L 4 SO 57/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 28 SO 200/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 57/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 8/17 BH
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. März 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der beklagte Sozialhilfeträger für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuständig ist.

Die 1968 geborene Klägerin bezog bis August 2008 Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) von dem Beigeladenen. Anschließend erhielt sie vom Beklagten Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII, zuletzt aufgrund des Bescheids vom 17. Januar 2012 für den Monat Januar 2012, danach wurden die Leistungen in unveränderter Höhe stillschweigend bis einschließlich August 2012 weitergezahlt. Seit 1. September 2012 bezieht die Klägerin laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Beigeladenen.

Der betriebsmedizinische Dienst D. GmbH stellte bei Untersuchungen am 23. Februar 2010, 14. Februar 2011 und 16. Januar 2012 fest, dass die Klägerin weiterhin nicht erwerbsfähig im Sinne des SGB II sei. In seinem letzten Gutachten führte der untersuchende Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. aus, sie leide unter einer psychischen Erkrankung mit depressiver Stimmungslage sowie unter einer schmerzhaften Wirbelsäulenveränderung.

Im März 2012 stellte die Klägerin auf Veranlassung des Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII. Auf ein entsprechendes Ersuchen des Beklagten an die Deutsche Rentenversicherung Hessen nach § 45 Abs. 1 SGB XII teilte diese mit Schreiben vom 19. Juli 2012 mit, die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Dem lag ein Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes vom 12. Juli 2012 zugrunde, worin die Diagnosen einer Dysthymie, einer schmerzhaften Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule, eines Asthma bronchiale und einer Migräne gestellt wurden. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.

Der Beklagte lehnte daraufhin die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB XII ab September 2012 durch Bescheid vom 31. Juli 2012 ab. Die Klägerin sei erwerbsfähig und daher dem Kreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II zuzuordnen.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 7. August 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung reichte sie eine Bescheinigung des Trauma- und Opferzentrums X. e.V. vom 29. Februar 2012 ein, worin die Psychotherapeutin Dr. E. ihr attestierte, dass von einer baldigen Arbeitsfähigkeit nicht auszugehen sei. Weiter legte sie ein Attest ihres Hausarztes Dr. F. vom 9. August 2012 vor, wonach sie unter Depressionen leide und weiter arbeitsunfähig sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2012 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, er sei an die Feststellungen des Rentenversicherungsträgers zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin gebunden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 4. Oktober 2012 Klage beim Sozialgericht Darmstadt mit dem Antrag, den Bescheid vorn 31. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr weiterhin Leistungen der Sozialhilfe zu gewähren.

Sie trug vor, sie sei aufgrund massiver gesundheitlicher Einschränkungen nicht in der Lage, auch nur annähernd mindestens drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Dies ergebe sich insbesondere aus ihren psychiatrischen Leiden, die mangels Therapieplatz bislang noch nicht ausreichend hätten behandelt werden können. Sie legte insbesondere verschiedene Berichte des Hausarztes Dr. F. vor, der ihr eine posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen und eine somatoforme Schmerzstörung attestierte. Ebenfalls reichte sie einen Bericht der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. vom 12. November 2012 ein, die ihr aufgrund der vorgenannten Leiden "bis auf weiteres keine Leistungsfähigkeit" bescheinigte.

Das Sozialgericht holte Befundberichte beim Trauma- und Opferzentrum X. vom 20. März 2013, bei Dr. G. vom 30. April 2013 und bei dem Chirurgen Dr. H. vom 26. April 2013 ein. Das Sozialgericht erhob weiter Beweis durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. vom 30. September 2013. Danach bestehe bei der Klägerin eine Agoraphobie mit Panikstörung, eine Dysthymie sowie eine auffällige Persönlichkeitsstruktur, die Klägerin sei jedoch zumindest sechs Stunden arbeitstäglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig. Die Klägerin beanstandete das Gutachten der Sachverständigen in vielfacher Hinsicht. Insofern wird wegen der Einzelheiten auf dem Schriftsatz vom 18. März 2014 Bezug genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. März 2014 wies das Sozialgericht die Klage als unbegründet ab. Der Bescheid vom 31. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2012 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf (Weiter-) Gewährung von Leistungen nach dem 3. oder 4. Kapitel SGB XII. Nach den Feststellungen im Gerichtsverfahren sei davon auszugehen, dass die Klägerin erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II sei. Dabei stütze sich das Gericht in erster Linie auf das neurologisch-psychiatrische Gutachten der Sachverständigen Dr. C. vom 30. September 2013. Das Gutachten sei nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die erhobenen Befunde würden nachvollziehbar dargelegt und hieraus die sozialmedizinische Bewertungen überzeugend hergeleitet. Die Gutachterin habe die vorherigen medizinischen Unterlagen in ihrem Gutachten verwertet und bei der Feststellung und Beurteilung des Restleistungsvermögens der Klägerin berücksichtigt. Das Gericht sehe insbesondere keine Notwendigkeit, wegen der von der Klägerseite gerügten Mängel eine weitere Begutachtung zu veranlassen. Die von der Klägerin geltend gemachten Fehler in der Sachverhaltswiedergabe durch die Sachverständige seien bereits ihrer Art nach nicht dazu geeignet, sich auf die Einschätzung des Leistungsvermögens auszuwirken. Auch sei es aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen der Beurteilung des Restleistungsvermögens die Beschwerdeschilderung der Klägerin mit einbezogen werde, solange diese Schilderung nicht die eigenständige Beurteilung durch die Sachverständige ersetze, was hier nicht der Fall sei. Die genaue Bezeichnung des Programmes, an der die Klägerin zur Bewältigung ihrer psychischen Leiden teilnehmen wolle, erscheine ebenfalls nicht ergebnisrelevant. Auch könne das Gericht nicht erkennen, woraus sich eine mangelnde Neutralität der Sachverständigen ergeben sollte. Die Ausführungen der Sachverständigen machten auf das Gericht einen ausgesprochen sachlichen Eindruck, auch wenn die Inhalte für die Klägerin verständlicherweise nicht immer erfreulich seien. Einen Befangenheitsantrag gegen die Sachverständige habe die Klägerin auch nicht gestellt. Die angewandten Untersuchungsmethoden (strukturiertes Interview, d2-Test) ergäben sich direkt aus dem Gutachten. Eine Abklärung des Geruchsvermögens der Klägerin erscheine verzichtbar, da sich eine Leistungseinschränkung in ihrem Fall offensichtlich nur aus psychiatrischen Beeinträchtigungen habe ergeben können. Ob bei der Klägerin eine "auffällige Persönlichkeitsstruktur" vorliege, sei letztlich unerheblich, da hieraus ohnehin keine Aufhebung des Leistungsvermögens abgeleitet werde. Das Gericht könne schließlich die Ausführungen der Sachverständigen, wonach der Anlass für eine posttraumatische Belastungsstörung unklar sei und deshalb keine dahingehende Diagnose gestellt werden könne, durchaus nachvollziehen. Die von der Klägerin eingereichten Berichte ihres Hausarztes sowie der behandelnden Psychiaterin Dr. G. und des Trauma- und Opferzentrums widerlegten das Gerichtsgutachten nicht. Zwar werde dort von einer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bzw. Aufhebung des Leistungsvermögens gesprochen. Jedoch werde nicht hinreichend dargelegt, aus welcher Symptomatik dies konkret folgen solle. Auch bleibe danach unklar, ob die Klägerin nicht zumindest in der Lage wäre, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im zeitlichen Umfang von mindestens drei Stunden täglich zu verrichten.

Gegen den ihr am 24. März 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15. April 2014 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen Dr. C. vom 16. Oktober 2014 und vom 17. März 2015 zu den Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten vom 30. September 2013. Mit Beschluss vom 18. Januar 2017 hat der Senat den SGB II-Leistungsträger beigeladen.

Die Klägerin macht unter Vorlage eines Attests der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie G. vom 16. Mai 2014 und einer Bescheinigung der Diplom-Psychologin J. Trauma- und Opferzentrum X. e. V. vom 12. Juni 2014 geltend, sie sei leistungsberechtigt nach dem SGB XII und nicht nach dem SGB II. Das Sozialgericht habe nicht einfach über die Einwendungen gegen das Gutachten von Frau Dr. C. hinweggehen dürfen, es seien Fehler in der Sachverhaltswiedergabe, Mängel der Form und Mängel in der Beurteilung aufgezeigt worden. Das Gutachten habe lediglich Vermutungen aufgestellt. Das Sozialgericht habe übersehen, dass die Beeinträchtigung des Geruchssinns auch parallel zu einer hiermit verknüpften Beeinträchtigung der Psyche bestehen könne. Der Verlust des Geruchssinns könne psychische Folgen haben, überdies könnten Erkrankungen sowohl die Psyche als auch den Geruchssinn betreffen. Eine Abklärung des Riechvermögens sei somit geboten gewesen. Des Weiteren hätten sich weder das Sozialgericht noch die Sachverständige mit ihrer seit September 2012 fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit auseinandergesetzt. Nach der Bescheinigung des Trauma- und Opferzentrum X. e. V. vom 12. Juni 2014 bestehe als Ergebnis des SKID-II-Interviews eine Postraumatische Belastungsstörung. Das Gutachten sei damit widerlegt. Wenn es bereits Diagnosen falsch stelle oder nicht einbeziehe, sei es nicht geeignet, eine Aussage über das Leistungsvermögen zu treffen. Die Sachverständige übersehe, dass erwerbsgemindert auch sei, wer den Weg zur Arbeit nicht mehr zurücklegen könne. Anhaltspunkte auf ein bei ihr – der Klägerin – gegebenes Unvermögen sei nicht nur die teilremittierte Agoraphobie, vielmehr könne auch die Panikstörung sowie die Dysthymia Auswirkungen auf ihre Wegefähigkeit haben. Die fehlende Angabe der Diagnosen Wirbelgleiten und Spondylolisthese schmälere den Gutachtenwert, weil die Verneinung von Komorbiditäten nicht im Hinblick auf den gesamten Akteninhalt erklärt worden seien.

Hinsichtlich der weiteren Einwendungen gegen das Gutachten bzw. die ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 15. Januar 2015, 20. April 2015, 24. Juni 2015 und 20. August 2015 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. März 2014 und den Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. September 2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch über den 31. August 2012 hinaus zuständig ist.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die von der Klägerin weiter vorgelegten Unterlagen böten keine Grundlage für eine vom angegriffenen Gerichtsbescheid abweichende Entscheidung. Die Klägerin versuche, bestimmte Aussagen in die Ausführungen der Gutachterin hineinzudeuten, um eine Unsachlichkeit der Begutachtung zu begründen. Die Gutachterin habe die seitens der Klägerin genannten Belastungssituationen und belastenden Erfahrungen auf eine Einstufung als Trauma im Sinne des Diagnosekriteriums für eine PTBS untersucht und hieraus ihre Schlüsse gezogen. Der Ausschluss der PTBS als Diagnose bei der Klägerin sei daher nachvollziehbar begründet. Eine Berücksichtigung der Auswirkungen der Dysthymia sei seitens der Gutachterin erfolgt. Sie habe nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens eine ärztliche Begutachtung der Klägerin nicht in Auftrag gegeben und die Klägerin nicht zur Vorlage von ärztlichen Unterlagen sowie einer Schweigepflichtentbindungserklärung aufgefordert. Da der Klägerin ab 1. September 2012 Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden seien, handele es sich hierbei vermutlich um Ermittlungen des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. September 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die hiergegen gerichtete Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da sich das Begehren der Klägerin auf die Kassation des Bescheids vom 31. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. September 2012 und die Feststellung richtet, das der beklagte Sozialhilfeträger zur Gewährung von lebensunterhaltssichernden Leistungen zuständig ist. Der Vorrang der (kombinierten Anfechtungs- und) Leistungsklage steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen, da die Klägerin für eine auf die Gewährung von lebensunterhaltssichernden Leistungen gerichtete Klage kein Rechtsschutzbedürfnis hat. Denn sie bezieht seit 1. Dezember 2012 Leistungen nach dem SGB II von der Beigeladenen in gleicher Höhe wie die von ihr begehrten Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII, der Anspruch der Klägerin auf lebensunterhaltssichernde Leistungen gilt daher nach § 107 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - als erfüllt, wenn der unzuständige Leistungsträger geleistet hat. Weiterhin geht der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auch nicht die Klage nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGG auf Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist, im Wege der Spezialität vor, da es sich weder bei dem Beklagten noch bei der Beigeladenen um einen Träger der Sozialversicherung handelt. Für die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage besteht auch ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin. In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass einer Klage auf Feststellung der Zuständigkeit eines Leistungsträgers (auch bei gleich hohen Leistungen) ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 16/07 R –, BSGE 99, 88-94, SozR 4-4200 § 7 Nr 7, Rn. 12, zitiert nach juris, Urteil vom 19. September 2002 – B 1 KR 11/02 R, juris Rn. 14), wobei hierfür die an die Feststellung der Zuständigkeit geknüpften Fernwirkungen ausreichen (BSG, Urteil vom 19. September 2002 – B 1 KR 11/02 R, a. a. O), wie sie sich etwa aus der Verpflichtung zur Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit (§ 16d SGB II) oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses (§ 16e SGB II) ergeben, belastenden Maßnahmen, die beim Leistungsbezug nach dem SGB XII nicht erfolgen.

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die Klägerin gehört nicht zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB XII. Zuständig für die Leistungsgewährung ist daher nicht der Beklagte als Träger der Sozialhilfe. Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige leistungsberechtigt sind, erhalten keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 21 Satz 1 SGB XII).

Die Klägerin ist erwerbsfähig nach § 8 Abs. 1 SGB II. Erwerbfähig ist danach, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats vor. Dabei stützt sich der Senat auf das bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. vom 30. September 2013, nach dessen schlüssigen und nachvollziehbaren Ergebnis die Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet an Agoraphobie mit Panikstörung, Dysthymia, einer auffälligen Persönlichkeitsstruktur sowie Migräne mit Aura leidet. Trotz dieser Gesundheitsstörungen ist die Klägerin leistungsfähig für mindestens sechs Stunden arbeitstäglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wobei Einschränkungen hinsichtlich der besonderen Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, an besondere nervliche Belastungen und hinsichtlich besonderer Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und besonderem Zeitdruck bestehen.

Die Beurteilung des Leistungsvermögens ist schlüssig und nachvollziehbar aus den während der Begutachtung erhobenen Befunden von der Sachverständigen abgeleitet worden, der neurologische Befund war normal und auch der beschriebene psychiatrische Befund plausibilisiert das von der Sachverständigen gefundene Ergebnis. Es ist für den Senat nachvollziehbar, dass die Klägerin bei indifferenter Stimmungslage mit eher etwas zum positiven Pol verschobener affektiver Schwingungsfähigkeit bei normalem Antrieb, fehlenden Anzeichen von Vermeidungsverhalten bei der Thematisierung traumatisierender Erfahrungen und Hinweisen auf lediglich leichte Konzentrationsstörungen noch mindestens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein kann. Die von der Klägerin beschriebenen Panikattacken – vor allem beim Autofahren und Einkaufen – und ein nicht wesentlicher sozialer Rückzug stehen dem von der Sachverständigen festgestellten Restleistungsvermögen nicht entgegen.

Die von der Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 15. Januar 2015, 20. April 2015, 24. Juni 2015, 20. August 2015 und bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 18. März 2014 erhobenen Einwendungen sind dagegen nicht geeignet, die von der Sachverständigen abgegebene Leistungsbeurteilung wesentlich zu erschüttern.

Dabei ist die von der Klägerin geltend gemachte Kritik gegen die Sachverhaltsdarstellung im Gutachten vom 30. September 2013 durch die ergänzenden Stellungnahmen der Gerichtssachverständigen Dr. K. widerlegt bzw. aufgeklärt, wie vermeintliche Widersprüche in der Darstellung entstanden sind.

Auch die Beanstandungen der Klägerin hinsichtlich der Form des Gutachtens sind nicht haltbar. So hat die Sachverständige nachvollziehbar dargestellt, dass es während der dreieinhaltstündigen mündlichen Exploration nicht zu einer Toilettenpause gekommen ist, diese allenfalls in der Pause zwischen der Exploration und der körperlichen Untersuchung stattgefunden habe. Relevant ist indessen ohnehin lediglich, dass die Sachverständige über einen normalen, gelegentlichen Wechsel der Körperhaltung hinaus während dieser Zeit keinen – verbalen oder nonverbalen – Ausdruck von Schmerz bei der Klägerin feststellen konnte. Ebenso erklärt die Sachverständige das Fehlen einer Feststellung über Schwellungen der Fingergelenke schlüssig damit, dass diese nicht im Sinne einer vermehrten Flüssigkeitseinlagerung vorgelegen haben, sondern vielmehr eine – im Gutachten beschriebene – Verdickung der proximalen Interphalangealgelenke an beiden Händen bestand. Ein - von der Klägerin insoweit geltend gemachter - Widerspruch vermag der Senat hier nicht zu erkennen, da die Sachverständige nachvollziehbar den medizinischen Unterschied zwischen Schwellungen und Verdickungen erklärt. Die bei der Begutachtung zugrunde gelegten Untersuchungsmethoden ergeben sich zunächst aus dem Gutachten selbst und werden darüber hinaus in der ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen vom 16. Oktober 2014 noch einmal bezeichnet, Kern der gutachterlichen Untersuchung war das klinische Interview, was nicht zu beanstanden ist. Soweit das Fehlen einer Prüfung des Geruchsvermögens bei der Begutachtung gerügt wird, hat die Sachverständige dieses Manko eingeräumt, jedoch in der ergänzenden Stellungnahme vom 16. Oktober 2004 nachvollziehbar erläutert, dass dies für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit bei der Klägerin nicht relevant ist, da es keinen Anhalt für das Vorliegen einer solchen Gesundheitsstörung der Klägerin gab. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Kritik an dem Gutachten indessen auch nicht behauptet, an einer Störung des Geruchssinns zu leiden oder infolge einer Beeinträchtigung des Geruchssinns an einer psychischen Störung.

Soweit die Klägerin weiterhin rügt, dass die Sachverständige eine in ärztlichen Unterlagen aus dem Jahr 2011 dokumentierte Hörminderung nur in der Darstellung der Aktenlage, nicht aber bei der Schilderung der Psychotherapie-Sitzungen im Rahmen der medizinischen Beurteilung erwähnt, weist die Sachverständige in der ergänzenden Stellungnahme vom 17. März 2015 zutreffend darauf hin, dass für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit aktuellen Befunde und nicht bereits - vor dem streitgegenständlichen Zeitraum - ausgeheilte Krankheiten von Bedeutung sind.

Das Ergebnis des Gutachtens ist weiterhin entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht dadurch widerlegt, dass die Sachverständige – im Unterschied zu der im Trauma- und Opferzentrum X. e. V. tätigen Diplom-Psychologin J. nach deren Bescheinigung vom 12. Juni 2014 – nicht von dem Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bei der Klägerin ausgeht. Entgegen den Ausführungen der Klägerin hat die Sachverständige es nicht etwa unterlassen, diese Diagnose in ihr Gutachten mit einzubeziehen, sondern vielmehr hat sie bereits im ursprünglichen Gutachten und auch in den vom Senat zweitinstanzlich eingeholten ergänzenden Stellungnahmen ausführlich und im Übrigen auch gut nachvollziehbar begründet, dass sie das Vorliegen einer PTBS nicht bestätigen kann, weil das zur Diagnosestellung nach dem – auch in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zum Krankheitsnachweis geforderten - Standard (des ICD-10 bzw. DSM-IV) C-Kriterium (Vermeidungsverhalten) nicht vorlag. Damit ist nach der Darstellung des Sachverständigen die Vermeidung bewusster Erinnerungen an das (traumatisierende) Ereignis und traumabezogener Orte und Situationen gemeint. Allein die Tatsache, dass die Klägerin den traumabezogenen Ort meidet, wertet die Sachverständige, da einziges Zeichen des Vermeidungsverhaltens, als nicht ausreichend für das Vorliegen der Diagnose PTBS. Es fehle das Vermeiden bewusster Erinnerungen an das Ereignis oder an weitere traumabezogene Situationen oder Orte. Bei der Begutachtung habe die Klägerin sich gut an das traumatische Erlebnis erinnern und davon berichten können und habe die Erinnerung eben nicht vermieden, wobei es nicht zu einem Wiedererleben des Traumas (B-Kriterium) gekommen sein, vegetative Symptome, spürbare heftige innere Erregung oder eine Unterbrechung des Blickkontakts, veränderte Stimmlage und auch deutlich fühlbaren Leidensdruck fehlten. Schließlich fehlte auch das D-Kriterium, da die Sachverständige keine Hyperarousal, also keine übermäßige Erregtheit oder Schreckreaktion feststellen konnte.

Selbst wenn jedoch entgegen der Auffassung der Sachverständigen gleichwohl bei der Klägerin eine PTBS bestehen würde, ist darauf hinzuweisen, dass maßgeblich für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit nicht die Bezeichnung einer Krankheit oder Behinderung ist, sondern vielmehr die sich aus ihr ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen mit Auswirkungen auf das (Rest-) Leistungsvermögens des Betroffenen. Solche maßgeblichen Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens werden in dem Gutachten – wie ausgeführt – ebenso wenig beschrieben wie im Übrigen in der Bescheinigung des Trauma- und Opferzentrums X. e. V. vom 12. Juni 2014. Auch dem Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie G. vom 16. Mai 2014 sind keine Funktionsstörungen zu entnehmen, die auf eine erhebliche Verminderung der Erwerbsfähigkeit hindeuten könnten, denn das Attest trifft lediglich Aussagen zur Vernehmungsfähigkeit der Klägerin als Zeugin in einem Strafverfahren.

Soweit die Klägerin weiterhin beanstandet, dass die Sachverständige übersehen habe, dass erwerbsgemindert auch sei, wer den Weg zur Arbeit nicht mehr zurücklegen könne, verkennt sie, dass Frau Dr. C. hier eine eindeutige Beurteilung abgibt und dabei von der erhaltenen Wegefähigkeit ausgeht, was angesichts des Umstands, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben während der Begutachtung Spaziergänge mit ihren Hunden unternehmen kann und Fahrrad fährt, auch nachvollziehbar ist. Mögen psychische Erkrankungen der Art, wie sie die Sachverständige bei der Klägerin diagnostiziert auch grundsätzlich geeignet sein, die Wegefähigkeit zu beeinträchtigen, ist festzuhalten, dass die Klägerin selbst gar nicht geltend macht, in der Fähigkeit, Wege von und zur Arbeit zurückzulegen, beeinträchtigt zu sein.

Auch soweit die Klägerin darauf hinweist, dass sie bereits seit September 2012 durchgängig arbeitsunfähig sei, steht dies der Überzeugungsbildung des Senats auf der Grundlage des Gutachtens nach alledem selbst dann nicht entgegen, wenn davon auszugehen wäre, dass im Falle der nicht erwerbstätigen Klägerin die Rechtsbegriffe Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung eine identische Bedeutung haben. Denn die in den jeweiligen Bescheinigungen nicht näher begründete Arbeitsunfähigkeit ist nicht geeignet, die im Rahmen der Begutachtung widerspruchsfrei und nachvollziehbar ableitbare Leistungsbeurteilung in Zweifel zu ziehen.

Des Weiteren war der Senat aufgrund des Vorbringens der Klägerin nach alledem auch nicht gehalten, von Amts wegen weiteren Beweis zu erheben. Dies gilt insbesondere, weil seit der Begutachtung durch die Gerichtssachverständige keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin erkennbar sind oder von der Klägerin geltend gemacht wurden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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