L 12 AS 807/17 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 22 AS 1047/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 807/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.03.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin T aus L beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von dem Antragsgegner.

Die am 00.00.1963 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie ist seit Januar 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist derzeit obdachlos.

Sie war zunächst seit dem 03.09.2015 befristet bis zum 02.03.2016 bei der B Service Gruppe beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde sodann mit Schreiben vom 13.04.2016 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis überführt. Mit Schreiben vom 11.07.2016 kündigte die B Service Gruppe das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2016.

Am 17.01.2017 beantragte sie die Weiterbewilligung der Leistung nach dem SGB II ab dem 01.03.2017.

Den Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 19.01.2017 ab. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil sie keinen fortbestehenden Arbeitnehmerstatus und kein Daueraufenthaltsrecht habe.

Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch. Das Kündigungsschreiben habe sie nicht erhalten. Sie habe in der Zeit vom 20.06.2016 bis 26.07.2016 Urlaub genommen. Im Anschluss sei sie erkrankt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 26.07.2016 bis 31.07.2016 sei dem Arbeitgeber unverzüglich vorgelegt worden. Als sie bei ihrer Arbeitsstätte vorgesprochen habe, sei ihr lediglich mündlich mitgeteilt worden, dass sie nicht mehr zu kommen brauche. Die Kündigung sei erst mit Schreiben vom 08.12.2016 an die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin bekannt gegeben worden. Bis dahin sei das Beschäftigungsverhältnis nicht wirksam beendet worden. Folglich sei die Antragstellerin länger als zwölf Monate beschäftigt gewesen.

Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2017 zurück. Dagegen erhob die Antragstellerin am 18.04.2017 Klage bei dem Sozialgericht Köln (S 15 AS 1520/17).

Die Antragstellerin hat am 14.03.2017 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei dem Sozialgericht Köln gestellt. Sie habe Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, hilfsweise habe sie Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII). Ergänzend hat sie vorgetragen, dass das letzte Gehalt am 15.08.2016 geflossen sei.

Der Antragsgegner hat darauf verwiesen, dass die Antragstellerin nicht mehr als zwölf Monate ununterbrochen im Bundesgebiet arbeitstätig gewesen sei, sondern lediglich vom 03.09.2015 bis 31.07.2016. Nach Februar 2017 stünden der Antragstellerin daher keine Leistungen mehr zu. Seit dem 01.08.2016 gehe die Antragstellerin keiner Erwerbstätigkeit mehr nach.

Das Sozialgericht Köln hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 29.03.2017 abgelehnt. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden, da solche Kosten aufgrund der Obdachlosigkeit der Antragstellerin tatsächlich nicht anfielen. Im Übrigen sei ein Anordnungsanspruch auf die Gewährung des Regelbedarfs nicht glaubhaft gemacht worden. Die Antragstellerin könne sich nicht auf ein Daueraufenthaltsrecht berufen, da sie sich erst seit Januar 2014 und damit keine fünf Jahre im Bundesgebiet aufhalte. Sie verfüge auch nicht über ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmerin. Es sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden, dass das Arbeitsverhältnis mehr als ein Jahr bestanden habe. Ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 02.09.2016 hinaus könne nicht festgestellt werden. Der Leistungsausschluss sei auch europarechtskonform. Ebenfalls sei eine Beiladung des Sozialhilfeträgers nicht geboten gewesen, da ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII nach der seit der 29.12.2016 geltenden Fassung ausgeschlossen sei. Zweifel an der Verfassungsgemäßheit bestünden nicht.

Gegen den Beschluss hat die Antragstellerin am 20.04.2017 Beschwerde eingelegt sowie einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Sie verfolgt ihr Begehren weiter. Als sie im Anschluss an ihre Arbeitsunfähigkeit bei dem Arbeitgeber vorgesprochen habe, sei ihr lediglich mündlich mitgeteilt worden, dass sie nicht mehr zu kommen brauche. Ihre Arbeitskraft habe sie im Anschluss dem Arbeitgeber nicht mehr angeboten. Sie sei mangels wirksamer Kündigung länger als zwölf Monate beschäftigt gewesen. Im Übrigen sei ein vollständiger Leistungsausschluss nicht mit der Verfassung vereinbar.

Der Antragsgegner verweist auf die den erstinstanzlichen Beschluss tragenden Gründe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsake sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Köln den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R und Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, jeweils juris).

Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtsuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Vorverlagerung der Entscheidung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen soll. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Eine solche besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist nur zu bejahen, wenn dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG Beschluss vom 16.05.1995, 1 BvR 1087/91).

Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) für Vornahmesachen dürfen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, SGb 2015, 175, m.w.N. und vom 06.02.2013, 1 BvR 2366/12, BVerfGK 20, 196). Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (BVerfG Beschluss vom 13.04.2010, 1 BvR 216/07, BVerfGE 126, 1 (27 f.), m.w.N.; vgl. zur Prüfungsdichte bei rechtlichen Fragen: BVerfG Beschluss vom 27.05.1998, 2 BvR 378/98, NVwZ-RR 1999, 217). Dabei ist eine weitergehende tatsächliche und rechtliche Prüfung des im Hauptsacheverfahrens geltend gemachten Anspruchs von Verfassungs wegen dann erforderlich, wenn dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Grundrechte droht, die durch eine nachträgliche Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG Beschluss vom 06.02.2013, 1 BvR 2366/12, a.a.O.). Ist einem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch auf den Regelbedarf gem. § 20 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Denn sie ist von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II werden Ausländerinnen und Ausländer einschließlich ihrer Familienangehörigen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung erfordert eine fiktive Prüfung des Grundes bzw. der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum bestehende Freizügigkeitsberechtigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), welches die Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern in nationales Recht umsetzt, oder eines Aufenthaltsrechts nach den gemäß § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU im Wege eines Günstigkeitsvergleichs anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein anderes materiell bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem Zweck der Arbeitsuche hindert sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts allein zum Zwecke der Arbeitsuche (vgl. z.B. BSG Urteile vom 03.12.2015, B 4 AS 43/15 R und vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R).

Ein anderes Aufenthaltsrecht als eines zum Zwecke der Arbeitsuche ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Antragstellerin sich nicht auf die Fortwirkung ihres Arbeitnehmerstatus gem. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU berufen.

Das Recht auf Einreise und Aufenthalt bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit.

Die Antragstellerin war in der Zeit vom 03.09.2015 bis zum 31.07.2016 - und damit weniger als ein Jahr - bei der B Service Group beschäftigt. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis nach nationalem Recht besteht, sondern ob eine Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird.

Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff wird europarechtlich nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff des Arbeitnehmers ein Begriff des Unionsrechts, der nicht eng auszulegen ist. Dabei definiert der EuGH den Arbeitnehmerbegriff anhand objektiver Kriterien, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dabei gilt als weitere einschränkende Voraussetzung, dass als Arbeitnehmer nur angesehen werden kann, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, die nicht einen so geringen Umfang hat, dass es sich um völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeiten handelt. Ohne Bedeutung ist die Art des Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber (Dienelt in Bergmann / Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 2 Rn. 38 ff.). Nach der Kasuistik des EuGH ist es erforderlich, dass eine tatsächliche Beschäftigung ausgeübt wird. Auch bei einem bestehenden Vertrag kann darauf abgestellt werden, dass, sofern eine Tätigkeit nicht ausgeübt wird, diese dann als untergeordnet und unwesentlich betrachtet werden kann (EuGH Urteil vom 26.02.1992, C 357/89 - Raulin).

Die Antragstellerin hat mit Ablauf des 31.07.2016 keine tatsächliche Beschäftigung mehr ausgeübt. Sowohl sie als auch ihr Arbeitgeber sind davon ausgegangen, dass eine Beschäftigung nicht mehr bestehen soll. Dies ergibt sich neben der mündlichen Mitteilung des Arbeitgebers gegenüber der Antragstellerin auch daraus, dass die Antragstellerin ihre Arbeitskraft nicht mehr angeboten hat. Sie ging somit selbst davon aus, dass sie nicht mehr der Weisung des Arbeitgebers unterfällt. Es fehlt somit an den Kriterien eines Über-/Unterordnungsverhältnisses sowie einer entsprechenden Vergütung. Insofern kann die Frage, ob die Kündigung wirksam zugegangen ist, dahinstehen.

Auf ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht gem. § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG kann sich die Antragstellerin ebenfalls nicht (mehr) berufen.

Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht auf Einreise und Aufenthalt während der Dauer von sechs Monaten unberührt.

Der Zeitraum von sechs Monaten ist vor dem hier streitigen Zeitraum abgelaufen. Wie dargestellt ist mit Ablauf des 31.07.2016 eine Beschäftigung im Sinne der Norm nicht festzustellen, so dass die Fortwirkung ab Februar 2017 nicht mehr besteht.

Weitere Aufenthaltsrechte sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen; der Senat macht sich diese nach eigener Prüfung zu eigen (vgl. § 142 Abs. 2 SGG). Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass Leistungen gem. § 23 Abs. 3 S. 3 - 6 SGB XII nicht im Rahmen des hier streitigen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu prüfen sind. Denn die Überbrückungsleistungen stellen ein "aliud" zum originären Leistungsantrag dar. Die Härtefallregelung knüpft nach Wortlaut und Systematik an die Gewährung von Überbrückungsleistungen an und erlaubt im Einzelfall ihre Modifizierung im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer der Leistungsgewährung. Ebenso können bei Vorliegen besonderer Umstände Bedarfe, die entstehen, soweit im Einzelfall eine Ausreise binnen eines Monats nicht möglich oder zumutbar ist, gedeckt werden. Es handelt sich bei der Härtefallregelung mithin um eine Bestimmung, die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreift, um im Einzelfall für einen begrenzten Zeitraum unzumutbare Härten zu vermeiden, nicht um eine Regelung, mit der ein dauerhafter Leistungsbezug ermöglicht wird (LSG NRW Beschluss vom 16.03.2017, L 19 AS 190/17 B ER; Bayerisches LSG Beschluss vom 24.04.2017, L 8 SO 77/17 B ER, a. A.: Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 23 SGB XII, Rn. 4.13). Zur Inanspruchnahme von Überbrückungsleistungen ist ein eigenständiger Antrag erforderlich (LSG NRW Beschluss vom 05.04.2017, L 9 SO 83/17 B). Im Übrigen begehrt die Antragstellerin keine solchen Leistungen, die einen Bedarf bis zu einer Ausreise decken sollen.

Der Leistungsausschluss ist auch nicht verfassungswidrig.

Der Ausschluss von Unionsbürgern ohne materielles Aufenthaltsrecht bzw. nur mit einem Recht zur Arbeitsuche von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bzw. Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gem. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar, das durch das BVerfG näher konturiert worden ist. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist als Gewährleistungsrecht von vornherein auf die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angelegt. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen gesetzlichen Leistungsanspruch eingelöst werden, der indes der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber bedarf. Das Gewährleistungsrecht bedingt nicht, dass existenzsichernde Leistungen voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten, und es fordert nicht, die gesetzliche Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Richtung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen zu entwickeln. Bei der Ausgestaltung des Grundrechts steht dem Gesetzgeber vielmehr ein Gestaltungsspielraum zu, innerhalb dessen er die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Gegenstand der Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Gewährleistungsrecht durch den Gesetzgeber sind nicht nur die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und das Verfahren ihrer Bemessung und Anpassung. Gegenstand können vielmehr auch Leistungsvoraussetzungen und -ausschlüsse, Leistungsminderungen und Leistungsmodalitäten sein. Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht bzw. nur mit einem Recht zur Arbeitsuche nicht gänzlich aus den existenzsichernden Leistungssystemen ausgeschlossen, sondern für diesen Personenkreis in § 23 Abs. 3 S. 3 - 6 SGB XII einen eigenständigen, differenziert ausgestalteten Anspruch auf Erhalt von existenzsichernden Leistungen, die in der Höhe und im zeitlichen Umfang von existenzsichernden Leistungen für Unionsbürger mit einem materiellen Aufenthaltsrecht abweichen, geschaffen. Die damit statuierte unterschiedliche Ausgestaltung der Leistungen zur Existenzsicherung von Unionsbürgern, die über ein materielles, auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht verfügen, und von Unionsbürgern, die über kein Aufenthaltsrecht bzw. ein zeitlich befristetes Aufenthaltsrecht, nämlich zur Arbeitsuche verfügen, kann im Hinblick auf den unterschiedlichen Aufenthaltsstatus dieser Personengruppen noch als sachlich gerechtfertigt angesehen werden (LSG NRW Beschluss vom 16.03.2017, L 19 AS 190/17 B ER; im Ergebnis ebenso: LSG NRW Beschluss vom 05.04.2017, L 9 SO 83/17 B ER; LSG Berlin Brandenburg Beschluss vom 13.02.2017, L 23 SO 30/17 B ER).

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die beantragte Prozesskostenhilfe liegen vor, §§ 73 a SGG i. V. m. 114, 119 Zivilprozessordnung (ZPO). Es kann dahinstehen, ob aus der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung des BVerfG Beschluss vom 14.02.2017, 1 BvR 2507/16, ein Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe folgt. Denn jedenfalls ist eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Hinblick auf die durchgeführten Ermittlungen von Amts wegen gegeben. Die Beschwerde ist auch nicht mutwillig. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen vor.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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