L 6 KR 22/16

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KR 508/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 22/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 3/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Höhe der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.

Der Kläger ist seit dem 17. Dezember 2010 hauptberuflich als Rechtsanwalt selbstständig erwerbstätig und seitdem bei der Beklagten zu 1) freiwillig gesetzlich krankenversichert und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Zunächst erhielt er bis zum 16. September 2011 anschließend und in geringerer Höhe bis zum 16. März 2012 einen Gründungszuschuss von der Bundesagentur für Arbeit.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2010 und 10. Januar 2011 setzte die Beklagte die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung fest. Am 27. Februar 2012 übersandte der Kläger der Beklagten einen Antrag auf Beitragsentlastung für Selbstständige. Er gab an, dass die Steuererklärung für das Jahr 2011 noch nicht vorliege. Seine bisherige Einkommensschätzung würde er für die Zukunft auf in monatlich 900,00EUR korrigieren. 2011 habe er aus selbständiger Tätigkeit Einkünfte in Höhe von 4.556,07 EUR erzielt.

Mit Bescheid vom 14. März 2012 führte die Beklagte aus, dass bei der Beitragseinstufung hauptberuflich selbständig Tätiger als beitragspflichtige Einnahme mindestens 75 % der monatlichen Bezugsgröße zu berücksichtigen sei (2012 = 1.968,75 EUR). Bei "bedürftigen Selbstständigen" würden demgegenüber mindestens 50 % der monatlichen Bezugsgröße (2012 = 1312,50 EUR) als beitragspflichtige Einnahme gelten. Unter Berücksichtigung der beitragspflichtigen Einnahmen betrage der Betrag für die Zeit vom 17. März 2012 bis 31. März 2012 zur Krankenversicherung 91,26 EUR und zur Pflegeversicherung 13,48 EUR. Für den Teilmonat seien insgesamt 104,74 EUR zu zahlen. Ab dem Folgemonat belaufe sich der monatliche Beitrag zur Krankenversicherung auf 195,56 EUR und zur Pflegeversicherung auf 28,88 EUR. Es ergebe sich ein monatlicher Gesamtbeitrag in Höhe von 224,44 EUR. Die Einstufung gelte hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung unter Vorbehalt. Die Beitragshöhe werde überprüft, sobald zu der selbstständigen Tätigkeit der erste Einkommenssteuerbescheid vorliege. Sollte sich aus dem Steuerbescheid ein höheres als das geschätzte Einkommen von monatlich 900,00 EUR ergeben, würden Beiträge nacherhoben werden.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 17. April 2012 Widerspruch. Der angegriffene Beitragsbescheid sei rechtswidrig, soweit die Beklagte höhere als die für das Beitrittsgebiet geltenden Beiträge festgesetzt habe. Die Beklagte sei bei der Festsetzung des Beitrages unzutreffend von der Bezugsgröße (West) für 2012 ausgegangen. Es würden weiterhin unterschiedliche Bezugsgrößen für Ost und West gelten. Nach § 18 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) i. V. m. § 2 Abs. 2 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012 betrage die Bezugsgröße (Ost) im Jahr 2012 jährlich 26.880,00 EUR und monatlich 2.240,00 EUR. Diese Rechtsnormen würden die Bezugsgrößen für die Sozialversicherung als Ganzes regeln. Bei 50 % der monatlichen Bezugsgröße sei der Mindestbetrag also auf der Grundlage eines fiktiven monatlichen Einkommens in Höhe von 1.120,00 EUR zu berechnen. Damit ergebe sich ein niedrigerer Beitragssatz. Die Sozialversicherung umfasse die Zweige gesetzliche Rentenversicherung, gesetzliche Krankenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung und soziale Pflegeversicherung. Eine Trennung zwischen Kranken- und Pflegeversicherung einerseits sowie Renten- und Arbeits-losenversicherung andererseits finde gerade nicht statt. Lediglich die Beitragsbemessungs-grenzen seien getrennt nach den einzelnen Sozialversicherungszweigen festgesetzt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies im Wesentlichen mit § 309 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Danach gelte seit 1. Januar 2001 die Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV auch in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet, soweit Vorschriften des SGB V an die Bezugsgröße anknüpften.

Hiergegen richtet sich die am 15. Oktober 2012 am Sozialgericht Magdeburg erhobene Klage, mit der der Kläger seine Widerspruchsbegründung vertieft hat. Eine gegenteilige Normauslegung verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz gebiete nicht nur, dass gleiche Sachverhalte gleich, sondern auch, dass ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln seien. Unstreitig gebe es in den Lebens- und Einkommensbedingungen Ost und West noch immer beträchtliche Unterschiede. Diese würden auch in der Verordnung über die maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung berücksichtigt. Ein Abweichen im Rahmen der gesetzlichen Kranken-versicherung sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Dem von der Beklagten angeführten Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. März 2007 - 12 KR 33/06 R - habe ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde gelegen.

Zudem hat der Kläger seinen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vorgelegt, woraus sich Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Jahre 2011 in Höhe von 4.542,00 EUR sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 3.666,00 EUR ergaben. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, bei monatlichen Einnahmen in Höhe von 378,50 EUR hätten die von der Beklagten geforderten Monatsbeiträge in Höhe von 231,77 EUR erdrosselnde Wirkung. Es Iiege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit vor.

Mit Urteil vom 19. November 2015 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: "240 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch - Gesetzli-che Krankenversicherung - (SGB V) bestimmt, dass für freiwillige Mitglieder die Beitragsbe-messung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt wird. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigt (Satz 2). Nach § 2 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler - BVSzGs-) werden die monatlichen Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Diese Einnahmen sind bis zu einem Betrag in Höhe der jeweiligen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 2 BVSzGs). Welche Einnahmen beitragspflichtig sind, ergibt sich aus § 3 Abs. 1 der BVSzGs. Hiernach gelten als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) und alle sonstigen Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, gilt nach § 240 Abs. 4 S. 2 SGB V als beitragspflichtige Einnahmen für das Kalenderjahr der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze; bei Nachweis niedriger Einnahmen jedoch mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße (75 % der monatlichen Bezugsgröße 2012 = 1.969,50 EUR). Bei bedürftigen Selbstständigen sieht § 240 Abs. 4 S. 3 SGB V eine beitragsmäßige Entlastung durch die Senkung der Mindestbemessungsgrundlage von 75 % auf 50 % der monatlichen Bezugsgröße (2012 = 1.312,50 EUR) vor. Bedürftige Selbstständige sind hauptberuflich Selbständige, die keinen Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit erhalten und bedürftig im Sinne von § 7 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 - 4 der BVSzGs sind.

So liegt es hier. Das zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung geschätzte monatliche Arbeitsein-kommen des Klägers liegt bei 900,00 EUR monatlich. Auch die tatsächlichen Einkünfte des Klägers, die durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides von 2011 im Rahmen des Klageverfahrens nachgewiesen worden sind, unterschreiten die jeweilige Mindesteinnahme-grenze des Kalenderjahres. Die Beitragseinstufung auf der Grundlage von 50 % der monatli-chen Bezugsgröße ist daher korrekt. Gemäß § 309 Abs. 1 SGB V gilt für die Kranken- und Pflegeversicherung seit dem 1. Januar 2001, mithin auch im Jahre 2012 sowie den Folgejah-ren die für Ost und West einheitliche Beitragsbemessungsgrenze nach § 18 Abs. 1 Sozialge-setzbuch, 4. Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV).

Ein Verstoß gegen Grundrechte, insbesondere den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz oder das Sozialstaatsprinzip ist nicht ersichtlich. Nach dem Urteil der des Bundessozialgerichts vom 7. März 2007 - 12 KR 33/06 R - ist die in der gesetzlichen Krankenversicherung seit 1. Januar 2001 bundesweit geltende einheitliche Beitragsbemessungsgrenze verfassungsgemäß. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist. Der Gleichheitssatz verlangt, dass eine vom Gesetz vorgenommene gleiche Behandlung von Personengruppen sich - sachbereichsbezogen - auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund von hinreichendem Gewicht zurückführen lässt (BVerfGE 109,96, 123). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft. Ob diese Auswahl sachgerecht ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen. Danach steht die Entscheidung des Gesetzgebers, die Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu vereinheitlichen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in Einklang (vgl. BSG a.a.O.). Für die Bemessung der Beiträge gilt für den Kläger, der keinen Krankengeldanspruch hat, der ermäßigte Beitragssatz. Dieser beläuft sich auf 14,9 %. Hieraus resultiert im Jahre 2012 der Monatsbeitrag des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung von 195,56 EUR. Ein Verstoß gegen die Beitragsgerechtigkeit ist ebenfalls nicht ersichtlich. Soweit der Kläger die Beiträge aufgrund von niedrigen Einnahmen nicht begleichen kann, steht es ihm frei, ergänzend Sozialleistungen zu beantragen."

Gegen die ihm am 1. April 2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 2. Mai 2016 Berufung eingelegt und zur Begründung seinen bisherigen Vortrag vertieft, ohne auf § 309 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzugehen. Eine Normenauslegung, die die Unterschiede zwischen Ost und West nicht berücksichtige, verstoße gegen Art. 3 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip. Zudem habe die Beklagte ein erhöhtes fiktives Mindesteinkommen i. H. v. 1.312,50 EUR monatlich zu Grunde gelegt. Dies führe zu einem Beitragssatz in der Krankenversicherung von über 50 % sowie von rund 7,6 % in der Pflegeversicherung. Hierdurch würden Selbständige wesentlich schlechter gestellt als Arbeitnehmer. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit und damit gegen Art. 3 GG. Schließlich werde das Krankengeld auch nur auf der Grundlage der tatsächlichen Einkünfte geleistet. Die individuellen finanziellen Verhältnisse des Einzelnen würden damit nicht berücksichtigt. Selbständige hätten auch entgegen einer verbreiteten Ansicht keine ernsthafte Möglichkeit, sich das Einkommen quasi schön zu rechnen. Insbesondere bei Rechtsanwälten sei der erzielbare Umsatz stark gesetzlich reglementiert. Die Beiträge, die die Beklagte hier festsetze, hätten erdrosselnde Wirkung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. November 2015 aufzuheben und die Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14. März 2012 in Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 12. September 2012 sowie der Bescheide vom 22. August 2014, 26. September 2014, 12. Januar 2015, 24. Januar 2015 und 14. Januar 2016 zu verurteilen, seinen Beitrag auf der Grundlage von 50% der Bezugsgröße (Ost) nach § 18 Abs. 2 SGB IV festzusetzen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend und nehmen Bezug auf die Begrün-dung des Widerspruchsbescheides und des Sozialgerichts. Es liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vor. Es werde auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. März 2007 - 12 KR 33/06 R - verwiesen. Auch nach den mit Einkommenssteuerbescheid für 2011 nachgewiesenen Einkünften unterhalb der Mindesteinnahmegrenze, bleibe letztere mithin 50 % der monatlichen Bezugsgröße (2012 = 1.312,50 EUR, 2013 = 1.347,50 EUR, 2014 = 1.382,50 EUR) auch weiterhin für die Beitragseinstufung maßgeblich. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Sie hat Beitragsbescheide vom 22. August 2014, 26. September 2014, 12. Januar 2015, 24. August 2015 und 14. Januar 2016 übersandt, die ihrer Ansicht nach gem. § 96 Sozialge-richtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden seien.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats nach § 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 25. August 2016 bzw. 23. August 2016).

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachver-haltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, ist die Klage unbegründet. Insoweit wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidung des Sozialgerichts verwiesen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach dem Vortrag des Klägers, dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung der Kläger hauptberuflich selbständig tätig ist. Die Beklagte und das Sozialgericht haben die einschlägigen Normen nach dem SGB V korrekt zugrunde gelegt, wobei ergänzend §§ 20 Abs. 3, 57 Abs. 4 SGB XI anzuführen sind.

Die angegriffene Ungleichbehandlung der Tätigkeit des Klägers im Vergleich zu einer abhängigen Beschäftigung stellt auch angesichts des Berufungsvortrags keinen Verstoß gegen Art. 3 GG dar. Es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers, hier die Vergleichsgrup-pen festzusetzen. Die Gruppe der Selbstständigen ist nicht gesetzlich kranken- und pflege-versicherungspflichtig. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu Beschäftigten, die entgegen der Ansicht des Klägers auch erst ab einem Arbeitsentgelts von über 450 EUR versicherungspflichtig sind (§ 8 SGB IV in Verbindung mit § 7 SGB V). Selbständige unter-scheiden sich im Beitragsrecht auch im Übrigen grundlegend von Beschäftigten. Durch die Anknüpfung an das Steuerrecht können beispielsweise durch die Bildung von Ansparrücklagen Gewinne zwischen den Jahren verschoben werden (dazu Sächsisches LSG, 29. April 2009 – L 1 KR 43/08, juris); weiter sind Gewinn- und Verlustvorträge, Abschreibungen etc. zu berücksichtigen. Schließlich werden die Gewinne aufgrund der Anknüpfung an den konkreten Steuerbescheid immer erst nachlaufend verbeitragt, was die Selbständigen ebenfalls begünstigt (näher Ulmer, NZS 2016, 449 ff). Aufgrund dieser und vielfältiger weiterer Unterschiede auch in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch ist die Gruppe der hauptberuflich Selbständigen nicht mit der der abhängig Beschäftigten vergleichbar.

Hinzu kommt, dass der Kläger jederzeit eine private Kranken- und Pflegeversicherung abschließen, deren Beitragssätze grundsätzlich marktgerecht sind. Soweit der Kläger indirekt also eine Subventionierung der Selbstständigen in der gesetzlichen Krankenversicherung fordert, gibt es hier für keinen Verfassungsgrundsatz. Gegen unverhältnismäßige Beiträge spricht auch, dass der vom Kläger für seine Krankenversicherung zu zahlende Beitrag auch kaum den Pauschalbetrag von rund 170 EUR/Monat übersteigt, den jede Krankenkasse seit Einführung des Gesundheitsfonds für jeden einzelnen Versicherten aus dem Gesundheits-fonds erhält (die sogenannten Grundpauschale, vgl. http://www.der-gesundheitsfonds.de/die-reform-details/der-gesundheitsfonds/ risikostrukturausgleich. html.

Aus dem Sozialstaatsprinzip mag sich ergeben, dass ein gewisser Schutz bei Krankheit zu gewährleisten ist. Verfassungsrechtlich besteht jedoch kein Anhalt für einen Anspruch auf einen Krankenversicherungsschutz über das nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch bzw. Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu leistendem Umfang. Soweit der Kläger bedürftig im Sinne der vorgenannten Vorschriften ist, steht es ihm frei, solche Leistungen zu beanspruchen. Sollte er aber nicht bedürftig sein, vermag das Sozialstaatsprinzip auch im Rahmen des SGB V keinen Anspruch auf Verringerung der Krankenversicherungsbeiträge zu geben. Der Gesetzgeber ist von Verfassungswegen nicht gezwungen, nicht (im Sinne des Sozialhil-ferechts) bedürftigen Selbstständigen bei der Kranken- und Pflegeversicherung zu unterstüt-zen.

Die Verfassungsbeschwerde gegen das mehrfach angeführte Urteil des BSG (7. März 2007 – B 12 KR 33/06 R –, juris) wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, 11. August 2009 - 1 BvR 1666/07). Dies betraf die Angleichung der Rechengrößen in den neuen und alten Bundesländern und die damit verbundene Vereinheitlichung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies ist mit der Angleichung der Bezugsgröße durchaus vergleichbar; zudem haben sich die Lebensverhältnisse seitdem weiter deutlich angenähert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um einen Einzelfall auf geklärter Rechtsgrundlage, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt.
Rechtskraft
Aus
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