Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 92/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 213/17 B ER, L 9 SO 314/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Das Zusammenleben mit einem Partner in einer Lebensgemeinschaft begründet ebenso wenig wie ein Eheversprechen/Verlöbnis ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Freizügigkeitsgesetz/EU mit der Folge einer Anspruchsberechtigung auf Leistungen der Sozialhilfe.
2. Zur Frage der Annahme eines Härtefalls nach § 23 Abs. 3 SGB XII bei beabsichtigter Eheschließung.
2. Zur Frage der Annahme eines Härtefalls nach § 23 Abs. 3 SGB XII bei beabsichtigter Eheschließung.
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 04.04.2017 werden zurückgewiesen. Kosten sind in den Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H, S-straße 00, I, für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die zulässigen, insbesondere fristgemäßen Beschwerden der Antragstellerin vom 02.05.2017 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 04.04.2017, mit dem es den auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung vorläufiger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren abgelehnt hat, sind unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Auch das Vorbringen der Antragstellerin zur Beschwerde vermag hieran nichts zu ändern.
I. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B -, juris Rn. 6). Allerdings ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn - wie hier - die Gewährung existenzsichernder Leistungen im Streit steht. Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgen dabei Vorgaben für den Prüfungsmaßstab. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats v. 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 -, juris Rn. 10, 12).
Die von der Antragstellerin begehrten SGB XII-Leistungen kommen nach Maßgabe des seit dem 29.12.2016 geltenden Rechts - der Eilantrag ist nach diesem Tag gestellt worden - nicht in Betracht. Gleiches gilt im Übrigen für etwaige SGB II-Leistungen.
1. Unabhängig von der Frage der Hilfebedürftigkeit fehlt es für die Zeit ab Antragstellung bei dem Sozialgericht (22.03.2017) schon aus Rechtsgründen an einem Anordnungsanspruch gegen die Antragsgegnerin. Die Antragstellerin ist als polnische Staatsangehörige, die am 00.00.2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, sowohl nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a oder b SGB II als auch gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, beide i.d.F. des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl. I, S. 3155) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen, so dass auch eine notwendige Beiladung des für die Antragstellerin zuständigen Jobcenters nicht in Betracht kommt. Nach diesen Vorschriften erhalten Ausländerinnen und Ausländer keine Leistungen nach dem SGB II bzw. keine Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
2. Diese Voraussetzungen für den o.a. Leistungsausschluss liegen in der Person der Antragstellerin vor. Sie hält sich weder als Arbeitnehmerin oder Selbstständige im Bundesgebiet auf (s. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII), noch vermag sie nach Aktenlage ein anderes Aufenthaltsrecht bzw. Freizügigkeitsrecht geltend zu machen als - wenn überhaupt - dasjenige allein zum Zwecke der Arbeitsuche. Auch die Tatsache, dass die Antragstellerin mit ihrem Verlobten weiterhin zusammenleben will, ändert daran nichts (vgl. Senat, Beschluss vom 18.04.2017 - L 9 SO 111/17 B ER, L 9 SO 112/17 B -, n.v.).
Die Antragstellerin hat auch kein Daueraufenthaltsrecht wegen eines mindestens fünfjährigen, nicht wesentlich unterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet erworben (s. § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII). Schließlich kann sie sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) berufen, da Polen kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist.
3. Aus alledem resultiert ein vollständiger Leistungsausschluss für die Antragstellerin. Denn gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII bezieht sich der Leistungsausschluss ausdrücklich auf Leistungen nach Abs. 1 der genannten Vorschrift und solche nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Da der Leistungsausschluss nunmehr ausdrücklich auch die Gewährung von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII einbezieht, kommt diese Anspruchsgrundlage für nicht freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger seit dem 29.12.2016 nicht mehr in Betracht. Dies entspricht dem in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/10211, S. 8 f.) dokumentierten Willen des Gesetzgebers, diesem Personenkreis nur noch einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen für die Dauer bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Monat innerhalb von zwei Jahren, zuzubilligen.
Eine Ausnahme sieht § 23 Abs. 3 SGB XII n.F. lediglich in Härtefällen und bei Vorliegen besonderer Umstände vor, etwa, wenn im Einzelfall eine Ausreise binnen eines Monats aus tatsächlichen (Erkrankung, Reiseunfähigkeit) oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar ist. Die Ausnahmeregelung setzt nach ihrem Wortlaut allerdings eine zeitlich befristete Bedarfslage voraus und soll keinen dauerhaften Leistungsbezug ermöglichen (s. Senat, Beschluss vom 18.04.2017 - L 9 SO 111/17 B ER, L 9 SO 112/17 B -, und Beschluss vom 05.04.2017 - L 9 SO 83/17 B ER -, jeweils n.v.).
Der Senat kann dahin gestellt sein lassen, ob ein solcher Härtefall anzunehmen wäre, wenn eine Eheschließung im Bundesgebiet "unmittelbar bevor" stünde. Letzteres ist jedenfalls nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Aussetzung einer Abschiebungsverfügung (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 04.04.2007, 3 Bs 28/07, juris Rn. 8, und Beschluss vom 09.02.2010, 3 Bs 238/09, juris Rn. 10) anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist. Sind danach die Vorbereitungen in dem Verfahren der Eheschließung bereits so weit vorangeschritten, dass die Anmeldung der Eheschließung vorgenommen wurde, die Verlobten die von dem Standesbeamten geforderten Urkunden beschafft haben und bei der Prüfung der Ehefähigkeit von ausländischen Verlobten ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses gestellt worden ist, so kommt die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung frühestens in Betracht, wenn dem Standesbeamten im Hinblick auf den gestellten Befreiungsantrag alle aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen vorliegen.
Nach diesen Maßgaben und der durch den Senat eingeholten Auskunft des Standesamtes Bad T vom 21.06.2017 steht die Eheschließung der Antragstellerin mit ihrem Verlobten im Bundesgebiet jedenfalls nicht "unmittelbar bevor".
Über Überbrückungsleistungen i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII hat der Senat im vorliegenden Fall überdies nicht zu entscheiden, da die Antragstellerin solche Leistungen nicht beantragt hat, der Anspruch auf solche Leistungen im Verhältnis zu dem Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB XII einen eigenständigen Streitgegenstand darstellt (s. LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER -, juris Rn. 41) und die Antragsgegnerin sich ausweislich ihres Schriftsatzes vom 18.05.2017 der Gewährung solcher Überbrückungsleistungen an die Antragstellerin für den Fall einer noch bekanntzugebenden Ausreiseabsicht nicht entgegenstellt.
4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Leistungssausschlüsse nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII n.F. und § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II n.F. hat der Senat vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) nicht und sind von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (Senat, Beschluss vom 18.04.2017 - L 9 SO 111/17 B ER, L 9 SO 112/17 B -, und Beschluss vom 05.04.2017 - L 9 SO 83/17 B ER - jeweils n.v.), ist es verfassungsrechtlich insbesondere nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber mit einem Leistungsausschluss für Unionsbürger, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten oder die über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Denn diese Personen können darauf verwiesen werden, Leistungen ihres Heimatlandes zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Anspruch zu nehmen oder von ihrem Freizügigkeitsrecht innerhalb des Hoheitsgebiets der EU Gebrauch zu machen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.11.2015 - L 3 AS 479/15 B ER -, juris Rn. 26; BayLSG, Beschluss vom 13.10.2015 - L 16 AS 612/15 B ER -, juris Rn. 38; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.06.2015 - L 1 AS 2338/15B ER -, juris Rn. 39; vgl. hierzu auch LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER -, juris Rn. 43 ff.). Mithin besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, einen Aufenthalt des Hilfebedürftigen im Bundesgebiet trotz einer ihm möglichen Rückkehr in sein Heimatland durch die Gewährung von Sozialleistungen zu ermöglichen, wenn der Hilfebedürftige über gar kein Aufenthaltsrecht oder nur über ein solches verfügt, dessen Gewährung der nationale Gesetzgeber originär - europarechtlich zulässig (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 15.09.2015 - C 67/14 - Alimanovic) - mit der Versagung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums verknüpft hat.
II. Das Sozialgericht hat ferner den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht des Eilverfahrens (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO) zu Recht abgelehnt.
III. Soweit die Antragstellerin auch für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe beantragt hat, war auch dieser Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Beschwerde (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO) aus den Gründen zu I. abzulehnen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Sozialgericht aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Soweit sich ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe richtet, werden Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
V. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar, § 177 SGG.
Gründe:
Die zulässigen, insbesondere fristgemäßen Beschwerden der Antragstellerin vom 02.05.2017 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 04.04.2017, mit dem es den auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung vorläufiger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren abgelehnt hat, sind unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Auch das Vorbringen der Antragstellerin zur Beschwerde vermag hieran nichts zu ändern.
I. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B -, juris Rn. 6). Allerdings ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn - wie hier - die Gewährung existenzsichernder Leistungen im Streit steht. Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgen dabei Vorgaben für den Prüfungsmaßstab. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats v. 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 -, juris Rn. 10, 12).
Die von der Antragstellerin begehrten SGB XII-Leistungen kommen nach Maßgabe des seit dem 29.12.2016 geltenden Rechts - der Eilantrag ist nach diesem Tag gestellt worden - nicht in Betracht. Gleiches gilt im Übrigen für etwaige SGB II-Leistungen.
1. Unabhängig von der Frage der Hilfebedürftigkeit fehlt es für die Zeit ab Antragstellung bei dem Sozialgericht (22.03.2017) schon aus Rechtsgründen an einem Anordnungsanspruch gegen die Antragsgegnerin. Die Antragstellerin ist als polnische Staatsangehörige, die am 00.00.2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, sowohl nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a oder b SGB II als auch gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, beide i.d.F. des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl. I, S. 3155) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen, so dass auch eine notwendige Beiladung des für die Antragstellerin zuständigen Jobcenters nicht in Betracht kommt. Nach diesen Vorschriften erhalten Ausländerinnen und Ausländer keine Leistungen nach dem SGB II bzw. keine Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
2. Diese Voraussetzungen für den o.a. Leistungsausschluss liegen in der Person der Antragstellerin vor. Sie hält sich weder als Arbeitnehmerin oder Selbstständige im Bundesgebiet auf (s. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII), noch vermag sie nach Aktenlage ein anderes Aufenthaltsrecht bzw. Freizügigkeitsrecht geltend zu machen als - wenn überhaupt - dasjenige allein zum Zwecke der Arbeitsuche. Auch die Tatsache, dass die Antragstellerin mit ihrem Verlobten weiterhin zusammenleben will, ändert daran nichts (vgl. Senat, Beschluss vom 18.04.2017 - L 9 SO 111/17 B ER, L 9 SO 112/17 B -, n.v.).
Die Antragstellerin hat auch kein Daueraufenthaltsrecht wegen eines mindestens fünfjährigen, nicht wesentlich unterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet erworben (s. § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII). Schließlich kann sie sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) berufen, da Polen kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist.
3. Aus alledem resultiert ein vollständiger Leistungsausschluss für die Antragstellerin. Denn gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII bezieht sich der Leistungsausschluss ausdrücklich auf Leistungen nach Abs. 1 der genannten Vorschrift und solche nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Da der Leistungsausschluss nunmehr ausdrücklich auch die Gewährung von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII einbezieht, kommt diese Anspruchsgrundlage für nicht freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger seit dem 29.12.2016 nicht mehr in Betracht. Dies entspricht dem in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/10211, S. 8 f.) dokumentierten Willen des Gesetzgebers, diesem Personenkreis nur noch einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen für die Dauer bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Monat innerhalb von zwei Jahren, zuzubilligen.
Eine Ausnahme sieht § 23 Abs. 3 SGB XII n.F. lediglich in Härtefällen und bei Vorliegen besonderer Umstände vor, etwa, wenn im Einzelfall eine Ausreise binnen eines Monats aus tatsächlichen (Erkrankung, Reiseunfähigkeit) oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar ist. Die Ausnahmeregelung setzt nach ihrem Wortlaut allerdings eine zeitlich befristete Bedarfslage voraus und soll keinen dauerhaften Leistungsbezug ermöglichen (s. Senat, Beschluss vom 18.04.2017 - L 9 SO 111/17 B ER, L 9 SO 112/17 B -, und Beschluss vom 05.04.2017 - L 9 SO 83/17 B ER -, jeweils n.v.).
Der Senat kann dahin gestellt sein lassen, ob ein solcher Härtefall anzunehmen wäre, wenn eine Eheschließung im Bundesgebiet "unmittelbar bevor" stünde. Letzteres ist jedenfalls nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Aussetzung einer Abschiebungsverfügung (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 04.04.2007, 3 Bs 28/07, juris Rn. 8, und Beschluss vom 09.02.2010, 3 Bs 238/09, juris Rn. 10) anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist. Sind danach die Vorbereitungen in dem Verfahren der Eheschließung bereits so weit vorangeschritten, dass die Anmeldung der Eheschließung vorgenommen wurde, die Verlobten die von dem Standesbeamten geforderten Urkunden beschafft haben und bei der Prüfung der Ehefähigkeit von ausländischen Verlobten ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses gestellt worden ist, so kommt die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung frühestens in Betracht, wenn dem Standesbeamten im Hinblick auf den gestellten Befreiungsantrag alle aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen vorliegen.
Nach diesen Maßgaben und der durch den Senat eingeholten Auskunft des Standesamtes Bad T vom 21.06.2017 steht die Eheschließung der Antragstellerin mit ihrem Verlobten im Bundesgebiet jedenfalls nicht "unmittelbar bevor".
Über Überbrückungsleistungen i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII hat der Senat im vorliegenden Fall überdies nicht zu entscheiden, da die Antragstellerin solche Leistungen nicht beantragt hat, der Anspruch auf solche Leistungen im Verhältnis zu dem Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB XII einen eigenständigen Streitgegenstand darstellt (s. LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER -, juris Rn. 41) und die Antragsgegnerin sich ausweislich ihres Schriftsatzes vom 18.05.2017 der Gewährung solcher Überbrückungsleistungen an die Antragstellerin für den Fall einer noch bekanntzugebenden Ausreiseabsicht nicht entgegenstellt.
4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Leistungssausschlüsse nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII n.F. und § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II n.F. hat der Senat vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) nicht und sind von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (Senat, Beschluss vom 18.04.2017 - L 9 SO 111/17 B ER, L 9 SO 112/17 B -, und Beschluss vom 05.04.2017 - L 9 SO 83/17 B ER - jeweils n.v.), ist es verfassungsrechtlich insbesondere nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber mit einem Leistungsausschluss für Unionsbürger, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten oder die über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Denn diese Personen können darauf verwiesen werden, Leistungen ihres Heimatlandes zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Anspruch zu nehmen oder von ihrem Freizügigkeitsrecht innerhalb des Hoheitsgebiets der EU Gebrauch zu machen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.11.2015 - L 3 AS 479/15 B ER -, juris Rn. 26; BayLSG, Beschluss vom 13.10.2015 - L 16 AS 612/15 B ER -, juris Rn. 38; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.06.2015 - L 1 AS 2338/15B ER -, juris Rn. 39; vgl. hierzu auch LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER -, juris Rn. 43 ff.). Mithin besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, einen Aufenthalt des Hilfebedürftigen im Bundesgebiet trotz einer ihm möglichen Rückkehr in sein Heimatland durch die Gewährung von Sozialleistungen zu ermöglichen, wenn der Hilfebedürftige über gar kein Aufenthaltsrecht oder nur über ein solches verfügt, dessen Gewährung der nationale Gesetzgeber originär - europarechtlich zulässig (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 15.09.2015 - C 67/14 - Alimanovic) - mit der Versagung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums verknüpft hat.
II. Das Sozialgericht hat ferner den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht des Eilverfahrens (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO) zu Recht abgelehnt.
III. Soweit die Antragstellerin auch für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe beantragt hat, war auch dieser Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Beschwerde (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO) aus den Gründen zu I. abzulehnen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Sozialgericht aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Soweit sich ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe richtet, werden Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
V. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar, § 177 SGG.
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