L 2 SF 122/17 B E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 187 SF 5/16 F
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 SF 122/17 B E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Erstellung eines Gutachtens zur Abrechnung von Krankenhausleistungen erfüllt regelhaft die Voraussetzungen der Honorargruppe M.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. April 2017 abgeändert und die Vergütung für das Sachverständigengutachten vom 20. Oktober 2015 im Verfahren S 51 KR 1367/14 antragsgemäß auf 1.433,29 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung für ein Gutachten zur Abrechnung von Krankenhausleistungen und deren Kodierung nach DRG-Fallpauschalen.

Das Sozialgericht hat die Vergütung nach Honorargruppe M 2 mit einem Stundensatz von 75 Euro festgesetzt, der Antragsteller begehrt die Vergütung nach Honorargruppe M 3 zu einem Stundensatz von 100 Euro.

Die Beschwerde ist zulässig, da der Beschwerdewert 200 Euro übersteigt (§ 4 Abs. 3 JVEG). Denn mit dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. April 2017 wurden 1.209,86 Euro festgesetzt, der Antragsteller begehrt 1.433,29 Euro.

Das Landessozialgericht hat nach § 4 Abs. 7 Satz 2 in Senatsbesetzung entschieden, da die Frage, wie ein Gutachten über die Abrechnung von Krankenhausleistungen und deren Kodierung nach DRG-Fallpauschalen im Zuständigkeitsbereich des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg zu vergüten ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

Anspruchsgrundlage der Vergütung ist § 9 Abs. 1 JVEG i. V. m. der Anlage 1. Danach bestimmt sich die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe nach Anlage 1. Ist die Leistung auf mehreren Sachgebieten zu erbringen oder betrifft das medizinische oder psychologische Gutachten mehrere Gegenstände und sind die Sachgebiete oder Gegenstände verschiedenen Honorargruppen zugeordnet, bemisst sich das Honorar einheitlich für die gesamte erforderliche Zeit nach der höchsten Honorargruppe (§ 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG).

Der Senat hält das Gutachten über die zutreffende Abrechnung von Krankenhausleistungen nach DRG-Fallpauschalen letztlich für ein medizinisches Gutachten, so dass im Grundsatz die Honorargruppen M 1 bis M 3 einschlägig sind. Dabei verkennt er nicht, dass die Subsumtion eines bestimmten medizinischen Sachverhaltes unter Abrechnungstatbestandsvoraussetzungen zumindest auch ein verwaltungsrechtlicher Vorgang ist.

Auszugehen ist zunächst davon, dass den jeweils beispielhaft aufgeführten Fallgruppen in Anlage 1 zu den Honorargruppen M 1 bis M3 Gutachtenerstattungen zur Kodierung von Krankenhausleistungen und deren Abrechnung nicht zu entnehmen sind. Auch in den Nummern 1 bis 40 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG findet sich eine Sachgebietsbezeichnung "Abrechnung von Krankenhausleistungen" oder vergleichbares nicht.

Dennoch ist der Senat der Auffassung, dass die Abrechnung und Kodierung von Krankenhausleistungen nach DRG-Fallpauschalen im Kern ein medizinisches Sachverständigengutachten darstellt, dessen Vergütung sich nach den Honorargruppen M1 – M3 zu richten hat. Denn nach dem Abrechnungssystem nach Fallpauschalen bestimmen die Haupt- und Nebendiagnosen die Abrechenbarkeit der Leistung. Welche abrechenbare Leistung vorliegt, entscheidet sich auf medizinischem Gebiet, nämlich danach, welche Haupt- und Nebendiagnosen nach zutreffender ärztlicher Feststellung vorliegen. Auch wenn die Abrechnung selbst und die Subsumtion unter bestimmte Fallgruppen eher ein Verwaltungshandeln oder eine juristische Subsumtion darstellen, ist deren Ergebnis zwingend durch den medizinischen Sachverhalt vorgegeben. Damit ist im Kern über die Abrechnung eines medizinischen Gutachtens zu entscheiden, so dass die Voraussetzungen der Honorargruppen M 1 bis M 3 zu prüfen sind.

Soweit das Sozialgericht der Auffassung war bzw. ist, dass regelmäßig die Voraussetzungen der Honorargruppe M 2 erfüllt sind, vermag der Senat dem so nicht zu folgen. Zwar ist dem Sozialgericht darin zuzustimmen, dass keine medizinische Begutachtung im Sinne der Notwendigkeit der Erbringung der erbrachten Leistungen stattfindet. Die Rechtsauffassung aber, dass differenzialdiagnostische Problemstellungen, die die Honorargruppe M 3 rechtfertigen, nicht abzuklären sind, kann der Senat nicht teilen. Wird die Abrechnung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse streitig, die abhängig ist von der Feststellung der Haupt- und Nebendiagnosen, so geht es immer um die Frage, wie die zugrunde liegende und behandelte Erkrankung differenzialdiagnostisch zu fassen und damit – zwangsläufig – abzurechnen ist. Deshalb stellen sich in Gutachten der vorliegenden Art praktisch immer differenzialdiagnostische Probleme im Hinblick auf die behandelte Erkrankung und deren Abrechnung, da es ansonsten nicht zu einem Streit zwischen Krankenkasse bzw. dem MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) und dem Krankenhaus gekommen wäre. Denn der Streit setzt in aller Regel voraus, dass die Erkrankung und deren Behandlung differenzialdiagnostisch unterschiedlich bewertet werden. Regelmäßig liegt damit auch eine komplizierte Fragestellung vor, denn bei einfachen Abrechnungen und Behandlungen wird zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen kaum Streit entstehen können, welches die Haupt- und Nebendiagnose gewesen ist. Eine solche komplexe Abklärung des Krankheitsbildes und seiner Behandlung und deren Einstufung als Haupt- oder Nebendiagnose rechtfertigt daher regelhaft die Honorargruppe M 3.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Feststellung der Erkrankungen aus den Verwaltungsvorgängen eher der Fertigung eines Zustandsgutachtens nach der Honorargruppe M 2 entsprechen dürfte. Die Bewertung aller Erkrankungen i.S. einer Haupt- und Nebendiagnose ist aber regelhaft differenzialdiagnostisch schwierig, so dass nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG die höchste der Honorargruppen insgesamt zur Anwendung zu bringen ist.

Damit erscheint es dem Senat allerdings nicht ausgeschlossen, dass in relativ einfachen Fällen, die aus welchen Gründen auch immer vor Gericht streitig geworden sind, auch einmal nur die Voraussetzungen der Honorargruppe M 2 erfüllt sind, weil sich komplizierte differenzialdiagnostische Fragestellungen gerade nicht stellen. Allerdings dürfte dies eher selten der Fall sein, denn wenn ein einfacher medizinischer Sachverhalt zugrunde liegt, dürfte kaum Streit um die richtige Diagnose und deren Verschlüsselung entstehen. Sollte der Streit allerdings auf eher juristischem Gebiet bei der Definition von Fallgruppen liegen, würde sich die Sache ohnehin nicht zur medizinischen Begutachtung eignen, da die zu beurteilende Fragestellung dann nicht mehr medizinischer Art ist. Sollte in diesen Fällen trotzdem ein Gutachten eingeholt worden sein, liegt es nahe, dieses nur mit Honorargruppe M 2 zu vergüten.

Vorliegend besteht allerdings kein Zweifel, dass differenzialdiagnostische Probleme bestanden, die die Honorargruppe M 3 rechtfertigen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Gutachter auf Seite 15 ausgeführt hat, dass die Angaben und Auffassungen der Beklagtenseite auf der Basis von zwei MDK-Gutachten von der Gutachterseite nicht bestätigt werden können. Der Gutachter hat sich hier ausführlich mit den unterschiedlichen Diagnoseschwerpunkten zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus, der OP-Indikation und der Entlassung auseinandergesetzt und ist hierbei differenzialdiagnostisch gerade von der Auffassung des MDK abgewichen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Ermittlung der Erkrankung aus den Akten sicher eher auf ein Zustandsgutachten der Honorargruppe M 2 hinweist. Mit der Herausarbeitung der Erkrankungen aus der Krankenakte ist die Gutachterarbeit aber nicht abgeschlossen. Diese Leistung ist vielmehr Voraussetzung für die dann doch wesentlich kompliziertere differenzialdiagnostische Fragestellung nach Haupt- und Nebendiagnose.

Das Ergebnis des Senats, dass Gutachten der vorliegenden Art regelmäßig nach Honorargruppe M 3 mit einem Stundensatz von 100 Euro zu vergüten sind, findet im Rahmen einer vergleichenden Betrachtungsweise auch in der Nummer 17 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG eine Stütze. Auch wenn diese Fallgruppe (Honorarabrechnungen von Architekten und Ingenieuren) hier sicher nicht einschlägig ist, ergibt aber die dort zugeordnete Honorargruppe 9 einen Stundensatz von 105 Euro. Sind also Honorarabrechnungen in anderen Berufen, die eine akademische Ausbildung voraussetzen, mit einem Stundensatz von um die 100 Euro zu vergüten, so spricht nichts dagegen, dass dasselbe für die Vergütung von Medizinern gilt. Insoweit hat auch das Sozialgericht bereits dargestellt, dass die zu beantwortenden Fragestellungen komplex sind, insbesondere im Hinblick auf das vielschichtige, sich ständig verändernde Regelungswerk, u. a. Kodierrichtlinien und Abrechnungsvereinbarungen.

Damit folgt der Senat den Beschlüssen des Thüringischen Landessozialgerichtes vom 13. März, 15. März und 3. April 2012 (L 6 SF 197/12 B; L 6 SF 224/12 B; L 6 SF 306/12 B zitiert nach juris) nicht, da dort ohne nähere Begründung davon ausgegangen worden ist, dass es sich bei Gutachten der vorliegenden Art um Zustandsgutachten nach der Honorargruppe M 2 handelt. In der Sache selbst war festzustellen, dass die Seiten 1 bis 3 des Gutachtens nicht abrechnungsfähig sind, weil diese lediglich den Gutachtensauftrag wiederholen und die Qualifikation des Gutachters darstellen. Dasselbe gilt für die Seite 18, die außer zwei Zeilen allein die Unterschrift des Gutachters enthält. Damit sind 14 Seiten abrechnungsfähig. Anders als bei sonstigen medizinischen Gutachten sieht der Senat es hier nicht als sachgemäß an, einen so genannten "einfachen Teil" des Gutachtens nur mit einem Zeitaufwand von einer Stunde für 3 Seiten zu honorieren. Denn Untersuchung und Anamneseerhebung, die sonst den Kern des einfachen Teils eines Gutachtens darstellen, sind vorliegend nicht erforderlich. Die Feststellung der Erkrankung und deren Bewertung lässt sich kaum sinnvoll trennen. Damit ergeben sich für die Ausarbeitung des Gutachtens 7 Stunden (14 Seiten geteilt durch 2 Seiten pro Stunde). Hinzukommen weitere 7 Stunden (aufgerundet) für das Aktenstudium und Diktat, Durchsicht und Korrektur, wie das Sozialgericht in seinem Beschluss zutreffend erkannt hat. Der Senat folgt hier dem Sozialgericht, dass bei der Durchsicht der allein vom medizinischen Material geprägten Akten nicht von einem Umfang von 100 Seiten pro Stunde bei der Durchsicht auszugehen ist. Die Ansetzung von etwa 4 Stunden für die Aktendurchsicht von 241 Seiten begegnet daher keinen Bedenken. Für Diktat, Durchsicht und Korrektur von 14 Seiten kann entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats von 5 Seiten pro Stunde ausgegangen werden, so dass sich eine Stundenzahl von 2,8 ergibt.

Damit ergeben sich 13,8 Stunden, die gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG auf volle Stunden, mithin 14 Stunden aufzurunden sind. Hinzukommen die geltend gemachten Schreibauslagen (20, 70 Euro) und Kosten für Porto (6,99 Euro) und Kopien (14 Euro). Damit ergibt sich, dass das Honorar antragsgemäß festzusetzen war. Eine Festsetzung über den geltend gemachten Betrag hinaus ist rechtlich nicht möglich.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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