings hat das BVerwG in seiner Entscheidung vom 18. Februar 1999 (5 C 14/98 - juris Rn. 16; nach Aufgabe der sog. Identitätstheorie und Annahme der modifizierten Zuflusstheorie) zum Sozialhilferecht ausgeführt, dass eine Schadensersatzforderung dann nicht als Einkommen zu qualifizieren sei, wenn diese lediglich eine frühere Vermögenslage wiederherstelle (z.B. Schadensersatz für die Beschädigung oder den Verlust einer Sache). Denn der bloße Ersatz für etwas, was jemand bereits hatte, bewirkt keinen Zufluss, ist keine Einnahme, sondern, wie das Ersetzte wiederum unmittelbar Vermögen. Auf diese Entscheidung des BVerwG hat das BSG explizit in seinen Entscheidungen zu diesem Themenkomplex Bezug genommen (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 57/07 R – juris Rn. 17 {Zinsgutschrift auf Schonvermögen stellt danach Einkommen dar} und BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R – juris Rn.18 {Steuererstattung ist Einkommen}, und sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich angeschlossen. Dem folgend hat auch das LSG Berlin-Brandenburg vertreten, dass bei wertender Betrachtung der Einkommenszufluss aus einer Schadensersatzforderung eines Versicherers für den Verlust eines LKWs durch Diebstahl als Vermögen und nicht als Einkommen anzusehen ist (Urteil vom 7. Mai 2014 – L 18 AS 3167/12 – juris, a.A. VG Bremen, Urteil vom 13. März 2008 – S 8 K 2309/07 – juris Rn. 9). Auch in der einschlägigen Kommentarliteratur wird diese Ansicht, dass ein Schadensersatzanspruch, der lediglich der Wiederherstellung der früheren Vermögenslage dient, Vermögen darstellt, überwiegend vertreten (vgl. Geiger in: Münder, SGB II, § 11 Rn. 23; Dauber in: Mergler/Zink, SGB II, § 11 Rn. 26; Mecke in: Eicher, SGB II, § 12 Rn. 22; Schmidt in: juris-PK, SGB XII, § 82 Rn. 63; a.A. Klaus in Holm, SGB II, § 11 Rn. 146).
Gemessen daran ist der Senat der Auffassung, dass die monatlichen Zahlungen auf die im außergerichtlichen Vergleich vom 5. Oktober 2009 vereinbarte Schadensersatzforderung im streitigen Zeitraum als ein Surrogat für die Vermögensgegenstände zu werten ist, an denen der Kläger Eigentum hatte. Würden hier die Teilzahlungen auf die Hauptforderung als Einkommen berücksichtigt werden, wäre der Kläger tatsächlich doppelt geschädigt. Denn einerseits hat er unfreiwillig durch die Unterschlagung einen Vermögensverlust erlitten und andererseits würde der Schadensersatzanspruch, der der Wiederherstellung des verlorenen Vermögens dient, nunmehr bedarfsmindernd angerechnet. Dem steht auch nicht entgegen, dass die monetäre Befriedigung des Klägers erst durch den außergerichtlichen Vergleich erfolgt. Hierdurch ändert sich die rechtliche Qualität des Erlangten nicht. Denn die vereinbarte Vergleichssumme dient weiterhin dem Ausgleich des erlittenen Vermögensschadens und zwar unabhängig davon, dass die Vergleichssumme hinter der titulierten Schadensersatzforderung wertmäßig zurückbleibt und zwischen dem schädigenden Ereignis und der tatsächlichen Befriedigung ein gewisser zeitlicher Abstand liegt. Die wertmäßige Identität zwischen dem Surrogat und dem früheren Vermögensgegenstand ist keine Voraussetzung für die Anerkennung als Vermögen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht auch § 11a Abs. 2 SGB II diesem Ergebnis nicht entgegen. § 11 a Abs. 2 SGG II privilegiert bestimmte Entschädigungen, wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, ausdrücklich. Der Vorschrift kann im Umkehrschluss nicht entnommen werden, dass materielle Schadensersatzforderungen in Abgrenzung zu immateriellen Schadensersatzforderungen, wenn sie nach Antragstellung zufließen, stets als Einkommen zu berücksichtigen wären. Die Vorschrift geht vielmehr auf § 77 BSHG zurück, welche bereits eine entsprechende Regelung enthielt. Diese wurde eingeführt, da es in der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung als Härte empfunden wurde, wenn Schmerzensgeld, dessen Entschädigung nicht Inhalt der Sozialhilfe ist, als Einkommen angerechnet wurde (vgl. BT-Drs. 7/308, S. 17). Eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung der modifizierten Zuflusstheorie war ebenfalls für immaterielle Schadensersatzforderungen (anders als hier) nicht möglich, da diese gerade nicht auf Einkünften beruhen, die vor Antragstellung zugeflossen sind. Der Wortlaut der Vorschrift dürfte zudem aus einer Übernahme der Formulierung in § 253 BGB herrühren und nicht in einer bewussten Regelung dahingehend, dass materielle Schadensersatzansprüche stets als Einkommen anzusehen sind. Ob dies der Fall ist, ist vielmehr anhand der oben aufgezeigten Maßstäbe zu beurteilen. So stellt zwar grundsätzlich die Zahlung aus einem materiellen Schadensersatzanspruch Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar, jedoch ist bei wertender Betrachtung hiervon eine Ausnahme zu machen, wenn der Schadensersatzanspruch als Surrogat an die Stelle früheren Vermögens tritt.
Da der Senat vorliegend nicht von Einkommen, sondern Vermögen ausgeht, kann die Frage, ob ein wertmäßiger Zufluss bereits durch die titulierte Forderung aufgrund des Versäumnisurteils erfolgte, dahinstehen. Auch der Umstand, dass der Kläger im Zeitraum 1. März 2010 bis 31. Januar 2011 nicht hilfebedürftig war, ist für die rechtliche Beurteilung für die Zeit im ersten Halbjahr 2013 nicht von Belang.
Die monatlichen Teilzahlungen an den Kläger stellen im streitigen Zeitraum auch in Höhe von 150,00 EUR und nicht nur in einem anteiligen Verhältnis Vermögen dar. Denn der Senat ist der Auffassung, dass die monatlichen Raten in vollständiger Höhe spätestens seit dem 1. April 2012 auf den in der Vergleichssumme vereinbarten Vermögensschadensanteil in Höhe von 8.000,00 EUR geleistet wurden. Der Vergleich zwischen dem Kläger und dem Schuldner kann aufgrund des Schriftwechsels nur dahingehend ausgelegt werden, dass die vereinbarte Vergleichssumme in Höhe von 12.000,00 EUR in Höhe von 8.000,00 EUR auf den erlittenen Vermögensschaden und im Übrigen auf die angefallenen Prozesszinsen entfällt. Diese Differenzierung zwischen dem Vermögensschaden einerseits und den Zinsen (Verzugszinsen und Prozesszinsen) andererseits ist insofern erforderlich, als dass Zahlungen des Schuldners auf die Zinsen nach Auffassung des Senats als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II einzustufen wären. Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher sich der Senat nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt, handelt es sich bei Zinsen, unabhängig davon, ob es sich um verzinstes Kapital aus Schonvermögen handelt oder ob der Zinsanspruch bereits ganz oder teilweise schon vor dem Leistungsbezug entstanden ist, um Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (grundlegend BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 57/07 R; vgl. auch BSG Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 103/11 R – {Zinseinkünfte aus Schmerzensgeld}; BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 43/14 R – {Zinsgutschrift auf Bausparkonto}; BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R – {Einkommensteuererstattung}; BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 185/10 – {Rückerstattung von Vorauszahlungen aufgrund von Energielieferverträgen}; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 64/08 R – {arbeitsrechtliche Abfindung und Einkommensteuererstattung}; alle zitiert nach juris). Auch bei den in der vereinbarten Vergleichssumme enthaltenen Zinsen hat ein wertmäßiger Zuwachs erst mit dem tatsächlichen Zufluss der Teilzahlungen stattgefunden. Gründe für eine wertende Betrachtung sieht der Senat nicht, da die Verzugszinsen der Verbesserung der Zahlungsmoral des Schuldners als auch zur Entschädigung für die entgangene Kapitalnutzung dienen bzw. die Prozesszinsen den Schuldner sanktionieren, sodass ein realer wertmäßiger Zuwachs erst mit dem tatsächlichen Zufluss erfolgt und eine Zuordnung zum Vermögen mangels Korrelat ausscheidet.
Grundsätzlich kommt zwar auch eine Quotelung der monatlichen Teilzahlungen nach dem Verhältnis Zinsen/Gesamtforderung, d.h. monatliche Anrechnung in Höhe von 1/3 der monatlichen Raten und damit in Höhe von 50,00 EUR in Betracht. Da die Art und Weise der Tilgungsbestimmung grundsätzlich disponibel ist, hat der Senat jedoch auf den Rechtsgedanken des § 367 BGB zurückgegriffen. Danach werden, wenn die Leistung zur Tilgung einer Schuld nicht ausreicht, die gezahlten Leistungen zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet, wenn außer der Hauptforderung Zinsen und Kosten zu entrichten sind. Vorliegend hat der Forderungsschuldner keine Tilgungsbestimmungen getroffen. In Anlehnung an § 367 BGB sind die Teilzahlungen ab 1. Januar 2010 zunächst als auf die Zinsen entrichtet anzusehen und solange bedarfsmindernd als Einkommen anzurechnen, bis betragsmäßig 4.000,00 EUR erreicht sind. Die ab diesem Zeitpunkt geleisteten Teilzahlungen stellen dann solche auf die Hauptforderung, d.h. auf die Schadensersatzforderung dar, sodass ab April 2012 die Teilzahlungen in Höhe von 150,00 EUR als Zahlungen auf den Schadensersatzanspruch nicht mehr im Sinne des Grundsicherungsrechts anrechenbar sind. Da der Vermögensfreibetrag des Klägers bereits zu diesem Zeitpunkt sowie bei Antragstellung für den Leistungszeitraum ab 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 bei 8.550,00 EUR lag, ist hier unerheblich, ob die Hilfebedürftigkeit überhaupt aufgrund verwertbaren Vermögens in Höhe von 8.000,00 EUR zu verneinen gewesen wäre (denkbar wäre insofern, dass das Vermögen durch die Teilzahlungen monatlich erst anwächst).
Nach alledem konnte die Berufung des Beklagten keinen Erfolg haben. Dem Kläger stehen im streitigen Zeitraum ungekürzte Leistungen nach dem SGB II zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Denn der Frage, ob Zahlungen auf eine Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung wegen Unterschlagung von Eigentum als Einkommen oder Vermögen einzuordnen sind, wenn die Forderung vor Beginn des Leistungsbezuges entstanden und tituliert worden ist, die Zahlungen abererst aufgrund eines während des laufenden Leistungsbezuges geschlossen Vergleichs erfolgen, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
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