Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 42 SB 2051/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 30/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2017 geändert und der Beklagte unter Änderung seines Bescheides vom 29. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2015 und des Bescheides vom 13. Juli 2016 verpflichtet, bei dem Kläger das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches mit Merkzeichen G bereits ab September 2014 festzustellen. Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens in vollem Umfang zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1953 geborene Kläger begehrt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G, wobei der Streitgegenstand nach dem mit Bescheid vom 13. Juli 2016 ausgeführten Teilanerkenntnis des Beklagten sich nunmehr noch auf den Zeitraum von Antragstellung bis zum 14. April 2016 einschließlich bezieht.
Am 25. September 2014 beantragte der Kläger die Feststellung eines GdB und des Merkzeichens G und gab hierzu an, er leide unter Schlafapnoe, Diabetes Typ II, Bluthochdruck, Thrombose im linken Bein und Krampfadern sowie psychischen Störungen. Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte und Beteiligung seines eigenen ärztlichen Dienstes stellte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2015 beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest, lehnte jedoch die Feststellung von Merkzeichen ab. Als Funktionsbeeinträchtigungen stellte er fest: seelische Störung, Schlafapnoe-Syndrom, chronische venöse Insuffizienz (Krampfaderleiden) des Beines, postthrombotisches Syndrom bei Gerinnungsstörung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie Bluthochdruck bei Adipositas per magna. Auf den Widerspruch des Klägers und einen Neufeststellungsantrag zog der Beklagte weitere medizinische Unterlagen bei und beteiligte seinen ärztlichen Dienst erneut und half dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2015 insoweit ab, als er mit Wirkung vom 5. Februar 2015 den GdB auf 70 hochsetzte. Maßgeblich hierfür war das Hinzutreten einer Enddarmerkrankung in Heilungsbewährung. Im Übrigen wies er den Widerspruch indes zurück.
Mit der am 11. Mai 2015 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Allgemeinmedizin und Dipl. Psych. B, der den Kläger am 9. April 2016 untersucht hat und in seinem Gutachten vom 15. April 2016 zu der Einschätzung gelangt ist, der Gang des Klägers sei als kleinschrittig und unsicher zu bezeichnen. Auf seine Gehfähigkeit wirkten sich eine Polyneuropathie, diabetische Füße, ein Unterschenkel-Ödem und Übergewicht aus, wobei der mobilitätsbedingte GdB auf 50 bis 60 einzuschätzen sei. Dieser Zustand bestehe seit November 2015. Zu diesem Zeitpunkt sei es nach einer Endgliedresektion zu einer deutlichen Verschlechterung der Gehfähigkeit gekommen. Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2016 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass er ab April 2016 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G feststellen werde.
Außerhalb des Streitgegenstandes schätzte der Beklagte nunmehr den Gesamt-GdB mit 80 ein. Mit Bescheid vom 14. Juli 2016 stellte er in Ausführung seines Teilanerkenntnisses fest, dass seit dem 15. April 2016 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G vorlagen. Zugleich setzte er mit Wirkung vom 27. März 2015 den Gesamt-GdB auf 80 hoch.
Der Kläger hat das Teilanerkenntnis nicht angenommen und ist weiter der Ansicht, das Merkzeichen G sei bereits ab Antragstellung zuzuerkennen. Mit Gerichtsbescheid vom 13. Januar 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und eine Kostenerstattung ausgeschlossen. Zur Begründung hat es ausgeführt, soweit die Klage den Zeitraum ab dem 15. April 2016 betreffe, sei sie unzulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis nach Ausführung des nicht angenommenen Teilanerkenntnisses mit Bescheid vom 13. Juli 2016 nicht mehr bestehe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Zwar habe der Sachverständige in seinem Gutachten den Eintritt der Verschlechterung im Gehvermögen auf November 2015 datiert, doch könne dem nach Auffassung des Gerichts nicht gefolgt werden. Insoweit liege lediglich die Epikrise des St. H-Krankenhauses vom 20. November 2015 über die knöcherne Endgliedresektion vom 18. November 2015 vor. Aus der Epikrise ergebe sich, dass der Kläger mobilisiert in der Ebene und beim Treppensteigen entlassen worden sei und den Wunsch gehabt habe, bei ungeschlossenen Wundverhältnissen ab dem 1. Dezember 2015 zu verreisen. Dies spreche gegen die Zuerkennung des Merkzeichens G bereits ab diesem Zeitpunkt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid Bezug genommen.
Gegen den ihm am 19. Januar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 3. Februar 2017 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er macht geltend, er habe einen Anspruch auch auf weiter rückwirkende Anerkennung des Merkzeichens G. Insoweit fehle ihm auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da er Schadenersatzansprüche wegen entgangener Vorteile geltend machen könne. Beispielsweise betreffe dies die Kraftfahrzeugsteuer, Kosten für Nahverkehrsmittel, aber auch einen Mehrbedarf bei der Grundsicherung, der rückwirkend zu gewähren sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 29. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2015 in der Gestalt des Bescheides vom 13. Juli 2016 zu verpflichten, bei ihm das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches mit Merkzeichen G auch von September 2014 bis einschließlich 14. April 2016 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G bereits ab September 2014.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G sind §§ 145 Abs. 1 S. 1, 146 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 69 Abs. 1 und 4 Sozialgesetzbuch / Neuntes Buch (SGB IX). Gemäß § 145 Abs. 1 S. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr i.S. des § 147 Abs. 1 SGB IX. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 S. 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Das Gesetz fordert in § 145 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 1 S. 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken. Hinsichtlich des Umfanges der Einschränkung des Gehvermögens hat die Rechtsprechung einen auch durch den Senat angewandten Maßstab entwickelt, wonach zur Inanspruchnahme des Merkzeichens berechtigt ist, wer eine Wegstrecke von etwa 2.000 Metern nicht innerhalb von etwa 30 Minuten zurückzulegen vermag.
Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger nach Überzeugung des Senates bereits im September 2014 vor. So hat der in erster Instanz tätige Sachverständige in Auswertung von Behandlungsunterlagen die Einschätzung gewonnen, die erhebliche Gehverschlechterung beim Kläger sei jedenfalls ab November 2015 anzunehmen. Insoweit ist seinem Gutachten die Epikrise des St. H-Krankenhauses vom 20. November 2015 über einen dortigen Aufenthalt des Klägers vom 9. November bis zum 23. November 2015 beigefügt gewesen. Aus dieser ergibt sich, dass beim Kläger ein infiziertes diabetisches Fußsyndrom vorgelegen habe. Der Kläger sei mit septischem Krankheitsbild infolge einer massiv geschwollenen und geröteten Groß Zehe rechts eingeliefert worden und zunächst antibiotisch behandelt worden. Im Rahmen eines MRT habe sich ein ausgeprägt destruierender Prozess im Bereich des Großzehenendgliedes gezeigt. Am 18. November 2015 sei eine Resektion des Endgliedes vorgenommen worden. Der Kläger sei bei weiterer Erforderlichkeit langfristiger Antibiotika-Therapie auf der Ebene und zum Treppensteigen mobilisiert worden. Bei dieser Sachlage gegen Ende November 2015 und der auch durch den Beklagten nicht in Frage gestellten Situation anlässlich der Untersuchung durch den Sachverständigen im April 2016 kann nicht davon ausgegangen werden, dass zwischenzeitlich eine erhebliche Verbesserung des Gehvermögens des Klägers bestanden habe. Insbesondere ist mit der Formulierung der Epikrise zur Mobilisierung des Klägers auf der Ebene keine Feststellung zur Gehfähigkeit über eine Strecke von 2000 Metern verbunden. Vielmehr ergibt eine Zusammenschau der Situation anlässlich der Untersuchung durch den Sachverständigen im April 2016, der weniger als ein halbes Jahr davor im November 2015 bestehenden Notwendigkeit zur Teilentfernung der Groß Zehe und dem Bericht der Reha-Klinik über den dortigen Aufenthalt des Klägers von August bis Oktober 2014, wonach seinerzeit der Kläger bereits unter einem diabetischen Fuß gelitten habe und bei der Zurücklegung längerer Wegstrecken "deutlich eingeschränkt" sei, dass die hier relevante Wegstreckenlimitierung beim Kläger bereits bei Antragstellung bestanden hat und seither durch Behandlungsmaßnahmen allenfalls eine Verbesserung der Situation eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Der 1953 geborene Kläger begehrt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G, wobei der Streitgegenstand nach dem mit Bescheid vom 13. Juli 2016 ausgeführten Teilanerkenntnis des Beklagten sich nunmehr noch auf den Zeitraum von Antragstellung bis zum 14. April 2016 einschließlich bezieht.
Am 25. September 2014 beantragte der Kläger die Feststellung eines GdB und des Merkzeichens G und gab hierzu an, er leide unter Schlafapnoe, Diabetes Typ II, Bluthochdruck, Thrombose im linken Bein und Krampfadern sowie psychischen Störungen. Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte und Beteiligung seines eigenen ärztlichen Dienstes stellte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2015 beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest, lehnte jedoch die Feststellung von Merkzeichen ab. Als Funktionsbeeinträchtigungen stellte er fest: seelische Störung, Schlafapnoe-Syndrom, chronische venöse Insuffizienz (Krampfaderleiden) des Beines, postthrombotisches Syndrom bei Gerinnungsstörung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie Bluthochdruck bei Adipositas per magna. Auf den Widerspruch des Klägers und einen Neufeststellungsantrag zog der Beklagte weitere medizinische Unterlagen bei und beteiligte seinen ärztlichen Dienst erneut und half dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2015 insoweit ab, als er mit Wirkung vom 5. Februar 2015 den GdB auf 70 hochsetzte. Maßgeblich hierfür war das Hinzutreten einer Enddarmerkrankung in Heilungsbewährung. Im Übrigen wies er den Widerspruch indes zurück.
Mit der am 11. Mai 2015 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Allgemeinmedizin und Dipl. Psych. B, der den Kläger am 9. April 2016 untersucht hat und in seinem Gutachten vom 15. April 2016 zu der Einschätzung gelangt ist, der Gang des Klägers sei als kleinschrittig und unsicher zu bezeichnen. Auf seine Gehfähigkeit wirkten sich eine Polyneuropathie, diabetische Füße, ein Unterschenkel-Ödem und Übergewicht aus, wobei der mobilitätsbedingte GdB auf 50 bis 60 einzuschätzen sei. Dieser Zustand bestehe seit November 2015. Zu diesem Zeitpunkt sei es nach einer Endgliedresektion zu einer deutlichen Verschlechterung der Gehfähigkeit gekommen. Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2016 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass er ab April 2016 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G feststellen werde.
Außerhalb des Streitgegenstandes schätzte der Beklagte nunmehr den Gesamt-GdB mit 80 ein. Mit Bescheid vom 14. Juli 2016 stellte er in Ausführung seines Teilanerkenntnisses fest, dass seit dem 15. April 2016 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G vorlagen. Zugleich setzte er mit Wirkung vom 27. März 2015 den Gesamt-GdB auf 80 hoch.
Der Kläger hat das Teilanerkenntnis nicht angenommen und ist weiter der Ansicht, das Merkzeichen G sei bereits ab Antragstellung zuzuerkennen. Mit Gerichtsbescheid vom 13. Januar 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und eine Kostenerstattung ausgeschlossen. Zur Begründung hat es ausgeführt, soweit die Klage den Zeitraum ab dem 15. April 2016 betreffe, sei sie unzulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis nach Ausführung des nicht angenommenen Teilanerkenntnisses mit Bescheid vom 13. Juli 2016 nicht mehr bestehe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Zwar habe der Sachverständige in seinem Gutachten den Eintritt der Verschlechterung im Gehvermögen auf November 2015 datiert, doch könne dem nach Auffassung des Gerichts nicht gefolgt werden. Insoweit liege lediglich die Epikrise des St. H-Krankenhauses vom 20. November 2015 über die knöcherne Endgliedresektion vom 18. November 2015 vor. Aus der Epikrise ergebe sich, dass der Kläger mobilisiert in der Ebene und beim Treppensteigen entlassen worden sei und den Wunsch gehabt habe, bei ungeschlossenen Wundverhältnissen ab dem 1. Dezember 2015 zu verreisen. Dies spreche gegen die Zuerkennung des Merkzeichens G bereits ab diesem Zeitpunkt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid Bezug genommen.
Gegen den ihm am 19. Januar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 3. Februar 2017 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er macht geltend, er habe einen Anspruch auch auf weiter rückwirkende Anerkennung des Merkzeichens G. Insoweit fehle ihm auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da er Schadenersatzansprüche wegen entgangener Vorteile geltend machen könne. Beispielsweise betreffe dies die Kraftfahrzeugsteuer, Kosten für Nahverkehrsmittel, aber auch einen Mehrbedarf bei der Grundsicherung, der rückwirkend zu gewähren sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 29. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2015 in der Gestalt des Bescheides vom 13. Juli 2016 zu verpflichten, bei ihm das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches mit Merkzeichen G auch von September 2014 bis einschließlich 14. April 2016 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G bereits ab September 2014.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G sind §§ 145 Abs. 1 S. 1, 146 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 69 Abs. 1 und 4 Sozialgesetzbuch / Neuntes Buch (SGB IX). Gemäß § 145 Abs. 1 S. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr i.S. des § 147 Abs. 1 SGB IX. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach § 146 Abs. 1 S. 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Das Gesetz fordert in § 145 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 1 S. 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken. Hinsichtlich des Umfanges der Einschränkung des Gehvermögens hat die Rechtsprechung einen auch durch den Senat angewandten Maßstab entwickelt, wonach zur Inanspruchnahme des Merkzeichens berechtigt ist, wer eine Wegstrecke von etwa 2.000 Metern nicht innerhalb von etwa 30 Minuten zurückzulegen vermag.
Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger nach Überzeugung des Senates bereits im September 2014 vor. So hat der in erster Instanz tätige Sachverständige in Auswertung von Behandlungsunterlagen die Einschätzung gewonnen, die erhebliche Gehverschlechterung beim Kläger sei jedenfalls ab November 2015 anzunehmen. Insoweit ist seinem Gutachten die Epikrise des St. H-Krankenhauses vom 20. November 2015 über einen dortigen Aufenthalt des Klägers vom 9. November bis zum 23. November 2015 beigefügt gewesen. Aus dieser ergibt sich, dass beim Kläger ein infiziertes diabetisches Fußsyndrom vorgelegen habe. Der Kläger sei mit septischem Krankheitsbild infolge einer massiv geschwollenen und geröteten Groß Zehe rechts eingeliefert worden und zunächst antibiotisch behandelt worden. Im Rahmen eines MRT habe sich ein ausgeprägt destruierender Prozess im Bereich des Großzehenendgliedes gezeigt. Am 18. November 2015 sei eine Resektion des Endgliedes vorgenommen worden. Der Kläger sei bei weiterer Erforderlichkeit langfristiger Antibiotika-Therapie auf der Ebene und zum Treppensteigen mobilisiert worden. Bei dieser Sachlage gegen Ende November 2015 und der auch durch den Beklagten nicht in Frage gestellten Situation anlässlich der Untersuchung durch den Sachverständigen im April 2016 kann nicht davon ausgegangen werden, dass zwischenzeitlich eine erhebliche Verbesserung des Gehvermögens des Klägers bestanden habe. Insbesondere ist mit der Formulierung der Epikrise zur Mobilisierung des Klägers auf der Ebene keine Feststellung zur Gehfähigkeit über eine Strecke von 2000 Metern verbunden. Vielmehr ergibt eine Zusammenschau der Situation anlässlich der Untersuchung durch den Sachverständigen im April 2016, der weniger als ein halbes Jahr davor im November 2015 bestehenden Notwendigkeit zur Teilentfernung der Groß Zehe und dem Bericht der Reha-Klinik über den dortigen Aufenthalt des Klägers von August bis Oktober 2014, wonach seinerzeit der Kläger bereits unter einem diabetischen Fuß gelitten habe und bei der Zurücklegung längerer Wegstrecken "deutlich eingeschränkt" sei, dass die hier relevante Wegstreckenlimitierung beim Kläger bereits bei Antragstellung bestanden hat und seither durch Behandlungsmaßnahmen allenfalls eine Verbesserung der Situation eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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