Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 4453/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 796/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.01.2016 und der Bescheid vom 22.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2012 aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 17.03.2011 bis 30.09.2011 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt hat und keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 17.03.2011 bis 30.09.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt und ob Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
Die Klägerin ist beim Amtsgericht S. unter der Nummer HRB ... eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist die Beratung, die Planung und Überwachung von gebäude- und umwelttechnischen Anlagen.
Der Beigeladene zu 1) war bis Sommer 2010 bei der Klägerin angestellt und gründete nach dem Ausscheiden die Firma c., deren Geschäftsmodell hauptsächlich in der 3D-Visualisierung, Geräteintegration sowie Beratung und Planung medizinischer Einrichtung besteht (vgl Businessplan der Firma c., Bl 66/72 Verwaltungsakte). Die Gewerbeanmeldung erfolgte am 21.01.2011 (Bl 11 Verwaltungsakte). Im Zeitraum vom 21.01.2011 bis 20.10.2011 bezog er einen Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit (Bl 4 Verwaltungsakte). Im März 2011 engagierte ihn die Klägerin für ein Projekt beim Universitätsklinikum U. (großes Bauvorhaben Neubau Chirurgie, bereits seit ab 2007 auf mehrere Jahre angelegt, 2012 abgeschlossen, mit vorab definierten Phasen).
Im "Vertrag über freie Mitarbeit" vom 16.03.2011 (Bl 16/22 Verwaltungsakte) ist ua geregelt:
"§ 1 Ziel des Vertrages Beiderseitiges Ziel der Vereinbarung zwischen der M. AG und dem freien Mitarbeiter ist die Schaffung eines freien Mitarbeiterverhältnisses. Die Begründung eines Arbeitsvertrages ist nicht beabsichtigt.
§ 2 Vergütung Der freie Mitarbeiter hat alle öffentlichen Abgaben und Steuern selbst zu tragen.
Die M. AG wird von etwaigen Forderungen des Finanzamtes beziehungsweise der Sozialversicherungsträger freigestellt.
Die Vertragspartner vereinbaren die in der Anlage zum Vertrag aufgeführten Honorarsätze. Diese sind monatlich, entsprechend dem Leistungsstand, in Rechnung zu stellen. Mit gleicher Rechnung sind die angefallenen Nebenkosten abzurechnen.
§ 3 Steuerliche Anmeldung Es wurde vereinbart, dass der freie Mitarbeiter vor Aufnahme seines Dienstes bei der M. AG seinem zuständigen Finanzamt Kenntnis über seine freiberufliche Tätigkeit gibt. Ebenfalls ist die Notwendigkeit einer Arbeitserlaubnis abzuklären.
§ 4 Berufsgenossenschaft/Berufshaftpflicht Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, sich bei der zuständigen Berufsgenossenschaft anzumelden und die fälligen Beträge zu entrichten.
Der freie Mitarbeiter ist über einer Berufshaftpflichtversicherung der M. AG versichert. Die Versicherungssumme hat mindestens 2 Mio. Euro für Personen- und Sachschäden zu betragen.
§ 5 Verhinderung Für die Dauer einer Verhinderung - gleich aus welchem Grund - steht dem Mitarbeiter grundsätzlich kein Vergütungsanspruch zu.
Ist der freie Mitarbeiter an der Durchführung der vereinbarten Leistung verhindert und kann keine qualifizierte Ersatzkraft stellen, so ist die unverzügliche Verhinderungsabrede verabredet.
§ 6 Vertragsdauer Dieser Vertrag beginnt am 17.03.2011 und ist unbefristet. Der Vertrag kann von beiden Seiten mit einer Frist von sechs [handschriftlich durchgestrichen und ersetzt durch "drei, 25.03.11 ppa. (unleserliche Unterschrift)"] Monaten zum Ende eines jeden Kalendermonats gekündigt werden.
Das Recht der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB bleibt hiervon unberührt. Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. § 7 Arbeitszeit Bei der Durchführung der übernommenen Aufgaben unterliegt der freie Mitarbeiter keiner bestimmten Zeiteinteilung. Die Tätigkeit ist jedoch so einzurichten, dass die notwendigen Koordinationsmaßnahmen mit den anderen am Objekt Beteiligten durchgeführt werden können.
Den Umfang der Arbeitszeit insgesamt sowie den Einsatz für die beauftragen Leistungen bestimmt der freie Mitarbeiter selbst.
Die notwendigen Einsatzzeiten verkürzen oder verlängern sich entsprechend dem Umfang der Aufträge.
§ 8 Arbeitsstelle Dem freien Mitarbeiter ist es freigestellt, an welchem Ort er [die] für die M. AG zu erbringende Leistung durchführt.
Der freie Mitarbeiter hat seine Tätigkeit jedoch örtlich so auszurichten, dass die notwendigen Koordinationsmaßnahmen mit den anderen am Objekt Beteiligten sorgfältig durchgeführt werden können (Büro der M. AG oder Baubüro des Auftraggebers).
§ 9 Konkurrenzklausel Es steht dem freien Mitarbeiter frei, außer diesem Vertragsverhältnis weitere Verträge mit anderen Auftraggebern einzugehen, soweit diese nicht in einem Konkurrenzverhältnis mit der M. AG stehen, [handschriftlich ergänzt um "- hinsichtlich Wettbewerbsverfahren. 25.03.11 ppa. (unleserliche Unterschrift)]
§ 10 Arbeitsmittel Die Inanspruchnahme von Arbeitsmitteln der M. AG durch den freien Mitarbeiter ist nicht vorgesehen. Es besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, dass der freie Mitarbeiter - gegen Zahlung eines jeweils zu vereinbarenden Nutzungsentgeltes - bestimmte Maschinen und Computeranlagen der M. AG in Gebrauch nehmen kann.
§ 11 Urlaub Es steht dem freien Mitarbeiter frei, Dauer und Lage der Ferienzeit selbst zu bestimmen. Er erklärt sich bereit, mindestens einen Monat vor Beginn seines Ferienzeitraumes, das Unternehmen entsprechend zu informieren.
§ 12 Sorgfaltspflicht Bei der Durchführung seiner Leistungen hat der freie Mitarbeiter sorgfältig vorzugehen, unter bestmöglicher Anwendung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten. Er unterliegt Weisungen der M. AG nur insoweit, wie sie zur Erfüllung des Gesamtvertrages unerlässlich sind.
§ 13 Arbeitsergebnisse Alle Ergebnisse der Tätigkeit des freien Mitarbeiters stehen unmittelbar der M. AG zur Verfügung. Dies gilt auch für schutzrechtsfähige Erfindungen.
Jeglicher Schriftverkehr ist im Auftrag der M. AG zu zeichnen und kann mit dem Briefkopf und Adresse des Auftragnehmers durchgeführt werden.
§ 15 Verschwiegenheit und Herausgabe von Unterlagen Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, über die Verhältnisse der Firma, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und Ergebnisse seiner Tätigkeit, strengstes Stillschweigen zu bewahren. Dies gilt auch für die Zeit nach Beendigung des Beratungsverhältnisses.
Der freie Mitarbeiter wird sämtliche Unterlagen, die ihm im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Vertrages übergeben werden, Dritten nicht zugänglich machen und sie unmittelbar nach Beendigung dieses Vertrages an die M. AG herausgeben. Der freie Mitarbeiter ist nicht berechtigt, an solchen Unterlagen ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben.
."
Mit Datum vom 17.03.2011 (Eingang bei der Beklagten) stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Klärung der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der Klägerin als Medizintechnikplaner (Bl 3 ff Verwaltungsakte). Er gab an, für mehrere Auftraggeber tätig zu sein. Er sei bereits für die T. M. Systeme GmbH & Co. KG in P. tätig gewesen. Weitere Akquiseeinsätze seien bereits in Angriff genommen, um neue Auftraggeber zu gewinnen. Bei seiner Tätigkeit für die Klägerin handle es sich um die zeitlich beschränkte Unterstützung bei unterschiedlichen Planungsphasen innerhalb des Projekts, wie etwa die Erstellung von Ausschreibungsunterlagen. Die Auftragsannahme für einen Teilprozess erfolge nur, wenn es seine eigene Auftragslage zulasse. Die Teilprozesse seien so ausgelegt, dass er nur einen Teil seiner Wochenstunden dafür aufbringen müsse (Bl 9 Verwaltungsakte).
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 01.08.2011 (Bl 27 Verwaltungsakte) mit, dass seine tatsächlichen Arbeitszeiten flexibel seien und er diese selbst einteilen könne. Für die Klägerin sei er je nach Bedarf der zu erbringenden Arbeitsleistung und von Monat zu Monat unterschiedlich tätig. Der Umfang der Arbeit könne zwischen null und hundert Stunden im Monat liegen. Die Auftraggeberin stelle ihm keine Arbeitsmittel zur Verfügung. Er benutze für seine Tätigkeit sein PC-System, Software und Drucker aus Privatbesitz.
Mit inhaltsgleichen Schreiben vom 12.08.2011 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) an (Bl 30/33 Verwaltungsakte). Es sei beabsichtigt, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Nach der Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen, würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Für eine abhängige Beschäftigung spreche, dass das Vertragsverhältnis auf Dauer angelegt sei, Auftragsbesprechungen mit dem Auftraggeber stattfinden würden, eine Berufshaftpflichtversicherung über den Auftraggeber bestehe, die persönliche Leistungserbringung die Regel sei, ein Stundennachweis zu führen sei, der Auftraggeber ein eingerichtetes Bauleitungsbüro und ein Telefon zur Verfügung stelle, in der Regel Projekte ausgeführt würden, deren Leitung indirekt den Kunden des Auftraggebers unterstehe, sowie die die Vergütung auf Stundenbasis. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche, dass eigene Arbeitsmittel eingesetzt würden, der Beigeladene zu 1) werbend am Markt tätig sei und für mehrere Auftraggeber tätig sei.
Mit Schreiben vom 26.08.2011 (Bl 36/47 Verwaltungsakte) teilte der Beigeladene zu 1) der Beklagten mit, dass er nicht der Auffassung sei, dass es sich bei seiner Tätigkeit für die Klägerin um eine abhängige Beschäftigung handle. Er befinde sich seit knapp sieben Monaten in der Existenzgründung und sei dabei ein Unternehmen mit komplexen und neuartigen IT-Dienstleistungen für das Gesundheitswesen aufzubauen. Er habe in den ersten sieben Monaten seiner Existenzgründung bereits drei große und anerkannte Unternehmen (Planungsgruppe M. AG, T. M.-Systeme, H. Planungsgesellschaft) für seine Dienstleistung gewinnen können. Es werde deutlich, dass seine finanziellen Mittel aus mehreren Unternehmen stammten. Bei seiner Tätigkeit für die Klägerin unterliege die Zeiteinteilung, Dauer und Durchführung seiner Verantwortung. Die Ausübung erfolge in seinen eigenen Büroräumen in S. unter Einsatz eigener Arbeitsmittel. Einem Weisungsrecht unterliege er nicht. Wie viel und wie lange er für einen Projektabschnitt arbeite, liege allein in seiner Verantwortung. Eine dauerhafte Beauftragung sei nicht garantiert. Man habe mit dem Vertrag einen "Grundlagenvertrag" schaffen wollen und somit den Verwaltungsaufwand im Falle neuer Arbeitspakete verringern wollen. Es sei ihm überlassen, ob er einen Auftrag annehme oder nicht. Die Auftragsbesprechungen mit dem Arbeitgeber bezögen sich lediglich darauf, das Aufgabengebiet zu Beginn der Beauftragung zu besprechen, Leistungsumfang zu definieren und das abgelieferte Endergebnis zu diskutieren. Unabhängig von der Berufshaftpflichtversicherung über den Auftraggeber besitze er eine eigene Berufshaftpflichtversicherung.
Mit Schreiben vom 01.09.2011 (Bl 48/49 Verwaltungsakte) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehe. Das Vertragsverhältnis sei nicht auf Dauer angelegt gewesen; der Vertrag vom 16.03.2011 sei zum 30.09.2011 gekündigt worden. Laufende Auftragsbesprechungen hätten nicht stattgefunden, es sei nur zu Beginn des Projekts der Umfang der Tätigkeit mit dem Auftragnehmer abgestimmt worden. Des Weiteren bestehe bei der Klägerin keine Berufshaftpflichtversicherung für den Beigeladenen zu 1), dieser habe eine eigene Berufshaftpflichtversicherung. Die persönliche Leistungserbringung durch den Beigeladenen zu 1) bestehe nur in der Gründungsphase des Unternehmens sei aber nicht die Regel. Zwar erfolge die Vergütung auf Stundenbasis, allerdings könne der Beigeladene zu 1) die Tätigkeitszeiten eigenmächtig festlegen. Es gebe keine fest vereinbarten Arbeitszeiten. Ebenso sei der Beigeladene zu 1) nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Das Bauleitungsbüro werde nicht ausschließlich dem Beigeladenen zu 1) zur Verfügung gestellt. Er könne das Büro bei Bedarf mitbenutzen.
Mit Bescheiden vom 22.09.2011 (Bl 54/57 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status ergeben habe, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im Bereich Beratung, Planung und Visualisierung im Bereich der Medizintechnik bei der Klägerin seit 17.03.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe daher ab 17.03.2011 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwiegen. Die im Rahmen der schriftlichen Anhörung vorgetragenen Gründe gegen die beabsichtigte Statusentscheidung hätten zu keiner anderen Entscheidung geführt. Bei Abschluss des Vertrags sei keine zeitliche Befristung der Tätigkeit erfolgt. Die Tatsache, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine Kündigung erfolgt sei, begründe keine zeitliche Befristung.
Gegen den Bescheid vom 22.09.2011 legte die Klägerin mit Schreiben vom 20.10.2011, bei der Beklagten eingegangen am 21.10.2011 (Bl 59 und Bl 79 Verwaltungsakte) und der Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 17.10.2011, bei der Beklagten eingegangen am 19.10.2011 (Bl 58 und Bl 62/68 Verwaltungsakte), Widerspruch ein. Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 10.07.2012 als unbegründet zurück (Bl 84/85 Verwaltungsakte).
Hiergegen hat die Klägerin am 10.08.2012 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Beigeladene zu 1) sei von ihr als freier Mitarbeiter mit der Ingenieurleistung "Erstellen eines Leistungsverzeichnisses, Ausschreiben und Vergabe, sowie Bauleitungsüberwachung der LV s [Leistungsverzeichnisse] Nr. 27 -PC-Systeme und Nr. 30 - Konferenz und Videotechnik" im Projekt U., Neubau Chirurgie beauftragt worden. Es bestehe kein auf Dauer angelegtes Beschäftigungsverhältnis. Es bestehe vielmehr ein Rahmenvertrag, wie er bei freien Mitarbeitern üblich sei. Darüber hinaus gebe es einen Einzelvertrag, der über ein Jahr befristet sei und sich auf konkretes Bauprojekt beziehe. Wie sich aus dem Vertrag ferner ergebe, sei es dem Beigeladenen zu 1) durchaus möglich, auch im Falle seiner Unabkömmlichkeit, einen Ersatz zu bestellen. Mitnichten habe er seine Dienstleistung stets persönlich zu erbringen. Der Beigeladene zu 1) habe nachgewiesen, dass er eine eigene Berufshaftpflichtversicherung habe. Es sei nicht ersichtlich, warum eine etwaige zusätzliche Berufshaftpflichtversicherung, die über die Klägerin abgewickelt werde, schädlich sein solle. Die Vergütung auf Stundenbasis und die Abrechnung durch Stundennachweise, sei kein ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Unstreitig seien weder Gehälter noch sonstige Pauschalen vereinbart. Es dürfe den Vertragsparteien nicht verwehrt werden, die Dienstleistung nachvollziehbar zu erfassen und abzurechnen. Der Beigeladene zu 1) sei auch nicht in die Organisation der Klägerin eingegliedert. Der Beigeladene zu 1) habe eigene Arbeitsmittel und eigene Arbeitsräumlichkeiten. Lediglich aus dem Grund, dass auf einer Baustelle nur begrenzt Arbeitsraum zur Verfügung stehe, habe man dem Beigeladenen zu 1) die Möglichkeiten gegeben, ergänzend zu den eigenen Räumlichkeiten, vorübergehend ein Büro der Klägerin zu nutzen. Der Beigeladene zu 1) habe insofern ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen, als dass weder der Beigeladene zu 1) noch die Klägerin einen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl von bezahlten Stunden noch auf eine gesicherte Beschäftigung für einen bestimmten Zeitraum gehabt habe. Für Schlechtleistungen habe der Beigeladene zu 1) unmittelbar gegenüber der Klägerin gehaftet. Im Übrigen befinde sich der Beigeladene zu 1) in einer Existenzgründung. Die erste Zeit der Gründungsphase zum Anlass zu nehmen, eine abhängige Beschäftigung begründen zu wollen, sei nicht ansatzweise tragbar.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend vorgebracht, die eigene Berufshaftpflichtversicherung des Beigeladenen zu 1) spreche nicht für eine selbstständige Tätigkeit. Eine derartige Versicherung sei für die Tätigkeit bei der Klägerin nicht notwendig gewesen, da der Beigeladene zu 1) laut Vertrag vom 16.03.2011 über die Berufshaftpflichtversicherung der Klägerin abgesichert gewesen sei. Des Weiteren habe der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit örtlich so auszurichten gehabt, dass die Klägerin auch die Arbeit des Beigeladenen zu 1) koordinieren konnte (§ 8 des Vertrages vom 16.03.2011). Darüber hinaus sei dem Beigeladenen zu 1) laut Anlage 1 des Vertrags vom 16.03.2011 ein geheiztes und eingerichtetes Bauleiterbüro zur Verfügung gestellt worden.
Mit Beschluss vom 13.09.2012 hat das SG den Beigeladenen zu 1), mit Beschluss vom 09.09.2014 die T. Krankenkasse und den Operativen Service der Agentur für Arbeit S. und mit weiterem Beschluss vom 19.11.2015 die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg zum Verfahren beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 14.01.2016 hat die Klägerin erklärt, dem Beigeladenen zu 1) habe kein Arbeitsbüro auf der Baustelle zur Verfügung gestanden. Vielmehr habe dort ein Baucontainer bereit gestanden, in dem der Beigeladene zu 1) etwa seine Schuhe und Kleidung habe wechseln können, wenn er die Baustelle aufsuchte. Des Weiteren habe man dort kurze Besprechungen abgehalten. Es sei dem Beigeladenen zu 1) aber nicht möglich gewesen, dort mit Computer und weiteren Arbeitsmitteln zu arbeiten. Des Weiteren hat die Klägerin erklärt, dass außer dem "Vertrag über freie Mitarbeit" und der "Anlage 1 zum Vertrag über freie Mitarbeit" keine weiteren vertraglichen Regelungen bestünden. Der Vertrag sei so unbestimmt gehalten worden, weil sich aus der Dienstleistung, die der Beigeladene zu 1) am Markt anbiete, automatisch ergebe, welchen Dienst bzw. welches Werk, nämlich die Leistungsverzeichnisse Nr. 27 und Nr. 30, man habe in Anspruch nehmen wollen.
Der Beigeladene zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass die genaueren Absprachen über seine Aufgaben oder Aufträge in erster Linie mit dem Uniklinikum U. stattgefunden hätten. Er habe einzelne Informationen auch der Klägerin mitteilen müssen, damit die Klägerin dies bei anderen Aufträgen berücksichtigen konnte. Das, was er mit dem Uniklinikum U. abgestimmt habe, habe auch ja auch irgendwann ausgeführt werden müssen. Es seien etwa Stromleitungen und Anschlüsse notwendig gewesen. Für die Ausführung seien dann andere Mitarbeiter oder Beauftragte der Klägerin zuständig gewesen.
Mit Urteil vom 14.01.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1) sei im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen, weshalb Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestanden habe. Die Tätigkeit enthalte sowohl Merkmale der Selbständigkeit als auch Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung. Im Vertrag über freie Mitarbeit hätten die Beteiligten zwar eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) vereinbaren wollen. Der Vertragsgegenstand sei jedoch derart unbestimmt gewesen, dass er erst durch weitere Vorgaben der Klägerin oder durch Eingliederung in den Betrieb der Klägerin hätte konkretisiert werden können. Die Einzelheiten der Leistung "Planungs- und Bauleitungstätigkeiten für die Planungsgruppe M. AG" seien erst durch Absprachen mit der Klägerin selbst oder mit der Kundin, dem Uni-Klinikum U., bestimmt worden. Damit habe sich der Beigeladene zu 1) in eine entsprechende Weisungsabhängigkeit begeben, die regelmäßig eine abhängige Beschäftigung begründe. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin in fachlicher Hinsicht möglicherweise die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) nicht habe beeinflussen können. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) habe auch in Abstimmung mit Mitarbeitern oder anderen Beauftragten der Klägerin stattfinden müssen, woran sich eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin zeige. Der Beigeladene zu 1) habe zwar keiner bestimmten Zeiteinteilung bzw Ortsbindung unterlegen, habe aber seine Tätigkeit so einzurichten gehabt, dass die notwendigen Koordinationsmaßnahmen mit den anderen am Objekt Beteiligten durchgeführt werden konnten. Eine selbständige Tätigkeit folge auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1) berechtigt gewesen sei, sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen Dritter zu bedienen, die Tätigkeit also nicht höchstpersönlich hätte ausführen müssen. Auch aus der Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, folge vorliegend nicht, dass eine selbständige Tätigkeit vorliege. Auch wenn der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum ein Büro angemietet habe, sei darin kein wesentlich ins Gewicht fallendes unternehmerisches Risiko zu sehen. Auch aus dem fehlenden Urlaubsanspruch bzw fehlenden Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall folge keine selbständige Tätigkeit. Hingegen spreche wiederum für eine abhängige Beschäftigung, dass gemäß § 13 des Vertrags über freie Mitarbeit alle Ergebnisse der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) unmittelbar der Klägerin zur Verfügung gestanden hätten. Hingegen spreche die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) werbend am Markt aufgetreten und auch für andere Auftraggeber tätig gewesen sei, nicht für eine selbständige Tätigkeit.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 01.02.2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 01.03.2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG habe wesentliche Punkte unberücksichtigt gelassen bzw unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1) habe sich damals in der Gründungsphase der Selbständigkeit befunden, sei werbend am Markt aufgetreten und für andere Auftraggeber tätig gewesen, habe eigene Arbeitsmaterialien benutzt und eigene Büroräumlichkeiten angemietet, die er genutzt habe. Der Vertragsgegenstand sei ausreichend konkret gewesen. Alle Beteiligten hätten aufgrund ihrer Branchenkenntnisse gewusst, was der Beigeladene zu 1) zu leisten gehabt habe. Ihm seien konkrete Leistungsverzeichnisse der Ausschreibungen eines konkreten Bauprojektes zur selbständigen Erledigung übertragen worden. Der Beigeladene zu 1) sei ein hoch qualifizierter IT-Spezialist, der über besondere Branchenkenntnisse verfüge und gerade deshalb hinzugezogen worden sei. Die Abstimmung mit Mitarbeitern der Klägerin bzw der ständige Kontakt zum Kunden liege in der Natur der Sache, da er ein IT-Konzept für das Klinikum habe erarbeiten müssen. Hochqualifizierte Spezialisten würden nicht in einem luftleeren Raum tätig, sondern müssten die Bedürfnisse der Kunden erfassen, ehe sie ihre Leistung erbringen könnten. Auch bei einem Bauprojekt, in dem mehrere Leistungsverzeichnisse bearbeitet würden, müsse eine aktuelle Sachstandsmitteilung regelmäßig erfolgen. Auch der Selbständige habe Fristen und Termine einzuhalten. Weder habe jedoch der Beigeladene zu 1) Hand in Hand mit den Mitarbeitern der Klägerin zusammengearbeitet, noch habe er Koordinationsmaßnahmen durchgeführt. Die Anmietung eigener Büroräume sowie die Investitionen in eigene Hardware stellten unternehmerische Investitionen dar, die ein Arbeitnehmer in abhängiger Beschäftigung nicht tätige.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.01.2016 und den Bescheid vom 22.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 17.03.2011 bis 30.09.2011 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt hat und keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug. Die Anlage 1 zum Vertrag über freie Mitarbeit sehe eine Projektlaufzeit von März 2011 bis Mai 2011 vor. Nach § 12 des Vertrags über freie Mitarbeit habe der Beigeladene zu 1) den Weisungen der Klägerin insoweit unterlegen, wie sie zur Erfüllung des Gesamtvertrages unerlässlich gewesen seien. Auch die vertraglichen Regelungen zur Kündigung würden für eine abhängige Beschäftigung sprechen.
In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 29.09.2016 hat der Berichterstatter den Sachverhalt mit den Beteiligten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eingehend erörtert. Der Beigeladene zu 1) hat ausführliche Angaben zur Sache und zu seinem beruflichen Werdegang gemacht (vgl Blatt 75 ff Senatsakte). Er sei im Sommer 2010 bei der Klägerin aus dem Angestelltenverhältnis ausgeschieden und habe dann sein eigenes Unternehmen gegründet. Als Angestellter habe er ca 3.300 EUR brutto pro Monat verdient, als Selbständiger habe er hingegen einen Stundensatz von 45 EUR berechnen können, mittlerweile liege er bei 120 EUR/h. Als die Klägerin im März 2011 wieder auf ihn zugekommen sei, habe er gewusst, wie der Stand des Projekts gewesen sei und dass es um die Leistungsverzeichnisse Nr 27 und Nr 30 gehe. Für ihn sei im März 2011 völlig klar gewesen, was zu tun sei. Dass es im Zuge des Projekts zu planerischen Absprachen gekommen sei, habe in der Natur der Sache gelegen, eine Abstimmung an den Schnittstellen, zB mit dem Architekt oder mit dem Elektroplaner sei zwingend. Als er noch bei der Klägerin angestellt gewesen sei, habe er ein wesentlich größeres Aufgabenfeld zu bearbeiten gehabt und sein damaliger Vorgesetzter, Herr S., habe ihm entsprechende Anweisungen gegeben. Später habe er sich im Bereich der Medizintechnik spezialisiert und selbständig gemacht; niemand bei der Klägerin habe über das Know how verfügt, um ihm irgendwelche Vorgaben zu machen. Zu seinem früheren Vorgesetzten Herrn S. habe er keinen Kontakt mehr gehabt. Er habe keinerlei Anleitung oder Anweisung erhalten. Sein Büro sei im Bereich Systemintegration, digitale Abbildung von Prozessen, Softwareentwicklung für die Krankenhausplanung hochspezialisiert. Es gebe deutschlandweit maximal drei Büros, die derartige Dienstleistungen erbringen könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 22.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Senat bewertet die vorliegenden Umstände des Einzelfalles in der Gesamtabwägung anders als das SG. Der Beigeladene zu 1) hat seine Tätigkeit bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt, weshalb keine Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestanden hat.
Formell sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat zudem die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 ff.; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach", sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.
Materiell-rechtlich ist der Bescheid rechtswidrig, denn die Beklagte hat zu Unrecht die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt, da der Beigeladene zu 1) nach Würdigung aller Umstände im Zeitraum vom 17.03.2011 bis 30.09.2011 nicht bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen ist.
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I, 2000, 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/1855, S 6).
Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Beigeladene zu 1) am 17.03.2011 bei der Beklagten gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung der Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger ist nicht ersichtlich.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.
Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 und B 12 KR 14/10 R, juris).
Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sowohl Merkmale der Selbstständigkeit als auch Merkmale der abhängigen Beschäftigung aufweist. Insoweit ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Der Senat gelangt nach Abwägung aller Umstände zum Ergebnis, dass vorliegend die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit überwiegen.
Ausgangspunkt ist zunächst der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) (Vertrag über freie Mitarbeit). Die Beteiligten wollten, wie sich aus § 1 des Vertrags über freie Mitarbeit ergibt, eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) vereinbaren. Allein dieser Wille oder die Bezeichnung des Vertrags führt nicht dazu, dass die Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit einzuordnen ist. Sozialversicherungsrecht ist öffentliches Recht und steht, auch nicht mittelbar durch die Bezeichnung der vertraglichen Beziehungen der Beteiligten, zur Disposition der Beteiligten. In erster Linie ausschlaggebend und vorrangig gegenüber der rechtlichen Ausgestaltung der Beziehungen und den dabei von den Beteiligten verwendeten Bezeichnungen, sind stets die tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls und das sich aus ihm ergebende Gesamtbild der Tätigkeit. Nach der für den Senat glaubhaften Schilderung des Beigeladenen zu 1) stellt sich die erneute Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ab März 2011 als Beginn der Selbständigkeit dar. Der Inhalt der Tätigkeit hat sich deutlich von der abhängigen Beschäftigung bis Sommer 2010 unterschieden, da der Beigeladene zu 1) während des sechsmonatigen Projekts beim Uniklinikum U. nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert war. Der Beigeladene zu 1) hat für seine Tätigkeit 45 EUR/h abgerechnet, was in etwa den doppelten Monatsverdienst wie das Bruttoeinkommen als Beschäftigter ergibt und die unternehmerischen Chancen belegt, die er nunmehr nach Gründung eines eigenen Unternehmens mit der Tätigkeit verwirklichen konnte. Angesichts dieser unternehmerischen Chancen spricht auch der fehlende Urlaubsanspruch und der fehlende Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfalle für eine selbständige Tätigkeit.
Zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) war mündlich vereinbart, dass es im Rahmen des Großprojekts Neubau Chirurgie Universitätsklinikum U. um die Leistungsverzeichnisse Nr 27 und Nr 30 geht (vgl. Bl 118 SG-Akte). Der Beigeladene zu 1) war aufgrund der früheren Beschäftigung bei der Klägerin auch "im Bilde" über die verschiedenen Phasen des Projekts, weshalb nach der glaubhaften Schilderung des Beigeladenen zu 1) und der Klägerin weitergehende Konkretisierungen und Absprachen nicht erforderlich waren, sondern der Beigeladene zu 1) im Wesentlichen vor Ort mit dem Uniklinikum und den weiteren dort am Projekt tätigen Personen zu tun hatte. Die Rechnungen des Beigeladenen zu 1) verweisen auch auf die Leistungsverzeichnisse und Projektphasen. Soweit im Vertrag über frei Mitarbeit in § 12 einmal der Begriff "Weisungen" verwendet wird, haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017 für den Senat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass damit kein Direktionsrecht gemeint war, sondern lediglich klar gestellt werden sollte, dass dem Beigeladenen zu 1) jederzeit relevante Informationen zur Verfügung gestellt werden sollten. Die in der Anlage zum Vertrag über freie Mitarbeit in Bezug genommenen Organisations- und Qualitätsanforderungen haben ebenfalls keine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin als Weisungsgeberin zur Folge gehabt. Wie die Klägerin und der Beigeladene zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017 für den Senat plausibel dargelegt haben, ist die Klägerin nach DIN 9001 zertifiziert und muss insoweit sicherstellen, dass bestimmte Qualitätsanforderungen eingehalten werden. Dass der Beigeladene zu 1) Absprachen bzw Koordinierungen mit den anderen Unternehmen getroffen hat, die am Projekt beteiligt waren, liegt in der Natur der Sache. Die Klägerin konnte in fachlicher Hinsicht die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) auch gar nicht mit Weisungen beeinflussen, da sie über seine Spezialkenntnisse im EDV-Bereich nicht verfügte. Zwar kann das Weisungsrecht eines Arbeitgebers nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insbesondere bei Diensten höherer Art eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Beschäftigte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R, juris). Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin hat aber im streitgegenständlichen Zeitraum während der begrenzten Projektarbeit nicht vorgelegen. Die erforderlichen Absprachen mit weiteren Projektbeteiligten ergeben eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin nicht. Der Beigeladene zu 1) unterlag gemäß §§ 7, 8 des Vertrags über freie Mitarbeit bei der Durchführung seiner übernommenen Aufgaben keiner bestimmten Zeiteinteilung bzw. Ortsbindung, dies wird nicht dadurch aufgehoben, dass notwendige Koordinationsmaßnahmen mit den anderen am Objekt Beteiligten durchgeführt werden.
Für eine selbstständige Tätigkeit spricht entgegen der Auffassung des SG auch, dass der Beigeladene zu 1) berechtigt gewesen ist, sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen Dritter zu bedienen, das heißt nicht verpflichtet war, die Tätigkeit höchstpersönlich ausführen. Ebenso ist die Möglichkeit Aufträge abzulehnen, ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, weil der Betreffende damit den Umfang seiner Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen kann.
Der Beigeladene zu 1) trug auch ein Unternehmerrisiko. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes ungewiss ist (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge Beilage 2008, 333). Erforderlich ist insoweit ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Geld zu erhalten. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses Risiko regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder kein Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder frühere Investitionen brach liegen, wie dies vorliegend der Fall war, da der Beigeladene zu 1) eigene Büroräume angemietet hatte. Soweit das SG darauf abgestellt hat, dass hierin kein wesentlich ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1) zu sehen ist, da der Beigeladene zu 1) das Bauleiterbüro vor Ort nutzen konnte, bewertet der Senat dies aufgrund der nachvollziehbaren Schilderung der Verhältnisse durch die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) im Erörterungstermin vom 18.08.2016 – wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG - anders, da es lediglich darum ging, sich dort umzuziehen und zB Sicherheitskleidung anzulegen. Ein echtes Arbeitsbüro stellte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) nicht zur Verfügung, auch keine sonstigen Betriebsmittel.
Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der Bezug von Gründungszuschuss und die Anmeldung eines Gewerbes weder für noch gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechen. Der Regelung in § 13 des Vertrags über freie Mitarbeit, wonach alle Ergebnisse der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1), auch Erfindungen, unmittelbar der Klägerin zur Verfügung standen, kommt angesichts der kurzen Projektdauer nicht die Erheblichkeit zu, die das SG ihr beigemessen hat. Auch das in § 9 des Vertrages über freie Mitarbeit vereinbarte Konkurrenzverbot spricht entgegen der Auffassung des SG nicht für eine abhängige Beschäftigung. In Fallkonstellationen in denen es im Wesentlichen um technisch-geistiges Know how geht, möchte ein Auftraggeber typischerweise verhindern, dass der Auftragnehmer dieses auch dem Konkurrenten am Markt anbietet. Für eine selbstständige Tätigkeit spricht hingegen, dass der Beigeladene zu 1) werbend am Markt auftrat und auch für andere Auftraggeber tätig war.
Auch wenn die Honorarhöhe nur um eines von uU vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien ist (BSG 31.03.2017, B 12 R 7/15 R, für BSGE und SozR 4 vorgesehen) weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Beigeladene zu 1) mit dem am Beginn seiner selbständigen Tätigkeit vereinbarten Stundenhonorar von 45 EUR auf Anhieb im obersten Quartil der Einkommen der sog Soloselbständigen anzusiedeln ist (vgl die Studie des BMAS "Solo-Selbständige in Deutschland – Strukturen und Erwerbsverläufe" Forschungsbericht 465, Mai 2016, als pdf im Volltext abrufbar unter http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/f465-solo-selbstaendige.pdf, dort S. 38 f.) und sich – wie der weitere Geschehensablauf zeigt – mit der mittlerweile vorliegenden GmbH & Co KG und noch wesentlich höheren Stundensätzen eine unabhängige und selbständige Existenz aufgebaut hat. Die Vergütung auf Stundenbasis spricht entgegen der von der Beklagten geäußerten Auffassung nicht regelmäßig für eine abhängige Beschäftigung. Geht es wie vorliegend um reine Dienstleistungen, ist anders als bei der Erstellung zB eines materiellen Produkts - ein erfolgsabhängiges Entgelt aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten (BSG 31.03.2017, B 12 R 7/15 R, für BSGE und SozR 4 vorgesehen mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2, § 47 Gerichtskostengesetz (GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen (§ 52 Abs 2 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 GKG). Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Regelstreitwert von 5.000,00 EUR da lediglich über das Bestehen bzw Nichtvorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus letztlich folgende Sozialversicherungspflicht entschieden, aber noch keine Sozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 17.03.2011 bis 30.09.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt und ob Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
Die Klägerin ist beim Amtsgericht S. unter der Nummer HRB ... eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist die Beratung, die Planung und Überwachung von gebäude- und umwelttechnischen Anlagen.
Der Beigeladene zu 1) war bis Sommer 2010 bei der Klägerin angestellt und gründete nach dem Ausscheiden die Firma c., deren Geschäftsmodell hauptsächlich in der 3D-Visualisierung, Geräteintegration sowie Beratung und Planung medizinischer Einrichtung besteht (vgl Businessplan der Firma c., Bl 66/72 Verwaltungsakte). Die Gewerbeanmeldung erfolgte am 21.01.2011 (Bl 11 Verwaltungsakte). Im Zeitraum vom 21.01.2011 bis 20.10.2011 bezog er einen Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit (Bl 4 Verwaltungsakte). Im März 2011 engagierte ihn die Klägerin für ein Projekt beim Universitätsklinikum U. (großes Bauvorhaben Neubau Chirurgie, bereits seit ab 2007 auf mehrere Jahre angelegt, 2012 abgeschlossen, mit vorab definierten Phasen).
Im "Vertrag über freie Mitarbeit" vom 16.03.2011 (Bl 16/22 Verwaltungsakte) ist ua geregelt:
"§ 1 Ziel des Vertrages Beiderseitiges Ziel der Vereinbarung zwischen der M. AG und dem freien Mitarbeiter ist die Schaffung eines freien Mitarbeiterverhältnisses. Die Begründung eines Arbeitsvertrages ist nicht beabsichtigt.
§ 2 Vergütung Der freie Mitarbeiter hat alle öffentlichen Abgaben und Steuern selbst zu tragen.
Die M. AG wird von etwaigen Forderungen des Finanzamtes beziehungsweise der Sozialversicherungsträger freigestellt.
Die Vertragspartner vereinbaren die in der Anlage zum Vertrag aufgeführten Honorarsätze. Diese sind monatlich, entsprechend dem Leistungsstand, in Rechnung zu stellen. Mit gleicher Rechnung sind die angefallenen Nebenkosten abzurechnen.
§ 3 Steuerliche Anmeldung Es wurde vereinbart, dass der freie Mitarbeiter vor Aufnahme seines Dienstes bei der M. AG seinem zuständigen Finanzamt Kenntnis über seine freiberufliche Tätigkeit gibt. Ebenfalls ist die Notwendigkeit einer Arbeitserlaubnis abzuklären.
§ 4 Berufsgenossenschaft/Berufshaftpflicht Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, sich bei der zuständigen Berufsgenossenschaft anzumelden und die fälligen Beträge zu entrichten.
Der freie Mitarbeiter ist über einer Berufshaftpflichtversicherung der M. AG versichert. Die Versicherungssumme hat mindestens 2 Mio. Euro für Personen- und Sachschäden zu betragen.
§ 5 Verhinderung Für die Dauer einer Verhinderung - gleich aus welchem Grund - steht dem Mitarbeiter grundsätzlich kein Vergütungsanspruch zu.
Ist der freie Mitarbeiter an der Durchführung der vereinbarten Leistung verhindert und kann keine qualifizierte Ersatzkraft stellen, so ist die unverzügliche Verhinderungsabrede verabredet.
§ 6 Vertragsdauer Dieser Vertrag beginnt am 17.03.2011 und ist unbefristet. Der Vertrag kann von beiden Seiten mit einer Frist von sechs [handschriftlich durchgestrichen und ersetzt durch "drei, 25.03.11 ppa. (unleserliche Unterschrift)"] Monaten zum Ende eines jeden Kalendermonats gekündigt werden.
Das Recht der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB bleibt hiervon unberührt. Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. § 7 Arbeitszeit Bei der Durchführung der übernommenen Aufgaben unterliegt der freie Mitarbeiter keiner bestimmten Zeiteinteilung. Die Tätigkeit ist jedoch so einzurichten, dass die notwendigen Koordinationsmaßnahmen mit den anderen am Objekt Beteiligten durchgeführt werden können.
Den Umfang der Arbeitszeit insgesamt sowie den Einsatz für die beauftragen Leistungen bestimmt der freie Mitarbeiter selbst.
Die notwendigen Einsatzzeiten verkürzen oder verlängern sich entsprechend dem Umfang der Aufträge.
§ 8 Arbeitsstelle Dem freien Mitarbeiter ist es freigestellt, an welchem Ort er [die] für die M. AG zu erbringende Leistung durchführt.
Der freie Mitarbeiter hat seine Tätigkeit jedoch örtlich so auszurichten, dass die notwendigen Koordinationsmaßnahmen mit den anderen am Objekt Beteiligten sorgfältig durchgeführt werden können (Büro der M. AG oder Baubüro des Auftraggebers).
§ 9 Konkurrenzklausel Es steht dem freien Mitarbeiter frei, außer diesem Vertragsverhältnis weitere Verträge mit anderen Auftraggebern einzugehen, soweit diese nicht in einem Konkurrenzverhältnis mit der M. AG stehen, [handschriftlich ergänzt um "- hinsichtlich Wettbewerbsverfahren. 25.03.11 ppa. (unleserliche Unterschrift)]
§ 10 Arbeitsmittel Die Inanspruchnahme von Arbeitsmitteln der M. AG durch den freien Mitarbeiter ist nicht vorgesehen. Es besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, dass der freie Mitarbeiter - gegen Zahlung eines jeweils zu vereinbarenden Nutzungsentgeltes - bestimmte Maschinen und Computeranlagen der M. AG in Gebrauch nehmen kann.
§ 11 Urlaub Es steht dem freien Mitarbeiter frei, Dauer und Lage der Ferienzeit selbst zu bestimmen. Er erklärt sich bereit, mindestens einen Monat vor Beginn seines Ferienzeitraumes, das Unternehmen entsprechend zu informieren.
§ 12 Sorgfaltspflicht Bei der Durchführung seiner Leistungen hat der freie Mitarbeiter sorgfältig vorzugehen, unter bestmöglicher Anwendung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten. Er unterliegt Weisungen der M. AG nur insoweit, wie sie zur Erfüllung des Gesamtvertrages unerlässlich sind.
§ 13 Arbeitsergebnisse Alle Ergebnisse der Tätigkeit des freien Mitarbeiters stehen unmittelbar der M. AG zur Verfügung. Dies gilt auch für schutzrechtsfähige Erfindungen.
Jeglicher Schriftverkehr ist im Auftrag der M. AG zu zeichnen und kann mit dem Briefkopf und Adresse des Auftragnehmers durchgeführt werden.
§ 15 Verschwiegenheit und Herausgabe von Unterlagen Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, über die Verhältnisse der Firma, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse und Ergebnisse seiner Tätigkeit, strengstes Stillschweigen zu bewahren. Dies gilt auch für die Zeit nach Beendigung des Beratungsverhältnisses.
Der freie Mitarbeiter wird sämtliche Unterlagen, die ihm im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Vertrages übergeben werden, Dritten nicht zugänglich machen und sie unmittelbar nach Beendigung dieses Vertrages an die M. AG herausgeben. Der freie Mitarbeiter ist nicht berechtigt, an solchen Unterlagen ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben.
."
Mit Datum vom 17.03.2011 (Eingang bei der Beklagten) stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Klärung der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der Klägerin als Medizintechnikplaner (Bl 3 ff Verwaltungsakte). Er gab an, für mehrere Auftraggeber tätig zu sein. Er sei bereits für die T. M. Systeme GmbH & Co. KG in P. tätig gewesen. Weitere Akquiseeinsätze seien bereits in Angriff genommen, um neue Auftraggeber zu gewinnen. Bei seiner Tätigkeit für die Klägerin handle es sich um die zeitlich beschränkte Unterstützung bei unterschiedlichen Planungsphasen innerhalb des Projekts, wie etwa die Erstellung von Ausschreibungsunterlagen. Die Auftragsannahme für einen Teilprozess erfolge nur, wenn es seine eigene Auftragslage zulasse. Die Teilprozesse seien so ausgelegt, dass er nur einen Teil seiner Wochenstunden dafür aufbringen müsse (Bl 9 Verwaltungsakte).
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 01.08.2011 (Bl 27 Verwaltungsakte) mit, dass seine tatsächlichen Arbeitszeiten flexibel seien und er diese selbst einteilen könne. Für die Klägerin sei er je nach Bedarf der zu erbringenden Arbeitsleistung und von Monat zu Monat unterschiedlich tätig. Der Umfang der Arbeit könne zwischen null und hundert Stunden im Monat liegen. Die Auftraggeberin stelle ihm keine Arbeitsmittel zur Verfügung. Er benutze für seine Tätigkeit sein PC-System, Software und Drucker aus Privatbesitz.
Mit inhaltsgleichen Schreiben vom 12.08.2011 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) an (Bl 30/33 Verwaltungsakte). Es sei beabsichtigt, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Nach der Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen, würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Für eine abhängige Beschäftigung spreche, dass das Vertragsverhältnis auf Dauer angelegt sei, Auftragsbesprechungen mit dem Auftraggeber stattfinden würden, eine Berufshaftpflichtversicherung über den Auftraggeber bestehe, die persönliche Leistungserbringung die Regel sei, ein Stundennachweis zu führen sei, der Auftraggeber ein eingerichtetes Bauleitungsbüro und ein Telefon zur Verfügung stelle, in der Regel Projekte ausgeführt würden, deren Leitung indirekt den Kunden des Auftraggebers unterstehe, sowie die die Vergütung auf Stundenbasis. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche, dass eigene Arbeitsmittel eingesetzt würden, der Beigeladene zu 1) werbend am Markt tätig sei und für mehrere Auftraggeber tätig sei.
Mit Schreiben vom 26.08.2011 (Bl 36/47 Verwaltungsakte) teilte der Beigeladene zu 1) der Beklagten mit, dass er nicht der Auffassung sei, dass es sich bei seiner Tätigkeit für die Klägerin um eine abhängige Beschäftigung handle. Er befinde sich seit knapp sieben Monaten in der Existenzgründung und sei dabei ein Unternehmen mit komplexen und neuartigen IT-Dienstleistungen für das Gesundheitswesen aufzubauen. Er habe in den ersten sieben Monaten seiner Existenzgründung bereits drei große und anerkannte Unternehmen (Planungsgruppe M. AG, T. M.-Systeme, H. Planungsgesellschaft) für seine Dienstleistung gewinnen können. Es werde deutlich, dass seine finanziellen Mittel aus mehreren Unternehmen stammten. Bei seiner Tätigkeit für die Klägerin unterliege die Zeiteinteilung, Dauer und Durchführung seiner Verantwortung. Die Ausübung erfolge in seinen eigenen Büroräumen in S. unter Einsatz eigener Arbeitsmittel. Einem Weisungsrecht unterliege er nicht. Wie viel und wie lange er für einen Projektabschnitt arbeite, liege allein in seiner Verantwortung. Eine dauerhafte Beauftragung sei nicht garantiert. Man habe mit dem Vertrag einen "Grundlagenvertrag" schaffen wollen und somit den Verwaltungsaufwand im Falle neuer Arbeitspakete verringern wollen. Es sei ihm überlassen, ob er einen Auftrag annehme oder nicht. Die Auftragsbesprechungen mit dem Arbeitgeber bezögen sich lediglich darauf, das Aufgabengebiet zu Beginn der Beauftragung zu besprechen, Leistungsumfang zu definieren und das abgelieferte Endergebnis zu diskutieren. Unabhängig von der Berufshaftpflichtversicherung über den Auftraggeber besitze er eine eigene Berufshaftpflichtversicherung.
Mit Schreiben vom 01.09.2011 (Bl 48/49 Verwaltungsakte) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehe. Das Vertragsverhältnis sei nicht auf Dauer angelegt gewesen; der Vertrag vom 16.03.2011 sei zum 30.09.2011 gekündigt worden. Laufende Auftragsbesprechungen hätten nicht stattgefunden, es sei nur zu Beginn des Projekts der Umfang der Tätigkeit mit dem Auftragnehmer abgestimmt worden. Des Weiteren bestehe bei der Klägerin keine Berufshaftpflichtversicherung für den Beigeladenen zu 1), dieser habe eine eigene Berufshaftpflichtversicherung. Die persönliche Leistungserbringung durch den Beigeladenen zu 1) bestehe nur in der Gründungsphase des Unternehmens sei aber nicht die Regel. Zwar erfolge die Vergütung auf Stundenbasis, allerdings könne der Beigeladene zu 1) die Tätigkeitszeiten eigenmächtig festlegen. Es gebe keine fest vereinbarten Arbeitszeiten. Ebenso sei der Beigeladene zu 1) nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Das Bauleitungsbüro werde nicht ausschließlich dem Beigeladenen zu 1) zur Verfügung gestellt. Er könne das Büro bei Bedarf mitbenutzen.
Mit Bescheiden vom 22.09.2011 (Bl 54/57 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status ergeben habe, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im Bereich Beratung, Planung und Visualisierung im Bereich der Medizintechnik bei der Klägerin seit 17.03.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe daher ab 17.03.2011 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwiegen. Die im Rahmen der schriftlichen Anhörung vorgetragenen Gründe gegen die beabsichtigte Statusentscheidung hätten zu keiner anderen Entscheidung geführt. Bei Abschluss des Vertrags sei keine zeitliche Befristung der Tätigkeit erfolgt. Die Tatsache, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine Kündigung erfolgt sei, begründe keine zeitliche Befristung.
Gegen den Bescheid vom 22.09.2011 legte die Klägerin mit Schreiben vom 20.10.2011, bei der Beklagten eingegangen am 21.10.2011 (Bl 59 und Bl 79 Verwaltungsakte) und der Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 17.10.2011, bei der Beklagten eingegangen am 19.10.2011 (Bl 58 und Bl 62/68 Verwaltungsakte), Widerspruch ein. Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 10.07.2012 als unbegründet zurück (Bl 84/85 Verwaltungsakte).
Hiergegen hat die Klägerin am 10.08.2012 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Beigeladene zu 1) sei von ihr als freier Mitarbeiter mit der Ingenieurleistung "Erstellen eines Leistungsverzeichnisses, Ausschreiben und Vergabe, sowie Bauleitungsüberwachung der LV s [Leistungsverzeichnisse] Nr. 27 -PC-Systeme und Nr. 30 - Konferenz und Videotechnik" im Projekt U., Neubau Chirurgie beauftragt worden. Es bestehe kein auf Dauer angelegtes Beschäftigungsverhältnis. Es bestehe vielmehr ein Rahmenvertrag, wie er bei freien Mitarbeitern üblich sei. Darüber hinaus gebe es einen Einzelvertrag, der über ein Jahr befristet sei und sich auf konkretes Bauprojekt beziehe. Wie sich aus dem Vertrag ferner ergebe, sei es dem Beigeladenen zu 1) durchaus möglich, auch im Falle seiner Unabkömmlichkeit, einen Ersatz zu bestellen. Mitnichten habe er seine Dienstleistung stets persönlich zu erbringen. Der Beigeladene zu 1) habe nachgewiesen, dass er eine eigene Berufshaftpflichtversicherung habe. Es sei nicht ersichtlich, warum eine etwaige zusätzliche Berufshaftpflichtversicherung, die über die Klägerin abgewickelt werde, schädlich sein solle. Die Vergütung auf Stundenbasis und die Abrechnung durch Stundennachweise, sei kein ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Unstreitig seien weder Gehälter noch sonstige Pauschalen vereinbart. Es dürfe den Vertragsparteien nicht verwehrt werden, die Dienstleistung nachvollziehbar zu erfassen und abzurechnen. Der Beigeladene zu 1) sei auch nicht in die Organisation der Klägerin eingegliedert. Der Beigeladene zu 1) habe eigene Arbeitsmittel und eigene Arbeitsräumlichkeiten. Lediglich aus dem Grund, dass auf einer Baustelle nur begrenzt Arbeitsraum zur Verfügung stehe, habe man dem Beigeladenen zu 1) die Möglichkeiten gegeben, ergänzend zu den eigenen Räumlichkeiten, vorübergehend ein Büro der Klägerin zu nutzen. Der Beigeladene zu 1) habe insofern ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen, als dass weder der Beigeladene zu 1) noch die Klägerin einen Anspruch auf eine bestimmte Anzahl von bezahlten Stunden noch auf eine gesicherte Beschäftigung für einen bestimmten Zeitraum gehabt habe. Für Schlechtleistungen habe der Beigeladene zu 1) unmittelbar gegenüber der Klägerin gehaftet. Im Übrigen befinde sich der Beigeladene zu 1) in einer Existenzgründung. Die erste Zeit der Gründungsphase zum Anlass zu nehmen, eine abhängige Beschäftigung begründen zu wollen, sei nicht ansatzweise tragbar.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend vorgebracht, die eigene Berufshaftpflichtversicherung des Beigeladenen zu 1) spreche nicht für eine selbstständige Tätigkeit. Eine derartige Versicherung sei für die Tätigkeit bei der Klägerin nicht notwendig gewesen, da der Beigeladene zu 1) laut Vertrag vom 16.03.2011 über die Berufshaftpflichtversicherung der Klägerin abgesichert gewesen sei. Des Weiteren habe der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit örtlich so auszurichten gehabt, dass die Klägerin auch die Arbeit des Beigeladenen zu 1) koordinieren konnte (§ 8 des Vertrages vom 16.03.2011). Darüber hinaus sei dem Beigeladenen zu 1) laut Anlage 1 des Vertrags vom 16.03.2011 ein geheiztes und eingerichtetes Bauleiterbüro zur Verfügung gestellt worden.
Mit Beschluss vom 13.09.2012 hat das SG den Beigeladenen zu 1), mit Beschluss vom 09.09.2014 die T. Krankenkasse und den Operativen Service der Agentur für Arbeit S. und mit weiterem Beschluss vom 19.11.2015 die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg zum Verfahren beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 14.01.2016 hat die Klägerin erklärt, dem Beigeladenen zu 1) habe kein Arbeitsbüro auf der Baustelle zur Verfügung gestanden. Vielmehr habe dort ein Baucontainer bereit gestanden, in dem der Beigeladene zu 1) etwa seine Schuhe und Kleidung habe wechseln können, wenn er die Baustelle aufsuchte. Des Weiteren habe man dort kurze Besprechungen abgehalten. Es sei dem Beigeladenen zu 1) aber nicht möglich gewesen, dort mit Computer und weiteren Arbeitsmitteln zu arbeiten. Des Weiteren hat die Klägerin erklärt, dass außer dem "Vertrag über freie Mitarbeit" und der "Anlage 1 zum Vertrag über freie Mitarbeit" keine weiteren vertraglichen Regelungen bestünden. Der Vertrag sei so unbestimmt gehalten worden, weil sich aus der Dienstleistung, die der Beigeladene zu 1) am Markt anbiete, automatisch ergebe, welchen Dienst bzw. welches Werk, nämlich die Leistungsverzeichnisse Nr. 27 und Nr. 30, man habe in Anspruch nehmen wollen.
Der Beigeladene zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass die genaueren Absprachen über seine Aufgaben oder Aufträge in erster Linie mit dem Uniklinikum U. stattgefunden hätten. Er habe einzelne Informationen auch der Klägerin mitteilen müssen, damit die Klägerin dies bei anderen Aufträgen berücksichtigen konnte. Das, was er mit dem Uniklinikum U. abgestimmt habe, habe auch ja auch irgendwann ausgeführt werden müssen. Es seien etwa Stromleitungen und Anschlüsse notwendig gewesen. Für die Ausführung seien dann andere Mitarbeiter oder Beauftragte der Klägerin zuständig gewesen.
Mit Urteil vom 14.01.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1) sei im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen, weshalb Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestanden habe. Die Tätigkeit enthalte sowohl Merkmale der Selbständigkeit als auch Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung. Im Vertrag über freie Mitarbeit hätten die Beteiligten zwar eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) vereinbaren wollen. Der Vertragsgegenstand sei jedoch derart unbestimmt gewesen, dass er erst durch weitere Vorgaben der Klägerin oder durch Eingliederung in den Betrieb der Klägerin hätte konkretisiert werden können. Die Einzelheiten der Leistung "Planungs- und Bauleitungstätigkeiten für die Planungsgruppe M. AG" seien erst durch Absprachen mit der Klägerin selbst oder mit der Kundin, dem Uni-Klinikum U., bestimmt worden. Damit habe sich der Beigeladene zu 1) in eine entsprechende Weisungsabhängigkeit begeben, die regelmäßig eine abhängige Beschäftigung begründe. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin in fachlicher Hinsicht möglicherweise die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) nicht habe beeinflussen können. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) habe auch in Abstimmung mit Mitarbeitern oder anderen Beauftragten der Klägerin stattfinden müssen, woran sich eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin zeige. Der Beigeladene zu 1) habe zwar keiner bestimmten Zeiteinteilung bzw Ortsbindung unterlegen, habe aber seine Tätigkeit so einzurichten gehabt, dass die notwendigen Koordinationsmaßnahmen mit den anderen am Objekt Beteiligten durchgeführt werden konnten. Eine selbständige Tätigkeit folge auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1) berechtigt gewesen sei, sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen Dritter zu bedienen, die Tätigkeit also nicht höchstpersönlich hätte ausführen müssen. Auch aus der Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, folge vorliegend nicht, dass eine selbständige Tätigkeit vorliege. Auch wenn der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum ein Büro angemietet habe, sei darin kein wesentlich ins Gewicht fallendes unternehmerisches Risiko zu sehen. Auch aus dem fehlenden Urlaubsanspruch bzw fehlenden Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall folge keine selbständige Tätigkeit. Hingegen spreche wiederum für eine abhängige Beschäftigung, dass gemäß § 13 des Vertrags über freie Mitarbeit alle Ergebnisse der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) unmittelbar der Klägerin zur Verfügung gestanden hätten. Hingegen spreche die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) werbend am Markt aufgetreten und auch für andere Auftraggeber tätig gewesen sei, nicht für eine selbständige Tätigkeit.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 01.02.2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 01.03.2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG habe wesentliche Punkte unberücksichtigt gelassen bzw unzutreffend gewürdigt. Der Beigeladene zu 1) habe sich damals in der Gründungsphase der Selbständigkeit befunden, sei werbend am Markt aufgetreten und für andere Auftraggeber tätig gewesen, habe eigene Arbeitsmaterialien benutzt und eigene Büroräumlichkeiten angemietet, die er genutzt habe. Der Vertragsgegenstand sei ausreichend konkret gewesen. Alle Beteiligten hätten aufgrund ihrer Branchenkenntnisse gewusst, was der Beigeladene zu 1) zu leisten gehabt habe. Ihm seien konkrete Leistungsverzeichnisse der Ausschreibungen eines konkreten Bauprojektes zur selbständigen Erledigung übertragen worden. Der Beigeladene zu 1) sei ein hoch qualifizierter IT-Spezialist, der über besondere Branchenkenntnisse verfüge und gerade deshalb hinzugezogen worden sei. Die Abstimmung mit Mitarbeitern der Klägerin bzw der ständige Kontakt zum Kunden liege in der Natur der Sache, da er ein IT-Konzept für das Klinikum habe erarbeiten müssen. Hochqualifizierte Spezialisten würden nicht in einem luftleeren Raum tätig, sondern müssten die Bedürfnisse der Kunden erfassen, ehe sie ihre Leistung erbringen könnten. Auch bei einem Bauprojekt, in dem mehrere Leistungsverzeichnisse bearbeitet würden, müsse eine aktuelle Sachstandsmitteilung regelmäßig erfolgen. Auch der Selbständige habe Fristen und Termine einzuhalten. Weder habe jedoch der Beigeladene zu 1) Hand in Hand mit den Mitarbeitern der Klägerin zusammengearbeitet, noch habe er Koordinationsmaßnahmen durchgeführt. Die Anmietung eigener Büroräume sowie die Investitionen in eigene Hardware stellten unternehmerische Investitionen dar, die ein Arbeitnehmer in abhängiger Beschäftigung nicht tätige.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.01.2016 und den Bescheid vom 22.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 17.03.2011 bis 30.09.2011 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt hat und keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug. Die Anlage 1 zum Vertrag über freie Mitarbeit sehe eine Projektlaufzeit von März 2011 bis Mai 2011 vor. Nach § 12 des Vertrags über freie Mitarbeit habe der Beigeladene zu 1) den Weisungen der Klägerin insoweit unterlegen, wie sie zur Erfüllung des Gesamtvertrages unerlässlich gewesen seien. Auch die vertraglichen Regelungen zur Kündigung würden für eine abhängige Beschäftigung sprechen.
In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 29.09.2016 hat der Berichterstatter den Sachverhalt mit den Beteiligten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eingehend erörtert. Der Beigeladene zu 1) hat ausführliche Angaben zur Sache und zu seinem beruflichen Werdegang gemacht (vgl Blatt 75 ff Senatsakte). Er sei im Sommer 2010 bei der Klägerin aus dem Angestelltenverhältnis ausgeschieden und habe dann sein eigenes Unternehmen gegründet. Als Angestellter habe er ca 3.300 EUR brutto pro Monat verdient, als Selbständiger habe er hingegen einen Stundensatz von 45 EUR berechnen können, mittlerweile liege er bei 120 EUR/h. Als die Klägerin im März 2011 wieder auf ihn zugekommen sei, habe er gewusst, wie der Stand des Projekts gewesen sei und dass es um die Leistungsverzeichnisse Nr 27 und Nr 30 gehe. Für ihn sei im März 2011 völlig klar gewesen, was zu tun sei. Dass es im Zuge des Projekts zu planerischen Absprachen gekommen sei, habe in der Natur der Sache gelegen, eine Abstimmung an den Schnittstellen, zB mit dem Architekt oder mit dem Elektroplaner sei zwingend. Als er noch bei der Klägerin angestellt gewesen sei, habe er ein wesentlich größeres Aufgabenfeld zu bearbeiten gehabt und sein damaliger Vorgesetzter, Herr S., habe ihm entsprechende Anweisungen gegeben. Später habe er sich im Bereich der Medizintechnik spezialisiert und selbständig gemacht; niemand bei der Klägerin habe über das Know how verfügt, um ihm irgendwelche Vorgaben zu machen. Zu seinem früheren Vorgesetzten Herrn S. habe er keinen Kontakt mehr gehabt. Er habe keinerlei Anleitung oder Anweisung erhalten. Sein Büro sei im Bereich Systemintegration, digitale Abbildung von Prozessen, Softwareentwicklung für die Krankenhausplanung hochspezialisiert. Es gebe deutschlandweit maximal drei Büros, die derartige Dienstleistungen erbringen könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 22.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Senat bewertet die vorliegenden Umstände des Einzelfalles in der Gesamtabwägung anders als das SG. Der Beigeladene zu 1) hat seine Tätigkeit bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt, weshalb keine Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestanden hat.
Formell sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat zudem die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 ff.; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach", sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.
Materiell-rechtlich ist der Bescheid rechtswidrig, denn die Beklagte hat zu Unrecht die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt, da der Beigeladene zu 1) nach Würdigung aller Umstände im Zeitraum vom 17.03.2011 bis 30.09.2011 nicht bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen ist.
Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I, 2000, 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/1855, S 6).
Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Beigeladene zu 1) am 17.03.2011 bei der Beklagten gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung der Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger ist nicht ersichtlich.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.
Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 und B 12 KR 14/10 R, juris).
Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sowohl Merkmale der Selbstständigkeit als auch Merkmale der abhängigen Beschäftigung aufweist. Insoweit ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Der Senat gelangt nach Abwägung aller Umstände zum Ergebnis, dass vorliegend die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit überwiegen.
Ausgangspunkt ist zunächst der Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) (Vertrag über freie Mitarbeit). Die Beteiligten wollten, wie sich aus § 1 des Vertrags über freie Mitarbeit ergibt, eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) vereinbaren. Allein dieser Wille oder die Bezeichnung des Vertrags führt nicht dazu, dass die Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit einzuordnen ist. Sozialversicherungsrecht ist öffentliches Recht und steht, auch nicht mittelbar durch die Bezeichnung der vertraglichen Beziehungen der Beteiligten, zur Disposition der Beteiligten. In erster Linie ausschlaggebend und vorrangig gegenüber der rechtlichen Ausgestaltung der Beziehungen und den dabei von den Beteiligten verwendeten Bezeichnungen, sind stets die tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls und das sich aus ihm ergebende Gesamtbild der Tätigkeit. Nach der für den Senat glaubhaften Schilderung des Beigeladenen zu 1) stellt sich die erneute Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ab März 2011 als Beginn der Selbständigkeit dar. Der Inhalt der Tätigkeit hat sich deutlich von der abhängigen Beschäftigung bis Sommer 2010 unterschieden, da der Beigeladene zu 1) während des sechsmonatigen Projekts beim Uniklinikum U. nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert war. Der Beigeladene zu 1) hat für seine Tätigkeit 45 EUR/h abgerechnet, was in etwa den doppelten Monatsverdienst wie das Bruttoeinkommen als Beschäftigter ergibt und die unternehmerischen Chancen belegt, die er nunmehr nach Gründung eines eigenen Unternehmens mit der Tätigkeit verwirklichen konnte. Angesichts dieser unternehmerischen Chancen spricht auch der fehlende Urlaubsanspruch und der fehlende Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfalle für eine selbständige Tätigkeit.
Zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) war mündlich vereinbart, dass es im Rahmen des Großprojekts Neubau Chirurgie Universitätsklinikum U. um die Leistungsverzeichnisse Nr 27 und Nr 30 geht (vgl. Bl 118 SG-Akte). Der Beigeladene zu 1) war aufgrund der früheren Beschäftigung bei der Klägerin auch "im Bilde" über die verschiedenen Phasen des Projekts, weshalb nach der glaubhaften Schilderung des Beigeladenen zu 1) und der Klägerin weitergehende Konkretisierungen und Absprachen nicht erforderlich waren, sondern der Beigeladene zu 1) im Wesentlichen vor Ort mit dem Uniklinikum und den weiteren dort am Projekt tätigen Personen zu tun hatte. Die Rechnungen des Beigeladenen zu 1) verweisen auch auf die Leistungsverzeichnisse und Projektphasen. Soweit im Vertrag über frei Mitarbeit in § 12 einmal der Begriff "Weisungen" verwendet wird, haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017 für den Senat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass damit kein Direktionsrecht gemeint war, sondern lediglich klar gestellt werden sollte, dass dem Beigeladenen zu 1) jederzeit relevante Informationen zur Verfügung gestellt werden sollten. Die in der Anlage zum Vertrag über freie Mitarbeit in Bezug genommenen Organisations- und Qualitätsanforderungen haben ebenfalls keine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin als Weisungsgeberin zur Folge gehabt. Wie die Klägerin und der Beigeladene zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2017 für den Senat plausibel dargelegt haben, ist die Klägerin nach DIN 9001 zertifiziert und muss insoweit sicherstellen, dass bestimmte Qualitätsanforderungen eingehalten werden. Dass der Beigeladene zu 1) Absprachen bzw Koordinierungen mit den anderen Unternehmen getroffen hat, die am Projekt beteiligt waren, liegt in der Natur der Sache. Die Klägerin konnte in fachlicher Hinsicht die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) auch gar nicht mit Weisungen beeinflussen, da sie über seine Spezialkenntnisse im EDV-Bereich nicht verfügte. Zwar kann das Weisungsrecht eines Arbeitgebers nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insbesondere bei Diensten höherer Art eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Beschäftigte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R, juris). Eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin hat aber im streitgegenständlichen Zeitraum während der begrenzten Projektarbeit nicht vorgelegen. Die erforderlichen Absprachen mit weiteren Projektbeteiligten ergeben eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin nicht. Der Beigeladene zu 1) unterlag gemäß §§ 7, 8 des Vertrags über freie Mitarbeit bei der Durchführung seiner übernommenen Aufgaben keiner bestimmten Zeiteinteilung bzw. Ortsbindung, dies wird nicht dadurch aufgehoben, dass notwendige Koordinationsmaßnahmen mit den anderen am Objekt Beteiligten durchgeführt werden.
Für eine selbstständige Tätigkeit spricht entgegen der Auffassung des SG auch, dass der Beigeladene zu 1) berechtigt gewesen ist, sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen Dritter zu bedienen, das heißt nicht verpflichtet war, die Tätigkeit höchstpersönlich ausführen. Ebenso ist die Möglichkeit Aufträge abzulehnen, ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, weil der Betreffende damit den Umfang seiner Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen kann.
Der Beigeladene zu 1) trug auch ein Unternehmerrisiko. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes ungewiss ist (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge Beilage 2008, 333). Erforderlich ist insoweit ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Geld zu erhalten. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses Risiko regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder kein Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder frühere Investitionen brach liegen, wie dies vorliegend der Fall war, da der Beigeladene zu 1) eigene Büroräume angemietet hatte. Soweit das SG darauf abgestellt hat, dass hierin kein wesentlich ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1) zu sehen ist, da der Beigeladene zu 1) das Bauleiterbüro vor Ort nutzen konnte, bewertet der Senat dies aufgrund der nachvollziehbaren Schilderung der Verhältnisse durch die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) im Erörterungstermin vom 18.08.2016 – wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG - anders, da es lediglich darum ging, sich dort umzuziehen und zB Sicherheitskleidung anzulegen. Ein echtes Arbeitsbüro stellte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) nicht zur Verfügung, auch keine sonstigen Betriebsmittel.
Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der Bezug von Gründungszuschuss und die Anmeldung eines Gewerbes weder für noch gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechen. Der Regelung in § 13 des Vertrags über freie Mitarbeit, wonach alle Ergebnisse der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1), auch Erfindungen, unmittelbar der Klägerin zur Verfügung standen, kommt angesichts der kurzen Projektdauer nicht die Erheblichkeit zu, die das SG ihr beigemessen hat. Auch das in § 9 des Vertrages über freie Mitarbeit vereinbarte Konkurrenzverbot spricht entgegen der Auffassung des SG nicht für eine abhängige Beschäftigung. In Fallkonstellationen in denen es im Wesentlichen um technisch-geistiges Know how geht, möchte ein Auftraggeber typischerweise verhindern, dass der Auftragnehmer dieses auch dem Konkurrenten am Markt anbietet. Für eine selbstständige Tätigkeit spricht hingegen, dass der Beigeladene zu 1) werbend am Markt auftrat und auch für andere Auftraggeber tätig war.
Auch wenn die Honorarhöhe nur um eines von uU vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien ist (BSG 31.03.2017, B 12 R 7/15 R, für BSGE und SozR 4 vorgesehen) weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Beigeladene zu 1) mit dem am Beginn seiner selbständigen Tätigkeit vereinbarten Stundenhonorar von 45 EUR auf Anhieb im obersten Quartil der Einkommen der sog Soloselbständigen anzusiedeln ist (vgl die Studie des BMAS "Solo-Selbständige in Deutschland – Strukturen und Erwerbsverläufe" Forschungsbericht 465, Mai 2016, als pdf im Volltext abrufbar unter http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/f465-solo-selbstaendige.pdf, dort S. 38 f.) und sich – wie der weitere Geschehensablauf zeigt – mit der mittlerweile vorliegenden GmbH & Co KG und noch wesentlich höheren Stundensätzen eine unabhängige und selbständige Existenz aufgebaut hat. Die Vergütung auf Stundenbasis spricht entgegen der von der Beklagten geäußerten Auffassung nicht regelmäßig für eine abhängige Beschäftigung. Geht es wie vorliegend um reine Dienstleistungen, ist anders als bei der Erstellung zB eines materiellen Produkts - ein erfolgsabhängiges Entgelt aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten (BSG 31.03.2017, B 12 R 7/15 R, für BSGE und SozR 4 vorgesehen mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2, § 47 Gerichtskostengesetz (GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen (§ 52 Abs 2 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 GKG). Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Regelstreitwert von 5.000,00 EUR da lediglich über das Bestehen bzw Nichtvorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus letztlich folgende Sozialversicherungspflicht entschieden, aber noch keine Sozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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